»Losnummer zweiundzwanzig, der Max Ernst«, sagte der Auktionator. »Das Eröffnungsgebot liegt bei siebentausend Pfund. Achttausend«, verkündete er, nachdem er sich der anderen Seite des Saals zugewandt hatte. »Höre ich neuntausend?«, fragte er, was mit einem Nicken quittiert wurde. »Zehntausend?«, wandte er sich erneut an den ersten Bieter, erhielt jedoch keine Reaktion. Er erteilte den Zuschlag. »Verkauft für neuntausend Pfund.«
»Wie viel Gewinn haben wir damit gemacht?«, fragte Christina.
»Ich habe ursprünglich achttausend dafür bezahlt«, antwortete Beth. »Aber wenn Christie’s die Verkäufergebühr abgezogen hat, können wir uns glücklich schätzen, wenn wir mit plus/minus null davonkommen.«
»Das hört sich so gar nicht nach dir an.«
»Jeder verliert irgendwann mal. Der Trick besteht darin, es nicht zur Gewohnheit werden zu lassen.«
»Hast du vor, heute auch etwas zu kaufen?«
»Es gibt ein Aquarell der Coventry Cathedral von Graham Sutherland, das mich interessiert. Los siebenundzwanzig. Aber in diesem Fall vertrete ich eine Kundin.«
»Warum bietet die Kundin nicht selbst mit?«
»Jedes Mal, wenn diese besondere Kundin eine Auktion besucht, lässt sie sich zu viel zu hohen Ausgaben hinreißen. Deshalb hat sie mir ihr Limit mitgeteilt, und ich biete in ihrem Namen.«
»Wie viel verlangst du für diese Leistung?«
»Fünf Prozent vom Zuschlagspreis.«
»Los siebenundzwanzig«, verkündete der Auktionator. »Der Graham Sutherland. Das Mindestgebot liegt bei sechstausend Pfund. Höre ich sieben?« Beth hob ihr Paddel. »Danke, Madam. Achttausend?« Ein Bieter am Telefon reagierte sofort. »Höre ich neun?« Wieder hob Beth ihr Paddel. »Zehntausend?«, fragte der Auktionator, und wiederum reagierte Beths Mitbieter sofort. »Elftausend?« Der Auktionator lächelte Beth hoffnungsvoll an, doch sie schüttelte den Kopf, denn die Summe lag über dem vereinbarten Limit. »Verkauft für zehntausend Pfund«, erklärte der Auktionator und notierte die Nummer auf dem Paddel des Telefonbieters.
Beths Herz hämmerte, und sie fragte sich, wie viele Jahre es wohl dauern würde, bis dies nicht mehr so sein würde, wenn sie bei einer Auktion mitbot. Sie hoffte, es würde nie dazu kommen.
»Bisher können wir nicht einmal unser Mittagessen bezahlen«, sagte Christina. »Werden wir noch eine Chance bekommen, um unser Geld zurückzuerhalten?«
»Vielleicht. Aber Los vierunddreißig ist das einzige, an dem ich noch interessiert bin.«
Christina blätterte die Seiten ihres Katalogs durch, bis sie das Bild von Andrew Wyeth gefunden hatte, auf dem eine junge Frau in einem Maisfeld lag. »Das gefällt mir«, flüsterte sie.
»Habe ich richtig gehört?«, fragte Beth.
»Allerdings. Es erinnert mich an einen Pissarro, der inzwischen Miles gehört, nachdem ich mich idiotischerweise von meiner Hälfte seiner Sammlung getrennt habe. Wenn er nicht mein ganzes Geld gestohlen hätte«, sagte sie wehmütig, »würde ich den Wyeth kaufen und damit den Grundstock zu meiner eigenen Sammlung legen.«
Beth hätte nie geglaubt, dass sie solche Worte einmal hören würde. Doch andererseits war es Christina bisher immer wieder gelungen, sie zu überraschen.
