KAPITEL 4
DISNEY KOMMT INS SPIEL
Ü BER UNSERE ÜBERNAHME DURCH DISNEY ist so viel gesagt und geschrieben worden, dass ich dem wenig hinzuzufügen habe, außer, was meine eigene Perspektive betrifft – angesichts meiner Position bei ABC und der Tatsache, dass man mir damals sagte, es sei für Michael Eisner von ausschlaggebender Bedeutung, dass ich einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieb und im fusionierten Unternehmen blieb. Michael war seit 1984 CEO von Disney gewesen und hatte den Konzern seit mehr als einem Jahr ohne eine Nummer zwei geleitet, nachdem sein COO Frank Wells im Frühjahr 1994 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war. Wenn die Übernahme genehmigt würde, würde Disney beinahe auf die doppelte Größe anwachsen, und Michael wusste, dass er unmöglich ganz allein die beiden Unternehmen integrieren und gleichzeitig den fusionierten Konzern leiten konnte. Ich musste in sehr kurzer Zeit viele Wechsel verkraften. An einem Tag wurde ich als zukünftiger CEO von Cap Cities/ABC gehandelt, und am nächsten wurde ich aufgefordert, Disneys Mediensparte für mindestens fünf Jahre zu leiten. Zwar war der letztgenannte ein faszinierender Job, aber damals empfand ich es als eine bittere Pille.
Ich wusste, dass ich höchstwahrscheinlich wieder zurück nach Los Angeles ziehen musste, wenn ich zusagte, und das wollte ich nicht. Ich hasste den Gedanken, wieder so weit weg von meinen Töchtern zu sein. Außerdem lebten meine Eltern, die inzwischen auch nicht mehr die jüngsten waren, auf Long Island; ich wollte in ihrer Nähe sein. Und ich hatte mich inzwischen mit Willow Bay verlobt, mit der ich seit etwas mehr als einem Jahr zusammen war. Willow hatte eine großartige Stelle in New York; sie war die Moderatorin der Wochenendausgabe von Good Morning America sowie die Ersatzmoderatorin für Joan Lunden, die die Sendung unter der Woche moderierte, und wurde als ihre Nachfolgerin gehandelt. Ich wollte räumlich weder von ihr getrennt sein, noch wollte ich sie bitten, ihren Job aufzugeben, um mit mir an die Westküste zu ziehen.
In der einen Waagschale häuften sich also die persönlichen Gründe für eine Absage. In der anderen Waagschale türmten sich die beruflichen Gründe dafür, es zu wagen, allerdings genauso hoch. Ich kannte Michael nicht gut, aber ich mochte und respektierte ihn. Viele Jahre zuvor war er ebenfalls kurz bei ABC gewesen, doch ich war damals noch ein rangniederer Mitarbeiter und unsere Wege hatten sich nie gekreuzt. Jahre später hatten er und Jeffrey Katzenberg, den Michael für die Leitung der Walt Disney Studios ins Unternehmen geholt hatte, nachdem er selbst zum CEO ernannt worden war, versucht mich abzuwerben. Zum damaligen Zeitpunkt war ich für ABC Entertainment verantwortlich. Dass er nun sagte, der Deal würde ohne mich nicht stattfinden, deutete für mich darauf hin, dass er mich vielleicht bitten würde, die Rolle des COO zu übernehmen, die seit Frank Wells Tod vakant war. Ich habe zwar immer versucht, mich auf den Job zu konzentrieren, den ich gerade mache, und nicht auf Jobs, die ich vielleicht eines Tages machen werde, aber der Gedanke, ich könnte eines Tages die Chance erhalten, Disney zu führen, ließ sich schlecht ignorieren.
Willow war mir eine große Unterstützung. Sie sagte, ich hätte nichts zu verlieren und viel zu gewinnen, wenn ich im Unternehmen bliebe, und dass sie darauf vertraute, dass wir unser Privatleben schon entsprechend organisieren könnten. Ich beriet mich auch mit Tom Murphy. Tom war zwiegespalten (er wollte mich als Teil des Deals gerne an Michael weiterreichen), aber er war durchaus in der Lage, seine eigenen Interessen zu ignorieren, um mir einen ehrlichen Rat zu geben; er war stets ein solider Feedbackpartner für mich gewesen. Ich wusste, dass er absolut aufrichtig war, als er mir sagte: »Mann, wenn Sie Ihre Karten richtig ausspielen, werden Sie eines Tages den Konzern leiten.«
An einem Freitagnachmittag einigten sich Disney und Capital Cities/ ABC auf die finanziellen Bedingungen. Zwar mussten einige Details der Übernahme noch geklärt werden, aber die einzige große Frage, die noch nicht beantwortet war, lautet, ob ich blieb oder nicht. Noch am selben Abend hatten Willow und ich ein Abendessen mit dem Jesuitenpater vereinbart, der uns trauen sollte. (Ich bin jüdisch und Willow ist katholisch, daher engagierten wir Pater Ghirlando und einen jüdischen Kantor aus New Jersey, die die Trauung vollziehen sollten.) Da saß ich nun, ein geschiedener Jude, der hoffte, den Pastor beeindrucken zu können, der unsere Trauung vornehmen würde – und musste alle paar Minuten aufstehen und mich kurz entschuldigen, um Telefonate anzunehmen, die mit dem bevorstehenden Deal zu tun hatten. Ich begann mir Sorgen zu machen, ich könnte Pater Ghirlando respektlos erscheinen, daher entschuldigte ich mich schließlich für die vielen Unterbrechungen und sagte: »Ich weiß, ich bin jüdisch, aber ich möchte Ihnen etwas sagen und muss Sie darum bitten, das Beichtgeheimnis zu wahren.«
»Natürlich«, erwiderte er.
