KAPITEL 11
STAR WARS
I CH WÜNSCHTE, STEVE HÄTTE SEHEN KÖNNEN, was aus unserer Investition in Marvel geworden ist. Wahrscheinlich hätte er sich nicht für die Filme interessiert (obwohl ich glaube, er hätte zu würdigen gewusst, wie sehr Black Panther und Captain Marvel die althergebrachten Vorurteile der Filmindustrie widerlegten), aber er wäre stolz darauf gewesen, dass er eine so wichtige Rolle dabei gespielt hatte, Ike von der Übernahme zu überzeugen, und dass die Marke unter Disney so großen Erfolg hatte.
Es ist unmöglich, nicht im Geiste die Unterhaltung mit ihm zu führen, die ich so gerne im wahren Leben führen würde.
Bei jedem Erfolg, den das Unternehmen seit Steves Tod erzielt hat, gibt es inmitten meiner Begeisterung immer einen Moment, in dem ich denke: Ich wünschte, Steve könnte das miterleben . Es ist unmöglich, nicht im Geiste die Unterhaltung mit ihm zu führen, die ich so gerne im wahren Leben führen würde.
Im Sommer 2011 kamen Steve und seine Frau Laurene zu uns nach Hause nach L.A., um mit Willow und mir zu Abend zu essen. Steve befand sich damals bereits im Endstadium seiner Krebserkrankung; er war furchtbar dünn und litt offensichtlich unter Schmerzen. Er hatte nur sehr wenig Energie und seine Stimme war ein leises Kratzen. Dennoch wollte er den Abend mit uns verbringen, unter anderem, um auf das anzustoßen, was wir Jahre zuvor vollbracht hatten. Wir saßen in unserem Esszimmer und hoben die Gläser, bevor wir anfingen zu essen. »Sieh mal, was wir erreicht haben«, sagte er. »Wir haben zwei Unternehmen gerettet.«
Alle vier bekamen wir feuchte Augen. Das war Steve von seiner herzlichsten und aufrichtigsten Seite. Er war davon überzeugt, dass Pixar auf eine Weise erfolgreich geworden war, die ihm ohne Disney nicht gelungen wäre, und dass Disney von Pixar mit neuer Energie aufgeladen worden war. Unwillkürlich musste ich an unsere ersten Gespräche zurückdenken, und wie nervös ich war, als ich ihn das erste Mal ansprach. Das war erst sechs Jahre her, aber es schien eine Ewigkeit entfernt. Steve war für mich überaus wichtig geworden, beruflich und privat. Als wir uns zuprosteten, konnte ich Willow kaum ansehen. Sie kannte Steve schon viel länger als ich – bereits seit 1982, als er einer der jungen, dynamischen und brillanten Gründer von Apple war. Nun war er dünn und zerbrechlich und hatte nur noch wenige Monate zu leben. Ich wusste, wie sehr es sie schmerzte, ihn so zu sehen.
Steve starb am 5. Oktober 2011. An seinem Begräbnis in Palo Alto nahmen rund 25 Trauergäste teil. Wir versammelten uns in einem engen Rechteck um seinen Sarg, und Laurene fragte, ob irgendjemand etwas sagen wolle. Ich hatte mich nicht darauf vorbereitet, eine Grabrede zu halten, aber dann fiel mir ein, wie wir Jahre zuvor gemeinsam über das Pixar-Gelände spaziert waren und wie er mich über seinen Gesundheitszustand ins Vertrauen gezogen hatte.
Ich habe nie irgendjemandem davon erzählt, mit Ausnahme unseres Chefjustiziars Alan Braverman und Willow, weil ich das Bedürfnis hatte, die emotionale Intensität jenes Tages mit meiner Frau zu teilen. Ich fand jedoch, jener Moment gab Steves Charakter sehr gut wieder, und so erzählte ich die Begebenheit an seinem Grab: Wie er mich beiseite genommen hatte; der Spaziergang über das Gelände; die Art und Weise, wie er seinen Arm auf meine Schulter gelegt hatte und mir die Nachricht mitteilte; sein Bedürfnis, mir diese intime, schreckliche Mitteilung zu machen, weil sie mich und Disney betreffen könnte und er vollkommen transparent sein wollte; die Emotion, mit der er über seinen Sohn Reed sprach, und seinen dringenden Wunsch, lange genug zu leben, um Reeds Abschlussfeier an der Highschool und seinen Eintritt in das Leben als Erwachsener mitzuerleben.
Nach dem Begräbnis kam Laurene auf mich zu und sagte: »Ich habe dir nie meine Seite dieser Geschichte erzählt.« Sie beschrieb, wie Steve an jenem Abend nach Hause gekommen war. »Wir aßen zu Abend, dann standen die Kinder auf und gingen, und ich fragte Steve: ›Und, hast du es ihm erzählt?‹ ›Ja, das habe ich.‹ Und ich fragte: ›Können wir ihm vertrauen?‹« Da standen wir, hinter uns Steves Grab, und Laurene, die soeben ihren Mann zu Grabe getragen hatte, machte mir ein Geschenk, an das ich seitdem fast jeden Tag gedacht habe. Auf jeden Fall habe ich täglich an Steve gedacht. »Ich fragte ihn, ob wir dir vertrauen könnten«, sagte Laurene. »Und Steve sagte: ›Ich liebe diesen Mann.‹«
Dieses Gefühl konnte ich nur erwidern.
