Prolog
Adam
D ie Surfershorts, welche tief auf meinen Hüften hingen, klebten an meinen Beinen, als ich aus dem Meer stieg. Die Sonne ging gerade über Malibu auf und ich nahm mir einen Moment, genoss den Anblick des zart roten Balles am Horizont. Dort, wo Wasser und Himmel eins wurden, sah es so aus, als würde es brennen. Das ließ mich aufatmen, brachte mir Freiheit und die Gewissheit, dass es einen Grund gab, jeden Morgen so früh aufzustehen, auch wenn die Tage hart und lang waren. Meine Leidenschaft für Wasser verbunden mit Sport kam noch hinzu. Also tat ich all das, was ich tun konnte, um nicht auszuflippen. Wobei ein echter Ausbruch vermutlich mal nicht schlecht wäre, dachte ich leicht deprimiert und drehte mich ab. Locker durch den Sand joggend beschloss ich, mir nicht den noch vor mir liegenden Tag verderben zu lassen.
Selbst nachdem ich die Holztreppe, welche direkt vom Strand aus auf die Terrasse meines Hauses führte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, nach oben gejoggt war, lief das Wasser immer noch in kleinen Rinnsalen über meinen Sportlerkörper. Ich war stolz auf ihn, denn ich versuchte wirklich in Form zu bleiben, auch wenn ich kein Profisurfer mehr war. Schon alleine aus dem Grund, weil ich in der Öffentlichkeit stand .
Nachdem ich durch ein kleines Wasserbad gestapft war, ansonsten wäre das ganze Haus voller Sand gewesen, betrat ich das Wohnzimmer und hinterließ feuchte Fußspuren auf meinem Weg in die Küche. Ich hörte den Mixer, was hieß, dass Kelly wach war.
Kelly war meine Verlobte und fantastisch. Vielleicht ein wenig zu sicherheitsliebend, immer auf das Risiko bedacht, nicht konfrontations- und diskussionsfreudig. Manchmal vergaß sie zu leben, aber ich war ihr für alles, was sie für mich getan hatte, dankbar und wir ergänzten uns ... gut.
»Morgen, Adam«, sagte sie vorsichtig und legte ihre kleine Hand auf den Deckel des Standmixers. »Ich mach dir deinen Lieblingssmoothie.«
Ich versuchte ein Würgen zu unterdrücken, und riss mich zusammen. ›Sei froh, dass du sie hast, man!‹, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Und das war ich wirklich, nur ... dieses Gurken-Avocado-Kiwi-Ding war eben nicht mein Lieblingssmoothie.
Genau genommen hasste ich ihn.
Wie Kelly – meine Verlobte – darauf kam, ihn mir trotzdem regelmäßig zuzubereiten? Ganz einfach: Als ich intensive Betreuung gebraucht hatte, stellten mir meine Ärzte ebenfalls einen Ernährungsplan auf, damit ich fit blieb ... es konnte ja niemand ahnen, dass ...
»Danke, Kelly!«, sagte ich schnell und unterbrach damit meine Gedanken. Es hatte nun mal keinen Sinn, immer wegen der gleichen Angelegenheiten im Selbstmitleid zu versinken. Somit legte ich meine kühle, nasse Hand an ihre Wange, und Kelly tat das, was sie immer tat. Sie drehte sich weg. Sie mochte es nicht, wenn ich Sport trieb, noch dazu im Morgengrauen, wenn das Wasser eisig war. Kelly verstand nicht, dass es mich beruhigte und mir die Kraft gab, den Tag zu überstehen und zu vergessen. Außerdem – und das hatte ich noch nie jemanden gesagt – war es in solchen Momenten so, dass das Meer und ich eins waren. Dann gehörten mir die Wellen alleine. So wie früher.