»Wir sind kurz davor, die größte Fusion in der Geschichte der Unterhaltungsindustrie anzukündigen, und ich versuche mich zu entscheiden, ob ich bei dem fusionierten Unternehmen bleibe oder nicht. Das ist der Grund für all diese Telefonate.«
Pater Ghirlando bot mir keinen kirchlichen Rat an, aber er segnete jede Entscheidung, die ich treffen würde. Wir setzten unser Gespräch über die Trauung fort, aber jedes Mal, wenn ich mich entschuldigen musste, um einen weiteren Anruf anzunehmen, schien er leicht aufgeregt zu sein, in dem Wissen, dass er vor der restlichen Welt von der größten Übernahme in der Geschichte der amerikanischen Unternehmenswelt erfahren hatte.
Auf Tom Murphys Empfehlung engagierte ich einen Anwalt namens Joe Bachelder. An einem Samstagmorgen begab ich mich in seine Kanzlei mitten in Manhattan und sagte ihm, dass diese Angelegenheit schnell geklärt werden müsse. Ich war geneigt zu bleiben, daher beauftragte ich Joe im Wesentlichen damit, mit Disneys damaligem Chefjustiziar Sandy Litvack einen Deal mit guten Bedingungen für mich auszuhandeln. Am folgenden Abend kamen die Mitglieder der Verwaltungsräte von ABC und Disney in den Räumlichkeiten der Anwaltsfirma Dewey Ballantine zusammen, die Disney repräsentierte. Es war eine angespannte Situation. Während die Verwaltungsräte der beiden Unternehmen die Einzelheiten dieser Megafusion austüftelten, beklagte sich Sandy Litvack, die ganze Sache würde platzen, weil Joe zu wenig kompromissbereit sei. An einem bestimmten Punkt nahm Michael Eisner Tom Murphy zur Seite und flehte ihn an, einzugreifen und mich dazu zu bringen, das Angebot von Disney anzunehmen. Michael sprach mich ein wenig später direkt an. »Bob«, sagte er, »es ist leichter, über diese 19,5-Milliarden-Dollar-Transaktion zu verhandeln als über Ihre Konditionen. Können Sie bitte einfach Ja sagen?«
»Bob«, sagte er, »es ist leichter, über diese 19,5-Milliarden-Dollar-Transaktion zu verhandeln als über Ihre Konditionen. Können Sie bitte einfach ja sagen?«
Der letzte kniffelige Punkt war die Frage, an wen ich berichten sollte. Joe drängte auf eine formale Vereinbarung, dass ich direkt an Michael berichten würde, aber Michael lehnte ab. Er wollte die Freiheit, einen Präsidenten zu ernennen, der eine Position zwischen ihm und mir einnehmen würde, und er wollte sichergehen, dass mir klar war, dass er das tun konnte. Zwar hätte ich gerne von ihm gehört, dass ich formal betrachtet die Nummer zwei war, aber mir gefiel, wie direkt er mir gegenüber war. Schließlich bat ich Joe, später an diesem Abend zuzusagen. Ich hoffte auf einen Weg, der mir die Chance eröffnen würde, eines Tages CEO von Disney zu werden (wohl wissend, dass es für nichts im Leben eine Garantie gibt), aber es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt, um darum zu kämpfen. Ich wollte, dass die Fusion reibungslos verlief, und ich wollte sicherstellen, dass Disney das Team von Capital Cities gut behandelte. Ohne mich – da war ich mir ziemlich sicher – würde unser Team auf potenziell entmutigende Art und Weise untergebuttert werden.
Am folgenden Tag kamen wir alle im Morgengrauen in der Konzernzentrale von ABC in der 66. Straße zusammen. Das vereinbarte Vorgehen lautete, dass wir erst die Fusion ankündigen und dann in einem der Studios von ABC eine Pressekonferenz abhalten würden (nämlich im Studio TV-1, in dem 1960 im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfes eine der Debatten zwischen den Kandidaten Kennedy und Nixon stattgefunden hatte). Anschließend würden Michael und Tom nach nebenan ins Studio TV-2 gehen und in der Live-Übertragung der Sendung Good Morning America ein Interview geben. Das würde eine echte Sensationsmeldung werden. Niemand von ABC News war im Vorfeld darüber informiert worden, dass eine solche Transaktion bevorstand. Zufälligerweise moderierte Willow an diesem Tag für Joan Lunden. Als ihr Co-Moderator Charlie Gibson die Aufregung im Nachbarstudio bemerkte, fragte er sie: »Wie würdest du die Geschehnisse im Studio nebenan auf einer Skala von null bis zehn bewerten?« Willow, die natürlich wusste, was los war, aber Stillschweigen gelobt hatte, antwortete: »Ich würde sagen, zwölf, Charlie.«
Mit der Fusion wurde meine Vertragsverlängerung um weitere fünf Jahre verkündet. Anschließend setzte ich umgehend ein Meeting mit allen Spitzenführungskräften von Cap Cities/ABC an. Niemand von ihnen hatte diesen Deal kommen sehen, und sie standen immer noch unter Schock. Einige Leute am Tisch hatten ihr gesamtes Leben für Tom und Dan gearbeitet; nun blickten sie mich hilfesuchend an und fragten: »Was passiert jetzt? Was sollen wir machen?«
Ich war so aufrichtig zu ihnen, wie ich konnte. Disney hatte eine völlig andere Unternehmenskultur als wir, Tom hatte jedoch die Interessen des gesamten Unternehmens im Sinn, als er der Fusion zustimmte. Es würde eine schwierige Übergangsphase werden; es gab allerdings keine Alternative. Ich wollte ihnen deutlich machen, dass ich wusste, wie beunruhigend diese sensationelle Neuigkeit war. Die Unternehmenskultur, mit der wir vertraut waren, würde es in Kürze nicht mehr geben. Disney war aggressiver, kreativer und stärker von Hollywood geprägt als unser Unternehmen. Ich war jedoch in der Position, ihnen den Übergang zu erleichtern, und ich wollte ihnen die Sicherheit geben, dass sie sich auf mich verlassen konnten, wenn sie meine Hilfe brauchten.
Was die Fusion selbst anging, waren viele Leute über die Summe von 19,5 Milliarden Dollar schockiert. Andere fanden, Tom hätte länger standhaft bleiben und für eine weitaus höhere Summe verkaufen sollen. Man weiß es nicht. Wie sich herausstellte, war die Summe für Disney ein Klacks; so viel ist sicher. Michael wurde nie besonders dafür gelobt, den Mut zu dieser Transaktion gehabt zu haben, aber sie war ein enormes Risiko und zahlte sich für die kommenden Jahre aus. Diese Übernahme verhalf Disney zu der Größe, um unabhängig zu bleiben, während andere Unterhaltungskonzerne schmerzerfüllt erkennen mussten, dass sie zu klein waren, um in einer veränderten Welt weiterhin wettbewerbsfähig zu sein. Die Ressourcen, auf die Disney im Rahmen der Übernahme Zugriff erhielt – vor allem ESPN –, erwiesen sich auf Jahre hinaus als Wachstumsmotoren und bildeten fast ein Jahrzehnt lang einen wichtigen Puffer, als Disney Animation unter einer Reihe von Kassenflops litt.
EINIGE WOCHEN, NACHDEM wir die Fusion verkündet hatten, flog ich nach Aspen, um ein Wochenende mit Michael und seiner Frau Jane in ihrem Domizil in Snowmass zu verbringen. Ich war sehr von dessen Schönheit beeindruckt – eingebettet in ein Tal zwischen den imposanten Berggipfeln von Aspen stand dort ein riesiges Holzchalet, das der Architekt Bob Stern designt hatte, der auch ein Mitglied von Disneys Verwaltungsrat war. Jedes Detail dieses Chalets ließ einen exquisiten Geschmack erkennen.
Disney hatte die Ressourcen, die es einkaufte, sorgfältig geprüft, aber sie konnten unmöglich alle Komplexitäten des Unternehmens verstehen, das nun zu ihrem Konzern gehören sollte. Ich brachte zahlreiche Aktenordner zu den ebenso zahlreichen Geschäftsfeldern von Capital Cities mit – einschließlich ABC, seine verschiedenen Fernsehstationen, ESPN, ein florierendes Radiogeschäft, ein riesiges Verlagsgeschäft mit Zeitungen und Zeitschriften, weitere Kabelkanäle und eine Sammlung anderer kleiner Geschäftszweige. »Ihr Team hat die Einschätzung sehr schnell vorgenommen«, sagte ich ihm. »Es gibt aber noch eine Menge Dinge, die Sie nicht wissen.«
Ich wollte, dass Michael die Realität verstand, und ich wollte ihm auch zeigen, dass ich alles unter Kontrolle hatte.
In den folgenden zwei Tagen ging ich mit Michael jeden Aspekt unseres Unternehmens durch. Er mochte glauben, er habe einen Fernsehkonzern gekauft, aber es war weitaus komplexer als das. Es gab tausend Details, von ESPNs eingekauften Rechten bis zu den anstehenden Verhandlungen zwischen ABC und NFL. Ich gab ihm einen Überblick über unser Radiogeschäft, das von Countrymusik bis Talkradio reichte, und sprach mit ihm darüber, wie man mit einem Talkshow-Moderator umgeht, der sich in der Sendung polemisch oder hetzerisch geäußert hat. Es gab heikle Fragen im Zusammenhang mit dem Vertrag von Fernsehmoderatorin Barbara Walters, der bald auslief, und den Schwierigkeiten, die das Management eines Nachrichtennetzwerkes mit sich brachten – es war enorm vielschichtig. Ich wollte, dass Michael die Realität verstand, und ich wollte ihm auch zeigen, dass ich alles unter Kontrolle hatte.
Michael war echt erschüttert. Er war damals erst 52 Jahre alt, aber hatte in jenem Jahr bereits eine Bypass-Operation hinter sich, und Jane wachte mit Argusaugen über seine Ernährung, seinen Terminkalender und seine sportlichen Aktivitäten. Mir war damals nicht bewusst, wie sehr sie ihn zu einer Änderung seines Lebensstils gedrängt hatte und wie groß die Nervosität war, die sie wegen dieser Fusion empfand. Sie wollte, dass er weniger arbeitete, und nun saß ich ihnen in ihrem Zuhause gegenüber und sagte: »Das ist eine wesentlich größere Sache, die Sie hier stemmen müssen, als Sie sich vorstellen, und einige Probleme sind wesentlich dringlicher, als Sie ahnen.«
Am Ende dieses Wochenendes fuhr mich Michael zum Flughafen. Unterwegs fuhren wir bei Michael Ovitz und seiner Familie vorbei, die in der Nähe ein Haus besaßen. Jane, Michael und die Familie Ovitz wollten gemeinsam eine Wanderung unternehmen. Ich wusste nicht, dass sich diese beiden Familien nahestanden, aber ich konnte an jenem Nachmittag sehen, dass die Chemie zwischen ihnen stimmte. Ovitz hatte kurz zuvor versucht, von der damals mächtigsten und einflussreichsten Talent-und Sportagentur Creative Artists Agency (CAA), die er mitbegründet und in eine der einflussreichsten Talentagenturen verwandelt hatte, als CEO zu Universal Studios zu wechseln. Daraus wurde aber nichts, und er suchte nach einer Chance, ein neues Kapitel in seiner Hollywood-Karriere aufzuschlagen. Als ich am Flughafen ausstieg, um nach New York zurückzufliegen, dämmerte mir, dass Michael möglicherweise ihn als Nummer zwei auserkoren hatte.
Eine Woche später bestätigte sich meine Vermutung. Michael rief an und sagte: »Ihr Briefing hat mir die Augen geöffnet. Es wird gewiss nicht einfach, dieses neue Unternehmen zu steuern.« Jane sei ebenfalls besorgt, ließ er mich wissen. Dann kam er direkt auf Ovitz zu sprechen. »In den Verhandlungen über die Übernahme habe ich die Möglichkeit offengelassen, jemanden ins Unternehmen zu holen, der zwischen uns sitzen wird.« Ja, sagte ich, ich wüsste, dass nichts garantiert sei. »Sie sollen wissen, dass ich Michael Ovitz engagiert habe, und Sie werden an ihn berichten.«
Ovitz würde Präsident der Walt Disney Corporation werden, nicht COO. Gemäß der Konzernstruktur bedeutete das, dass er mein Vorgesetzter sein würde, aber nicht zwangsläufig, dass er zum Kronprinzen auserkoren war. Ich empfand eine kurze Enttäuschung, war aber auch froh, dass Michael während der Verhandlungen so unverblümt und nun so ehrlich mit mir gewesen war. Er versuchte nicht, seine Entscheidung schönzufärben oder vorzugeben, dieses Arrangement sei etwas anderes, als es tatsächlich war. Ich war 44 Jahre alt und musste noch immer viel lernen, und auf jeden Fall ließ sich nichts damit gewinnen, mit einem oder beiden von ihnen auf dem linken Fuß zu beginnen. Ich wollte, dass es rund lief. Nach der Verkündung der Neuigkeit über Michael Ovitz sagte ich zu einem Reporter der New York Times : »Wenn Mike Eisner glaubt, dass dies das Richtige für das Unternehmen ist, dann vertraue ich seinem Instinkt.« An dem Tag, an dem dieses Zitat in der Times veröffentlicht wurde, steckte mir eine Führungskraft von Disney, Michael hasse es, »Mike« genannt zu werden. Ich hatte noch gar nicht begonnen und bereits meinen ersten Fauxpas begangen.
Bald erfuhr ich, dass andere noch wesentlich intensivere Gefühle über die Ernennung von Michael Ovitz hatten als ich. So wurde mir zugetragen, Joe Roth, Chairman des Studios, sei außer sich, und Disneys Chefjustiziar Sandy Litvack und der Finanzvorstand Steve Bollenbach seien unglücklich über die neue Konzernstruktur und hätten sich geweigert, an Ovitz zu berichten. Aus einer Entfernung von fast 5000 Kilometern konnte ich in New York bereits spüren, dass sich bei »Disney Corporate« Unmut aufzustauen begann. Die Ernennung von Michael Ovitz hatte von dem Moment ihrer Verkündung an für internen Zwist gesorgt. Ich hatte allerdings keine Idee, wie angespannt die Situation noch werden würde.
WÄHREND WIR IN DEN folgenden Monaten auf die Genehmigung der Kartellrechtsbehörde FCC warteten, pendelte ich jede Woche nach Los Angeles und lernte die verschiedenen Spitzenführungskräfte von Disney kennen, die schon bald meine Kollegen werden würden. Willow und ich wussten, dass wir keine Chance auf Flitterwochen hätten, sobald die Fusion genehmigt wäre, daher verkürzten wir unsere Verlobung radikal und heirateten bereits Anfang Oktober 1995. Wir verbrachten unsere Flitterwochen in Südfrankreich im todschicken Grand Hôtel du Cap Ferrat. Eines Morgens traf eine riesige Schachtel ein, die bis zum Rand mit Micky-Maus-Artikeln gefüllt war: aufeinander abgestimmte Micky-Maus-Pyjamas, jeweils ein Braut- und Bräutigam-Micky-Maus-Hut, Donald-Duck-Pantoffeln. Es war so viel Zeug und so unglaublich übertrieben, dass wir gar nicht wussten, wohin damit. Wir beschlossen, die Sachen bei unserer Abreise zurückzulassen, und dachten, vielleicht könne jemand etwas damit anfangen oder habe Kinder, die Spaß daran hätten, aber bis zum heutigen Tag winde ich mich innerlich bei dem Gedanken, dass das Zimmermädchen nach unserer Abreise hereinkam und all diesen Micky-Maus-Krimskrams sah. Ich erinnere mich, dass ich die ganzen Fan-Artikel betrachtete und dann zu Willow sagte: »Ich arbeite jetzt für ein ganz anderes Unternehmen.« (In all den Jahren, die ich für Michael Eisner arbeitete, sah ich ihn tatsächlich höchst selten mit einer Krawatte, auf der keine Micky-Maus abgebildet war. Alle Spitzenführungskräfte wurden aufgefordert, sie ebenfalls zu tragen, allerdings tat ich immer so, als hätte ich dieses eine Memo nie erhalten.)
Es gab aber noch bedeutendere Unterschiede als Merchandise-Bekleidung. Die gesamte Unternehmenskultur war einfach völlig anders. Tom und Dan waren herzliche, zugängliche Vorgesetzte gewesen. Wenn man ein Problem hatte, konnte man immer zu ihnen kommen. Brauchte man einen Rat, waren sie da. Als Geschäftsleute konzentrierten sie sich intensiv auf Kostenkontrolle und Gewinnsteigerung und umgaben sich mit Führungskräften, die auf ewig für sie arbeiten konnten, solange sie die gleichen Prinzipien vertraten. Außerdem glaubten sie an eine dezentrale Unternehmensstruktur. Wenn man das Budget einhielt und sich ethisch akzeptabel verhielt, gewährten sie einem Raum für unabhängige Entscheidungen. Abgesehen vom Finanzvorstand und dem Justiziar gab es kein Konzernpersonal, keine zentralisierte Verwaltung und kaum Einmischung in die Unternehmenseinheiten.
Disney war genau das Gegenteil davon. Schon in der ersten Zeit ihrer Unternehmensführung hatten Michael und Frank Wells eine zentrale Konzerneinheit mit der Bezeichnung Strategische Planung eingerichtet, in der eine Gruppe aggressiver, sehr gut ausgebildeter Führungskräfte saß (alle besaßen einen MBA-Abschluss, viele von Elite-Unis wie Harvard und Stanford). Sie waren ausgezeichnete Analysten und hochkompetent, was die Lieferung von Daten und »Erkenntnissen« anging, die Michael brauchte, um sich bei jedem geschäftlichen Schritt, den der Konzern machte, sicher zu fühlen, während er alle kreativen Entscheidungen selbst traf. Die strategische Abteilung hatte eine erhebliche Macht über das restliche Unternehmen und übte sie ungehindert über alle Spitzenführungskräfte aus, die die verschiedenen Konzernsparten leiteten.
Ich kam ungefähr nach der Hälfte von Michaels 21-jähriger Amtszeit als CEO ins Unternehmen. Er gehörte zu den am meisten gefeierten und erfolgreichsten CEOs der amerikanischen Unternehmenswelt; insbesondere die ersten zehn Jahre waren außerordentlich erfolgreich verlaufen. Er trieb eine aggressive Erweiterung der Themenparks voran und führte eine wesentlich profitablere Preisstrategie ein. Außerdem startete er das Kreuzfahrtgeschäft, das im Vergleich zu anderen Geschäftsfeldern relativ klein, aber sehr profitabel war. Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre produzierte Disney Animation einen Kassenschlager nach dem anderen: Arielle, die Meerjungfrau , Die Schöne und das Biest , Aladdin und Der König der Löwen . Das führte zu einer Explosion des Geschäfts mit Konsumprodukten und hohen Einnahmeströmen aus den Disney Stores, dem Lizenzgeschäft und allen Formen des globalen Merchandising. Der Disney Channel, der in den Vereinigten Staaten gestartet wurde, war schon nach kurzer Zeit erfolgreich, und Walt Disney Studios, die für die Realfilme verantwortlich waren, produzierten eine Reihe von Kinoerfolgen.
Als wir von Disney übernommen wurden, zeigten sich allerdings bereits die ersten Risse. Die Lücke, die Frank Wells’ Tod hinterlassen hatte, führte zu Verbitterung und großer Schärfe zwischen Michael und Jeffrey Katzenberg, der einen Großteil des Verdienstes für den Erfolg von Disney Animation in den ersten zehn Jahren von Michaels Amtszeit für sich beanspruchte. Jeffrey war verstimmt darüber, dass Michael ihn nach Franks Tod nicht zur Nummer zwei befördert hatte. Michael wiederum war wütend darüber, dass Jeffrey versuchte, ihn dazu zu drängen. Im Jahr 1994, nicht lange nach seiner Bypass-Operation am offenen Herzen, zwang Michael Jeffrey zum Rücktritt – ein Schritt, der in einem sehr erbitterten und kostspieligen Rechtsstreit endete. Zur Krönung des Ganzen geriet die Sparte Disney Animation ins Straucheln. Die folgenden Jahre waren von einer ganzen Reihe teurer Flops durchsetzt: Hercules , Atlantis , Der Schatzplanet , Fantasia 2000 , Bärenbrüder , Die Kühe sind los und Himmel und Huhn . Andere – Der Glöckner von Notre Dame , Mulan , Tarzan und Lilo & Stitch – waren mäßige Erfolge, aber weit von den kreativen oder kommerziellen Erfolgen des vorhergehenden Jahrzehnts entfernt. Man muss Michael allerdings zugutehalten, dass er die Weisheit besaß, in dieser Zeit eine Partnerschaft mit Pixar einzugehen. Das Ergebnis waren einige der großartigsten animierten Filme aller Zeiten.
Disney war ein vollkommen zentralisiertes, prozessorientiertes Unternehmen, und uns sträubten sich instinktiv die Nackenhaare, als wir sahen, wie dort gearbeitet wurde.