»Warum interessierst du dich gerade für dieses Bild?«, fragte Christina.
»Wyeth ist ein amerikanischer Künstler, und er hat begeisterte Anhänger in den Staaten, besonders in Pennsylvania, wo er geboren wurde. Wenn ich es für uns sichern könnte, würde ich es bei Freeman’s weiterverkaufen, dem führenden Auktionshaus in den USA .«
»Wie gerissen«, sagte Christina. »Es sei denn, hier im Saal sitzen einige Amerikaner.«
»Das werden wir gleich herausfinden«, sagte Beth gerade, als der Auktionator verkündete: »Los vierunddreißig, der Andrew Wyeth. Welche Gebote höre ich?«
»Wirst du …«
»Psst!«, sagte Beth.
»Höre ich ein Eröffnungsgebot von fünftausend Pfund? Fünftausend?«, fragte er mehrere Male.
»Warum bietest du nicht?«, fragte Christina.
»Psst!«, wiederholte Beth.
»Höre ich viertausend?«, fragte er, wobei er versuchte, nicht zu verzweifelt zu klingen. Gerade als es so aussah, als würde er das Bild zurückziehen müssen, hob Beth langsam ihr Paddel. Wieder hämmerte ihr Herz, dessen Schlag erst wieder zu seiner normalen Geschwindigkeit zurückkehrte, als sie den Zuschlag erhielt und der Auktionator erklärte: »Verkauft für viertausend Pfund an die Dame, die am Gang sitzt.« Beth hob ihr Paddel ein weiteres Mal, damit der Auktionator ihre Nummer auf seiner Verkaufsliste eintragen konnte.
»Das wäre alles für heute«, sagte Beth und erhob sich. Als sie und Christina den Auktionssaal verließen, eilte ein Mann an ihnen vorbei, um sich Beths Platz zu sichern. »Gute Arbeit für einen einzigen Vormittag«, erklärte Beth und trat an den Verkaufstisch, wo sie einen Scheck über 4 400 Pfund ausschrieb.
»Wenn du es jetzt für mehr als viertausendvierhundert Pfund verkaufst, machen wir Gewinn«, sagte Christina, als sie nach draußen auf die Bond Street traten.
»Schön wär’s«, sagte Beth. »Zuerst müssen wir Verpackung, Transport und Versicherung bezahlen, von der Prämie für den amerikanischen Auktionator ganz zu schweigen. Wir müssten eher fünftausend bekommen, bevor wir mit einem Gewinn rechnen sollten.«
Sie waren erst wenige Schritte gegangen, als sie hörten, wie hinter ihnen eine Stimme rief: »Mrs. Warwick?«
Beth drehte sich um und erkannte den Mann, der es so eilig gehabt hatte, als er im Gang an ihnen vorbeigestürmt war. Er blieb stehen, holte tief Luft und sagte dann mit breitem amerikanischen Akzent: »Ich wurde in einer Vorstandssitzung aufgehalten. Ich hatte eigentlich die Absicht, für den Wyeth mitzubieten, und ich frage mich, ob Sie möglicherweise Kunsthändlerin sind und es in Erwägung ziehen würden, mir das Bild zu verkaufen. Ich wäre bereit, fünftausend dafür zu bezahlen.«
Beth schüttelte den Kopf.
»Sechstausend?«
Beth wartete so lange, bis er schließlich »sieben« sagte, und wollte sein Angebot gerade annehmen, als Christina nachdrücklich erwiderte: »Nein, vielen Dank«, und weiterzugehen begann. Sogleich ließ der Mann Beth stehen und eilte Christina hinterher. »Acht?«, sagte er.
»Ich würde es nicht einmal für zehntausend verkaufen«, sagte Christina. »Es wird sich so gut in meiner Sammlung machen.«
»Elf«, sagte der Amerikaner noch immer schwer atmend.
»Dreizehn«, sagte Christina und blieb schließlich stehen.
»Zwölf«, erwiderte er.
»Zwölftausendvierhundert, und es gehört Ihnen.«
Der Amerikaner zog sein Scheckbuch aus der Tasche und fragte: »Auf wen soll ich den Scheck ausstellen?«
»Auf Mrs. Beth Warwick«, sagte Christina, ohne zu zögern.
Er stellte den Scheck aus und reichte ihn Christina. Dann verbeugte er sich tief und zog mit einem Lächeln im Gesicht davon.
»Jetzt haben wir einen Gewinn von achttausend gemacht«, sagte Christina.
»Du bist eine Hexe«, sagte Beth.
»Natürlich. Immerhin habe ich meinen Unterricht von jemandem erhalten, der wirklich über den Hexensabbat herrscht.«
»So schlimm ist Miles nicht.«
»Ich habe nicht an Miles gedacht«, sagte Christina und lächelte ihre Freundin an.
Miles und Lamont benötigten etwas mehr als eine Stunde, um im Raum mit den Schließfächern das Bargeld aus einer großen Box in die andere umzufüllen. Nachdem Miles den noch vorhandenen Betrag überprüft hatte, sah er, dass Booth Watson sich mit weiteren 126 000 Pfund bedient hatte, wozu er offensichtlich mehrere Male in den letzten Wochen mit seiner Gladstone-Tasche in die Bank gekommen war. Jetzt kannte Miles den wahren Grund, warum BW wollte, dass er auf schuldig plädierte. So bliebe seinem Anwalt nämlich mehr als genügend Zeit, um alles bis auf den letzten Penny von seinem Geschäftskonto abzuheben und aus seinem Schließfach zu holen, bevor er endlich entlassen würde.
Als Lamont die leere Box zurückstellte, nahm Miles eine Fünfzigpfundnote aus seiner Brieftasche und ließ sie hineinfallen. »Wir wollen doch nicht, dass BW mit leeren Händen abziehen muss, oder?«
Lamonts dünnes Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen, als Miles zehntausend Pfund aus der vollen Box nahm und sie ihm reichte.
»Morgen werde ich noch einmal zehntausend Pfund auf Ihr Konto überweisen, wenn es mir gelingt, wieder in meinem Bett zu liegen, bevor die Lichter gelöscht werden.«
Miles schob den Schlüssel in seine Tasche und drückte den grünen Knopf neben der Stahltür, die sofort aufschwang. Er trat hinaus in den Korridor, wo er kaum einen Gruß für den Mann vom Sicherheitsdienst übrig hatte, während er zurück zum Aufzug ging. Als die Aufzugtür sich öffnete, stieg Miles ein und drückte energisch den Knopf mit der 5. Lamont schaffte es gerade noch rechtzeitig zu ihm.
Sie gingen in das Büro des Direktors im fünften Stock, wo alle notwendigen Papiere vorbereitet waren und Miles nur noch seine Unterschrift leisten musste. Er las alle drei Dokumente gründlich durch, und nachdem er sie unterschrieben hatte, reichte er Lamont seinen Füllfederhalter und bat ihn, seine Unterschrift zu bezeugen. Miles wusste, dass Lamont so den Mund halten würde, wenn er es vermeiden wollte, mit seinem Wohltäter irgendwann eine Zelle zu teilen.
»Wenn Sie das nächste Mal meinen hochgeschätzten Anwalt sehen«, sagte Miles, als er Cotterill den alten Schlüssel zurückgab, »sollten Sie ihm unbedingt Grüße von mir ausrichten.«
»Und wenn er fragen sollte …«
»Dann sagen Sie ihm einfach, dass ich mich während meiner Abwesenheit von Ex-Superintendent Lamont habe anwaltlich vertreten lassen.«
Als Miles und Lamont wieder im Erdgeschoss waren, verließen sie die Bank, ohne einen Blick zurückzuwerfen, und gingen direkt zum Auto. Lamont fluchte, als er einen Strafzettel wegen Überschreitens der Parkerlaubnis von der Windschutzscheibe zupfte.
