13
Hannah
H ibbelig tippte ich mit meinem Fuß auf den Boden und wechselte das nur kurz mit einem nervösen Händekneten ab. Während ich auf der Bank saß und auf meine Schwester wartete, drehte ich fast durch.
Nachdem das Treffen mit Adam vorbei gewesen war, hatte ich weder arbeiten noch in mein Bett gehen können, um noch ein wenig zu schlafen. Natürlich hätte ich mich an den Schreibtisch setzen müssen, da einige E-Mails beantwortet werden sollten und ich die nächsten Unterlagen für potenzielle neue Klienten und Hochzeitspaare durchsehen wollte, um mich allmählich in ein neues Projekt zu finden. Aber ich konnte einfach nicht.
Um ehrlich zu sein, machten mir die Dinge, die Adam mir erzählt hatte, eine Scheißangst. Der Unfall war lange her, und wie er selbst schon sagte, war er mittlerweile vernünftig genug, auf seine Gesundheit statt das Adrenalin zu hören. Die Dramatik des Unfalls war nicht ausschlaggebend dafür, weshalb ich so aufgewühlt war. Der Knackpunkt, war ... was er über Kelly erzählt hatte. Diese Dinge machten mich irre. Absolut wahnsinnig. Sie zwangen mich fast zum Durchdrehen. Deshalb rief ich Melissa an, sobald ich alleine in meinem Auto saß, angestrengt darum bemüht, nicht komplett den Verstand zu verlieren. Wir mussten uns treffen. Es war an der Zeit, mit jemandem darüber zu sprechen, was bis heute schon alles passiert war. Ich musste mich jemanden anvertrauen. Selbstverständlich würde sie mich erst mal zehn Minuten lang auslachen, ehe sie mich ernst nahm, aber danach würde ich mich zu hundert Prozent auf sie verlassen können. Und das musste ich, denn ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich aus diesem Schlamassel wieder herauskommen sollte. Melissa war in einer ähnlichen Situation in der High-School gewesen, nur dass sie damals nicht wusste, dass der Kerl vergeben war. Außerdem hatte keine Heirat im Raum gestanden.
Adam Moore ersprintete sich einen Platz in meinem Herzen und dabei war nicht von Bedeutung, ob ich das wollte oder nicht. Gefühle fragten nicht, sie waren einfach da.
Deshalb stand ich nun vor einem riesigen Berg Mist, den ich irgendwie bewältigen musste und Gott, die Frage war, wie? Genervt blickte ich auf meine Uhr und rollte die Augen, als ich Melissa entspannt auf mich zu schlendern sah.
»Geht’s auch ein bisschen schneller?«, herrschte ich sie nervös an. Die pure Provokation überzog augenblicklich ihr Gesicht und sie ging noch einen Schritt langsamer.
»Na, na, na«, erwiderte sie tadelnd und beugte sich bei mir angekommen vor, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Es war gut, ihren vertrauten Geruch einzuatmen. »Alles klar?«
»Nein!«
»Was ist los?«, fragte sie.
Seufzend stand ich von der Bank auf. »Lass uns ein paar Schritte gehen.«
»Ist was passiert?« Ihre Stimme klang alarmiert und sie hob mir einen der beiden To-Go-Becher entgegen .
»Kann man so sagen.«
»Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!«
»Ich war mit Adam im Bett.« Den Schluck, welchen sie gerade genommen hatte, spuckte sie wieder aus.
»Holla. Das sind mal anständige Neuigkeiten!«, stellte sie grinsend fest.
»Das ist Scheiße!« ›Ist es gar nicht, ist es gar nicht!‹ Wenigstens der Teufel in mir hatte Spaß.
Sie lachte jetzt. »Echt? Ich hätte nicht gedacht, dass er schlecht ist!«
»Das mein ich nicht, und das weißt du!«
Sie hob eine Braue und machte sich weiterhin lustig. »Dann meinst du die Tatsache, dass er bald heiratet, du nicht die Braut bist und trotzdem mit ihm im Bett warst, oder?« Sie wedelte mit der Hand hin und her. »Ach so, das meinst du!«
»Wenn du es so ausdrückst, klingt es noch beschissener als eh schon«, jammerte ich und fuhr mir mit der freien Hand in den Nacken. »Ich bin eine Schlampe!«
»Ein bisschen schon, ja.«
Ich schnaubte. Entgegensetzen brauchte ich hier nichts, denn wenn man die Sache nüchtern betrachtete, hatte sie recht. Es ausgesprochen zu hören kränkte mich, obwohl mir das nicht im Geringsten zustand, denn es war die Wahrheit. Ich war eine Schlampe.