ALS ICH NACH CUPERTINO REISTE, um mit Steve über Marvel zu sprechen, fragte er mich, ob ich noch einen anderen Übernahmekandidaten in Erwägung ziehen würde. Ich erwähnte Lucasfilm, und er sagte: »Du solltest George anrufen.« Steve hatte Pixar von George Lucas gekauft, und er und George waren seit Jahren eng befreundet. »Man weiß es nie«, sagte er. »Vielleicht ist George interessiert. Wir sollten irgendwann zusammen hinaus auf seine Ranch fahren und mit ihm zu Mittag essen.«
Dazu kam es allerdings nicht. Bald darauf war Steve schon zu krank und seine aktive Involvierung in Disneys Geschäfte nahm ab. Lucas stand jedoch schon auf unserer Liste der Topkandidaten, seit wir Marvel übernommen hatten. Ich hatte mehrmals darüber nachgedacht, wie ich George den Vorschlag unterbreiten könnte, dass er die wunderbaren Welten, die er erschaffen hatte, an uns verkaufen solle, ohne dass er das als Beleidigung auffassen würde.
Mitte der 1980er-Jahre hatte Michael Eisner eine Lizenzvereinbarung mit George getroffen, um Attraktionen in unseren Parks zu bauen, die sich auf Star Wars und Indiana Jones bezogen. Nach einem Jahr der Überholung fand im Mai 2011 die Wiedereröffnung der Star-Wars -Attraktionen (sie heißen Star Tours) in den Parks Disney World und Disneyland statt. Ich wusste, dass George nach Orlando fliegen würde, um die Attraktion neu einzuweihen und damit dem Unternehmen und seinen Freunden bei Imagineering einen Gefallen zu tun. Ich beschloss, ihn dort zu treffen. Mit gelegentlichen Ausnahmen überlasse ich die Einweihung neuer Attraktionen dem Leiter der Sparte Parks und Resorts, aber ich dachte, diese Gelegenheit würde mir zumindest die Chance geben, George meine Idee vorzutragen und einen Eindruck zu gewinnen, ob er überhaupt bereit war, sich mit dieser Idee zu beschäftigen.
Unsere Beziehung datierte zurück bis zu meiner Zeit als Chef von ABC Entertainment. Nach dem Erfolg von Twin Peaks äußerte einer der angesehensten Regisseure von Hollywood sein Interesse, Fernsehserien mit uns zu produzieren. Ich traf mich mit George, und er stellte die Idee für eine Serie vor, die einem jungen Archäologen namens Indiana Jones auf seinen Reisen durch die Welt folgen würde. »Jede Folge wird eine Geschichtsstunde sein«, sagte George. Indy würde mit historischen Figuren wie Churchill, Freud, Degas und Mata Hari zusammentreffen. Ich sagte sofort zu, und 1992 strahlten wir montagabends Die Abenteuer des jungen Indiana Jones als Lead-In (A.d. Ü. eine populäre Sendung mit hohen Einschaltquoten, die der nachfolgenden Sendung Zuschauer liefern soll) für die Sportsendung Monday Night Football aus. Die Serie begann mit hohen Einschaltquoten, aber im Verlauf der Zeit verloren die Zuschauer das Interesse an den Geschichtsstunden. Die Quoten gingen zurück. George hatte jedoch alle seine Versprechen erfüllt, und ich hatte das Gefühl, deswegen und weil er George Lucas war, verdiene er eine zweite Staffel und eine weitere Chance, die Zuschauer einzufangen. Das passierte nicht, aber George war damals dankbar, dass ich der Serie eine Chance gegeben hatte.
Am Tag der Wiedereröffnung der Star Tours in Orlando verabredete ich mich mit ihm zum Frühstück im Brown Derby, das sich in der Nähe der Attraktion in unserem Hollywood Studio Park befand. Normalerweise öffnet das Restaurant erst zum Mittagsgeschäft, aber ich bat sie, einen Tisch nur für uns herzurichten, damit wir Privatsphäre hätten. Als George und seine Verlobte Mellody Hobson eintrafen, waren sie überrascht, außer mir niemanden zu sehen. Wir nahmen Platz und hatten ein wunderbares Frühstück. Ungefähr auf der Hälfte fragte ich George, ob er jemals darüber nachgedacht habe, zu verkaufen. Ich versuchte, klar und direkt zu sein, ohne ihm zu nahe zu treten. Er war damals 68 Jahre alt, und ich sagte: »Ich möchte nicht fatalistisch sein, George, und wenn Sie lieber nicht darüber sprechen möchten, dann stoppen Sie mich, aber ich finde, es lohnt sich, das Gespräch darauf zu bringen. Was soll in Zukunft geschehen? Sie haben keine Erben, die das Unternehmen für Sie leiten können. Vielleicht kontrollieren sie es, aber sie werden es nicht leiten. Sollten Sie nicht jemanden bestimmen, der Ihr Vermächtnis schützt oder weiterführt?«
Während ich noch sprach, nickte er. »Ich bin noch nicht so weit, dass ich verkaufen will«, sagte er. »Aber Sie haben recht. Und wenn ich mich zum Verkauf entschließe, dann werde ich nur an Sie verkaufen.« Er erinnerte an Die Abenteuer des jungen Indiana Jones und sagte, wie sehr er es zu schätzen gewusst habe, dass ich der Serie eine Chance gegeben hatte, auch wenn sie nicht die erwarteten Einschaltquoten erzielt hatte. Dann sprach er über den Erfolg, der uns mit Pixar gelungen war, was Steve ihm irgendwann erzählt haben muss. »Sie haben das richtig gemacht«, sagte er. »Sie sind gut mit ihnen umgegangen. Falls ich irgendwann verkaufe, dann rufe ich niemand anderes an als Sie.«
Er sagte noch etwas anderes, an das ich mich bei jedem unserer nachfolgenden Gespräche erinnerte: »Wenn ich sterbe, wird die erste Zeile meines Nachrufs folgendermaßen lauten: ›George Lucas, der Erschaffer von Star Wars …‹«. Das machte einen sehr großen Teil seiner Identität aus, was ich natürlich wusste, aber sein direkter Blick in meine Augen und dieser Satz, den er so dahinsagte, unterstrichen, dass dies der wichtigste Faktor in unseren Gesprächen sein würde. Hier ging es nicht darum, über den Kauf eines Unternehmens zu verhandeln; es ging um die Verhandlung über die Rolle, Hüter seines Vermächtnisses zu sein, und ich musste mir das zu allen Zeiten in Erinnerung rufen und besonders behutsam vorgehen.
Zu Kevin Mayers großem Leidwesen und auch zum Bedauern einiger anderer Leute von Disney, die ganz versessen auf Lucasfilm waren, weil es, wie zuvor Marvel und Pixar, so perfekt zu unserer Strategie passte, beschloss ich nach meinem Gespräch mit George in Florida, nicht erneut die Initiative zu ergreifen. Falls wir die Gespräche wieder aufnehmen würden, dann, weil es seine Entscheidung war. Ich hatte großen Respekt vor George und schätzte ihn sehr. Ich wollte ihm vermitteln, dass diese Entscheidung in seinen Händen lag. Also warteten wir. Ungefähr sieben Monate nach unserem Frühstück rief er mich an und sagte: »Ich würde gerne mit Ihnen zu Mittag essen, damit wir ausführlicher über das Thema sprechen können, das wir in Orlando angeschnitten haben.«
Wir trafen uns bei Disney in Burbank, und ich überließ George die Gesprächsführung. Er kam sehr schnell auf den Punkt und sagte, er habe über unsere Unterhaltung nachgedacht und sei zu ernsthaften Verkaufsgesprächen bereit. Dann sagte er, er wolle einen »Pixar-Deal«. Ich war begeistert, dass er für eine Akquisition offen war. Ich verstand jedoch, was er mit dem Pixar-Deal meinte, und mir war sofort klar, dass das keine einfache Verhandlung werden würde. Wir hatten bereits das Gefühl, dass Lucasfilm potenziell sehr wertvoll für uns war, aber es war keine 7,4 Milliarden Dollar wert, zumindest nicht, was unsere bisherigen Analysen betraf. Als wir Pixar übernommen hatten, befanden sich sechs Filme in unterschiedlichen Produktionsphasen, und wir wussten ungefähr, wann sie erscheinen würden. Das bedeutete, sie würden schnell Umsätze und Gewinn abwerfen. Pixar hatte zudem eine große Gruppe von Ingenieuren auf Weltklasseniveau, langjährig erfahrene Regisseure, Künstler und Autoren und eine echte Produktionsinfrastruktur. Lucas hatte viele fähige Mitarbeiter, vor allem im technischen Bereich, aber außer George keine Regisseure, und soweit wir wussten, auch keine Filmentwicklung oder -produktion in der Pipeline. Wir hatten einiges unternommen, um den Wert von Lucasfilm zu bestimmen, und Kevin und ich diskutierten über eine mögliche Kaufsumme, aber da Lucasfilm kein börsennotiertes Unternehmen war, waren seine Finanzinformationen nicht zugänglich. Es gab eine Menge Informationen, die uns verborgen blieben. Unsere Analyse gründete auf einem Katalog an Vermutungen, den wir als Basis für ein finanzielles Modell nahmen – wir versuchten, den Wert seiner Mediathek an Filmen und Fernsehsendungen zu bestimmen; den Wert seiner Verlags- und Lizenzierungsressourcen; seine Marke, die von Star Wars dominiert wurde; und seine Special-Effects-Sparte, Industrial Light and Magic, die George Jahre zuvor gegründet hatte, um für seine Filme diese umwerfenden Special-Effects zu kreieren.
Dann stellten wir uns vor, was wir tun würden, wenn Lucasfilm uns gehören würde; das waren aber reine Vermutungen. Wir nahmen an, wir würden in den ersten sechs Jahren nach der Übernahme jedes Jahr eine neue Episode der Star-Wars -Saga herausbringen, aber es würde einige Zeit dauern, bis eine solche Reihe anlaufen würde, denn soweit uns bekannt war, gab es keine Filme in Vorbereitung. Diese Analyse fand Anfang 2012 statt, daher schätzten wir, unsere erste Star-Wars -Episode könnte im Mai 2015 erscheinen. Weitere Filme würden 2017 und 2019 folgen. Dann schätzten wir die weltweiten Einspielergebnisse dieser Filme – hier mussten wir uns noch stärker auf Spekulationen verlassen, da der letzte Film der Sage, Die Rache der Sith , von 2005 datierte, also bereits sieben Jahre her war. Kevin gab mir eine Sammlung an Kritiken über alle früheren Filme und eine Auflistung ihrer Einspielergebnisse, und wir einigten uns auf mindestens 1 Milliarde Dollar an weltweiten Kinoeinnahmen für unsere ersten drei Filme.
Als Nächstes nahmen wir uns das Lizenzgeschäft vor. Star Wars war nach wie vor sehr beliebt bei Kindern, insbesondere bei Jungen, die in einem Alter waren, wo sie das Raumschiff Millennium Falcon aus Legosteinen bauten und mit Lichtschwertern kämpften. Die Ergänzung unseres Konsumproduktgeschäfts um dieses Lizenzgeschäft wäre ziemlich wertvoll, aber wir hatten keinen Zugang zu den tatsächlichen Umsätzen, die mit dem Lizenzgeschäft generiert wurden. Zuletzt überlegten wir uns, was wir in unseren Themenparks machen würden, angesichts der Tatsache, dass wir Lucasfilm bereits für die Rechte an den Star-Tours-Attraktionen an drei unserer Standorte bezahlten. Ich hatte große Träume, was wir alles bauen könnten, aber wir beschlossen, diesem Geschäft nur einen geringen beziehungsweise gar keinen Wert zuzuordnen, weil es zu viele Unbekannte gab.
