Rasch drehte William den Schlüssel um in der Hoffnung, er käme früh genug zurück, um den Kindern eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Erfreut hörte er die fröhlichen jungen Stimmen, die aus dem Wohnzimmer kamen. Er hängte seinen Mantel an den Garderobenständer im Flur, holte die beiden Päckchen aus den Innentaschen und ging auf den ausgelassenen Lärm zu.
Kaum hatte William die Tür geöffnet, als Artemisia schon auf ihn zustürmte und ihre Arme um seine Beine schlang.
»Stimmt es«, fragte sie, bevor er noch etwas sagen konnte, »dass du zum Tee bei Prinzessin Di warst?«
»Der Prinzessin von Wales«, korrigierte Beth.
»Die Antwort ist Ja«, sagte William. »Ich soll euch sogar von ihr grüßen, und sie hat mich gebeten, dir ein Geschenk zu geben.«
Artemisia streckte ihre Hände aus, und Peter fragte: »Hatte sie auch ein Geschenk für mich?«
»Ja, natürlich«, sagte William und zog die beiden Schachteln hinter seinem Rücken hervor. Er reichte sie den beiden und hoffte, dass die Zwillinge nicht bemerken würden, dass eines der Geschenke bei Weitem besser verpackt war als das andere. Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen, denn Peter riss sofort das Geschenkpapier von der Verpackung. Sein Sohn war voller Ungeduld zu erfahren, was sich darin befand, während Artemisia sich Zeit ließ, sorgfältig das Seidenband löste und das rosarote Geschenkpapier abstreifte, die beide einen Ehrenplatz auf ihrem Nachttisch erhalten würden.
»Wow«, sagte Beth, als Artemisia eine kleine Krone aus schimmernden Perlen hochhielt.
»Ist sie echt?«, fragte Artemisia und drückte sie an sich.
»Wenn eine Prinzessin sie dir gegeben hat, dann muss sie echt sein«, sagte Beth und setzte ihrer Tochter das Krönchen auf den Kopf.
Artemisia rannte aus dem Zimmer, um sich im Flurspiegel zu betrachten, während Peter sein Pyjamaoberteil aufzuknöpfen begann.
»Sie weiß sogar, für welche Mannschaft ich bin und dass Kerry Dixon mein Lieblingsspieler ist!«, verkündete er und streifte ein Chelsea-Trikot mit der Rückennummer 9 über.
»Und noch beeindruckender ist«, flüsterte Beth, »dass sie weiß, welche Größe er trägt.«
Artemisia erschien erhobenen Hauptes und begann, mit königlicher Gebärde im Zimmer herumzustolzieren, wobei sie lächelte und mit dem Handrücken der Katze zuwinkte. Als sie an Peter vorbeikam, sagte sie in gebieterischem Ton: »Du musst dich verbeugen.«
»Die Anhänger von Chelsea verbeugen sich vor niemandem«, sagte Peter und begann, in der entgegengesetzten Richtung zu paradieren und den Zuschauern auf den Rängen sein neues Trikot vorzuführen.
Irgendwie gelang es den Eltern, ihre ernste Miene zu bewahren.
»Darf ich es zum Schlafen anbehalten?«, fragte Peter, nachdem er mehrere Runden gedreht hatte.
»Ja, natürlich darfst du das«, sagte seine Mutter und fügte ein zweites, an Artemisia gerichtetes »Ja« hinzu, noch bevor ihre Tochter fragen konnte. »Aber morgen früh werdet ihr beide an die Prinzessin schreiben und euch bedanken.«
»Mein Brief wird lang und interessant werden, denn ich habe ihr viel zu erzählen, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe«, sagte Artemisia, als das Kindermädchen zu ihnen trat.
»Zeit, um ins Bett zu gehen«, sagte Sarah mit fester Stimme.
»Ich bin eine Prinzessin«, erwiderte Artemisia, »aber du kannst mich Artemisia nennen.«
»Vielen Dank, Ma’am«, sagte Sarah und deutete einen Knicks an. »Aber sogar Prinzessinnen brauchen ihren Schönheitsschlaf.«
Artemisia umarmte ihren Vater, bevor sie und Peter gleichzeitig mit Sarah plaudernd das Zimmer verließen.
»Du bist ein guter Mensch, William Warwick«, sagte Beth, als sie sich herabbeugte und ihn auf die Stirn küsste. »Das Krönchen glaube ich, aber nicht das Chelsea-Trikot.« William lächelte. »Und jetzt will ich alles über deinen Besuch im Kensington Palace hören. Was hatte sie an? Was gab es zum Tee? Und das Wichtigste: Welche Bilder, die ich niemals sehen werde, hängen dort an den Wänden?«
William bedauerte bereits, nicht länger auf der Treppe geblieben zu sein, als Ihre Königliche Hoheit sich mit Ross unterhalten hatte.