Melissa sah mich lange an, ehe sie antwortete. »Du meinst das ernst?«
»Ja, verdammt!«
»Scheiße. Du meinst das echt ernst!«, rief sie laut und grinste. »Wie war er?«
»Melissa!«, knurrte ich und schnitt somit ihre offensichtlich dreckigen Gedanken ab.
»Schon gut. Schon gut.« Beschwichtigend hob sie die Hände. »Von vorne bitte«, murmelte sie. »Du kleines Luder!«
»Melissa!«
»Okay, sorry! Jetzt aber wirklich. Erzähl es mir von Anfang an.«
»Es ist einfach so passiert«, rechtfertigte ich mich, ohne dass sie mir einen Vorwurf gemacht hatte, und warf die Hände gen Himmel.
»Bei aller Liebe, Schwesterherz, das passiert nicht einfach so. Genau wie man nicht durch Zufall schwanger wird, so schiebt sich auch nicht aus Versehen ein Schwanz in deine Vagina.«
»Himmel, du hast recht.«
»Natürlich hab ich das. Eigentlich sollte ich die Ältere sein, ich bin ja offensichtlich vernünftiger.«
Mein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Bist du nicht!«, murmelte ich als Melissa mir zuzwinkerte.
»Ich wusste nach eurem ersten Treffen, dass ihr zusammen im Bett landen würdet.«
»Wieso hast du ihm nur die Unterlagen gegeben?«, fragte ich nun und verengte die Augen, auch wenn sie das wegen meiner Sonnenbrille nicht sehen konnte. »Und mal nebenbei. Tu das nie wieder! Ich suche mir meine Kunden selbst aus!«
Jetzt zuckte sie die Schultern. »Immerhin bist du flachgelegt worden, wenngleich es mich wundert, dass er dir das erzählt hat.«
»Melissa!«, zischte ich. »Ich kann mich selbst um mein Sexleben kümmern!«
»Na ja, wobei, wenn man sich nackt kennt ... dann erstaunt es mich eigentlich doch nicht«, sinnierte sie weiter .
»MELISSA STONE, könntest du mir bitte zuhören?«, keifte ich und entlockte ihr wieder ein Lächeln.
»Gott, Han, ich glaube, du merkst es nicht, weil du so ... durcheinander bist, aber der Kerl lässt dich endlich wieder fühlen!« Als wäre ich ansonsten absolut emotionslos. ›Bist du leider meistens‹, flüsterte der Engel.
»Ich bin nicht sicher, ob das gut ist.«
»Okay, also was ist passiert?«
Tief Luft holend begann ich: »Du erinnerst dich, dass wir Freitagabend in diesem Club waren?«
»Yepp«, bestätigte sie ungerührt und kramte auch nach ihrer Sonnenbrille. »Weiter.«
»Kelly war nicht dort.«
Ihr Kopf ruckte in meine Richtung. »Moment, da ging es doch um eine Band für die Hochzeit, oder?«
»Ja.«
»Und die Braut war nicht dabei?«
»Nein! Irgendein Seminar, das dazwischenkam.«
»Okay, krass. Weiter!«
»Also, jedenfalls, es war echt ein schöner Abend. Wir hatten total viel Spaß und Adam kann echt witzig sein«, fuhr ich fort und löste das Zopfband meines Pferdeschwanzes. Der Wind raute auf und ich genoss das Gefühl, als mir die Strähnen ins Gesicht wehten. Der Sand, der durch meine Flip-Flops rieselte, kitzelte leicht. »Aus meinem glorreichen Plan, nach zwei Stunden wieder zu gehen, wurde nichts. Als wir dann aus dem Club raus waren, hat er mich gefragt, ob ich noch Lust hätte, einen Hotdog essen zu gehen.«
»Ernsthaft? Einen Hotdog?« Meine Schwester lachte laut. »Das gibt ihm ein paar Extrapunkte auf der Ich-mag-ihn-Skala, ich bete das Zeug an.«
»Na ja und ich bin mitgegangen. Da hat er dann so eine fiese Wickeln-Wir-Sie-Um-Den-Finger-Masche abgezogen.«
»Was hat er getan, der Mistkerl?«, erkundigte sie sich mit einem dicken Grinsen im Gesicht und betonte dabei das letzte Wort ironisch. Das Aufstapfen mit ihrem Fuß war alles, was noch fehlte.