»Vergessen Sie nicht, den zu bezahlen«, sagte Miles. »Es sind immer die kleinen Fehler, die einen zu Fall bringen.« Bevor Lamont reagieren konnte, fügte er hinzu: »Wir sollten uns auf den Weg machen. Wir haben immer noch eine wichtige Aufgabe zu erledigen.«
»The Connaught Hotel. Was kann ich für Sie tun?«
»Bitte verbinden Sie mich mit Mr. Lees Suite.«
»Dürfte ich fragen, wer ihn zu sprechen wünscht?«
»Booth Watson.«
»Ich stelle Sie durch, Mr. Watson.«
Booth Watson machte sich nicht die Mühe, sie zu korrigieren, während er auf die Verbindung wartete.
»Guten Tag, Mr. Booth Watson«, sagte eine vertraute Stimme. »Ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
»Ja, vielen Dank, Mr. Lee. Und Ihnen?«
»Ebenso«, sagte Lee, für den damit der typisch englische Small Talk abgeschlossen war, weshalb er nun zum Thema kommen durfte. »Hatten Sie die Möglichkeit, mein Angebot mit Ihrem Mandanten zu besprechen?«
»Die hatte ich in der Tat«, sagte Booth Watson. »Zu meiner Überraschung ist Mr. Faulkner bereit, Ihr Angebot von einhundert Millionen Dollar für seine Sammlung zu akzeptieren. Er hat mich gebeten, mich um die Details zu kümmern.«
»Das freut mich, Mr. Booth Watson. Wie würden Sie gerne fortfahren?«
»Wenn Sie mir sagen, wohin die Bilder geliefert werden sollen, werde ich mich um die Verpackung und die Versicherung kümmern und sie nach Hongkong verschiffen lassen.«
»Jardine Matheson besitzt ein großes Lagerhaus in Kowloon, wo die Bilder untergebracht werden können. Nachdem ich sie überprüft habe, werde ich das Geld am folgenden Tag auf Ihr Konto überweisen.«
»Das klingt überaus zufriedenstellend, Mr. Lee. Ich melde mich wieder, sobald die Bilder verschifft sind, damit wir die Transaktion abschließen können.«
»Ich freue mich schon darauf, Sie in Hongkong wiederzusehen, Mr. Booth Watson. Bitte grüßen Sie Ihren Mandanten von mir.«
»Das werde ich ganz sicher tun«, sagte Booth Watson.
»Was hältst du davon?«, fragte Mai Ling, nachdem ihr Vater aufgelegt hatte.
»Zweifellos hat er von seinem Mandanten keine solche Anweisung erhalten. Faulkner würde sich niemals für einhundert Millionen Dollar von seiner Sammlung trennen – nicht einmal, wenn er im Todestrakt sitzen würde. Nein, Mr. Booth Watson hat einfach nur genügend Zeit verstreichen lassen, bevor er mich zurückgerufen hat, um mir etwas mitzuteilen, das für ihn bereits vor unserem Treffen feststand.«
»Glaubst du, die Bilder werden jemals in Hongkong erscheinen?«
»Darauf würde ich nicht hoffen«, sagte Lee. »Ich glaube sogar, dass Mr. Booth Watson leere Regale vorfinden wird, wenn er das nächste Mal das Lagerhaus in Gatwick aufsucht.«
»Aber wenn du mir nicht erlaubt hättest, Mr. Faulkner in Belmarsh zu besuchen, Vater, hättest du seine gesamte Sammlung für einhundert Millionen bekommen können.«
»Wenn ich mir jemanden zum Feind machen muss, dann lieber Booth Watson als Miles Faulkner.«
Ross kam auf die Brücke und trat neben den Kapitän.
»Können Sie mir kurz Ihr Fernglas leihen, Skipper?«, fragte er.