Von Beginn an nutzte das Disney-Team – zum größten Teil die Jungs von »Strat Planning« wie die Strategische Planung intern genannt wurde – den Umstand, dass wir die Newcomer im Unternehmen waren, zu ihrem Vorteil aus. Es war nicht so, dass alles, was sie taten, schlecht war. Es war nur einfach das Gegenteil von dem, woran alle diejenigen gewöhnt waren, die für Tom und Dan gearbeitet hatten. Disney war ein vollkommen zentralisiertes, prozessorientiertes Unternehmen, und uns sträubten sich instinktiv die Nackenhaare, als wir sahen, wie dort gearbeitet wurde. Zudem hatte Disney noch nie zuvor ein anderes Unternehmen übernommen, und sie machten sich überhaupt keine Gedanken darüber, sensibel und behutsam vorzugehen. Meinungsverschiedenheiten, die man mit Diplomatie hätte lösen können, wurden stattdessen in einem Ton geschlichtet, der oft autoritativ und fordernd war. Sie taten so, als hätten wir uns für immer ihrem Willen zu beugen, nur weil sie uns übernommen hatten. Das kam bei vielen ehemaligen Leuten von Cap Cities nicht gut an. Ich stand hoch genug auf der Karriereleiter, um geschützt zu sein, aber viele Leute unter mir machten sich Sorgen, was aus ihnen werden würde. Ich verbrachte unendlich viel Zeit und Energie damit, in ihrem Interesse zu intervenieren und zu beschwichtigen.
Ich hatte allerdings meine eigenen Konfrontationen. Schon bald nach der Übernahme trennte sich Disney klugerweise von unserem gesamten Zeitungsgeschäft – Jahre bevor diese Branche in unglaubliche Schwierigkeiten geriet. Allerdings hielten wir an einigen Zeitschriften fest, darunter auch das Modemagazin W . Kurz nach der Fusion erwähnte der Verleger und Herausgeber des Magazins mir gegenüber, dass Jane Pratt, Gründerin des Magazins Sassy und eine frühe Mitwirkende von VH-1 und MTV, eine Idee für »eine hippe Cosmopolitan « mit dem Titel Jane habe.
Jane kam herein und stellte ihre Idee vor, die mir gefiel, weil wir damit eine jüngere, weniger biedere Zielgruppe erschließen konnten. Ich prüfte den Geschäftsplan, der mir solide erschien, und gab dem Team grünes Licht. Kurz darauf erhielt ich einen Anruf von Tom Staggs, der später mein CFO werden sollte und damals noch in der Strategischen Planung arbeitete. Tom kontaktierte mich im Namen seines Vorgesetzten Larry Murphy, der die die Gesamtverantwortung für die Einheit Strategische Planung trug. Etwas verlegen teilte er mir mit, Larry erlaube keiner Geschäftseinheit zu expandieren, zu investieren oder irgendeine neue Initiative zu starten, ohne dass seine Gruppe das Vorhaben nicht gründlich analysiert habe. Und wenn sie ihre Analysen abgeschlossen hätten, würden sie Michael eine entsprechende Empfehlung aussprechen.
Ich merkte, dass Tom sich in seiner Rolle als Überbringer der schlechten Nachrichten unwohl fühlte, daher sagte ich höflich, er möchte Larry mitteilen, ich würde dieses Projekt fortsetzen und benötigte seine Analyse nicht.
Das führte dazu, dass Larry mich kurz darauf anrief, um zu erfahren, was zur Hölle ich vorhatte. »Sie bringen diese neue Zeitschrift heraus?«
»Ja.«
»Wissen Sie, wie viel dieses Projekt kosten wird?«
»Ja.«
»Und Sie halten es für eine gute Idee?«
»Ja.«
»So arbeiten wir nicht bei Disney«, sagte er.
Am Ende gab er seine Zustimmung zu diesem Projekt. Er wollte so kurz nachdem ich ins Unternehmen gekommen war, eine Auseinandersetzung mit mir vermeiden, aber das Signal war eindeutig – von da an würde es keine unabhängigen Entscheidungen bei Disney mehr geben.
»Hüten Sie sich vor der Herstellung von Posaunenöl. Möglicherweise werden Sie der größte Hersteller von Posaunenöl der Welt, aber am Ende braucht die Welt davon nur wenige Milliliter pro Jahr!«
Fairerweise muss man sagen, dass es eine kleine Idee war, die möglicherweise weder die Zeit noch die Investition lohnte (wenngleich wir W und Jane schließlich mit Gewinn an Si Newhouse von Condé Nast verkauften). Allerdings gibt es einen Weg, diese Botschaft zu vermitteln, und gleichzeitig zu demonstrieren, dass man den eigenen Leuten vertraut, damit man ihren Unternehmergeist wahrt. Genau diese Lektion brachte mir Dan Burke schon sehr früh bei, und das auf eine Weise, die nicht unterschiedlicher hätte sein können als das Vorgehen der Leute aus der Strategischen Planung. Ich weiß nicht mehr, bei welcher Gelegenheit es war, aber in einem unserer Gespräche über irgendeine Initiative, die ich erwog, hatte mir Dan eine Notiz gereicht, auf der Folgendes stand: »Hüten Sie sich vor der Herstellung von Posaunenöl. Möglicherweise werden Sie der größte Hersteller von Posaunenöl der Welt, aber am Ende braucht die Welt davon nur wenige Milliliter pro Jahr!« Er wollte mir damit vermitteln, dass ich nicht in Projekte investieren sollte, die die Ressourcen meines Unternehmens absorbieren, aber keinen nennenswerten Gewinn einbringen würden. Das war eine überaus positive Form der Übermittlung einer sehr weisen Botschaft, und ich habe diese Notiz in meinem Schreibtisch aufbewahrt. Gelegentlich ziehe ich sie hervor, wenn ich mit Führungskräften von Disney darüber spreche, welche Projekte sie verfolgen und auf welche Dinge sie ihre Energie verwenden sollten.
WÄHREND ICH VERSUCHTE, mich an die Kultur von Disney zu gewöhnen, wurde ich Zeuge der rapiden Verschlechterung der Beziehung zwischen meinem neuen Vorgesetzten Michael Ovitz und Michael Eisner. Es war äußerst unangenehm, das mitzuerleben, und überdies fand es vor den Augen vieler Leute im Unternehmen statt.
