Im Oktober oder November trage ich eine Harrington-Bomberjacke mit dem roten Schottenkaro auf dem Innenfutter. Er bemerkt es sofort. Er achtet immer darauf, was ich anziehe, auch auf meine Tätowierungen. Die Schönste, sagt er, sei die auf dem linken Arm, die erste, die große, die vom Ellenbogen bis zum Handgelenk geht, der Caravaggio, ein Engel, der einen stürzenden Menschen festhält. Die kleine Tätowierung auf dem rechten Arm mag er auch, das Raumschiff, er sagt: Das habe ich ja für dich gezeichnet. Diese Tätowierungen sind noch aus der Zeit, als wir zusammengewohnt haben. Den Hurensohn auf dem Bauch habe ich ihm noch nicht gezeigt, eine Tätowierung, die ich im Sommer des richterlichen Beschlusses in Montlouis beim Tätowierer neben der Metzgerei hab machen lassen, weil ich Lust hatte, etwas Dummes zu tun, das war lebenswichtig. Paul sagt, die Jacke sei stylisch, ich reiche sie ihm, damit er sie anprobieren kann, er ist schon so groß, sie gefällt ihm, ich sehe ihn an und denke, dass er mir bald die Klamotten klauen wird. Unser erstes Treffen seit dem Sommer. Ich habe im September eine E-Mail mit den neuen Terminen erhalten. Jeden zweiten Samstag von 17:00 bis 18:00 Uhr, wie ein kleines Hobby. Zuerst hatten sie sonntags vorgeschlagen, aber ich fand das unheimlich und habe gesagt, da könne ich nicht, da ich nicht in Paris sei. Oft treffe ich anschließend G., sie wartet in der Gegend auf mich, in einer Bar, die sie kennt, mit Tapas und Wein, ich tue so, als sei ich nicht traurig, sie tut so, als treffe sie mich nicht genau deswegen, weil sie es weiß.
Die Jacke ist mein Geschenk zum Schulanfang. G. begleitet mich ins Geschäft in der Rue des Archives, hilft mir bei der Auswahl. Die gleiche, aber anders, in Marineblau, mit grünem Karo, das ist auch gut. Manchmal kommt es mir seltsam vor, dass sie sich nicht kennen, ich denke sogar, dass sie sich verstehen würden. Kein Wort darüber zu G. Und kein Wort über G. zu Paul. Auch wenn es mir manchmal auf der Zunge brennt. Sie würden mich anschreien im Verein, das geht die Kinder doch nichts an, die Liebe, wenn sie nicht zwischen Vati und Mutti ist. Wenn ich ihn dort treffe, bin ich wie eine entwurzelte Pflanze, wie in einer Papierkulisse, als hätte ich kein Leben. Er ist von meiner gesamten Welt abgeschnitten, von allem, was ich bin und tue.
Von der Jacke ist er begeistert, er zieht sie an und strahlt, trägt sie die ganze Stunde lang, wir machen Fotos, mit seinem Handy, mit meinem, er erzählt mir von seinem ersten Schultag, er ist in der fünften Klasse, sie sagen siebte in seiner Privatschule. Das sechste Arrondissement, Privatschulen, das kennen sie im Begegnungsraum alles so nicht. Ich sage mir, dass es nicht schlecht wäre, wenn sich die Dinge bis zum nächsten Jahr zwischen uns ein wenig einpendeln würden. Für ihn wäre das ein gutes Timing. Für mich auch. Einmal nimmt er einen Stift und mein Notizbuch vom Tisch, schreibt wieder seine Initialen hinein und fügt ein D hinzu. Die Leiterin des Vereins hat heute vor dem Termin mit mir gesprochen. Sie begreift langsam, was Sache ist, dass wir hier nichts verloren haben. Sie bittet mich, ihr den Bericht des Psychologen zu schicken, in dem steht, dass ich normal bin, trotz meiner Homosexualität, trotz meines Buches. Es gibt immer noch keinen Gerichtstermin. Sie sieht sich die Seite des Notizbuchs an und fragt, ob sie das mitnehmen könne, für die Akte.