9

William und Rebecca erreichten Buckingham Gate Nummer 4 am frühen Dienstagmorgen, ohne sicher zu sein, was sie erwartete. Sie waren, wie Rebecca sich ausdrückte, putzmunter und mehr als bereit, sich ihrer neuen Aufgabe zu stellen.

William klopfte an die Tür, da sie keinen Zugangscode für das kleine Tastenfeld in der Wand besaßen. Es kam keine Reaktion. Er wollte es gerade zum dritten Mal versuchen, als die Tür zur Hälfte geöffnet wurde und ein Mann sie über die Kette hinweg musterte. Er wirkte, als habe man ihn aus dem Tiefschlaf gerissen und als hätte er keine Zeit gehabt, sich zu rasieren.

»Was wollen Sie?«, fragte er barsch.

»Hereinkommen«, erwiderte William.

»Wer sind Sie?«

»Detective Chief Inspector Warwick«, sagte William und zeigte ihm seine Dienstmarke. »Und wer sind Sie?«

»Sergeant Jennings. Was kann ich für Sie tun, Inspector?«

»Chief Inspector«, korrigierte William in scharfem Ton. »Sie könnten damit anfangen, die Tür zu öffnen und mir mein Büro zu zeigen.«

Jennings löste die Kette und öffnete widerwillig die Tür, damit die beiden Fremden eintreten konnten. Stumm führte er sie durch einen langen Flur, wobei er beim Gehen die Lampen einschaltete. Sie stiegen eine Treppe in den Keller hinab, wo der feuchte, modrige Geruch darauf hinzuweisen schien, dass diese Ebene nur selten aufgesucht wurde. Vor einer Tür am gegenüberliegenden Ende blieben sie stehen, und Jennings ließ sich Zeit, den passenden Schlüssel herauszusuchen.

»Ihr Büro«, erklärte er, nachdem es ihm schließlich gelungen war, die Tür aufzuschließen. Er war offensichtlich nie zuvor in diesem Raum gewesen und schauderte, bevor er beiseitetrat, damit die Neuankömmlinge hineingehen konnten.

Eine einzelne Glühbirne hing von der Decke. Darunter standen ein kleiner Schreibtisch aus Sperrholz – der wackelte, wenn man ihn berührte – sowie zwei Plastikstühle und einige Holzregale, auf denen ein Polizeijahrbuch von 1984 lag und sich ansonsten nur der Staub des vergangenen Jahres angesammelt hatte.

»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«, fragte Jennings und klang dabei, als hielten ihn die beiden von etwas Wichtigerem ab.

»Darf ich annehmen, dass Sie letzte Nacht Dienst hatten, Sergeant?«

»Ja«, lautete die verlegene Antwort.

»Ja, Sir«, korrigierte William.

»Ja, Sir«, antwortete Jennings knapp und schlug die Hacken zusammen.

»Zuerst«, sagte William, »sollten Sie sich rasieren, eine Jacke und eine Krawatte anziehen und sich dann wieder bei mir melden.«

»Ich will gerade Dienstschluss machen.«

»Wollte gerade Dienstschluss machen«, korrigierte William. Jennings drehte sich um und ging, wobei er mit zusammengebissenen Zähnen etwas Unverständliches murmelte.

»Ich habe früh am Morgen schon schlimmere Dinge gesehen«, sagte Rebecca, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Aber nicht mehr seit meiner Studienzeit.«

»Meinen Sie den Sergeant oder diesen Raum?«

»Beides«, sagte sie und schaute sich um. »Aber ich vertraue darauf, dass ich bei mindestens einem von beiden in Kürze für eine Verbesserung sorgen kann.«

»So zeigen sie uns, was sie von Außenstehenden halten, die ihnen bei ihrer Art, wie sie sich eingerichtet haben, in die Quere kommen. Wir können wahrscheinlich davon ausgehen, dass sie uns im Keller sitzen lassen, bis ihnen klar geworden ist, dass wir doch keine leichte Beute für sie sind.«

»Seien Sie unbesorgt, Chief. Ich werde dafür sorgen, dass ein Renoir, ein Picasso und ein Matisse an den Wänden hängen, lange bevor der Superintendent auftaucht.«

»Ein Telefon, ein Aktenschrank und ein Papierkorb wären mir lieber«, sagte William, während er begann, die Schreibtischschubladen zu öffnen. Sie waren allesamt leer.

Rebecca nahm einen kleinen Notizblock und einen Kugelschreiber aus ihrem Aktenkoffer und reichte sie William, als Jennings in das Büro geschlendert kam.

»Verlassen Sie den Raum, Sergeant«, sagte William. »Klopfen Sie an und warten Sie, bis Sie hereingebeten werden. Und wenn es so weit ist, vergessen Sie nicht, Ihren eigenen Stuhl mitzubringen.«

Rebecca hätte gerne ein Foto von Jennings’ Miene gemacht, als Erinnerung an ihren ersten Tag bei der Royalty Protection. Diesmal zog sich Jennings kommentarlos zurück.

»Ich habe den Eindruck, Ihnen gefällt das, Chief«, bemerkte Rebecca.

»Wenn Jennings in irgendeiner Weise typisch für die ganze Truppe ist, dann wird das eine größere Herausforderung, als ich ursprünglich gedacht hatte.«

Von der Tür her erklang ein Klopfen.

»Herein!«, sagte William.

Jennings öffnete die Tür und betrat den Raum. Er trug einen bequemen Stuhl bei sich.

»Sie dürfen sich setzen, Sergeant«, sagte William.

Jennings stellte seinen Stuhl vor den Schreibtisch und nahm Platz. William blieb stehen, während Jennings sich vorbeugte, als kauere er auf einem Hocker in der Ecke eines Boxrings und warte darauf, dass jemand die Glocke zur ersten Runde läutete.

»Name und Rang?«

»Das habe ich Ihnen bereits gesagt«, entgegnete Jennings.

»Noch so eine Insubordination, Sergeant, und ich hole meinen roten Stift heraus und bitte Sie um Ihr Dienstbuch.«

»Warum? Was habe ich denn getan?«

»Es geht darum, was Sie nicht getan haben. Sie hatten gestern Nacht Dienst, aber als Sie die Tür aufgemacht haben, war klar, dass ich Sie geweckt hatte, denn Sie waren unrasiert und haben gegähnt.«

Jennings rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

»Name und Rang?«, wiederholte William.

»Sergeant Ray Jennings.«

»Wie lange sind Sie schon bei der Polizei, Sergeant?«

»Sechs Jahre.«

»Sechs Jahre, Sir

»Sechs Jahre, Sir.«

»Was ist Ihre Aufgabe?«

»Ich bin der dritte Personenschützer im persönlichen Team des Prince of Wales, Sir.«

»Wer sind die beiden anderen Beamten in diesem Team?«, fragte William.

»Superintendent Milner, der Leiter des Royalty Protection Command, und Inspector Reynolds, der Beamte, der im Rang unmittelbar auf ihn folgt.«

»Wann kann ich damit rechnen, dass die beiden hier erscheinen?«

»Inspector Reynolds kommt am Dienstagmorgen üblicherweise gegen zehn.«

»Gegen zehn?«

»Wenn er das Wochenende über gearbeitet hat und Seine Königliche Hoheit vor Mittag keine offiziellen Verpflichtungen hat, ist es nicht unbedingt notwendig, dass er früher kommt. Er wohnt ohnehin auf dem Land.«

»Und Superintendent Milner?«

»Man kann niemals sicher sein, ob er im Buck House oder in Windsor Castle ist. Aber sobald er eintrifft, werde ich ihm unverzüglich Bescheid geben, dass Sie hier sind.«

»Und Sie?«

»Ich habe diese Woche Nachtschicht«, sagte Jennings und unterdrückte ein erneutes Gähnen. »Ich wollte mich gerade auf den Weg nach Hause machen.«

»Bevor Sie gehen, hätte ich gerne eine Kopie Ihres Dienstplans und den Namen des Beamten, der ihn abzeichnet, wenn Ihr jeweiliger Dienst beendet ist. Sollte ich Sie jemals wieder unrasiert oder nicht korrekt gekleidet antreffen, Sergeant, werden Sie wieder im Rang eines Constable auf Streife gehen.« Sofort setzte Jennings sich kerzengerade auf, und der missmutige Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht. »Sie können Ihren Dienst jetzt beenden, Sergeant.«

Jennings stand auf, hob den Stuhl hoch und ging zur Tür.

»Sie können den Stuhl hierlassen, Sergeant.«

Früher an diesem Morgen hatten sich Jackie und Paul an der Haltestelle Windsor getroffen und sich einer kleinen Gruppe von Pendlern angeschlossen, von denen jedoch niemand zum Schloss ging. Paul war ungewöhnlich schweigsam und ließ eine leichte Nervosität erkennen, die beide von ihnen empfanden. Sie erreichten die Schlosstore wenige Minuten vor acht und wurden von einem Wachsoldaten angehalten, der sie ganz offensichtlich nicht erwartet hatte.

Als Jackie ihre Dienstmarke vorzeigte, öffnete er zögernd die Tore und ließ die beiden eintreten. Sie gingen zur Unterkunft der Personenschützer, deren Lage Jackie von einer ihrer touristischen Ausflüge her kannte.

Mit raschem Schritt betrat Jackie das zentrale Büro, wo eine elegant gekleidete junge Frau an einem Schreibtisch saß und sich über einige Zahlen in einem Hauptbuch beugte. Sie wirkte sogar noch überraschter, die beiden Neuankömmlinge zu sehen, als der Wachsoldat.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.

Wieder zeigte Jackie ihre Dienstmarke vor. Sie war froh darüber, dass sie beide nicht erwartet wurden.

»Ich bin Constable Smart«, sagte die junge Frau sofort und stand auf. Doch sie war sich immer noch nicht sicher, was die beiden hier wollten.

»Sind Sie die einzige Beamtin, die heute Morgen Dienst hat, Constable?«, fragte Jackie.

»Ja«, erwiderte Smart in defensivem Ton. »Dienstags kommen die anderen erst kurz vor dem Lunch. Es sei denn, ein Mitglied der königlichen Familie hat schon früher einen Termin«, fügte sie hinzu, indem sie versuchte, ihre Indiskretion zu kaschieren.

Für Jackie war die Andeutung eines Missfallens in ihrer Stimme nicht zu überhören, und sie fragte sich, ob sich Constable Smart zu gegebener Zeit vielleicht als hilfreiche Verbündete erweisen konnte.

»Kann ich Ihnen einen Kaffee bringen, Sergeant?«, fragte Constable Smart höflich.

»Ja, vielen Dank«, sagte Jackie, setzte sich neben sie und drehte Paul den Rücken zu.

Paul verstand den Hinweis und machte sich auf die Suche nach einem Büro, das die beiden für sich beanspruchen könnten, fand allerdings nur einen zusätzlichen Schreibtisch und einen Besenschrank. Doch als er zurückkehrte, sah er erfreut, dass Jackie eine zweite Tasse Kaffee mit Constable Smart genoss.

Zehn Minuten vor acht drückte DI Hogan auf die Klingel am Vordereingang. Wenige Augenblicke später wurde die Tür von jemandem geöffnet, der glatt rasiert und elegant gekleidet war und ihn eindeutig erwartete.

»Willkommen im Kensington Palace, Inspector«, sagte der Butler. »Bitte treten Sie ein. Die Prinzessin frühstückt in ihrem Zimmer. Vor neun bekomme ich sie üblicherweise kaum zu Gesicht, sodass wir die Gelegenheit nutzen könnten und ich Sie ein wenig herumführe. Fangen wir mit Ihrer Unterkunft an. Sie befindet sich im obersten Stock.«

»Da wo ich herkomme«, sagte Ross, »nennt man das den Dachboden.«

Burrows, der Butler, lachte leise, als er Ross nach oben führte. »Ich muss gestehen, dass Ihre Unterkunft ein wenig beengt ist, aber Sie können immer zu mir in die Küche kommen, wenn Sie nichts Besseres zu tun haben.« Er öffnete die Tür zu einem Raum, der größer war als jedes Zimmer in Ross’ Wohnung. Ein einzelnes Bett stand fast versteckt in einer Ecke. »Für den Fall, dass Sie spät vom Dienst zurückkommen und am folgenden Morgen sehr früh einen Termin haben«, erklärte Burrows, »was durchaus nicht ungewöhnlich ist. Sie werden schon bald mitbekommen, dass Ihre Königliche Hoheit eher eine Eule als eine Lerche ist.«

Ross nickte, während er sich im Zimmer umsah. Er war überrascht, wie gut es ausgestattet war. Vom Schreibtisch nahm er eine handgeschriebene Karte, auf der einfach nur Willkommen stand.

»Wie soll ich Sie ansprechen?«, fragte Burrows höflich.

»›Ross‹ ist in Ordnung«, sagte Ross und öffnete einen Schrank, in dem ein Dutzend Kleiderbügel an einer Stange hingen.

»Nein, ich meinte ›Inspector‹ oder ›Sir‹.«

»Und ich meinte ›Ross‹.«

»Vielen Dank, Ross. Ich bin Paul. Aber nicht vor der Prinzessin. Sie finden eine Kopie ihrer Termine in der nächsten Woche auf Ihrem Schreibtisch. Heute nimmt sie an einem Wohltätigkeitslunch zugunsten einer Herzklinik im Dorchester Hotel teil. Der Veranstaltungsort wurde bereits von einem Vorausteam überprüft. In Zukunft wird das zu Ihren Aufgaben gehören. Aber wann immer Sie ›in einem Gebäude feststecken‹, wie die Prinzessin das nennt, können Sie eine Pause machen.« Er öffnete eine der Schreibtischschubladen und reichte Ross eine dicke Akte. »Das sollte Ihnen bei Ihrer Vorbereitung helfen, Ross. Ich werde versuchen, jede Frage zu beantworten, die Sie möglicherweise haben könnten … aber erst, nachdem Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben. Dürfte ich vielleicht noch anmerken, dass Sie für einen Polizisten außergewöhnlich gut gekleidet sind?«

»Dafür müssten Sie meiner verstorbenen Frau danken«, sagte Ross. »Jo war Französin und hatte keine besonders hohe Meinung von dem, was Briten üblicherweise tragen. Noch weniger hielt sie von unserem Mangel an Gespür für die Haute Cuisine oder gute Weine, und wenn es darum ging, wie man eine Dame behandelt, hatte sie uns völlig aufgegeben.«

»Kein Wunder, dass die Prinzessin Sie mag.«

Beide lachten. Es war das Lachen zweier Männer, die begannen, einander zu verstehen.

»Sie brauchen einige Kleider zum Wechseln«, fuhr Burrows fort. »Einen Anzug für formelle Gelegenheiten, einen Cutaway für Hochzeiten und Beerdigungen sowie einen Smoking für abends. Manchmal werden Sie alle drei Garnituren an einem einzigen Tag benötigen.«

»Hilfe«, sagte Ross.

»Keine Angst. Der Schrank mag zwar jetzt noch leer sein, aber ich werde Ihnen helfen, etwas Passendes zu finden. Wenn Sie sich bei Cassidy and Cassidy in der Savile Row melden, wird Mr. Francis Cassidy Sie ausstatten. Außerdem weiß er, wohin er die Rechnung schicken soll.«

»Wird das wirklich notwendig sein?«, fragte Ross. »Ich habe bereits ein paar ordentliche Anzüge und einen Smoking.«

»Die dürften nicht angemessen sein, fürchte ich. Wir können es uns nicht leisten, dass Sie irgendwie fehl am Platz wirken. Sie müssen mit der Umgebung verschmelzen, sodass niemand Ihnen einen zweiten Blick gönnt. Es soll doch nicht zu offensichtlich sein, dass Sie ab jetzt ihr Personenschützer sind.«

Ross setzte sich an seinen neuen Schreibtisch und schlug die Akte auf, die als »VERTRAULICH « gekennzeichnet war.

»Es wird Zeit, dass ich das Frühstückstablett hole und Ihrer Königlichen Hoheit bei der Auswahl ihrer Kleidung helfe, wenn sie heute das Haus zu ihrem ersten Termin verlässt. Ich werde ihr mitteilen, dass Sie eingetroffen sind.«

»Ist der Prince of Wales bei ihr?«

»Sie werden schon bald lernen, Ross, dass es einige Fragen gibt, die man einfach nicht stellt.«

Das Telefon auf Williams Schreibtisch begann zu klingeln. Er nahm ab und hörte, wie eine bellende Stimme befahl: »Melden Sie sich in meinem Büro. Sofort.«

Man musste William nicht sagen, wer am anderen Ende der Leitung war. Vermutlich, so dachte er, lag das Büro von Superintendent Milner nicht im Keller.