»Er hat mir Soße aus dem Mundwinkel gewischt!«, knurrte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Okay, wenn ich es so erzählte, klang es wirklich lächerlich. »Mit seinem Finger!«
»Nein!«, rief Melissa überschwänglich empört. »Spricht nicht so sehr für dich. Er lässt dich nicht wie einen Idioten rumlaufen. Das ist doch nett von ihm. Wieder ein Pluspunkt im Ranking.«
»Melissa, du verstehst nicht«, sagte ich und merkte wie verzweifelt ich klang. »Ab da war ... das alles zwischen uns anders. Und wir wollten uns nach seiner verdammten Finger-Lippen-Augensex-Aktion ein Taxi teilen, aber irgendwie ... gab es nur einen Stopp.«
»Okay, und dann ist es passiert?«
»Ja.«
»Bei dir?«
»Ja.«
»Im Bett?«
»Ist das wichtig?«, fragte ich augenrollend.
»Nein, eigentlich nicht!«, erwiderte sie und fuhr sich durch ihr Haar. »Es ändert ja eh nichts daran.«
»Was denkst du darüber?«
Melissa antwortete nicht sofort. Schweigend liefen wir nebeneinander her, und ich nahm den letzten Schluck aus dem Pappbecher .
»Ich kenne dich, Hannah«, begann sie vorsichtig. »Du bist zum einen nicht der One-Night-Stand-Typ und zum anderen, hast du dich noch nie mit einem Klienten eingelassen. Geschweige denn mit jemandem in einer festen Beziehung.« Nachdenklich schob sie sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase. Der Zug um ihren Mund wirkte verkniffen. »Bist du in Adam verliebt?«
»Nein!«, rief ich energisch.
Sie hob ihre Brauen so hoch, dass sie über dem Rand ihrer Brille erschienen. »Sicher?«
»Nein!«
»Scheiße, Baby. Du bist in ihn verliebt!«, stellte sie kopfschüttelnd, aber sachlich fest.
»Ein bisschen vielleicht«, gab ich zu.
»Nur ein wenig verliebt kann man nicht sein. Du bist richtig ... verknallt ihn.«
»In einen verlobten Mann!«
Die Lippen aufeinanderpressend nickte sie. »Ja, das ist fies.«
»Was tue ich denn jetzt?«
»Weiß er es?«
»Nicht direkt«, erwiderte ich. »Aber es geht ja auch noch weiter.«
Ihre Augen wurden groß. »Was war denn noch?«
»Ich hab ihn danach gebeten zu gehen. Außerdem habe ich ihn nicht angerufen. Was wohl ... an seinem Ego gekratzt hat, denn das nächste Treffen, das wir hatten, war echt mies! Mir war nicht klar gewesen, wie die Luft unter Spannung stehen kann, wenn man ein Essen für den schönsten Tag des Lebens aussuchen soll.«
»War diese Kelly dabei?«
»Ja, leider. Gott, Melissa, es war so schwer, die beiden zusammen zu sehen!«, platzte es aus mir heraus.
Melissa nickte verständnisvoll. »Das glaube ich dir. Bist du ausgeflippt?«
»Nein, das nicht. Natürlich hab ich versucht, ihn so weit es geht zu ignorieren, aber ich war so sauer und eifersüchtig, dass ich behauptet habe, ich müsse früher weg, weil ich noch ein Date habe.«
»Ohhh, und was hat Mr. Moore dann gesagt oder getan?« Amüsement sprang aus ihrer Stimme.
»Mich mitten in der Nacht angerufen und um ein Treffen gebeten.«
»Wann war das?«
»Vor ein paar Stunden.«
Ihr Kopf ruckte wieder in meine Richtung, und sie riss sich die Brille von der Nase. Ihre Augen funkelten. »Hast du dich mit ihm getroffen?«
Betreten nickte ich und zog die Unterlippe zwischen meine Zähne.
»Scheiße, Hannah. Lief wieder was?«
»Nein, wir hatten keinen Sex, wenn du das meinst«, murmelte ich und schluckte schwer. »Es war viel schlimmer, er hat mir aus seiner Vergangenheit erzählt. Von dem Unfall.«
Entgeistert sah sie mich an. »Er hat mit dir über das Ende seiner Surfkarriere gesprochen?«
»Ja, das hat er.«
»Erstaunlich.« Nachdenklich wiegte sie den Kopf hin und her und richtete den Blick wieder geradeaus. »Du musst wissen, die Infos die du dazu finden kannst, sind sehr ... spärlich.« Ja, das wusste ich, denn ich hatte vorher wie eine verdammte Stalkerin mit meinem Smartphone danach gegoogelt. » Niemand, weder er, noch sein damaliger Agent, hatte jemals ein Interview diesbezüglich gegeben, oder Auskunft über seinen Zustand erteilt. Irgendwann hieß es einfach, er surft nicht mehr. Was genau dort passiert ist oder in den Monaten nach dem Unfall, das weiß niemand. Also niemand von der Presse oder vom Fernsehen.«
Wow. Das wiederum hatte ich nicht gewusst.
»Es ist also fast eine Ehre?«
»Irgendwie schon«, stellte sie fest. »Aber außerdem ist es noch um Welten beschissener. Das Körperliche kann man als Ausrutscher bezeichnen, aber wenn man jemandem aus der Vergangenheit erzählt, ihn somit in sein Leben lässt ... Puh!«
»Auf den Punkt gebracht, kleine Schwester!« Wir kamen gerade bei einer der zahlreichen Strandbars an, wo wir uns jeweils auf einen Barhocker setzten, die rund um den Tresen aus Holz platziert waren.
»Zwei Mojito, bitte!«, bestellte sie, noch bevor sie ganz saß.
»Es ist Mittag?«
»Es ist ein Notfall!«
Sicherlich würde ich ihr nicht nochmals widersprechen. Sie erinnerte mich erneut daran, wie verzwickt alles war. Tief seufzend zog ich die Brille von meiner Nase und zuckte die Schultern. »Was auch immer«, murmelte ich und ergab mich meinem von Melissa geplanten Nachmittags-Schicksal.
»Okay, Han. Wir brauchen einen Plan. Du bist verliebt, das erste Mal seit Jahren. Du stehst endlich wieder wirklich auf jemanden ... Was denkst du, wie es bei ihm aussieht?«
»Na ja, heute Morgen hat er mir auch noch gesagt, dass er an nichts anderes als an mich denkt und er nicht weiß, was das zwischen uns ist. Ich hab es ein bisschen so verstanden, dass er nicht so recht weiß, ob es so gut ist, wenn er Kelly heiratet.« Das war die harmlose Version. Er hatte nämlich genauer gesagt, dass er nicht sicher war, ob das mit Kelly so richtig war.
»Was?«, brüllte sie und vergaß vor lauter Zuhören die Zwanzig-Dollar-Note loszulassen, die ihr der Barkeeper gerade abnehmen wollte.
»Shhh«, machte ich. »Geht’s noch lauter? Ich glaube, der da hinten«, vage deutete ich hinter mich, »hat dich noch nicht gehört!«
»Er heiratet die aus einer seltsamen Form von Dankbarkeit?«
»Melissa. Ich erzähle dir das als Schwester, nicht als Informationsquelle einer karrieregeilen Reporterin, ist das klar?« Drohend hob ich meinen Finger vor ihr Gesicht.
»Schwestern-Ehrenwort. Was denkst du von mir?«
»Entschuldige. Es ist nur ...«
»Schon okay«, unterbrach sie mich. »Er heiratet die aus Dankbarkeit?«, wiederholte sie ihre Worte etwas leiser und stieß mit ihrem Glas gegen meines. Während sie einen tiefen Schluck nahm, rührte ich immer noch mit meinem Strohhalm die Eiswürfel und die Minze hin und her.
»Ja, ich glaube schon. Sie war seine Physiotherapeutin.«.
»Er heiratet seine Krankengymnastin, weil sie ihn wieder aufgepäppelt hat?«, fragte sie mich zusammenfassend. Ich nickte lediglich, da ich jetzt einen Schluck brauchte. »Er ist nicht in sie verliebt?«, rückversicherte sie sich ebenfalls.
»Ich weiß nicht. Ich denke, er empfindet was für sie, ansonsten wäre er doch nicht mit ihr zusammen. Aber ob er sie so vergöttert wie Dad unsere Mom ... das glaube ich nicht. Vor allem hat er mir ein bisschen was erzählt und irgendwie, also, ich glaube, sie hat ständig Angst um ihn. Aber das passt ja zu dem Eindruck, den ich von ihr habe. Dass sie ihn nicht vergraulen will und Schiss hat, ihn zu verärgern«, laberte ich in einer Tour alles herunter, was mir durch den Kopf ging.
»Du verarschst mich?«
»Nein, ich sage dir das, was er mir gesagt hat«, erwiderte ich trotzig. Als hätte ich bei diesem Thema Witze gerissen!
»Also wenn das wahr ist, dann ist das irre!«, rief sie und exte ihren Drink. »Noch so einen, bitte!«
Meine Stirn legte sich in Falten. »Das ist das, was er gesagt hat«, wiederholte ich energischer. »Kannst du mal aufhören, alles infrage zu stellen, was ich dir erzähle?«
»Sorry. Es ist nur so ... wie bescheuert ist das denn bitte?«
»Ich weiß«, murmelte ich und seufzte tief.
»Was tust du jetzt?«
»Das wollte ich doch von dir erfahren!« Ich leerte meinen Drink ebenfalls und hob mein Glas zum Zeichen, dass ich einen neuen brauchte.
»Du musst dir überlegen, was du willst, Hannah«, sagte sie nachdenklich. »Willst du es versuchen, dann zerstörst du vielleicht eine Beziehung, von der wir aber denken, dass sie nicht ganz so glücklich ist, wie eine Partnerschaft kurz vor der Ehe sein sollte. Oder gibst du ihn auf und brichst dir damit das Herz? Fuck, ich finde, wir sollten auf Shots umsteigen!«
»Scheiße.« Ich stützte meinen Kopf in meine Hände. »Wenn du es so sagst, klingt es ernsthaft beschissen.«
»Na ja, als Spaziergang würde ich diese Situation nicht unbedingt bezeichnen ...« Melissa lächelte mich mitfühlend an.
Was wollte ich?
Was sollte ich tun?
»Entscheide dich nicht jetzt«, fuhr sie fort. »Aber denke darüber nach und sprich Klartext mit Adam.«
»Verdammter Mist!«
»Weißt du, wenn ich uns drei Mädels nehme, dann hätte ich das weder Holly noch dir zugetraut. So was ist eigentlich eher mein Gebiet!«, fasste sie in Worte, was der Tatsache entsprach. Unsere jüngste Schwester Holly, welche noch am College war, würde so etwas niemals machen. Sie war ein wohlbehütetes, freundliches Mädchen das gerne Rosa, Pink und Blusen trug. Sie würde niemals ... Gut, andererseits hatte ich das von mir auch gedacht. Melissa hingegen hatte sich schon immer mit den Bad Boys rumgetrieben. Sie genoss ihr Leben in vollen Zügen, nahm mit, was auch immer sich ihr bot, und hatte keinen genauen Plan für ihre Zukunft. Holly und ich waren da einfach anders. Eher so wie unsere Mom. Melissa kam nach unserem Dad. Wobei ich nicht darüber nachdenken wollte, ob er vor Mom ...
»Spricht nicht unbedingt für dich, Schwester!«, wandte ich ein und prostete ihr zu.
Melissa legte tröstend den Arm um mich. »Aber hey, immerhin hat diese Situation etwas Gutes, oder?«
Fragend hob ich eine Braue. »Na ja, ich trinke ansonsten nicht einfach so mittags schon Mojitos. Aber wenn es ... spezielle Umstände erfordern? Dann finde ich schon, dass es legitim ist.« Ihr Dackelblick brachte mich zum ersten ehrlichen Lachen, seit wir uns getroffen hatten. »Alles kommt so, wie es für dich vorbestimmt ist, Han. Und ehe wir uns versehen, planen wir deine Hochzeit.«
»Du glaubst an Bestimmungen?« Spöttisch verzog sich mein Mund.
»Bist du wahnsinnig? Ich bin Journalistin!«, setzte sie lachend dagegen. »Aber deine Welt ist rosarot ... im Normalfall. Na gut, und momentan eher ein bisschen mehr nuttiges Rot-Pink-Gemisch, aber das wird wieder.«
»Sehr aufbauend.«
»Dafür sind Schwestern da!«, erwiderte sie, erneut kichernd und schaffte es, mich bis in die frühen Abendstunden so abzulenken, dass ich das Gefühl der Verliebtheit genießen konnte. Irgendwie war es ihr gelungen, mir zu vermitteln, dass es in Ordnung war und ich mich nicht billig fühlen musste. Außerdem hatte Melissa mir mit ihren Geschichten erfolgreich klargemacht, dass es legitim war, sich zu nehmen, was man begehrte.
Oder vielleicht sogar liebte.