Sie müssen von Anfang an klar machen, wo Sie stehen.
Nach Georges Vorstellung war Lucasfilm genauso viel wert wie Pixar, aber selbst aus unserer relativ uninformierten Analyse ergab sich, dass das nicht der Fall war. Vielleicht würde es das eines Tages sein, aber es würde Jahre dauern, bis es so weit wäre, und wir mussten dafür erst einige großartige Filme machen. Ich wollte ihn nicht kränken, ihm aber auch keine falschen Versprechungen machen. Das Schlimmste, was Sie bei der Aufnahme von Verhandlungen tun können, ist, Ihrem Gegenüber etwas vorzuschlagen oder zu versprechen, nur weil Sie wissen, dass er es hören möchte, und das Gesagte später zurücknehmen zu müssen. Sie müssen von Anfang an klar machen, wo Sie stehen. Ich wusste, wenn ich George in die Irre führen würde, nur um den Verhandlungsprozess aufzunehmen, würde sich dies am Ende in einen Bumerang verwandeln.
Also sagte ich unverblümt: »George, einen Pixar-Deal wird es nicht geben.« Und ich erklärte ihm, warum, und erinnerte mich dabei an meinen Besuch in Emeryville und die unglaubliche Kreativität, die ich dort entdeckt hatte.
Für einen kurzen Augenblick wirkte George betroffen, und ich dachte, das wäre vielleicht gleich das Ende unserer Gespräche. Doch stattdessen fragte er: »Ja, also, was sollen wir machen?«
Ich sagte ihm, wir müssten uns Lucasfilm näher ansehen und seien dafür auf seine Kooperation angewiesen. Wir würden eine Vertraulichkeitsvereinbarung aufsetzen und das Ganze so machen, dass in seinem Unternehmen möglichst kein Staub aufgewirbelt würde. »Wir brauchen nur Ihren CFO oder jemand, der die Finanzstruktur kennt und sie uns erklärt«, sagte ich. »Ich habe ein kleines Team, das zu Ihnen kommen wird und das schnell durchzieht. Wir werden unauffällig vorgehen. Abgesehen von einigen Leuten werden Ihre Mitarbeiter gar nicht mitbekommen, dass wir uns umsehen.«
Typischerweise zahlen wir am Ende nicht sehr viel mehr für einen Vermögenswert, als wir im Vorhinein kalkuliert haben. Oft kann man mit einem niedrigen Preis in die Verhandlungen einsteigen und hoffen, am Ende viel weniger als den geschätzten Wert eines Vermögenswertes bezahlen zu müssen, aber dabei riskiert man, seinen Verhandlungspartner vor den Kopf zu stoßen. »Mit diesen Dingen spiele ich nicht«, sagte ich George. Wir würden schnell zu einer Summe gelangen, die das Unternehmen nach unserer Einschätzung wert sei, und die ich unserem Verwaltungsrat, unseren Aktionären und der Wall Street verkaufen könne. Wie hoch diese Summe auch immer ausfallen werde, sagte ich, »ich werde nicht absichtlich einen besonders niedrigen Preis anbieten, um mich in der Mitte zu einigen. Ich werde so vorgehen, wie ich es bei Steve gemacht habe.«
George gewährte uns Zugang zu den benötigten Informationen, aber am Ende hatten wir immer noch Mühe, den abschließenden Unternehmenswert zu bestimmen. Ein Großteil unserer Sorgen hing mit der Bewertung unserer eigenen Fähigkeit zusammen, schnell erstklassige Filme zu produzieren. Wir hatten noch gar nicht damit begonnen, eine langfristige Kreativität zu entwickeln, weil wir bis dahin keine kreativen Leute damit beauftragt hatten. Eigentlich hatten wir nichts, was bedeutete, dass es ein hohes kreatives Risiko gab, und es eine Herkulesaufgabe – wenn nicht sogar unmöglich – sein würde, unseren selbst gesetzten Zeitplan zu erfüllen.
Schließlich rief ich George an und sagte ihm, wir hätten den Preis auf einen Korridor eingeengt, aber wir würden noch etwas Zeit brauchen, um eine konkrete Summe zu nennen. Sie würde zwischen 3,5 und 3,75 Milliarden Dollar liegen. George hatte Abstand von seinen Pixar-Deal-Vorstellungen genommen, aber ich wusste, dass er keine Summe akzeptieren würde, die unterhalb der Summe lag, die wir für Marvel bezahlt hatten. Ich traf mich mit Kevin und seinem Team, um uns die Analysen erneut anzusehen. Wir wollten unsere geschätzten Einspielergebnisse nicht künstlich anheben, aber selbst am oberen Ende des Preiskorridors, den ich George genannt hatte, gab es noch etwas Luft, um etwas mehr zu bezahlen, wenngleich das den Druck auf den Zeitplan und die Einspielergebnisse der Filme erhöhen würde. Würden wir drei Filme in sechs Jahren herausbringen können? Es würde sich um neue Star-Wars -Episoden handeln, und da müssten wir sehr vorsichtig sein. Am Ende beschlossen Kevin und ich, George 4,05 Milliarden Dollar anzubieten – der Betrag lag knapp über der Summe, die wir für Marvel bezahlt hatten. George schlug sofort ein.