»Bedienen Sie sich, Inspector.«
Ross drehte sich um und musterte die etwa eine halbe Meile entfernte Küste. Es dauerte nicht lange, dann hatte er die Gestalt eines einzelnen Mannes entdeckt, der flach auf dem Boden lag und seine Kamera mit dem Teleobjektiv auf zwei Schwimmerinnen gerichtet hatte, die neben der Jacht im Wasser herumplanschten und sich seiner Anwesenheit nicht im Geringsten bewusst schienen.
Wie ein Fischer wartete der Fotograf geduldig darauf, bis Diana wieder auf der Jacht erscheinen und ihren Liebhaber umarmen würde. Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er das Foto bekäme, das er haben wollte. Eine Umarmung wäre mehrere Tausend Pfund wert, ein Kuss – nicht auf die Wange – fünfundzwanzigtausend. Ross verachtete ihn maßlos.
»Ich werde mit Mr. Chalabi sprechen«, sagte er.
»Lieber Sie als ich«, sagte der Kapitän.
Ross verließ die Brücke und ging hinab auf das Hauptdeck, wo Chalabi in einem Liegesessel saß. Eine dunkle Brille schützte seine Augen vor der Mittagssonne. Ein Taschenbuch, das ihm aus der Hand geglitten war, lag neben ihm, während er ein Nickerchen hielt.
»Es tut mir leid, Sie zu stören, Mr. Chalabi«, sagte Ross.
Chalabi erwachte, nahm seine Brille ab und sah zu dem Mann auf, der ihn aus seiner Ruhe gerissen hatte.
»Ich glaube, Sie sollten wissen, dass ein Mann am Ufer die Prinzessin und Lady Victoria beim Schwimmen fotografiert.«
»Vielleicht sollte ich mich den beiden anschließen«, sagte Chalabi, warf einen Blick über die Reling und gab sich keine Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken.
»Es wäre vielleicht klüger«, schlug Ross vor, »wenn wir einen geschützteren Ort aufsuchen würden, wo der Fotograf Sie nicht belästigen könnte.«
»Er belästigt mich nicht. Und wie Sie sehen können, genießt die Prinzessin, was sie gerade tut. Vielleicht sollten wir sie einfach in Frieden lassen.«
»Aber das ist doch genau der Punkt, Sir. Man lässt sie nicht in Frieden.«
»Das entscheide ich, Inspector, nicht Sie. Und diesmal werden Sie den Mann nicht stoppen können.«
Ross ballte eine Faust.
»Mag sein, dass ich Ihre Anwesenheit auf meiner Jacht tolerieren muss. Aber Sie täten gut daran, nie zu vergessen, dass Sie nichts weiter als ein Butler mit einer Schusswaffe sind.«
Als der Volvo auf den Parkplatz neben einem Lagerhaus in Lambeth rollte, sah Miles mit Erleichterung, dass der Umzugswagen bereits eingetroffen war und ein halbes Dutzend Männer in Arbeitskleidung den Inhalt entluden. Trotzdem musste er eine weitere Stunde warten und sogar noch einige zusätzliche Formulare unterschreiben, bevor das letzte Bild sicher in seiner Halterung verstaut war und man die Türen, die zu dem neuen Aufbewahrungsort seiner Sammlung führten, mit zwei Schlössern gesichert hatte.
Weitere fünfhundert Pfund wechselten den Besitzer, bevor der Lagerverwalter bereit war, Miles zwei große Schlüssel auszuhändigen, die es ihm gestatteten, seinen eigenen Code einzugeben, sodass niemand die Bilder ohne sein Wissen entfernen konnte.