Michael Ovitz’ Amtszeit als CEO begann offiziell im Oktober 1995. Von Anfang an war klar, dass er der falsche Mann am falschen Ort und zur falschen Zeit war. Er hatte CAA verlassen und in einem Kopf-an-Kopf-Rennen um die Führung von Universal den Kürzeren gezogen. Man konnte förmlich spüren, wie wichtig es ihm war, an der Spitze der Hollywood-Pyramide zu bleiben. Das Angebot, Michael Eisners Nummer zwei zu werden, war der rettende Fallschirm, den er zu brauchen glaubte.
Der Entscheidungsprozess in einer Agentur unterscheidet sich jedoch grundlegend von dem Entscheidungsprozess in einem großen Konzern, vor allem in einem so strukturierten wie Disney. Anstatt Michael dabei zu helfen, die vielen Geschäftseinheiten zu führen, was einen großen Teil der Aufgabe einer Nummer zwei ausmacht, kam Ovitz mit tausend Ideen, von denen die meisten mit den überlebensgroßen Persönlichkeiten zu tun hatten, die er kannte. Als ehemaliger Chairman von CAA, einer privat geführten Agentur, war er daran gewöhnt, tonnenweise Ideen aus dem Hut zu ziehen, die sich sofort umsetzen ließen. Er ging davon aus, dass er das Gleiche bei Disney tun konnte. Er war ein Agent mit Leib und Seele und daran gewöhnt, stets für seine Kunden ansprechbar zu sein und alles stehen und liegen zu lassen, um ihnen zur Verfügung zu stehen. Diese Gewohnheiten funktionierten bei Disney aber nicht. Er wollte Leuten wie Tom Clancy, Magic Johnson, Martin Scorsese und Janet Jackson (und vielen anderen) alle möglichen Deals anbieten, die sich über sämtliche Geschäftsfelder von Disney erstreckten. Ständig erzählte er ihnen, was Disney alles für sie tun könne. Solche Deals mögen in einer Pressemitteilung großartig klingen, aber sie gehen selten gut aus. Eine Spitzenführungskraft muss die Schirmherrschaft dafür übernehmen und Zeit und Energie investieren, um jeden Aspekt des Deals durch jedes Geschäft und jede Initiative zu begleiten. Außerdem senden solche Angebote die Botschaft an den jeweiligen Künstler, dass er praktisch über einen Blankoscheck verfügt. In Unternehmen wie Disney, in dem jede Idee sorgfältig geprüft wird, kann das ein Desaster sein.
Ich arbeitete von New York aus, flog aber jede Woche zu Michael Eisners montäglichen Arbeitsmittagessen. Dabei konnte ich das Debakel aus der ersten Reihe miterleben. Ovitz tauchte auf, mit seiner Energie und seinen Ideen, und jedem am Tisch war klar, dass Michael Eisner, der es besser wusste, kein Interesse daran hatte. Dann ließ sich Michael pflichtbewusst von den einzelnen Geschäftsbereichen auf den neuesten Stand bringen und informierte sich über neue Strategien – und Ovitz, der sich despektierlich behandelt fühlte, klinkte sich auf aggressive Weise aus und gab allen seinen Mangel an Interesse zu verstehen. In jedem Meeting wiederholte sich vor unser aller Augen jedes Mal das Gleiche. Allein die Körpersprache war schmerzhaft zu beobachten, und das Unbehagen begann das gesamte Topmanagement-Team zu beeinträchtigen. Wenn die beiden Personen an der Spitze eines Unternehmens eine schlechte Beziehung zueinander haben, hat das Auswirkungen auf das übrige Unternehmen. Das ist so, als würden sich die eigenen Eltern ständig in den Haaren liegen. Die Kinder spüren die Belastung, beginnen, die Feindseligkeiten zurück auf ihre Eltern zu reflektieren und gehen sich gegenseitig an den Kragen.
Das Management der eigenen Zeit und der Respekt für die Zeit anderer Menschen ist eines der wichtigsten Dinge, die ein Manager tun kann.
Ich versuchte, während dieser ganzen Zeit freundlich und höflich gegenüber Ovitz zu bleiben und zu respektieren, dass er mein Vorgesetzter war. Ich unternahm einen Versuch, ihm Wissen über die Geschäftsbereiche zu vermitteln, die an mich berichteten. Außerdem gab ich ihm oft kurze Briefings, die ihm helfen sollten, die Details und Besonderheiten der Einschaltquoten von Fernsehnetzwerken oder von ESPN-Vertriebsvereinbarungen oder von Verträgen mit profilierten Moderatoren und Kommentatoren zu verstehen. Doch Ovitz reagierte jedes Mal entweder abschätzig und desinteressiert oder war von Telefonaten abgelenkt.
Einmal nahm er – in meinem Büro – einen Anruf von US-Präsident Clinton entgegen und sprach mit ihm ganze 45 Minuten, während ich draußen saß und wartete. Ein Anruf von Tom Cruise unterbrach ein anderes Meeting. Martin Scorsese beendete ein drittes, kaum dass es begonnen hatte. Meeting für Meeting wurde entweder abgesagt, verlegt oder verkürzt, und schon bald flüsterte jeder Topmanager von Disney hinter Ovitz’ Rücken, was für eine Katastrophe er war. Das Management der eigenen Zeit und der Respekt für die Zeit anderer Menschen ist eines der wichtigsten Dinge, die ein Manager tun kann. Ovitz war auf diesem Gebiet einfach fürchterlich.
