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Hannah
I ch hasste dieses beschissene Restaurant. Wobei nein, es war kein Restaurant. Das Sammy’s glich eher einer Bar – absolut und zu hundert Prozent ungeeignet, um sich dort mit jemandem zu verabreden, der eine Hochzeit plante. Es war laut, es war voll, vor allem von Surfern und karibischer Musik. Die leicht bekleideten Mädchen hinter dem Tresen teilten ein Bier nach dem nächsten aus, und ich wusste sofort, dass ich in meinem hellen Bleistiftrock, in dessen Bund eine lockere, flattrige ärmellose Bluse steckte, total overdressed war. Aber ich hatte eben einen Grundsatz und der besagte, dass ich zu offiziellen Terminen ordentlich im Businesslook ging. Weshalb ich nicht mein schwarzes oder dunkelrotes Kleid trug? Nun, weil ich mich zum Lunch mit einem bereits unter Vertrag genommenen Pärchen treffen würde, und wir im Country Club von Malibu zu Mittag aßen. Dort konnte ich nicht in Schwarz auftauchen und nur zu Abendveranstaltungen in Rot. Nicht im Heiligen Land. Der zehn Zentimeter Pfennigabsatz meiner weißen, eleganten High Heels blieb in dem verdammten Holzsteg stecken und ich fluchte innerlich ungehalten, als ich ihn wieder herausziehen musste. Was für ein beschissener, peinlicher Auftritt!
Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und blickte mich in dem Raum um. Es war einiges los, obwohl es erst früher Abend war, die Sonne immer noch vom Himmel brannte und das Leben auf dem Wasser nach wie vor tobte. Dies war eine typische Surferbar. Ich war noch nie hier gewesen, aber ich wusste, dass Melissa hier ab und an herumhing, und aus ihren Erzählungen kannte ich den Schuppen. Sie stand auf diesen Typ Mann, ich jedoch wollte mit diesen verdammten Schönlingen nichts zu tun haben. Der Nachteil an der Geschichte? Wenn man in einer Stadt wie Malibu lebte, war es schwer, jemanden zu treffen, der kein Surfer, Rettungs- oder einfach nur Schwimmer war, oder nichts damit zu tun hatte, da sich hier das Wellenreiten anbot. Zumindest hatte ich es bis jetzt geschafft, einen deutlichen – riesigen – Bogen um diese Typen zu machen, die dachten, mit funkelnden Augen, brauner, gestählter muskulöser Haut und dem Aufblitzen weißer Zähne könne man alles ins Bett kriegen, was zwei Beine und eine Vagina hatte. Wobei ich mir ehrlich gesagt nicht sicher war, ob zwei Beine wirklich ein Kriterium darstellten.
Ich trat langsam an einen Tisch – der einzige, an dem eine einsame weibliche Person saß –, und betrachtete das Mädchen näher. Eine erwachsene Frau war es in meinen Augen nicht. Blitzschnell, wie mein Beruf es verlangte, scannte ich ihre Gestalt. Obwohl sie saß, war sie wesentlich größer als ich, sehr schlank und ... unscheinbar. Mir war bewusst, dass dies eines der vernichtendsten Worte war, um das Aussehen eines Menschen zu beschreiben, aber es war mir nun mal als Erstes in den Sinn gekommen. Sie hatte Sommersprossen auf der Nase und den Wangen und ihre Augen waren von einem leichten Grün, ungeschminkt. Offen gesagt sahen sie mich sehr schüchtern an. Ihr Haar war blond und schulterlang, mit den Spitzen ein wenig nach innen gebogen. Für meinen Geschmack zu langweilig, aber das war nicht mein Problem, ich musste diese Frau nicht heiraten. Sie trug ein gelbes, einfaches Trägeroberteil, das ihren Hautton, sie war sehr hell, trotz des Ganz-Jahres-Sommers hier in Kalifornien, noch blasser machte und sie ein wenig ... krank aussehen ließ. Dazu hatte sie helle Jeans mit Sneakers kombiniert. Sportlich war in Ordnung, fand ich. Wenn es gut zusammenpasste. Das Einzige, das mir auffiel und mir als Mann möglicherweise den Atem geraubt hätte, waren diese langen, pechschwarzen Wimpern, die mit ihrem eleganten Schwung nach oben gebogen waren. Nur, um mit ihren Enden die schönen, weiblich geformten Augenbrauen zu betonen. Dafür wäre allerdings ein klein wenig mehr Mühe nötig gewesen.
