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Ein Kradbegleiter der Special Escort Group fuhr mit hohem Tempo vor Scotland Yard vor, dicht gefolgt von einem grünen Jaguar und einem unmarkierten Land Rover sowie zwei Polizisten auf Motorrädern, die als Nachhut den königlichen Konvoi vervollständigten. Alle Fahrzeuge kamen zum Stehen, als Big Ben halb zwölf schlug.

Ein Personenschützer sprang vorn aus dem Jaguar und öffnete die hintere Tür. Sir Peter Imbert, der Commissioner der Metropolitan Police, trat heran und verbeugte sich. »Willkommen bei Scotland Yard, Eure Königliche Hoheit«, sagte er, was mit jenem warmen, schüchternen Lächeln erwidert wurde, das der Öffentlichkeit inzwischen so sehr vertraut war.

»Vielen Dank, Sir Peter«, erwiderte sie, als die beiden einander die Hand gaben. »Es war sehr freundlich von Ihnen, meiner ungewöhnlichen Bitte nachzukommen.«

»Es ist mir ein Vergnügen, Ma’am«, sagte Sir Peter und wandte sich dem Empfangskomitee aus hochrangigen Beamten zu, die in einer Reihe hinter ihm standen und warteten. »Darf ich Ihnen den stellvertretenden Commissioner vorstellen …«

Die Prinzessin gab jedem der Beamten die Hand, bis sie das Ende der Reihe erreicht hatte, wo ihr der Leiter der Mordkommission der Met vorgestellt wurde.

»Commander Hawksby, auch bekannt als ›Mord eins‹«, erklärte ihr der Commissioner. »Sowie Chief Inspector William Warwick, der heute Ihr Führer sein wird«, fügte er hinzu, als ein kleines Mädchen vortrat, knickste und der Prinzessin einen Strauß rosafarbener Rosen reichte. Das Mädchen erhielt das breiteste Lächeln überhaupt.

Die Prinzessin beugte sich herab und sagte: »Vielen Dank. Wie heißt du?«

»Artemisia«, flüsterte das Mädchen, den Kopf zum Boden geneigt.

»Was für ein hübscher Name«, sagte die Prinzessin.

Sie wollte eben weitergehen, als Artemisia aufsah und sagte: »Warum tragen Sie heute keine Krone?«

William wurde knallrot, während Ross Hogan – der Ermittler, der ihm direkt unterstellt war – ein Lachen unterdrückte, was dazu führte, dass Artemisia in Tränen ausbrach. Die Prinzessin beugte sich noch einmal zu ihr herab, umarmte das kleine Mädchen und sagte: »Weil ich keine Königin bin, Artemisia, sondern nur eine Prinzessin.«

»Aber Sie werden eines Tages Königin sein.«

»Und dann werde ich eine Krone tragen.«

Das schien Artemisia zufriedenzustellen, denn sie lächelte, als ihr Vater den königlichen Gast der Met in das Gebäude führte.

Ein junger Kadett öffnete die Tür, und die Prinzessin hielt kurz inne, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln, bevor William sie zu einem bereitstehenden Fahrstuhl führte. Vor dem Besuch der Prinzessin hatte es eine lange Diskussion über die Frage gegeben, ob sie die Treppe in den ersten Stock nehmen oder mit dem Aufzug fahren sollte. Der Aufzug hatte mit fünf zu vier Stimmen gewonnen. Eine ebenso angespannte Diskussion hatte der Frage gegolten, wer sie in den Aufzug begleiten sollte. Der Commissioner, Commander Hawksby und William schafften es in die engere Auswahl, während die Hofdame der Prinzessin zusammen mit Inspector Hogan und Detective Sergeant Roycroft den zweiten Aufzug nehmen würde.

William hatte sich sorgfältig auf alles vorbereitet, was er sagen wollte, doch bereits mit ihrer ersten Frage brachte Ihre Königliche Hoheit ihn von seinem geplanten Kurs ab.