»Alles zu seiner Zeit«, sagte er. »Zunächst gibt es etwas Wichtigeres, über das wir sprechen müssen.« Er zögerte einen Augenblick und fragte dann: »Was hältst du davon, wenn wir noch ein Kind bekämen?«
Beth antwortete nicht sofort. Es dauerte eine Weile, bis sie fragte: »Was hat sich geändert? Schließlich haben wir das Thema ad infinitum diskutiert, und immer sind wir zum selben Schluss gekommen. Wir können es uns einfach nicht leisten.«
William lehnte sich zurück und hörte sich einen Vortrag an, den er schon oft gehört hatte.
»Wir sind ein typisches modernes Paar«, erinnerte ihn Beth. »Wir beide sind voll berufstätig und würden das auch nicht anders wollen. Du übst einen Beruf aus, den du schon immer haben wolltest, und ich muss dich nicht daran erinnern, wie sehr ich es als ein Glück empfinde, im Fitzmolean zu arbeiten. Und nicht nur das: Als Chief Inspector kannst du nicht einmal Überstunden anrechnen lassen, obwohl deine Arbeitsbelastung nicht geringer geworden ist. Und was das Ganze noch schlimmer macht: Ich bekomme einen Hungerlohn im Vergleich zu Männern in einer ähnlichen Position. Das ist das Los von Frauen, die in der Kunstwelt, im Verlagswesen oder im Theater arbeiten. Doch das wird mich nicht daran hindern, energisch darauf hinzuarbeiten, dass sich das in Zukunft ändert«, fügte sie emphatisch hinzu. »Frauen werden weiter ausgenutzt, solange es eine Überzahl engagierter Bewerberinnen für jede Stelle gibt, besonders wenn sie es nicht wagen, sich über die Bezahlung zu beschweren. Und selbst dann endet alles häufig damit, dass ein weniger qualifizierter Mann den Posten bekommt, weil er keine Babypause machen wird!«
William unterbrach sie nicht. Er hatte selbst miterlebt, wie es bei der Polizei dasselbe Vorurteil gab, wo Frauen bei Beförderungen immer wieder übergangen worden waren und man ihnen weniger geeignete Männer vorgezogen hatte – häufig mit der Begründung, dass der Betreffende »eine Frau und eine Familie zu versorgen hat«.
Beth, so beschloss er, sollte sich weiter Luft machen dürfen. Er würde ihr erst wieder eine Frage stellen, wenn sie sich ein wenig beruhigt hatte.
»Und vergiss nicht«, fuhr Beth fort, »dass wir ein Kindermädchen einstellen mussten, das fast so viel verdient wie ich. Versteh mich nicht falsch, Sarah ist jeden Penny wert, denn sie gibt mir die Möglichkeit, der Arbeit nachzugehen, die ich liebe. Aber jedes Mal, wenn sie einen Abend freinimmt, müssen wir einen Babysitter bezahlen, damit wir ins Theater gehen oder auswärts essen können.«
Noch immer strömte die Lava den Berg hinab auf ihn zu.
»Es war anders zur Zeit unserer Eltern, als alle davon ausgingen, dass Frauen auf der Welt sind, um die Kinder großzuziehen, das Haus sauber zu halten, die Mahlzeiten zu kochen und die Karriere ihrer Männer zu fördern. ›Lieben, ehren und gehorchen ‹«, betonte sie. »Nur für den Fall, dass du es vergessen hast, Höhlenmensch.«
Wieder musste William daran denken, warum er diese Frau bewunderte.
»Ich schwöre, mein Vater weiß nicht, wie viele Minuten es dauert, ein Ei zu kochen, während es deiner gerade mal schafft, den Weihnachtstruthahn zu zerlegen.«
»Aber er verbringt jede Menge Zeit damit, vorher das Messer zu schleifen«, sagte William, um die Stimmung etwas aufzuhellen.
»Die Wahrheit ist«, fuhr Beth fort, indem sie seinen Einwurf ignorierte, »dass unsere beiden Mütter sehr wohl in der Lage gewesen wären, einer anspruchsvollen Berufsarbeit nachzugehen, wenn sie nur die Möglichkeit dazu bekommen hätten.«
»Deine Mutter saß im Aufsichtsrat der Firma deines Vaters«, rief William ihr in Erinnerung.
»Frag sie, wie viel sie verdient hat, während sie die Bücher in makelloser Ordnung hielt und gleichzeitig mich großgezogen hat. Lass dir meine Worte eine Warnung sein, Detective Chief Inspector. Wir stehen kurz vor einer Revolution, bei der der homo sapiens durch die femina sapiens ersetzt werden wird. Ich sage voraus, dass es in nicht allzu ferner Zukunft geschehen wird, auch wenn die meisten Männer es nicht kommen sehen.«
Ihre Stimme klang inzwischen ruhiger, aber nicht weniger entschlossen.