Nachdem Miles die Schlüssel eingesteckt hatte, trat er zu dem Lagerverwalter, der seine Beute unter seinen Mitarbeitern verteilte, und sagte: »Falls jemand fragen sollte …«
»Meine Jungs wissen von nichts. Schön, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Mr. …«, er zögerte, »… Booth Watson.«
Miles setzte sich zu Lamont ins Auto, der den Motor bereits gestartet hatte. »Wir müssen uns beeilen«, sagte er, zog sein Jackett aus und warf einen Blick auf seine Uhr, »wenn wir in weniger als zwei Stunden und elf Minuten zurück sein wollen.«
Lamont fuhr los, doch wegen des Feierabendverkehrs dauerte es weitere zweiundvierzig Minuten, bis er die Autobahn erreicht hatte.
»Zum Teufel mit dem Tempolimit«, sagte Miles, indem er endlich nachgab.
Obwohl die Nadel der Geschwindigkeitsanzeige selten unter neunzig Meilen pro Stunde sank, erreichte Lamont den erweiterten Seitenstreifen in der Nähe des Gefängnisses erst, als ihnen nur noch siebzehn Minuten blieben.
Miles, der noch im Auto seine Sportsachen und seine Turnschuhe angezogen hatte, sprang nach draußen und setzte zu einem Lauf an, der anderen kaum den Schweiß auf die Stirn getrieben hätte. Doch für ihn waren die Tage vorbei, an denen er eine Meile unter fünf Minuten geschafft hatte. Als er die Baumgruppe direkt außerhalb des Gefängnisgrundstücks erreichte, war er erschöpft. Rasch zog er die Jeans und seinen Pullover unter dem Brombeerbusch hervor und streifte sie schnell über. Vorsichtig hielt er nach allen Richtungen Ausschau, bevor er sich in das Niemandsland wagte – wobei er erfreut feststellte, dass einige wohlgesinnte Wolken vor dem Vollmond aufgezogen waren, der ansonsten einen Gefängnisbeamten auf dessen Rundgang auf eine Gestalt in Bewegung hätte aufmerksam machen können, die sich auf der falschen Seite der Demarkationszone befand.
Ein besorgtes Mitglied der Putztruppe wartete an der Notausgangstür auf ihn und drückte rasch den Hebel nach oben, um ihn einzulassen. Wachsam stieg Miles die Steintreppe in den zweiten Stock hinauf, wo er nur noch wenige Meter von seiner Zelle entfernt war, als die Lichter erloschen. Er probierte mehrere Schlüssel aus, bevor er den richtigen fand, um die Tür zu öffnen. Als das Schloss schließlich reagierte, stürzte er fast in den Raum.
Noch bevor er sich umziehen konnte, hörte er, wie der Beamte, der Nachtdienst hatte, auf seiner Runde den Korridor entlangging, um nachzusehen, ob sich jeder Häftling nach dem Löschen der Lichter schlafen gelegt hatte.
Miles schlüpfte in sein Bett, zog die Decke hoch bis zum Hals und schloss die Augen.
Ein leises Klopfen erklang an der Tür. Der diensthabende Beamte ließ den Strahl seiner Taschenlampe über das Bett gleiten und schaute in die Zelle. »Ich hoffe, es geht Ihnen besser, Mr. Faulkner«, sagte er und schaltete rasch die Taschenlampe aus.
»Sehr viel besser. Vielen Dank, Officer.« Miles wartete, bis sich die Tür wieder geschlossen hatte. Dann stand er auf, zog seine Kleider aus, versteckte die vier Schlüssel unter seinem Kissen, ging wieder zu Bett und schlief ein.
Superintendent Warwick und DI Adaja saßen in einem unmarkierten Fahrzeug, das einhundert Meter vom Gefängnis entfernt auf einem Seitenstreifen stand.
»Werden wir ihn aufwecken?«, fragte Paul, als die Lichter in Block C ausgingen.
»Nein. Wir schulden ihm etwas«, erwiderte William. »Aber wenn er nicht zurückgekommen wäre, hätte ich ihn mit dem größten Vergnügen festgenommen.«
»Und wenn er es wieder versucht?«
»Er hat keinen Grund dazu. Doch ich würde wirklich gerne Booth Watsons Gesicht sehen, wenn er wieder in der Bank auftaucht.«