Nachdem er mit seinen Ideen nicht landen konnte und Michael Eisner ihn im Wesentlichen auf Eis gelegt hatte und ihn von allen wichtigen Dingen fernhielt, wurde Ovitz wütend und beschämt. Ich glaube, selbst wenn ihm die Autorität gewährt worden wäre, seine Rolle wirklich auszufüllen, wäre er bei Disney trotzdem gescheitert, weil er einfach nicht für eine Konzernkultur gemacht war. Vor einem Meeting gab ich ihm stapelweise Unterlagen, und am nächsten Tag kam er herein und hatte nicht eine Seite gelesen. Stattdessen forderte er mich auf: »Geben Sie mir die Fakten«, und dann äußerte er schnell seine Meinung. Es war nicht so, dass er schnell handelte, weil er alle Informationen bereits verarbeitet hatte. Genau das Gegenteil war der Fall. Er versuchte zu vertuschen, dass er sich nicht vorbereitet hatte, und in einem Unternehmen wie Disney merken die Leute um Sie herum sofort, wenn Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, und das mindert ihren Respekt vor Ihnen. Sie müssen aufmerksam sein und aufpassen. Oft sitzt man in einem Meeting, an dem man vielleicht lieber nicht teilnehmen würde, wenn man die Wahl hätte. Man muss lernen und alles aufsaugen wie ein Schwamm. Man muss sich die Probleme anderer Leute anhören und dazu beitragen, eine Lösung zu finden. Das gehört zu der Herausforderung, ein erstklassiger Manager zu sein. Das Problem war, dass Michael Ovitz kein Manager war, sondern nach wie vor ein Agent. Das Agenturgeschäft kannte er wie seine eigene Westentasche, aber es war nicht das Geschäft, in dem wir uns bewegten.
IM APRIL 1996 BESUCHTE MICH Michael Eisner in meinem Büro in New York. Er trat ein, schloss die Tür und sagte: »Ich weiß, es funktioniert nicht mit Michael. Es war eine katastrophale Fehlentscheidung, ihn zu engagieren.« Er wusste, dass andere Topführungskräfte wie Joe Roth, Leiter der Disney Studios, aus lauter Frustration mit dem Gedanken spielten, zu kündigen, und er bat mich, das nicht zu tun. Ich hatte nicht vor, zu gehen. Es gefiel mir nicht – die ersten sechs Monate bei Disney waren die entmutigendsten und unproduktivsten Monate meiner gesamten Karriere –, aber ich war immer noch neu im Unternehmen, und da ich in New York arbeitete, konnte ich den unangenehmen Situationen oft entgehen. In erster Linie dachte ich an Michael: Er hatte ein schwieriges Problem, das er lösen musste, und ich wollte seine Belastung nicht noch vergrößern.
»Ich weiß noch nicht genau, wann, aber ich werde ihn feuern«, teilte Michael mir mit. Er bat mich, mit niemandem darüber zu sprechen, und ich gab ihm mein Wort. Ich war mir nie sicher, ob er nicht noch mit anderen darüber gesprochen hatte, aber ich erwartete, dass Michael innerhalb weniger Wochen nach diesem Gespräch mit Ovitz sprechen würde. Stattdessen schleppten sich die Monate dahin und die Spannungen und Störungen nahmen ständig weiter zu. Alle – Michael und Ovitz, das gesamte Topmanagement und jeder, der für Ovitz arbeitete – waren höchst unzufrieden. Es war Zeit, dem Ganzen ein Ende zu setzen.
Im Dezember, mehr als acht Monate, nachdem er mir gegenüber angekündigt hatte, sich von Ovitz zu trennen, entließ Michael Eisner Ovitz und beendete dieses schmerzliche Kapitel in der Geschichte des Unternehmens. (Die Schmerzen dauerten allerdings an, und zwar in Form einer Aktionärsklage über das Abfindungspaket in Höhe von mehr als 100 Millionen Dollar, mit dem Ovitz verabschiedet wurde.) Ich habe inzwischen eine freundliche Beziehung zu Michael Ovitz. Er ist sehr großzügig, was Disneys Erfolg während meiner Zeit als CEO angeht. Wenn ich an jene Zeit zurückdenke, betrachte ich Ovitz nicht als schlecht, sondern als Beteiligten an einem großen Fehler. Der Kulturschock war einfach zu groß für ihn.
Er und Michael wollten beide, dass es funktionierte, jeder aus seinen eigenen mächtigen Gründen. Michael erwartete, dass Ovitz von Anfang an wusste, was er tun musste, und Ovitz hatte keine Vorstellung, wie sehr er sich anpassen musste, um in der Kultur eines gigantischen, börsennotierten Konzerns erfolgreich zu agieren.
Sie hätten beide wissen sollen, dass es nicht funktionieren konnte, aber sie hatten ganz bewusst vermieden, die unangenehmen Fragen zu stellen, weil jeder von seinen eigenen Bedürfnissen geblendet war. Es ist sehr schwierig, vor allem in dem jeweiligen Moment. Doch in Situationen, in denen man darauf hofft, dass eine Lösung funktionieren wird, ohne sich selbst erklären zu können, wie sie funktionieren wird, sollte eine kleine Alarmglocke läuten. Und dann sollte man sich einige schonungslose Fragen stellen: Welches Problem muss ich lösen? Ist diese Lösung sinnvoll? Wenn ich Zweifel verspüre, welches sind die Gründe dafür? Mache ich das aus einem soliden Grund, oder bin ich von einem persönlichen Aspekt motiviert?