»Ist Artemisia zufällig Ihre Tochter?«

»Ja, Ma’am«, sagte William. »Aber was lässt Sie darauf schließen?«, fragte er, denn er hatte einen Augenblick lang vergessen, dass er sich nicht an einen ihm untergebenen Beamten richtete.

»Wenn sie nicht Ihre Tochter wäre, wären Sie nicht rot geworden«, lautete die Antwort, als sie den Aufzug betraten.

»Ich habe ihr gesagt, dass sie Sie nicht ansprechen und Ihnen ganz gewiss keine Fragen stellen soll«, sagte William.

»Die Tatsache, dass sie nicht auf Sie gehört hat, bedeutet wahrscheinlich, dass sie der interessanteste Mensch sein dürfte, dem ich heute begegnen werde«, flüsterte Diana, als sich die Türen schlossen. »Warum haben Sie ihr den Namen Artemisia gegeben?«

»Sie ist nach Artemisia Gentileschi benannt, der großen italienischen Barockmalerin.«

»Dann mögen Sie also Kunst?«

»Eine Leidenschaft von mir, Ma’am. Aber es war meine Frau Beth, die Kuratorin der Gemälde im Fitzmolean ist, die den Namen ausgesucht hat.«

»Dann werde ich eine weitere Gelegenheit haben, Ihre Tochter zu treffen«, sagte die Prinzessin. »Denn wenn ich mich recht erinnere, werde ich nächstes Jahr die Frans-Hals-Ausstellung eröffnen. Ich werde wohl darauf achten müssen, wenigstens eine kleine Krone zu tragen, wenn ich vermeiden will, dass ich wieder gescholten werde«, fügte sie hinzu, als sich die Aufzugtüren im ersten Stock öffneten.

»Das Kriminalmuseum, Ma’am«, sagte William, indem er zu seiner vorbereiteten Rede zurückkehrte, »besser bekannt unter der Bezeichnung ›Schwarzes Museum‹, geschaffen aufgrund der Idee eines gewissen Inspector Neame, der 1869 den Eindruck hatte, es würde seinen Kollegen bei der Aufklärung und sogar der Verhinderung von Verbrechen helfen, wenn sie die Möglichkeit bekämen, bekannte Fälle zu studieren. Unterstützt wurde er dabei von einem gewissen Constable Randall, der Material über verschiedene berüchtigte Kriminelle und Tatorte zusammentrug, welche die ersten Ausstellungsstücke in dieser Verbrechergalerie bildeten. Das Museum wurde fünf Jahre später, im April 1874, eröffnet. Doch es ist der Öffentlichkeit bis heute verschlossen.«

William warf einen Blick zurück und sah, dass Ross mit der Hofdame der Prinzessin plauderte. Er führte seinen Gast durch einen langen Flur zu Zimmer 101, wo eine weitere Tür für die königliche Besucherin geöffnet wurde. William fragte sich, ob die Prinzessin jemals selbst eine Tür öffnete, doch rasch schob er den Gedanken beiseite und kehrte zu seinem vorbereiteten Text zurück.

»Ich hoffe, Sie finden das Museum nicht zu verstörend, Ma’am. Gelegentlich sind schon Besucher in Ohnmacht gefallen«, sagte er. Sie betraten einen Raum, dessen spärliche Beleuchtung sehr zur makabren Atmosphäre beitrug.

»Es kann nicht schlimmer sein als vier Tage in Ascot«, erwiderte die Prinzessin, »wo mich regelmäßig der Wunsch überkommt, in Ohnmacht zu fallen.«

William hätte am liebsten gelacht, aber es gelang ihm, sich zu beherrschen.

»Das erste Ausstellungsstück«, sagte er, als sie sich einer großen Glasvitrine näherten, »enthält frühe Erinnerungsstücke, die von Neame und Randall gesammelt wurden.«

Die Prinzessin betrachtete aufmerksam eine Sammlung von Waffen, mit denen Kriminelle im siebzehnten Jahrhundert ihre Opfer ermordet hatten, darunter ein Spazierstock, der sich durch die Drehung seines Knaufs in einen Degen verwandelte, sowie verschiedene Klappmesser, schwere Holzknüppel und Schlagringe. Rasch ging William weiter zur nächsten Vitrine, die Jack the Ripper gewidmet war und unter anderem den handschriftlichen Brief enthielt, den dieser 1888 auf dem Höhepunkt der Serienmorde an die London Central News Agency geschickt hatte, um die Polizei mit der Aussage zu provozieren, dass er nie geschnappt werden würde. Aber das war, so rief William seinem Gast in Erinnerung, bevor die Met damit begonnen hatte, Fingerabdrücke zur Identifizierung von Kriminellen einzusetzen, und mehr als ein Jahrhundert bevor der DNA -Abgleich zu einer Möglichkeit bei den Ermittlungen wurde.

»Bisher bin ich noch nicht in Ohnmacht gefallen«, sagte die Prinzessin, als sie zur nächsten Vitrine weitergingen, die ein altes Fernglas enthielt. »Was ist daran so besonders?«, fragte sie.

»Es wurde nicht für Ascot hergestellt, Ma’am«, sagte William. »Es war ein Geschenk von einem ausgesprochen unangenehmen Individuum an seine Verlobte, nachdem sie diesem Herrn den Laufpass gegeben hatte. Als sie es vor ihre Augen hielt und die Schärfe einstellte, schossen zwei Nägel heraus und blendeten sie. Im Prozess wurde der Angeklagte vom Anwalt der Krone gefragt, warum er etwas so Bösartiges getan hatte, und er antwortete nur: ›Ich wollte nicht, dass sie jemals wieder einen anderen Mann ansieht.‹«

Diana bedeckte ihre Augen, und William ging rasch weiter.

»Das nächste Ausstellungsstück ist besonders faszinierend, Ma’am«, sagte er und deutete auf eine kleine, einfache Metallkiste. »Es lieferte den entscheidenden Hinweis im ersten Fall, den die Met durch die Verwendung von Fingerabdrücken als Beweismittel gelöst hat. Im Jahr 1905 wurden die Brüder Alfred und Albert Stratton wegen Mordes an dem Ladeninhaber Thomas Farrow und dessen Frau Ann festgenommen. Sie wären damit durchgekommen, wenn Alfred nicht diesen einzigen Daumenabdruck auf der leeren Bargeldkiste hinterlassen hätte. Sie wurden beide schuldig gesprochen und gehängt.«

Sie gingen weiter zur nächsten Vitrine, wo die Prinzessin einen kurzen Blick auf ein Foto warf, bevor sie sich William zuwandte und sagte: »Erzählen Sie mir von ihm.«

»Am achtzehnten Februar 1949 tötete John Haigh die reiche Witwe Olive Durand-Deacon, als sie seine Ingenieurswerkstatt in Crawley besuchte. Nachdem Haigh ihr alles abgenommen hatte, was sie an Wertgegenständen bei sich trug, löste er ihre Leiche in einem Fass Schwefelsäure auf, denn er glaubte, dass man ihn nicht des Mordes würde anklagen können, wenn die Polizei keine Leiche vorweisen konnte. Er hatte jedoch nicht mit der fachlichen Kompetenz eines gewissen Dr. Keith Simpson gerechnet … ein Pathologe, der drei Gallensteine und ein paar der falschen Zähne des Opfers in einem Haufen Abfall hinter der Werkstatt fand. Haigh wurde festgenommen, verurteilt und gehängt.«

»Sie genießen es anscheinend außerordentlich, ein Mädchen bei der ersten Verabredung an einen romantischen Ort auszuführen, nicht wahr, Chief Inspector?«, sagte die Prinzessin, woraufhin William sich entspannte und zum ersten Mal lachte.