William verzichtete darauf, sie daran zu erinnern, dass sie den Abschnitt über die Jäger und Sammler in ihrer Ansprache ausgelassen hatte.
»Ich muss zugeben«, fuhr Beth fort, »dass wir uns dank der Großzügigkeit meiner Eltern ein eigenes Haus leisten können. Aber es ist immer noch schwierig für uns, über die Runden zu kommen, obwohl dein Vater ein Treuhandkonto für die Ausbildung der Kinder eingerichtet hat. Trotzdem ist die Farbe meines Kontoauszugs stets rot geblieben, seit ich die Universität beendet habe, und dein Konto ist nur an dem Tag im Plus, nachdem man dir dein Gehalt ausgezahlt hat. Nein, William, die einfache Antwort auf deine Frage ist: Wir können uns kein weiteres Kind leisten, so sehr wir uns auch eines wünschen würden.«
»Aber wenn wir uns ein weiteres leisten könnten?«
»Dann hätte ich gleich sechs davon«, sagte Beth. »Die Zwillinge sind das Glück meines Lebens.«
»Ich würde mich für drei entscheiden«, sagte William. »Und es könnte sein, dass ich eine Lösung gefunden habe.«
»Hast du im Lotto gewonnen, Höhlenmensch? Oder werden wir eine Bank ausrauben wie Bonnie und Clyde?«, fragte Beth, die versuchte, wie Warren Beatty zu klingen.
»Keines von beiden wird nötig sein. Wir könnten ein drittes Kind ohne zusätzliche Ausgaben haben, und du würdest nicht einmal in Mutterschutz gehen müssen.«
»Ich kann es gar nicht erwarten zu hören, wie wir das wohl schaffen sollten«, sagte Beth mit einem übertriebenen Seufzen.
»Der Personenschützer der Prinzessin wird im neuen Jahr in Pension gehen, und sie hat Ross die Stelle angeboten.«
»Dann war das der Grund, warum sie euch beide zum Tee eingeladen hat?«
»Ja, aber Ross glaubt, dass er der Verantwortung, sich gleichzeitig um Jojo zu kümmern, nicht gerecht werden kann. Alleinerziehende Mütter schaffen das irgendwie unter ähnlichen Umständen, aber alleinerziehende Väter sind weit weniger anpassungsfähig.«
»Besonders alleinerziehende Väter, die Workaholics sind«, sagte Beth. »Ich kann mir gut vorstellen, dass Ross’ Arbeitszeiten mit einem geordneten Privatleben nicht mehr vereinbar sein werden, wenn er die Stelle annimmt. Jeder weiß, dass Diana abends nicht gerne ruhig zu Hause sitzt. Aber so sehr ich Ross auch helfen möchte, ich weiß nicht, wie es unser Problem …«
»Mit unseren ständig überzogenen Konten lösen sollte«, sagte William. »Vergiss nicht, dass Josephine Ross so viel Geld hinterlassen hat, dass er nie wieder arbeiten müsste. Was einigermaßen ironisch ist, denn Ross ist am glücklichsten, wenn er wirklich viel arbeiten kann, und die Prinzessin hat ihm die Chance geboten, all seine Fähigkeiten und seine Erfahrung, die er über die Jahre erworben hat, sinnvoll einzusetzen. Offen gestanden kenne ich niemanden, der für diese Stelle besser geeignet wäre.«
»Versuchen wir mal, die Sache einen Augenblick lang praktisch anzugehen«, sagte Beth nachdenklich. »Wie würde es ablaufen?«
»Jojo würde als Teil der Familie bei uns wohnen. Ross würde sie besuchen, wann immer es ihm möglich ist, und an seinen freien Tagen etwas mit ihr unternehmen. Natürlich würden sie seinen Jahresurlaub zusammen verbringen. Im Gegenzug übernimmt er Sarahs Gehalt und gibt uns einhundert Pfund die Woche, um für zusätzliche Ausgaben aufzukommen. Darüber hinaus würde er ein Drittel der Zahlungen auf das Treuhandkonto übernehmen, das für die Ausbildung gedacht ist, sodass Jojo dieselben Vorteile hätte wie die Zwillinge.«
»Zusätzlich zu dem, was Sarah bekommt? Das ist mehr als großzügig.«
»Der Nachteil ist, dass es drei Kinder wären, um die wir uns kümmern müssten, und nicht nur zwei.«
»Das ist der Vorteil «, sagte Beth, die ihre Aufregung angesichts dieses Vorschlags kaum verbergen konnte. »Aber wie werden die Zwillinge reagieren, wenn wir es ihnen sagen? Was glaubst du?«
»Artemisia wird Jojo hemmungslos bemuttern, besonders wenn sie hört, dass Ross dadurch die Möglichkeit erhält, sich um die Prinzessin zu kümmern. Peter wird so tun, als würde er sie überhaupt nicht bemerken, bis sie alt genug ist, um Fußball zu spielen.« William lehnte sich zurück, um auf Beths Antwort zu warten, fügte aber zuvor noch hinzu: »Ich habe Ross bereits davor gewarnt, dass du ein wenig Zeit brauchen würdest, um darüber nachzudenken.«
»Wie wäre es mit einer Nanosekunde?«, antwortete Beth.