»Kelly?«, fragte ich nach der kurzen Bestandsaufnahme.
Sie nickte verunsichert. »Ja, die bin ich!«
»Hi, ich bin Hannah Stone«, erklärte ich, reichte ihr die Hand, und nachdem sie mich quasi kaum berührte, ließ ich mich auf dem Stuhl nieder. »Ihr Verlobter hat mich kontaktiert.«
»Ich weiß«, begann sie sofort aufgeregt zu erzählen. Offenbar – und das konnte ich sofort einschätzen – war ihr Verlobter ein Thema, bei welchem sie sich sicher fühlte. »Er denkt, wir brauchen jemanden, der uns die Hochzeit plant.«
Langsam hob ich eine Braue. Dieses Gespräch dürfte interessant werden. Ich bedeutete der Kellnerin, dass ich gerne ein Glas Wasser hätte – während eines Termins mit meinen Klienten trank ich niemals Alkohol, außer es ging um die Wahl des Champagners oder Tischweines.
»Und was denken Sie, Kelly?«
Verunsichert biss sie sich auf die Lippe, aber nicht auf die sexy, heiße, unschuldige Nummer, die ich schon tausende Male bei einer Braut gesehen hatte, wenn sie ihren Bräutigam zu etwas überreden wollte. Nein, bei ihr war es ein Zwang aus Unsicherheit. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte oder was ich – in ihren Augen – hören wollte.
»Ich denke, dass ich Hilfe brauche«, sagte sie schließlich mit leiser Stimme und knetete ihre Hände.
»Hilfe brauchen?«
»Nun ...« Mutmaßlich, um Zeit zu schinden, nahm sie einen Schluck von ihrem Wasser. »... ich bin nicht so gut ... in so etwas.«
»So etwas?«, fragte ich nach. Nein, ich würde es ihr nicht leicht machen. Nicht nach dem, was ihr zukünftiger Mann am Telefon veranstaltet hatte. Wie konnte so eine schüchterne, fast zerbrechlich wirkende Frau, etwas mit einem Freak wie dem Anrufer anfangen? Unbegreiflich, was Gott zusammenführte.
»Na ja, eine Hochzeit eben.«
»Aber Sie wollen heiraten?«, erkundigte ich mich kritisch und murmelte ein Danke an die Kellnerin, die mir mein Wasser brachte.
»Oh ja, das will ich!« Bei diesem Satz fand ihr Blick zum ersten Mal den meinen. Gut, immerhin etwas.
Sie senkte den Kopf wieder und ich fragte mich kurz, ob sie Angst vor ihrem Zukünftigen hatte oder einfach nur schüchtern war. Ihre Stimme schaffte es mich zu überzeugen. »Adam ist alles, was ich habe, ich bin so froh, dass er mich will!«, sagte sie und ich nickte leicht. Schon besser. Ich würde für niemanden die Hochzeitsplanerin spielen, wenn nicht für mich auf der Hand lag, dass Liebe vorhanden war. ›Zur Hölle, was denkst du da, Frau? Du willst diese Hochzeit gar nicht planen, schon vergessen?‹, schrie der Teufel auf meiner Schulter. ›Aber die Frau braucht Hilfe dabei, sieh sie dir doch an ...‹, jammerte der Engel herzzerreißend. Ah, Fuck!
»Kelly, wissen Sie«, begann ich, lehnte mich zurück und überschlug meine Beine. Mit Genugtuung bemerkte ich, dass einige der Männer den Blick nicht von ihnen wenden konnten. ›Siehst du Granny?‹, schrie ich in Gedanken. ›Man muss keine 90-60-90 haben, damit die Männer einen heiß finden.‹
›Warum hast du dann schon ewig keinen Sex mehr gehabt?‹, spottete der Teufel.
»Ich kann Ihnen helfen, diese Hochzeit auf die Beine zu stellen«, sagte ich langsam und mit gedämpfter Stimme, denn ich hatte das Gefühl, alles andere würde sie verschrecken, »Aber ein bisschen Zutun von Ihrer Seite aus brauchen wir schon.«
»Oh, Adam wird uns helfen, was die Entscheidung angeht.«
Verwundert hob ich wieder meine Brauen. »Haben Sie denn keine Vorstellungen?«
»Meine einzige Vorstellung ist, Adam zufriedenzustellen, damit er glücklich ist.«
Was? Oh mein Gott! Ich kannte diesen Typ Frau.
A: Sie wollten alles, was ihr Freund oder zukünftiger Ehemann auch wollte, um ihn nicht sauer zu machen. B: Konfrontation und Willensstärke waren ihnen ein Fremdwort, und C: Diese Menschen eigneten sich hervorragend zum Herumkommandieren, da sie absolut unterwürfig und devot waren. Himmel, ihr Verlobter war sicherlich ein herrischer Idiot mit einem derartig gigantischen Bierbauch, dass er seinen eigenen Schwanz nicht sehen konnte. Mit Halbglatze, die einen konstanten Sonnenbrand aufwies und fauligem Atem .
›Gott, Stone, reiß dich zusammen, du kannst doch diese Frau nicht in eine Schublade stecken!‹, heulte der Engel auf und schlug die Hände über seinem Heiligenschein zusammen.
›Doch, weil sie meistens recht hat!‹, setzte der Teufel dagegen und lachte böse.
Nachdem wir mehrere Augenblicke geschwiegen hatten, sah sie hoch. »Sie machen es doch, oder?«, fragte sie nun vorsichtig. »Adam war sich sicher, dass Sie Ja sagen würden.«
Adam war sich sicher? Himmel. Idiot! Ich würde Nein sagen, aber so was von Nein. Ich würde ihr erklären, dass die Chemie einfach nicht stimmte und ich sie mit einer Planerin mit etwas weniger Klasse – nein, das wäre zu fies und geschäftsschädigend – einer Planerin mit den gleichen Vorstellungen, bekanntmachen würde. Ja, ja! Ja, das wäre gut. Und richtig. Egal wie mich dieser Mann schon am Telefon mit seinen Aussagen gereizt hatte. Selbst jetzt – obwohl er nicht mal im selben Raum war. Selbstgefälliges Arschloch.
»Aber sicher mach ich es, Kelly. Geben Sie mir Ihre Visitenkarte, ich schicke Ihnen und Ihrem Verlobten den Vertrag zu.« WAS? Der Teufel lachte dröhnend auf meiner Schulter. Mein Engel schlug die Hände vor das Gesicht und murmelte ein: ›Wir sind am Arsch!‹ Fast zum Schmunzeln, wäre das hier nicht eine verdammt beschissene Situation gewesen. »Ich meine ...« Sie unterbrach mich.
»Danke. Vielen, vielen Dank. Adam hat mir versichert, dass Sie einwilligen und ich es auch alleine schaffen würde, Sie von uns zu überzeugen. Wissen Sie, er hat sich für den ersten Termin mit der ursprünglichen Planerin schon freigeschaufelt und jetzt konnte er so kurzfristig nicht. Aber er hat es mir versichert und mich ermutigt und ich habe es tatsächlich geschafft!« Glücklich sprudelten die Worte aus ihr hervor und zwangen mich, den Teufel zu begraben und die Menschlichkeit und Fürsorge siegen zu lassen. Super, ihr Adam. Wenn er sich schon so für sie einsetzte, was wäre wohl passiert, wenn ich Nein gesagt hätte?
Schmallippig und sauer auf mich selbst – aber in meiner Professionalität würde ich es mir nicht anmerken lassen –, lächelte ich. »Wie heißt denn Ihr Adam richtig?«
Jetzt, wo sie an ihn dachte, sah sie fast hübsch aus.
»Adam? Er heißt Adam Moore!«, sagte sie mit leiser, aber relativ fester Stimme.
Diesen Namen hatte ich in letzter Zeit mehrmals gehört und innerlich fluchte ich haltlos, während ich mein Lächeln ihr gegenüber aufrecht hielt. Verdammter Mist!
Der Teufel brach in Gelächter aus und tanzte Samba auf meiner Schulter.