»Ein weiteres Beispiel in einer langen Reihe späterer Erfolge«, fuhr er fort, als sie vor der nächsten Vitrine stehen blieben, »stellte die Festnahme von Dr. Hawley Harvey Crippen dar, einem amerikanischen Homöopathen, der seine Frau Cora in London ermordet hatte, bevor er in Begleitung seiner Geliebten Ethel Le Neve nach Brüssel floh. Von Brüssel aus ging es für die beiden nach Antwerpen, wo Crippen zwei Tickets für die SS Montrose besorgte, einen Ozeandampfer, der nach Kanada fuhr. Ethel verkleidete sich als Knabe, sodass die beiden als Vater und Sohn auftreten konnten. Bevor das Schiff in See stach, hatte man dem Kapitän ein Fahndungsplakat gezeigt, und er wurde misstrauisch, als er sah, wie Crippen und Le Neve sich bei den Händen hielten und einander küssten. Er telegrafierte Scotland Yard, und Chief Inspector Walter Dew, der die Ermittlungen leitete, fuhr sofort nach Liverpool und ging an Bord der SS Laurentic , die Kanada noch vor der Montrose erreichte. Als Lotse verkleidet betrat er das Schiff, als dieses den Sankt-Lorenz-Strom hinauffuhr, nahm Crippen und Le Neve fest und brachte sie nach England zurück, wo ihnen der Prozess gemacht wurde. Die Geschworenen brauchten nur eine halbe Stunde, um Crippen des Mordes für schuldig zu befinden.«

»Also kam auch er an den Galgen«, sagte die Prinzessin in vergnügtem Ton. »Aber was ist mit Le Neve?«

»Sie wurde vom Vorwurf der Hilfe bei der Vertuschung einer Straftat freigesprochen, aber die Geschworenen brauchten viel länger, um zu einem Urteil zu kommen.«

»Interessant, dass Frauen am Ende so oft straflos davonkommen«, sagte die Prinzessin, als sie den nächsten Raum betraten, der kaum einladender aussah als derjenige zuvor.

»Sie werden jetzt einigen bekannten East-End-Gangstern begegnen«, erklärte William. »Ich beginne mit den berüchtigtsten von allen, den Kray-Brüdern Reggie und Ronnie.«

»Sogar ich habe von ihnen gehört«, sagte die Prinzessin, die vor einer Reihe von Schwarz-Weiß-Fotos der berüchtigten Zwillinge stand.

»Obwohl sie über viele Jahre hinweg zahllose schwere Straftaten begangen hatten, darunter Mord bei mehr als einer Gelegenheit, war es fast unmöglich, sie anzuklagen, geschweige denn zu verurteilen, weil keiner bereit war, gegen sie auszusagen. Denn die Leute hatten zu große Angst vor den Folgen.«

»Wie wurden sie dann geschnappt?«

»Die Polizei nahm sie schließlich fest, nachdem Reggie 1967 einen Komplizen namens Jack ›The Hat‹ McVitie ermordet hatte. Beide Krays wurden zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.«

»Und derjenige, der gegen sie ausgesagt hatte?«

»Bekam keine Gelegenheit mehr, seinen nächsten Geburtstag zu feiern, Ma’am.«

»Ich stehe immer noch, Chief Inspector«, neckte die Prinzessin, als sie in den nächsten Raum gingen, in dem sie die Präsentation einer Reihe von Juteseilen verschiedener Länge und Dicke erwartete.

»Bis ins neunzehnte Jahrhundert kamen jedes Mal sehr viele Leute in Tyburn zusammen, um sich die öffentlichen Hinrichtungen anzusehen«, sagte der Commissioner, der den beiden in kurzem Abstand gefolgt war. »Dieser barbarischen Form der Unterhaltung wurde im Jahr 1868 ein Ende gesetzt. Von da an fanden Hinrichtungen nur noch hinter den Gefängnismauern statt, ohne Beisein der Öffentlichkeit.«

»Waren Sie als junger Beamter jemals bei einer Hinrichtung zugegen, Sir Peter?«, fragte die Prinzessin.

»Nur ein einziges Mal, Ma’am, und Gott sei Dank nie wieder.«

»Helfen Sie mir auf die Sprünge«, sagte die Prinzessin, indem sie sich wieder an William wandte. »Wer war die letzte Frau, die gehängt wurde?«

»Sie sind mir einen Schritt voraus, Ma’am«, sagte William und trat vor die nächste Vitrine. »Ruth Ellis, eine Bardame, wurde am dreizehnten Juli 1955 gehängt, nachdem sie ihren Geliebten mit einem .38er Smith & Wesson erschossen hatte. Hier können Sie den Revolver sehen.«

»Und der letzte Mann?«, fragte die Prinzessin, während sie die Waffe anstarrte.