Booth Watson starrte über seinen Schreibtisch hinweg den ehemaligen Superintendent an – einen Mann, den er verachtete und der dieses Gefühl erwiderte. Trotzdem gab es niemanden, der besser für die Aufgabe geeignet wäre, die ihm vorschwebte. Lamont trug einen Anzug, der zwar elegant, aber ein wenig eng war und verriet, wie viel er seit seinem Ausscheiden aus der Met zugenommen hatte.
»Ich hätte da einen besonders sensiblen Auftrag, den Sie für mich ausführen sollen«, begann Booth Watson. Lamont nickte knapp. »Wie Sie wissen, ist Miles Faulkner wieder im Gefängnis, und ich werde ihn verteidigen, wenn sein Fall im Old Bailey verhandelt wird. Ich muss sicher sein, dass ich mich auf meine Hauptzeugin Mrs. Christina Faulkner verlassen kann, sollte ich beschließen, sie in den Zeugenstand zu rufen.«
Ein weiteres Nicken. Lamont wusste, wann er den Mann, der seine Haupteinnahmequelle darstellte, besser nicht unterbrach.
»Sie hatten früher schon mit dieser Dame zu tun«, fuhr Booth Watson fort, »weshalb Ihnen klar sein dürfte, dass man ihr nicht trauen sollte. Es wird Sie also nicht überraschen, dass ich jemanden brauche, der sie Tag und Nacht im Auge behält.«
»Gibt es irgendetwas Besonderes, wonach ich Ausschau halten sollte?«
»Ich muss wissen, zu wem sie regelmäßig Kontakt hat und besonders, wie oft sie Mrs. Beth Warwick trifft. Noch wichtiger sind Informationen darüber, ob sie jemals zum Mann dieser Frau Verbindung aufnimmt.«
Auf Lamonts Gesicht erschien ein Ausdruck, der anzudeuten schien, dass DCI Warwick in seinen Augen zu den Dingen gehörte, die für ihn noch nicht erledigt waren. Booth Watson war sich bewusst, dass Lamont die Polizei nur wenige Monate, bevor er Anspruch auf eine Pension in voller Höhe gehabt hätte, wegen Warwick verlassen musste. Natürlich war nichts davon in den Akten erschienen. Doch jeder kannte den Grund, warum er den Dienst quittieren musste und, was noch wichtiger war, wer für sein plötzliches Ausscheiden die Verantwortung trug.
»Ich weiß«, sagte Booth Watson, »dass Sie früher für Mrs. Faulkner gearbeitet haben. Aber von jetzt an werden Sie nur noch für mich arbeiten. Sollte ich herausfinden, dass Sie sich nebenbei etwas hinzuverdienen, werden zwei Dinge geschehen. Erstens werden Ihre Einnahmen noch am selben Tag zum Erliegen kommen.«
Und zweitens?, wollte Lamont ihn fragen, aber das war nicht notwendig.
»Und zweitens müsste ich meinen Mandanten über Ihren Verrat informieren.« Booth Watson gestattete sich, die angedeutete Drohung eine Weile in der Luft hängen zu lassen, bevor er fortfuhr. »Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Kristallklar.«
Booth Watson nickte. Dann öffnete er die oberste Schublade seines Schreibtisches und entnahm ihr einen dicken braunen Umschlag. Er schob ihn langsam über den Tisch, um deutlich zu machen, dass das Gespräch beendet war.
»Und denken Sie erst gar nicht daran, Ihre Spesen zu frisieren«, waren Booth Watsons Abschiedsworte, als Lamont aufstand und sich zum Gehen umwandte. »Denn wenn Sie das tun, wird Ihnen bald nur noch Ihre magere Pension zum Überleben bleiben. Und ja, ich weiß, dass Ihre Frau gerne Geld ausgibt.«
Der ehemalige Superintendent war froh, dass er Booth Watson in diesem Augenblick den Rücken zugekehrt hatte, sodass sein Zahlmeister seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte.