20
Hannah
A dam schlief neben mir.
Nackt.
Und das fühlte sich ... richtig an. So wie alles, was wir heute getan hatten und das war ... einiges gewesen.
Heute Morgen hätte ich nicht erwartet, dass sich dieser Tag noch so positiv entwickeln würde. Und dann stand Adam vor der Türe, gerade als ich duschen gehen wollte. Scheiße ... er hatte mich nicht einmal überzeugen müssen, so verdammt ausgehungert war ich nach ihm. Nach seinem Geschmack, seinem Körper, der Stimme, dem Lächeln. Natürlich wusste ich, dass ich ihn vermisste, das spürte ich mit jedem Herzschlag, aber dass es so ... intensiv war, so Welt-aus-den-Angeln-hebend, das war mir nicht klar gewesen. Als er dann auch noch vorschlug, dass wir den Tag hier bei mir – zusammen – verbringen sollten ... sagen wir so, es bedurfte nicht viele Worte, um mich zu überreden. Dieser Mann war, wie ich heute festgestellt hatte, der perfekte Gentleman. Nachdem wir nämlich die Dusche verlassen hatten, trocknete er mich ab, platzierte auf meinem ganzen Körper Küsse und cremte meine Haut mit meiner Lieblingsbodylotion ein. Als ich uns dann Speck und Omelett mit frischen Kräutern, Tomaten und Gewürzen briet, waren seine Augen so mit Emotionen gefüllt, dass sie fast überquollen. Vermutlich war das der Grund, warum ich, nachdem das Frühstück beendet war, wie von Zauberhand meinen Slip verlor und sein Poloshirt, welches ich angezogen hatte, ebenfalls auf dem Boden landete. Fairnesshalber musste man dazu sagen, dass sich Mr. Moore in meiner Wohnung wohlzufühlen schien, denn nur mit Shorts bekleidet – die so knackig auf seinen Hüften saßen, damit nichts der Fantasie überlassen blieb – bewegte er sich mit einer Selbstverständlichkeit, von der ich dachte, dass sie erst nach einigen Jahren Beziehung zu sehen war. Es war gut, dass ich so verrückt nach ihm war, denn diese Eigenschaft verband uns offensichtlich.
Der sexy Verführer konnte nämlich die Finger auch nicht von mir lassen und ich würde lügen, würde ich behaupten, dass es mich störte. Ich liebte es, seine Haut an meiner zu spüren. Zu fühlen, wie er mich in den Wahnsinn trieb und zuzusehen, wie er die Beherrschung verlor und in mir kam. Wir benutzten keine Kondome. Neutral gesehen war das in Ordnung, da er wegen seinem Bein sehr lange unter ärztlicher Aufsicht gewesen war und ... er mir versichert hatte, dass er seit damals mit Kelly zusammen gewesen war. Natürlich war das ein Stich in meinem Inneren gewesen, aber ich zwang mich einfach, diesen geflissentlich zu ignorieren und weiterhin zu lächeln. Die trüben Gedanken verschwanden, als er mir erzählte, dass er alle sechs Wochen zum Blutspenden ging und dort ebenfalls die wichtigsten Schnelltests durchgeführt wurden. Früher, als ich meinen erste und einzige feste Beziehung geführt hatte, hatte ich mit diesem Typen – er hieß Marc – auch ohne Gummi geschlafen. Aber dabei hatte ich nichts gespürt. Lange dachte ich, es läge an meiner Vagina und bin wie eine Besessene in Beckenbodenkurse gerannt, in dem Bestreben mich selbst zu trainieren und besser zu werden. Außerdem hatte ich mit Sicherheit vier oder fünf Bücher zu Hause, die sich mit der weiblichen Intimzone beschäftigten. Heute wusste ich, es lag nicht an mir. Erwähnenswerterweise waren sie nun dennoch rentabel. Adam profitierte sehr davon, und als wir heute Nachmittag das dritte Mal, übereinander hergefallen waren, sagte er immer wieder ›Mach das noch mal mit deiner Muschi‹. Damit meinte er, dass ich wieder diese speziellen Anspanntechniken vorführen soll.
Das war eine Stunde her, und seitdem schlief er.
Adam lag halb auf dem Bauch, das Haar zerzaust, die Lippen einen Spalt geöffnet und das Laken war so weit nach unten gerutscht, dass es gerade so eine Seite seines Hinterns bedeckte. Ein überaus ansehnlicher Arsch. Allgemein war sein Körper ein einziger Augenschmaus, aber daran würde ich mich wohl nie gewöhnen. Adam hatte es geschafft, dass ich meinen treuesten Grundsatz über den Haufen geworfen hatte: Ich habe mich mit jemandem eingelassen, der vergeben ist. Aber dem nicht genug. Ich war auch noch seine Hochzeitsplanerin.
Und doch konnte ich die Finger nicht von ihm lassen. Schaffte es nicht, mich von ihm fernzuhalten und aus irgendeinem verdammt egoistischen Scheißgrund, wollte ich es überhaupt nicht. Versuchte es nicht einmal.
Natürlich brachte mich mein Gewissen fast um. Nun ... die meiste Zeit zumindest. Nämlich immer dann, wenn ich Kelly sah oder sie beide zusammen. Wie beim fröhlichen Freunde-Dinner mit seinem besten Freund Scott.
Aber auf der anderen Seite wie zum Beispiel heute – immer dann, wenn er gerade mal nicht in mir war oder ich ihn wie eine besessene Rodeoreiterin ritt, hatten wir tatsächlich miteinander gesprochen. Wie erwachsene, gesittete Menschen. Ich wusste über seine Familie Bescheid, dass seine Eltern wahnsinnig stolz auf ihn waren. Dass er eine jüngere Schwester hatte, die in Europa lebte und dass er wirklich exzellente Manieren besaß. Früher war er wohl ein ziemlich heißer Bad Boy gewesen und bei der ein oder anderen Bemerkung und Schlagzeile aus Zeitungen, die ich heute nach ihm gegoogelt habe, hat er nur mit Unschuldsmiene die Schultern gehoben und mich angegrinst. Er erzählte mir von seiner heißen Phase, die er zusammen mit Scott ausgekostet hatte, und von seiner Firma. Ich wusste nun, wann er Geburtstag hat und dass er noch nie in Las Vegas gewesen war. Außerdem hatte er mir verraten, dass er Obst in Obstform und nicht in pürierter Scheiße essen wollte, denn dann fühle er sich immer so, als hätte er keine Zähne im Mund. Das war das einzige Mal, dass er eine kleine Brücke zu Kelly baute, die wohl dachte, er würde seinen Smoothie lieben, welchen er ›grüner Schleim‹ nannte. Er vertraute mir an, dass er noch nie zu jemandem ›Baby‹ gesagt hatte und dass er jeden Tag Steak essen könnte, wäre es das einzige Nahrungsmittel auf der Welt. Weiter wusste ich über ihn, und das bedeutete mir am meisten, dass der einzige Grund, weshalb er immer morgens schwimmen ging, nicht der war, weil er Sport treiben wollte, sondern weil die Wellen ihm dann alleine gehörten. Nur ihm. Niemand sonst, mit denen er sie teilen musste.
Der Todesstoß in seinem Geständnis an mich war dann, dass er mir sagte, ihm sei es wichtiger gewesen mich heute zu erreichen und endlich wiederzusehen, als seine Liebe zum Wasser zu pflegen. Ich wusste, was das bedeutete, denn ich selbst empfand ähnlich. Für mich war das Schönste an einem Tag der Sonnenuntergang, den ich von meiner Terrasse aus betrachten konnte. Ich wollte ihn alleine für mich haben, niemand sollte dabei sein, und doch wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass er neben mir säße, sein Weinglas an meines stieß und wir der Sonne dabei zusahen, wie sie das Meer verbrannte. Als ich gerade in meine Gedanken so tief eingetaucht war, dass ich im Grunde nichts mehr um mich herum mitbekam, spürte ich, wie jemand nach meiner Hand griff und seine Finger mit meinen verschränkte. Diese Geste war so normal und gesellschaftstauglich, aber für mich unvorstellbar intim, dass ich mich kurz versteifte. »Baby!«, murmelte er und zog einen Schmollmund. »Nur noch kurz entspannen.« Ich lächelte nachsichtig und beugte mich zu ihm, um einen Kuss auf seiner Schulter zu platzieren. Sein sonst so makelloser Rücken war ziemlich zerkratzt, was wohl meiner Leidenschaft zuzuschreiben war, aber jetzt konnte ich es auch nicht mehr ändern. Den ganzen Tag hatten wir beide tunlichst vermieden, an heute Abend zu denken. Ich, weil ich wusste, dass ich ihn mit Kelly ertragen müsste und er ... nun das konnte ich nicht hundert Prozent einordnen, aber ich war mir relativ sicher, dass er ebenso in mich verliebt war. Das wiederum war riesige Scheiße, denn ... sollte ich zu ihm sagen: ›Adam, verlass Kelly, geh mit mir zusammen?‹ oder etwas in die Richtung wie ›Nimm mich, ich bin in dich verliebt?‹ Ich konnte das nicht, fühlte es sich doch so falsch an, einen dritten Menschen so sehr zu hintergehen.
Also entschied ich mich, so wie jeden Tag aufs Neue, wenn ich eine Nachricht von ihm beantwortete oder ihn traf, für das Sterben auf Raten. Denn nicht anders ließ sich beschreiben ... was auch immer das zwischen uns war.
Wie bei einer die Klauen nach einem ausstreckenden Krankheit. Man wusste, die Zeit würde ablaufen, das Ticken der Uhr war unfassbar laut und beständig, nur wann genau es so weit sein sollte, das stand in den Sternen.
»Scheiße«, flüsterte ich leise, als mir die Tränen bei meinen Gedanken in die Augen traten. Manchmal hasste ich mich dafür, was wir hier taten, aber ich ... konnte meine Finger nicht davon lassen, egal wie sehr ich sie mir verbrennen würde.
Heute Abend wären wir auf einer Veranstaltung in diesem verdammten Country Club, in welchem die beiden heiraten würden. Das Thousand Oaks bot allen Pärchen, die in diesem Sommer dort heirateten, einen Tanzabend und Adam und Kelly sollten diesen nutzen, um einen geeigneten Song für die Hochzeit zu finden. Normalerweise war es so, dass heiratswillige Paare auch einen gemeinsamen Song hatten, den sie dann als Hochzeitswalzer nutzten. Nun ... bei Adam und Kelly hatte ich ja schon mehrmals festgestellt, dass nichts war, wie es hätte sein sollen. Also würden wir dort hingehen. Am Anfang, als ich all diese Termine und Angelegenheiten mit Kelly besprochen hatte, war es mir wie eine absolut fabelhafte Idee vorgekommen. Jetzt, wo ich mich in ihren verdammten Verlobten verliebt hatte, wusste ich, es würde die Hölle auf Erden werden.
»Honey?«, fragte er auf einmal neben mir. »Was ist los?«
»Wie? Was?«, erwiderte ich verwirrt, da ich nicht verstand, was er gerade eben von mir wollte, zu tief war ich in meinen Gedanken versunken gewesen.
»Du zerquetscht meine Hand.« Wie zur Bestätigung wackelte er mit seinen Fingern. Ich ließ sofort locker und hörte auf, ihn zu umklammern.
»Sorry!«
»Nicht schlimm, aber was ist los?«, wollte er erneut wissen.
»Nichts.«
Er setzte sich halb auf und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Hannah sage mir bitte, was los ist!«
»Heute Abend ist die Tanzveranstaltung.« Diese Erklärung schien ihm zu genügen, denn gequält schloss er die Augen.
»Ich weiß«, murmelte er, lehnte sich mit dem Rücken an meinem Kopfteil an und öffnete die Arme. »Komm her, Baby!«
Wie eine kleine Prinzessin robbte ich zu ihm und setzte mich rittlings auf seinen Schoss. Ich genoss es, wie er immer wieder beruhigend über meinen Rücken streichelte und mir sanfte Worte der Zuneigung ins Ohr flüsterte. Entgegen der Vernunft glaubte ich ihm, dass es für ihn ebenso schwer war, wenn auch auf eine andere Art und Weise als für mich. Er beschrieb es immer als etwas nicht haben können und nicht anfassen dürfen, das man am liebsten an einen selbst ketten möchte. Außerdem – und das bedeutete mir am meisten – versicherte er mir, dass er es hasste, mir das anzutun. Mehr noch als bei Kelly.
Nachdem wir uns nochmals geliebt hatten, verabschiedete er sich von mir mit der Versicherung, dass wir uns in zwei Stunden schon wiedersehen würden. Er nahm mir das Versprechen ab, dass ich ihn weiterhin so anschauen würde wie heute Morgen. Ein Versprechen, von dem er wusste, dass ich es nicht halten konnte. Dass es zu ... intim war, wenn Kelly um uns war.
Ein Versprechen, von dem er jetzt schon wusste, dass ich es würde brechen müssen.