Nachdem er sich ein paar Mal nach dem Weg erkundigt hatte, stand William im zweiten Stock vor einer Tür, an der ein Schild mit großen Goldbuchstaben verkündete:

SUPERINTENDENT BRIAN MILNER

Leiter der Royalty Protection

Er klopfte an und wartete, bis er die Aufforderung »Herein!« hörte. Dann trat er in ein großes, bequem möbliertes Zimmer, das selbst im Buckingham Palace nicht fehl am Platz gewesen wäre, ganz zu schweigen von Buckingham Gate. Überall an den Wänden hingen Fotos, die Milner mit verschiedenen Mitgliedern der königlichen Familie zeigten, wodurch der Eindruck entstand, es handele sich um enge Freunde.

»Setzen Sie sich, Warwick«, sagte der Superintendent, ohne William in irgendeiner Form willkommen zu heißen. William saß noch nicht einmal, bevor er hinzufügte: »Wie ich höre, haben Sie einen meiner Beamten angeschnauzt, als er nicht im Dienst war.«

»Wenn Sie damit Sergeant Jennings meinen, Sir. Als ich heute Morgen um sechzehn Minuten vor acht eintraf, war er unrasiert und unangemessen gekleidet, obwohl er noch im Dienst war. Ich habe ihn nicht angeschnauzt. Ich habe ihn jedoch nicht im Zweifel darüber gelassen, was ich von seiner Einstellung und seiner Erscheinung als Polizeibeamter hielt.«

Milners Miene schien auszudrücken, dass er es nicht gewohnt war, dass ein ihm untergeordneter Beamter auf eine solche Weise antwortete. »Sie sollten nicht vergessen, Warwick, dass meine Männer immer noch mir Bericht erstatten und nicht Ihnen.« Er starrte William lange und grimmig an, bevor er hinzufügte: »Natürlich nur, Chief Inspector, sofern Sie nicht auf meinen Job aus sind.«

»Ich habe kein Interesse an Ihrem Job, Superintendent. Ich erledige nur den meinen.«

»Offen gestanden, Warwick«, sagte Milner, »habe ich Mühe zu begreifen, was genau Ihre Aufgabe ist.«

»Der Commissioner hat mich gebeten, einen umfassenden Bericht über die Tätigkeit dieser Einheit zu erstellen, um zu sehen, ob irgendwelche Verbesserungen vorgenommen werden können.« William zog einen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn dem Superintendent.

»Ich bin davon überzeugt, Chief Inspector«, sagte Milner, nachdem er den Inhalt des Umschlags gelesen hatte, »dass Sie herausfinden werden, dass alles in dieser Einheit glatt und korrekt läuft.« William fragte sich, warum der Superintendent überflüssigerweise das Wort »korrekt« hinzugefügt hatte. Warten Sie immer auf einen Satz, den der Verdächtige später bereuen wird , hatte Hawksby ihn gelehrt. »Seien Sie versichert, dass ich gerne bereit bin, Ihnen in jeder Weise behilflich zu sein, sofern es in meiner Macht steht«, fuhr Milner fort. »Aber offen gestanden denke ich, dass Sie Ihre Zeit verschwenden.«

»Dann wollen wir hoffen, dass Sie recht haben, Sir«, sagte William. »Wäre es trotzdem möglich, dass DC Pankhurst und ich ein Büro bekommen, das nicht so wirkt, als seien wir vom Hausmeisterdienst?«

»Im Augenblick habe ich keine anderen freien Räume zur Verfügung.«

»Vielleicht könnte einer Ihrer Constables …«

»Und vielleicht könnte keiner«, blaffte Milner.

»Außerdem werde ich eine Sekretärin brauchen«, fuhr William unbeirrt fort, »die ebenso orthografisch korrekt schreiben wie tippen kann, bevor wir anfangen, mit sämtlichen dreiundsechzig Mitgliedern Ihrer Einheit in Buckingham Gate zu sprechen und darüber hinaus mit denen in Windsor.«

»Ist das wirklich notwendig?«, fragte Milner mit sanfterer Stimme als zuvor. »Schließlich haben meine Jungs vollgepackte Dienstpläne, und ich muss Sie zweifellos nicht daran erinnern, dass sich die königliche Familie nicht unbedingt an die üblichen Bürozeiten hält.«

»Ich werde versuchen, ihre täglichen Pflichten nicht zu beeinträchtigen«, versicherte William ihm. »Aber wenn ich einen aussagekräftigen Bericht für den Commissioner erstellen soll …«

»Ich möchte diesen Bericht sehen, bevor Sie ihn einreichen«, unterbrach ihn Milner.

»Natürlich, Sir. Ich werde Sie stets über meine Fortschritte auf dem Laufenden halten. Ich bin sicher, Ihre Mitarbeiter werden dasselbe tun.«

»Gibt es noch etwas, Warwick, bevor es mir gestattet ist, mich wieder an meine eigentlichen Aufgaben zu machen?«, fragte Milner schroff.

»Ja, Sir. Zwei Mitglieder meines Teams, DS Adaja und DS Roycroft, werden während unserer Untersuchung in Windsor Castle stationiert sein. Darf ich darauf hoffen, dass ihnen heute Morgen ein wärmerer Empfang zuteilwurde als mir?«

»Wenn Sie uns über Ihre Ankunft informiert hätten, Chief Inspector, hätte ich Sie selbst willkommen geheißen«, sagte Milner. Er versuchte nicht, seine Verärgerung zu verbergen.

»Das hätte den Zweck unseres Hierseins wohl eher zunichtegemacht, Sir«, sagte William, ohne mit der Wimper zu zucken.

»Und worin könnte dieser Zweck bestehen?«

»Einfach darin zu beweisen, dass Ihre Einheit, um die Anweisungen des Commissioners zu zitieren, für ihre Aufgabe geeignet ist.«

»Ich bin überzeugt, Sie werden erkennen, dass genau das der Fall ist. Sie sollten jedoch gleich von Anfang an begreifen, dass das Royalty Protection Command eine Einheit ist, die man nicht mit anderen vergleichen kann und in der normale Regeln keine Geltung haben. Sie sollten nicht vergessen, Warwick, dass wir nur der königlichen Familie gegenüber verantwortlich sind und niemandem sonst.«

»Wir alle sind Diener der Krone, Superintendent. Ich bin darüber hinaus Commander Hawksby gegenüber verantwortlich, der seinerseits dem Commissioner untersteht.«

Milners Miene verriet, dass er genau wusste, welchen Ruf Hawksby hatte.

»Ich bin sicher, dass wir einigermaßen miteinander auskommen werden«, sagte Milner. Sein drohendes Auftreten hatte sich schlagartig in Kriecherei verwandelt. »William, nicht wahr?«

»Chief Inspector Warwick, Sir.«

»Sie sollten versuchen, die Herausforderungen zu begreifen, denen ich mich täglich gegenübersehe, Warwick.«

»Ich werde mein Bestes tun, damit jeder die Chance erhält, diese Herausforderungen in allen Einzelheiten darzustellen, Sir.«

»Wenn das Ihre Einstellung ist, Warwick, täten Sie gut daran, sich zu vergegenwärtigen, dass mein Chef einen höheren Rang innehat als Commander Hawksby«, sagte Milner, dem es kaum noch gelang, sich zu beherrschen.

»Ganz zu schweigen vom Commissioner, Sir«, sagte William. »Ich werde meinem Chef Ihre Gedanken zu diesem Thema gerne mitteilen.«

»Ich glaube, es wird Zeit, dass Sie gehen, Warwick.« Milner griff nach dem Telefon auf seinem Schreibtisch. »Ich werde mich mit Ihrem Commander unterhalten, also machen Sie sich erst gar nicht die Mühe, sich bei uns häuslich einzurichten. Ich habe das Gefühl, dass Sie schon heute wieder nach Scotland Yard zurückkehren werden«, fügte er an William gewandt hinzu, bevor er den Hörer abnahm. »Holen Sie mir Commander Hawksby im Yard an den Apparat«, bellte er ins Telefon. Er wedelte mit der Hand, womit er William zu verstehen gab, dieser möge sich zurückziehen.

»Danke, Sir«, sagte William, verließ das Büro und schloss leise die Tür hinter sich. Er ging ins Kellerbüro und sah, dass es Rebecca irgendwie gelungen war, mehrere Schachteln Papier, eine Schreibmaschine und sogar einen Aktenschrank zu besorgen.

»Wie ist es gelaufen?«, fragte sie.

»Es hätte schlimmer sein können«, sagte William, nachdem er ihr von dem Gespräch berichtet hatte. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie.«

»Soll das heißen, dass wir zum Mittagessen wieder im Yard sind?«

»Sie wissen genau, dass Hawksby von Mittagspausen nicht gerade begeistert ist«, sagte William, als er sich an seinen Schreibtisch setzte und darauf wartete, dass das Telefon klingeln würde.