Dann begannen die schwierigeren Verhandlungen über Georges kreative Beteiligung. In Pixars Fall basierte die gesamte Akquisition auf der Prämisse, dass John und Ed nicht nur Pixar weiterführten, sondern auch Disney Animation unter ihre Fittiche nahmen. John wurde Kreativvorstand, berichtete aber immer noch an mich. Bei Marvel hatte ich mich mit Kevin Feige und dem Rest des Marvel-Teams getroffen und wusste, was sie in Arbeit hatten, und wir hatten bei der Bestimmung der Zukunft der Marvel-Filme eng zusammengearbeitet. Bei Lucas gab es nur eine Person, die für das kreative Geschäft verantwortlich war, und das war George. Er wollte die Kontrolle behalten, ohne Mitarbeiter zu werden. Es wäre eine Pflichtverletzung gewesen zu sagen: Wir kaufen euch, aber der Laden bleibt deiner. Mach die Filme, die du machen willst, in dem Zeitrahmen, der dir gefällt.
Wenige Menschen im Filmgeschäft waren so respekteinflößend wie George.
Wenige Menschen im Filmgeschäft waren so respekteinflößend wie George. Star Wars war immer allein sein Werk gewesen. Egal wie gut er auf rationaler Ebene verstand, dass er sein Unternehmen verkaufte und es keinen Sinn machte, dass er die kreative Kontrolle behielt – die Tatsache, dass er eine der vielleicht großartigsten Mythologien unserer Zeit erschaffen hatte, machte einen Großteil seiner Identität aus. Das loszulassen, ist schwer, und mir war das zutiefst bewusst. Das Letzte, was ich wollte, war, ihn zu kränken.
Ich wusste aber auch, dass wir nicht eine derartige Summe ausgeben und George dann machen lassen konnten, was er wollte. Allerdings könnte der ganze Deal auf der Kippe stehen, wenn ich ihm das sagte. Und genau so kam es. Wir einigten uns schnell auf einen Preis, aber dann kam es zu einem monatelangen Tauziehen um seine Rolle. Es fiel ihm sehr schwer, die Kontrolle über die weiteren Episoden der Star-Wars -Saga abzugeben, und für uns ergab es keinen Sinn, diese Kontrolle nicht zu haben. Immer wieder beackerten wir dieses Thema. George sagte, er könne sein Vermächtnis nicht einfach in fremde Hände geben. Ich sagte, ich könne nicht das Unternehmen kaufen und dann auf seinen größten Vermögenswert verzichten, Zweimal brachen wir die Verhandlungen ab und sagten die ganze Transaktion ab. (Das erste Mal waren wir es, die die Gespräche abbrachen, das zweite Mal war es George.)
An irgendeinem Punkt des Prozesses teilte mir George mit, er habe fertige Entwürfe für drei neue Filme und erklärte sich bereit, uns drei Kopien zu senden: eine für mich, eine für Alan Braverman und eine für Alan Horn, den ich kurz zuvor als Leiter unseres Studios angeheuert hatte. Alan Horn und ich lasen Georges Entwürfe und waren uns einig, dass wir sie kaufen mussten. Allerdings legten wir in der Kaufvereinbarung nieder, dass wir nicht vertraglich verpflichtet sein würden, strikt dem von George skizzierten Handlungsleitfaden zu folgen.
Am Ende wurden die Verhandlungen von einer Reform der Kapitalertragsgesetze gerettet. Wenn wir die Verhandlungen nicht bis Ende 2012 unter Dach und Fach brachten, würde George als Eigner von Lucasfilm bei einem Verkauf 500 Millionen Dollar verlieren. Wenn er an uns verkaufen wollte, bestand also eine gewisse finanzielle Dringlichkeit, zu einer Einigung zu kommen. Er wusste, dass ich in der Frage über die kreative Kontrolle nicht nachgeben würde, aber es war für ihn nicht leicht zu akzeptieren. Und so erklärte er sich widerwillig bereit, uns bei Bedarf als Berater zur Verfügung zu stehen. Ich versprach, offen für seine Vorschläge zu sein. (Das fiel mir nicht schwer, denn selbstverständlich würden wir für Ideen von George Lucas offen sein.) Doch auch hier galt, dass wir nicht dazu verpflichtet waren, seinen Rat einzuholen.
Am 30. Oktober 2012 kam George in mein Büro. Wir setzten uns an meinen Schreibtisch und unterschrieben die Vereinbarung über den Verkauf von Lucasfilm an Disney. Er bemühte sich sehr, es nicht zu zeigen, aber am Klang seiner Stimme und seinem Blick konnte ich erkennen, wie sehr ihn das emotional mitnahm. Immerhin gab er Star Wars in fremde Hände.
EINIGE MONATE, BEVOR WIR den Kaufvertrag unterschrieben, hatte George die Produzentin Kathy Kennedy engagiert und ihr die Leitung von Lucasfilm übertragen. Zusammen mit ihrem Ehemann Frank Marshall und Steven Spielberg hatte sie Amblin Entertainment gegründet und E.T. und (gemeinsam mit Steven Spielberg) Jurassic Park sowie Dutzende weitere kommerzielle Erfolge produziert. Das war ein interessanter Schachzug von George. Wir standen kurz davor, das Unternehmen zu kaufen, und plötzlich entschied er, wer es leiten und letztlich die kommenden Filme produzieren sollte. Wir waren nicht verärgert, aber überrascht – genau wie Kathy, als sie erfuhr, dass das Unternehmen, zu dessen Leitung sie engagiert worden war, kurz vor dem Verkauf stand! Kathy ist eine legendäre Produzentin, und sie war und ist eine großartige Partnerin. Das war Georges letzte Ausflucht, um sein Vermächtnis jemandem ans Herz zu legen, dem er vertraute.