Jetzt, wo ich sie so von der Seite betrachtete, mich mit meinem Hintern gegen den Küchentresen lehnte und mir das Wasser nach wie vor von dem Stoff tropfte, registrierte ich, dass sie es allgemein nicht mochte, wenn ich Sport trieb. Meine Abende versuchte ich mir frei zu halten, um Laufen oder Biken zu gehen. Auch das brachte mir sehr selten ein verständnisvolles Lächeln ein. Mein bester Freund Scott sagte immer, dass sie nicht die richtige Frau sei, wenn ich die Abende lieber mit Fitness, statt Kelly auszuführen oder Kelly zu vögeln verbrachte, aber ich rechtfertigte das damit, dass sie so etwas gar nicht wollte.
Gerade kippte sie den ›grünen Schleim‹, wie ich das Gesöff wenig liebevoll in Gedanken nannte, in ein Glas und reichte es mir.
»Lass es dir schmecken, Adam«, meinte sie.
Dann begann sie, den Behälter abzuwaschen und ich murmelte ein: »Danke!« So würde mein Leben aussehen, weshalb ich damit schleunigst zurechtkommen sollte, morgens grünen Sch..., einen überaus leckeren Smoothie zu trinken, überlegte ich ironisch.
Gerade als ich die Küche verlassen wollte, hielt mich ihre zarte, fast gebrochene Stimme auf. »Wie geht es dir? Tut es weh?«
Da ich mit dem Rücken zu ihr stand, sah sie nicht, wie ich einmal kurz, aber genervt, die Augen zukniff. Jeden Tag die gleiche Frage. Und wie jeden Tag war die Antwort dieselbe .
»Nein, Kelly. Es tut nicht weh. Wie auch? Es ist vier Jahre her.«
»Du weißt, dass ich es nicht böse meine und es eben jederzeit wieder passieren kann!«, erwiderte sie seufzend und ich fühlte mich so bemuttert wie nicht einmal von meiner eigenen Mom. Sie dramatisierte und überbewertete wie immer. Das Spezialistenteam, das mich damals behandelt hatte, hatte mir versichert, dass es unter normalen Umständen nicht wieder vorkommen konnte. Solange ich nicht länger Extremsportarten nachging.
Meine Antwort fiel energischer aus als erwartet. Wenn auch nicht laut oder schneidend. »Die Ärzte sagten bei der Kontrolluntersuchung letzten Monat, dass alles perfekt ist. Mach dir nicht immer so viele Gedanken.«
Erwartungsgemäß zuckte sie zusammen und senkte den Kopf. »Gut«, antwortete sie und beließ es dabei. Auch wenn ich sie nur aus dem Augenwinkel sah, mittlerweile hatte ich mich umgedreht, bemerkte ich, dass sie zitterte. Hölle, daran musste sie arbeiten. Wie sollte die Beziehung mit einer Frau gut gehen, die jegliche Konfrontation scheute und immer nachgab?
»Denkst du an den Termin heute Nachmittag?«, fragte sie weiter und ich nickte. Wir würden uns mit einer potenziellen Hochzeitsplanerin treffen, denn Kelly war – laut eigener Aussage – zu unsicher, wie sie das Thema angehen sollte.
Betrachtete man es nüchtern, war sie in allem unsicher.
»Ja, um fünfzehn Uhr, gegenüber der Polizeistation.«
Kelly nickte leicht. »Gut, dann sehen wir uns da«, sagte sie noch, ehe sie durch die Küche in den angrenzenden Hauswirtschaftsraum und weiter in die Garage ging. Als ich sicher war, dass ihr Motor lief und sie davon fuhr, schüttete ich den Drink in den Ausguss und schlenderte in immer noch leicht feuchten Badehosen zum Kühlschrank, um mir ein ordentliches Frühstück zu bereiten. Eier, Toast, Speck. Auch für einen Sportler wie mich war es wichtig, Fette und Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Wieso das Kelly nicht verstand und wieso ich es nicht klarstellte, das wusste ich nicht.
Als ich mir schließlich vier Eier, drei Scheiben Toast und eine ganze Packung Speck hineingestopft hatte, bemerkte ich, dass wir uns zum Abschied, wie auch zur Begrüßung, nicht geküsst hatten.
Weil wir es nie taten.