William zermarterte sich das Gehirn, denn das gehörte eigentlich zu seinem Vortrag. Er wandte sich dem Commissioner zu, doch dieser reagierte nicht.

Der Kurator des Museums rettete sie, indem er vortrat und sagte: »Gwynne Evans und Peter Allen, Ma’am, wurden am dreizehnten August 1964 wegen Mordes an John Alan West gehängt. Im Jahr darauf wurden Hinrichtungen auf die Gesetzesinitiative eines einzelnen Abgeordneten hin abgeschafft. Es dürfte Sie jedoch interessieren, Ma’am, dass man immer noch wegen Verrat oder Piraterie unter Einsatz von Gewalt gehängt werden kann.«

»Ich glaube, Verrat wäre in meinem Fall wahrscheinlicher«, sagte die Prinzessin, was allgemeines Gelächter auslöste.

William führte seinen Gast durch den letzten Raum auf ihrem Rundgang, in dem Diana eine Reihe von Flaschen gezeigt wurden, die verschiedene Gifte enthielten. William erklärte, dass dies die bevorzugte Mordmethode von Frauen war, besonders wenn es um ihre Ehemänner ging. Kaum dass William diese Worte ausgesprochen hatte, bereute er sie.

»Und damit, Ma’am, wären wir am Ende unserer Tour angelangt. Ich hoffe, Sie fanden sie …« Er zögerte und ersetzte dann das Wort »angenehm«, das er hatte benutzen wollen, durch »interessant«.

»›Faszinierend‹ wäre eine bessere Beschreibung der letzten Stunde, Chief Inspector«, erwiderte die Prinzessin, und William begleitete sie aus dem Museum.

Sie gingen zurück durch den langen Flur in Richtung Aufzug, wobei sie an einem Waschraum vorbeikamen, der für die königliche Besucherin reserviert worden war. Zwei junge Polizistinnen standen Wache, doch ihre Dienste waren nicht vonnöten, weshalb sie enttäuscht wirkten. Die Prinzessin spürte das und blieb kurz stehen, um ein paar Worte mit ihnen zu wechseln, bevor sie weiterging.

»Ich freue mich schon darauf, Sie wiederzusehen und Ihre Frau kennenzulernen, wenn ich die Frans-Hals-Ausstellung eröffnen werde, Chief Inspector«, sagte die Prinzessin, als sie in den Aufzug trat. »Das dürfte gewiss eine vergnüglichere Angelegenheit werden.«

William gelang es zu lächeln.

Als sich die Aufzugtüren im Erdgeschoss öffneten, übernahm der Commissioner wieder die Führung und begleitete den königlichen Gast zu der bereitstehenden Limousine, wo der Personenschützer der Prinzessin die hintere Tür aufhielt. Diana hielt inne, um der Menge zuzuwinken, die sich auf der anderen Straßenseite versammelt hatte.

»Mir ist aufgefallen, dass du keine Zeit verloren und sofort mit ihrer Hofdame geplaudert hast«, sagte William, als Inspector Hogan zu ihm trat.

»Ich glaube«, sagte Ross ohne das geringste Zögern, »dass ich Chancen bei ihr habe.«

»Ich würde meinen, du trittst in einer Gewichtsklasse an, die weit über deiner eigenen liegt«, erwiderte William.

»Das war für dich selbst nie ein Problem«, sagte Ross grinsend.

»Touché«, sagte William und deutete seinem Freund gegenüber eine Verbeugung an.

»Lady Victoria hat mir gesagt, dass der Personenschützer der Prinzessin Ende des Jahres in Pension geht und sie bisher noch keinen Ersatz gefunden haben. Also habe ich gehofft, du könntest ein gutes Wort für mich einlegen.«

»An welches Wort hattest du dabei gedacht? Unzuverlässig? Berüchtigt? Promiskuitiv?«

»Ich glaube, das entspricht so ziemlich dem, was sie sucht«, sagte Ross, als die Hofdame in den Fond des Fahrzeugs vor der Limousine der Prinzessin stieg.