Der Deal wurde Ende 2012 besiegelt, und Kathy, Alan und ich machten uns auf die Suche nach einem Kreativteam. Schließlich überzeugten wir J. J. Abrams, Regie bei unserem ersten Star-Wars -Film zu führen. Für das Drehbuch engagierten wir Michael Arndt, der die Drehbücher zu Toy Story 3 und Little Miss Sunshine geschrieben hatte. Kurz nachdem er sich entschieden hatte, das Projekt zu übernehmen, traf ich mich mit J. J. zum Abendessen. Wir kannten uns noch aus den Zeiten von ABC – er hatte unter anderem die Drehbücher für Alias und Lost geschrieben. Es war mir wichtig, mit ihm zu sprechen und noch einmal gemeinsam zu betonen, was wir beide wussten, nämlich dass es bei diesem Projekt um sehr viel mehr ging als bei jedem anderen Projekt zuvor. An irgendeinem Punkt des Abendessens witzelte ich, dass es ein »Vier-Milliarden-Dollar-Film« werden würde, womit ich zum Ausdruck bringen wollte, dass die gesamte Akquisition von seinem Erfolg abhing – was J. J., wie er mir später erzählte, überhaupt nicht witzig fand.
Ich wusste jedoch, dass ihm klar war, dass für mich genauso viel auf dem Spiel stand wie für ihn, wobei wir die Last, für den ersten Star-Wars -Film verantwortlich zu sein, der nicht von George Lucas stammte, gemeinsam tragen konnten. In allen unseren Interaktionen, von den ersten Gesprächen über unseren Ideenaustausch, wie sich der Mythos weiterentwickeln sollte, bis zu Besuchen am Set und im Schneideraum, versuchte ich, J. J. zu vermitteln, dass ich ein Partner in diesem Projekt war, und nicht nur ein CEO, der Druck auf ihn ausübte, damit er einen großartigen Film und Kassenschlager ablieferte. Wir standen beide unter einem sehr hohen Druck. Ich wollte ihm das Gefühl vermitteln, dass er mich zu jedem Zeitpunkt anrufen konnte, um über ein schwieriges Problem zu sprechen, und dass ich ihn anrufen würde, wenn ich eine Idee hätte. Ich war für ihn eine Ressource und ein Kooperationspartner, aber nicht jemand, der seinem Film aus Eitelkeit oder Pflichtgefühl meinen Stempel aufdrücken musste. Glücklicherweise haben wir ein ähnliches Gespür und einen ähnlichen Geschmack und waren uns meistens einig über die Dinge, die wir als problematisch oder gut empfanden. Im Verlauf des langwierigen Entwicklungs- und Produktionsprozesses in Los Angeles und dann in den Pinewood Studios in London, Island, Schottland und Abu Dhabi erwies sich J. J. als herausragender Kooperationspartner, der nie den Blick verlor für die überwältigende Bedeutung dieses Projekts und den ungeheuren Druck, der auf ihm lastete – was George, die Star-War -Fans, die Presse und unsere Aktionäre betraf.
Es gibt kein Lehrbuch, das einem sagt, wie man diese Art Herausforderung managt. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass man versuchen sollte zu erkennen, dass man bei einem Projekt, bei dem so viel auf dem Spiel steht, nichts gewinnt, wenn man zusätzlichen Druck auf die Leute ausübt, die an dem Projekt arbeiten. Ihre Ängste und Anspannung auf Ihr Team zu projizieren, ist kontraproduktiv. Es gibt einen feinen Unterschied zwischen der Botschaft, dass Sie den Stress Ihres Teams teilen – also dass Sie mit Ihren Leuten im Projekt sind und Anteil nehmen – und der Botschaft, dass Ihr Team die erwartete Leistung zu erbringen hat, damit Ihr Stress abnimmt. Niemand der Projektbeteiligten brauchte eine Erinnerung an das, was auf dem Spiel stand. Meine Aufgabe bestand darin, einerseits dafür zu sorgen, dass wir unsere Ambition nicht aus den Augen verloren, wenn wir mit kreativen und praktischen Hindernissen konfrontiert waren, und andererseits einen Beitrag zur bestmöglichen Lösung zu leisten. Manchmal bedeutet es, mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen; manchmal bedeutete es, die Entwürfe für ein neues Drehbuch durchzusprechen oder endlose Aufnahmen und Filmschnitte anzusehen. Oft bedeutete es aber auch, J. J., Kathy Kennedy und Alan Horn daran zu erinnern, dass ich an sie glaubte und es keine besseren Leute für diesen Film gab.
Ihre Ängste und Anspannung auf Ihr Team zu projizieren, ist kontraproduktiv.
Das soll nicht heißen, dass alles von Anfang an reibungslos verlief. Bereits in einem frühen Stadium reiste Kathy mit J. J. und Michael Arndt nach Nordkalifornien, um sich mit George auf seiner Ranch zu treffen und über ihre Ideen zu dem Film zu sprechen. Als sie ihm die Handlung beschrieben, regte sich George sofort auf, weil ihm dämmerte, dass wir keine der Storys verwendeten, die er während der Verhandlungen präsentiert hatte.
Die Wahrheit war, dass Kathy, J. J., Alan und ich über die Richtung gesprochen hatte, die die Saga unserer Meinung nach nehmen sollte, und wir waren uns alle einig, dass sie nicht Georges Entwürfen entsprach. George wusste zwar, dass wir vertraglich nicht verpflichtet waren, seine Entwürfe zu übernehmen, aber er glaubte, mit ihrem Kauf hätten wir ein stillschweigendes Versprechen über ihre Verwendung abgegeben. Er war enttäuscht, dass wir seine Story nicht verwendeten. Ich hatte mir von Anfang an enorm viel Mühe gegeben, ihn nicht in irgendeiner Weise in die Irre zu führen. Ich glaube auch heute noch, dass ich das nicht gemacht habe, aber ich hätte besser mit dieser Situation umgehen können. Ich hätte ihn auf das Treffen mit J. J. und Michael vorbereiten und ihm unsere Überlegung mitteilen sollen, dass wir eine andere Richtung für besser hielten. Ich hätte es mit ihm durchsprechen und auf diese Weise verhindern können, dass er davon überrascht wurde und entsprechend verärgert reagierte. Nun fühlte er sich bei diesem ersten Treffen über die Zukunft der Star-Wars -Saga hintergangen. Zwar war der ganze Prozess nie einfach für ihn, aber wir hatten unnötigerweise für einen holprigen Start gesorgt.
NEBEN GEORGES VERLETZTEN GEFÜHLEN gab es aber auch noch andere Probleme. Michael rang monatelang mit dem Drehbuch und schließlich auch mit J. J., bis Kathy beschloss, ihn durch Larry Kasdan zu ersetzen, der zusammen mit George die Drehbücher zu Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter geschrieben hatte (ebenso wie die Drehbücher zu den Filmen Jäger des verlorenen Schatzes und Der große Frust sowie zahlreiche weitere). Larry und J. J. stellten das Drehbuch relativ schnell fertig, und im Frühjahr 2014 begannen wir zu drehen.
Ursprünglich hatten wir geplant, den Film im Mai 2015 herauszubringen, aber wegen der anfänglichen Verzögerungen im Zusammenhang mit dem Drehbuch und einigen Komplikationen, die sich später ergaben, kam der Film erst im Dezember in die Kinos. Das bedeutete, dass er nicht mehr in das Fiskaljahr 2015 einfloss, sondern in das Fiskaljahr 2016. Vor der Akquisition hatte ich in einer Präsentation vor dem Verwaltungsrat und auch gegenüber den Aktionären diverse Zahlen genannt und damit versichert, dass wir 2015 eine Investmentrendite sehen würden. Diese Zahlen erwiesen sich nun als falsch. Mehrere hundert Millionen Dollar verlagerten sich von einem Fiskaljahr ins nächste. Das war zwar keine Riesensache, aber sie musste kommuniziert werden.
Einer der größten Fehler, die ich bei Filmstudios erlebt habe, ist, dass sie sich auf einen Erscheinungstermin versteifen und sich von diesem Datum in ihren kreativen Entscheidungen beeinflussen lassen. Dann peitschen sie die Filme oft in die Produktion, bevor sie eigentlich fertig sind. Ich habe mich immer sehr bemüht, dem Termindruck standzuhalten. Es ist besser, ein Erscheinungsdatum zu verschieben und sich darauf zu konzentrieren, den Film noch besser zu machen. Wir haben immer versucht, Qualität über alles andere zu stellen, selbst wenn es im Einzelfall bedeutete, dass es unsere kurzfristige Gewinnerzielung beeinträchtigte. In diesem Fall wollten wir unter keinen Umständen einen Film herausbringen, der die Erwartungen der Star-War -Fans nicht erfüllte. Das ist eine leidenschaftliche Fangemeinde, und es war absolut entscheidend, dass wir ihnen etwas boten, das sie begeisterte und ihrer Meinung nach ihre Verehrung verdiente. Wenn uns das mit unserem ersten Star-Wars -Film nicht gelang, würden wir das Vertrauen unserer Zielgruppe verlieren, und es wäre anschließend sehr schwer, dieses Vertrauen wiederherzustellen.
Wir haben immer versucht, Qualität über alles andere zu stellen.
Kurz vor der Weltpremiere führte Kathy George Das Erwachen der Macht vor. Er machte keine Anstalten, seine Enttäuschung zu verbergen. »Da ist nichts Neues«, sagte er. Ihm war es wichtig, in jedem Film der ursprünglichen Trilogie neue Welten, neue Geschichten, neue Charaktere und neue Technologien zu präsentieren. In dieser Episode, so George, »gibt es nicht genügend visuelle oder technische Neuerungen«. Damit hatte er nicht unrecht, aber meiner Ansicht nach erkannte er den Druck nicht, unter dem wir standen, einer glühenden Fangemeinde einen Film zu bieten, der sich wie eine echte Star-Wars -Episode anfühlte. Wir hatten ganz bewusst eine Welt erschaffen, die visuell und klanglich an frühere Episoden anknüpfte, um uns nicht zu weit von den Dingen zu entfernen, die die Fans liebten und erwarteten, und genau dafür kritisierte uns George. Wenn ich heute aus dem Abstand von einigen Jahren und einigen weiteren Star-Wars -Episoden zurückblicke, glaube ich, dass J. J. etwas fast Unmögliches gelungen war, nämlich eine perfekte Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft zu schlagen.
Abgesehen von Georges Reaktion gab es viel Spekulation in der Presse sowie in der eingefleischten Fangemeinde über die Frage, wie wir Star Wars »disneyfizieren« würden. Wie bei Marvel beschloss ich, Disney in keinem Film-Abspann und keiner Marketingkampagne zu erwähnen und das Star-Wars -Logo nicht zu verändern. »Disney-Pixar« war aus der Perspektive der Markenführung für Zeichentrickfilme sinnvoll, aber Lucas-Fans brauchten die Gewissheit, dass auch wir vor allem Fans waren, die den Erschaffer der Saga respektierten und sein Vermächtnis hüten und fortsetzen, aber nicht an sich reißen wollten.
