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Muriel zitterte, hastete in den Kellerraum, hörte die Stimme hinter sich und Schritte auf der Kellertreppe. Verdammt, jetzt saß sie in der Falle.

Und der Mann hatte auf die Polizisten geschossen!

Sie waren tot!

Muriel gab ein Wimmern von sich, schlug die Hände vors Gesicht. Der Mann wollte das Buch!

Er …

Er rief ihren Namen.

Sie drehte sich um. Machte einen Schritt rückwärts. Stieß mit der Hüfte gegen den Tisch neben dem Tresor.

Ihre Wangen waren feucht von Tränen. Die Augen weit aufgerissen.

Sie sah den Mann, der die Treppe herabkam und die Waffe auf sie richtete.

»Muriel«, sagte er mit gepresst klingender Stimme. »Ich habe nicht viel Zeit. Das Buch. Wo ist es?«

»Sie … haben die Polizisten erschossen!«

»Richtig«, erwiderte der Mann und stand schließlich im Keller, wo er auf Muriels Gesicht zielte. »Und Sie werden ihnen folgen, wenn Sie mir nicht sofort sagen, wo das Buch ist. Sie haben es, oder? Von Ihrem Vater?«

Muriel zitterte. Ihr war eiskalt und gleichzeitig heiß. Sie nickte.

»Wo ist es?«, fragte der Mann.

Muriel zitterte noch stärker.

»Wo!«, blaffte der Mann.

»Hier«, flüsterte Muriel. »Im Safe.«

»Öffnen.«

Muriel nickte. Sie hockte sich hin und gab die Zahlenkombination in das Schloss am Tresor ein. Sie machte die Augen zu und fürchtete, der Mann könne sie von hinten erschießen, sobald sie den Safe öffnen würde. Vermutlich würde er sie sowieso töten. Er hatte auch die Polizisten erschossen.

Woher wusste er nur, dass sie das Buch besaß? Und warum wollte er es so dringend haben? Die Fragen blitzten aber nur kurz auf. Die Angst um ihr Leben verdrängte alles andere – und die Frage, was sie nun tun sollte.

Denn im Safe lag eine Pistole.

Die Pistole, die von ihrem Vorgänger stammte und die immer im Safe lag. Für den Fall der Fälle, hatte Niemanns gesagt – und nun war er da, der Fall der Fälle.

Muriel schluckte schwer. Sie zwang sich, Ruhe zu bewahren. Gab den Code ein weiteres Mal ein, nachdem sie sich im ersten Anlauf bei all der Panik vertan hatte.

Schließlich gab es ein Klickgeräusch, und der Safe sprang auf.

Muriel sah die Waffe. Aber wenn sie nun danach griff und sich herumdrehte – nein, der Mann hinter ihr wäre in jedem Fall schneller. Das hatte er gerade eben bewiesen, als die Gendarmen hereingekommen waren. Wie in einem Traum sah sie ihre Finger, die sich in Richtung Safe streckten, erst in Richtung der Waffe – dann aber umfassten sie das Buch.

Muriel nahm es in beide Hände, wendete sich dann langsam um. Ihr Oberkörper verdeckte nach wie vor das Innere des Safes. Wenn sie Glück hatte, würde der Mann die Pistole nicht sehen.

»Hier ist es«, sagte sie leise und hob das Buch an.

Der Mann schnaufte, griff mit der Linken nach dem Buch, riss es Muriel förmlich aus den Händen und legte es auf dem Tisch ab.

»Keine Bewegung«, murmelte er, wechselte die Pistole in die Linke und zielte damit weiter auf Muriel.

Mit der Rechten blätterte er in dem Buch, schlug es in der Mitte auf und griff dann ins Innere seiner Jacke. Er zog ein Handy hervor, klappte die Schutzhülle auf, die auch als Standhilfe genutzt werden konnte, und stellte das Gerät auf dem Tisch ab. Er tippte auf das Display und schien einen Facetime-Anruf zu starten. Wenige Sekunden später erkannte Muriel ein Gesicht auf dem Display.

Der Mann richtete das Smartphone aus, blätterte in dem Buch, nah vor der Linse.

»Ist es das?«, fragte er.