»Ich werde darüber nachdenken«, sagte William.

»Hast du nicht mehr zu sagen nach allem, was ich über die Jahre für dich getan habe?«

William versuchte, nicht zu lachen, als er daran dachte, wie ihre jüngste Eskapade geendet hatte. Er und Ross waren gerade aus Spanien zurückgekommen, wo sie Miles Faulkner auf der Spur gewesen waren. Schließlich hatten sie ihre alte Nemesis in Barcelona gefasst und gewaltsam nach Belmarsh zurückgebracht – in jenes Gefängnis, aus dem Faulkner im Jahr zuvor ausgebrochen war. Trotz ihres Triumphs waren sich William und Ross der unvermeidlichen Konsequenzen bewusst, denen sie sich würden stellen müssen, nachdem sie jede offizielle Regel gebrochen hatten, wie der Commander sich ausdrückte. William erinnerte seinen Vorgesetzten daran, dass es bei Miles Faulkner keine offiziellen Regeln gab und dass er, hätten sie nicht die eine oder andere Vorschrift ignoriert, ihnen erneut entwischt wäre.

»Ein doppeltes Unrecht ist noch kein Recht«, hatte sie der Commander ermahnt.

Doch wie lange, fragte sich William, konnten sie darauf hoffen, dass Faulkner hinter Gittern bleiben musste, wenn dessen korrupter Anwalt nur zu gerne genau jene Regeln beugte, bis sie fast brachen, sofern das seinen »hoch angesehenen Mandanten« von allen Vorwürfen freisprach und dieser ohne den geringsten Fleck auf seiner weißen Weste aus dem Gefängnis entlassen würde? Die beiden hatten sich auch damit abgefunden, dass Kronanwalt Booth Watson sich erst zufriedengäbe, wenn William und Ross sich einer disziplinarischen Anhörung stellen mussten, in deren Folge sie wegen inakzeptablen Verhaltens unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen würden. William hatte seine Frau bereits davor gewarnt, dass ihnen während der nächsten Monate ein Aufenthalt in unruhigem Fahrwasser bevorstünde.

»Und gibt es auch noch irgendetwas Neues?«, hatte Beth ihn gefragt, bevor sie hinzufügte, sie würde sich erst zufriedengeben, wenn Booth Watson zusammen mit seinem »hoch angesehenen Mandanten« hinter Gittern saß, wo beide auch hingehörten.

Mit einem Ruck kam William in die Gegenwart zurück, als Ihre Königliche Hoheit im Fond der Limousine Platz nahm und die Polizisten ihre Motorräder starteten, um das königliche Gefolge von Scotland Yard in die Victoria Street zu führen.

Die Prinzessin winkte aus ihrem Auto heraus der Menge zu, und alle winkten zurück – außer Ross, der immer noch ihrer Hofdame zulächelte.

»Dein Problem ist, dass deine Eier größer sind als dein Hirn«, sagte William, als der Konvoi langsam davonfuhr.

»Wodurch das Leben bei Weitem interessanter wird«, erwiderte Ross.

Sobald der Konvoi der Prinzessin verschwunden war, traten der Commissioner und Hawksby zu den beiden. »Das war eine gute Idee von Ihnen«, sagte Sir Peter, »nicht uns alte Säcke, sondern zwei junge Beamte unsere Gäste durch das Museum führen zu lassen, besonders da einer von ihnen so offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht hat.«

»Vielen Dank, Sir«, sagte Ross, was dem Commander ein schiefes Lächeln entlockte.

»Ich finde, Warwick hat es verdient, sich den Rest des Tages freizunehmen«, schlug Sir Peter vor und machte sich auf den Weg zurück in sein Büro.

»Kommt nicht infrage«, murmelte Hawksby, sobald der Commissioner außer Hörweite war. »Genau genommen möchte ich Sie beide und den Rest des Teams so bald wie möglich in meinem Büro sehen – und so bald wie möglich bedeutet sofort.«