Auch wenn George über den Film nicht glücklich war, fand ich es wichtig, dass er bei der Premiere anwesend wäre. Erst wollte er gar nicht kommen, aber mit Hilfe von Mellody Hobson, mit der George inzwischen verheiratet war, gelang es Kathy, ihn von dem Besuch der Premiere zu überzeugen. Zu den letzten Dingen, über die wir vor Abschluss der Übernahmevereinbarung verhandelten, gehörte eine Nicht-Verleumdungsklausel. Ich bat George einzuwilligen, dass er keine der Star-Wars -Episoden, die wir drehten, öffentlich kritisieren würde. Als ich ihm mein Anliegen vortrug, sagte er: »Ich werde ein Großaktionär der Walt Disney Company sein. Warum sollte ich mich über Sie oder irgendetwas, das Sie tun, negativ äußern? Sie müssen mir vertrauen.« Ich nahm ihn beim Wort.
Nun war die Frage, wie wir die Premiere gestalten würden. Ich wollte die Welt wissen lassen, dass es J. J.s und Kathys Film war und es sich um unsere erste Star-Wars -Episode handelte. Auf jeden Fall war es bei Weitem der größte Film, den wir seit meiner Ernennung zum CEO produziert hatten. Die Premiere fand im Dolby Theatre statt, wo auch die Oscar-Preisverleihung stattfindet. Zuerst ging ich auf die Bühne und sagte, bevor ich J. J. und Kathy auf die Bühne bat: »Wir sind alle hier wegen einer einzigen Person, die die größte Mythologie unserer Zeit geschaffen und sie nun der Walt Disney Company anvertraut hat.« George war auf seinem Platz. Er erhielt einen langen, frenetischen Applaus. Willow saß in der Reihe hinter George und machte ein großartiges Foto von ihm, wie er dasaß, umgeben von mehreren tausend Menschen, die sich ihm zu Ehren erhoben hatten. Als ich es mir später ansah, war ich glücklich zu sehen, wie zufrieden und dankbar George über diese Welle der Bewunderung war, die ihm entgegengebracht wurde.
Im Anschluss an die Premiere erzielte der Film einen Einnahmerekord nach dem anderen. Wir alle ließen einen Stoßseufzer der Erleichterung vom Stapel. Unsere erste Star-Wars -Episode lag hinter uns, und die getreuen Fans schienen von ihr begeistert gewesen zu sein. Kurz nach der Premiere wurde jedoch ein Interview ausgestrahlt, das George einige Wochen zuvor mit Charlie Rose geführt hatte. Darin sprach George über seine Frustration, weil wir seinen Entwürfen nicht gefolgt waren, und sagte, an Disney zu verkaufen, sei gewesen, als habe er seine Kinder an »weiße Sklaventreiber« verkauft. Es hatte eine sehr unglückliche, hilflose Form gewählt, um zu beschreiben, wie es sich für ihn anfühlte, etwas verkauft zu haben, das er als sein »Baby« betrachtete. Ich beschloss, nicht zu reagieren. Es hätte nichts gebracht, eine öffentliche Diskussion zu führen oder uns zu verteidigen. Mellody sandte mir ein entschuldigendes E-Mail, in dem sie erklärte, wie schwierig das alles für ihn gewesen sei. Und dann rief mich George an. »Ich habe mich verrannt«, sagte er. »Ich hätte das nicht sagen sollen. Ich habe versucht zu erklären, wie schwer es ist, Dinge loszulassen.«
Ich sagte ihm, ich würde ihn verstehen. Viereinhalb Jahre zuvor hatte ich mit George beim Frühstück gesessen und versucht, ihm zu vermitteln, dass ich wüsste, wie schwierig es für ihn sei, aber dass er mir vertrauen könne, wenn er irgendwann verkaufsbereit sei. Alle Aspekte unserer Verhandlungen – über die Kaufsumme und die Frage über Georges weitere Involvierung in die Produktion der Star-Wars -Episoden, waren Übungen in der Ausbalancierung meines Respekts für seine Leistung und meines Bewusstseins, dass diese Entscheidung ihn zutiefst persönlich berührte, auf der einen Seite und meiner Verantwortung gegenüber dem Unternehmen auf der anderen Seite. Ich konnte mit ihm mitfühlen, aber ich konnte ihm nicht geben, was er wollte. Bei jedem Schritt auf dem Weg zu unserer Transaktion musste ich meinen Standpunkt klar und deutlich kommunizieren und zugleich für die emotionale Bedeutung sensibel sein, die diese Trennung für ihn hatte.
Im Rückblick auf die Übernahmen von Pixar, Marvel und Lucasfilm kann ich sagen, dass jede einzelne Akquisition von unserer Fähigkeit abhing, das Vertrauen einer einzigen Kontrollinstanz zu gewinnen. Das war der rote Faden, der sich durch alle drei Übernahmen zog (abgesehen davon, dass sie zusammengenommen Disney transformiert haben). Bei jeder einzelnen Übernahme mussten komplizierte Dinge verhandelt werden, und unsere jeweiligen Teams verhandelten viele Stunden und Wochen, um eine Einigung zu erzielen. Das eigentliche Zünglein an der Waage war jedoch die persönliche Komponente. Und dafür war Authentizität unerlässlich. Steve musste meinem Versprechen glauben können, dass wir die Quintessenz von Pixar nicht anrühren würden. Ike musste wissen, dass das Marvel-Team Wertschätzung erfahren und die Chance erhalten würde, in seinem neuen Unternehmen Spitzenleistungen erbringen zu können. Und George musste darauf vertrauen können, dass sein Vermächtnis – sein »Baby« – bei Disney in guten Händen sein würde.
Das eigentliche Zünglein an der Waage war jedoch die persönliche Komponente.