Kapitel 4

Berlin

S ie trafen sich eine Woche nach der Besprechung im Loft der drei Entwickler. Lasker, Innenministerin Schneider, Staatssekretär Essling und vier Personenschützer. Die blieben draußen, nachdem sie das Loft auf ein mögliches Gefahrenpotenzial durchsucht und für sicher erklärt hatten. Es war für Lasker keine Überraschung, dass Sybille Schneider ihre rechte Hand mitgebracht hatte. Dennoch war er wenig begeistert davon, da er Staatssekretär Essling nicht mochte. Lasker hielt ihn für ein machtgeiles, intrigantes Arschloch. Mehr als einmal hatte er Sybille Schneider vor ihm gewarnt. Sie aber war der Meinung, er würde den Laden zusammenhalten und für die notwendige Disziplin sorgen, sodass sie sich um die wesentlichen Sachen kümmern konnte. Er verdrängte seinen Gedanken und konzentrierte sich auf das hier und jetzt.

„Dann zeigen Sie mal, was ihr Programm kann“, forderte Schneider die drei Entwickler auf.

Sie begaben sich zu einem großen Tisch, auf dem diverse Rechner vor sich hin summten. An der gegenüberliegenden Wand war ein großer Flachbildschirm angebracht.

Torben wandte sich an die Ministerin. „Möchten Sie, dass wir ins Detail gehen, oder reichen Ihnen grobe Angaben?“

„Details würde ich ohnehin nicht verstehen“, gab Schneider zu. „Erklären Sie mir nur grob, was Sie tun.“

Torben nickte. „Okay. Sie waren ja so nett, uns eine Liste aller bekannten Straftäter zu geben, die sich zurzeit in Berlin aufhalten. Vom Kleinkriminellen bis hin zu Mördern und potentiellen Terroristen. Daraufhin haben wir uns einen x-beliebigen Stadtteil Berlins ausgesucht und Redemptio den Befehl gegeben, zu analysieren. Und hier haben wir das Ergebnis.“

Torben drückte auf eine Taste und der Flachbildschirm erwachte zum Leben. Zu sehen waren das Bild eines grimmig dreinblickenden Mannes arabischer Herkunft und jede Menge Text. Ministerin Schneider, Essling und Lasker gingen näher an den Bildschirm heran.

„Was sehen wir hier?“, wollte Schneider wissen.

„Das Profil von Mohamed Al-Shabibi“, sagte Markus. „Er ist bislang nicht auffällig gewesen. Weder Bundeskriminalamt, noch das Bundesamt für Verfassungsschutz haben ihn auf dem Zettel. Aber Redemptio ist der Auffassung, dass Al-Shabibi etwas im Schilde führt.“

„Aha“, sagte Essling. „Und aus welchem Grund?“

„Merkwürdige Treffen mit verdächtigen Männern aus Tunesien und Somalia. Auffällige Einkäufe diverser Gegenstände, darunter Chemikalien, die durchaus zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden könnten. Verdächtige Fahrten, die immer wieder an Synagogen vorbeiführten.“

Schneider blickte zu den drei Hacken. „Interessant. Und verdächtig, da gebe ich Ihnen recht. Wie lautet das Ergebnis der Analyse?“

„Die Wahrscheinlichkeit, dass Al-Shabibi einen Anschlag mit Sprengstoff auf eine Synagoge plante, beträgt laut Redemptio über achtzig Prozent“, antwortete Markus.

Schneiders Augen weiteten sich. „Achtzig Prozent … also ist es ziemlich sicher, dass etwas geschehen wird.“

Alle drei nickten. „Absolut“, sagte Sören.

„Das ist … das ist wirklich …“

„Krasse Scheiße“, schlug Torben vor.

„Erstaunlich“, sagte Schneider, Torbens vulgären Vorschlag ignorierend. „Wie würden jetzt die nächsten Schritte aussehen?“

„Darf ich einen Vorschlag machen?“, wollte Lasker vom Minister wissen.

„Selbstverständlich.“

„Wäre ich du, würde ich folgendermaßen vorgehen: Ich würde behaupten, dass du durch einen ausländischen Geheimdienst von diesem Al-Shabibi erfahren hast. Daraufhin hast du ein Ermittlerteam damit beauftragt, ihn zu beobachten. Als sich die Hinweise auf einen bevorstehenden Anschlag verdichtet haben, hast du den Befehl zum Zugriff gegeben.“

„Und wenn jemand wissen will, welcher Geheimdienst der Ministerin den Tipp gegeben hat?“, wandte Essling ein.

„Wenn die Prognose des Programms zutrifft, habt ihr einen wirklich schlimmen Anschlag verhindert. Die Innenministerin wird als Heldin dastehen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand da ein Haar in der Suppe suchen wird. Und selbst wenn jemand fragen würde; müsstest ihr die Frage beantworten?“

Schneider dachte darüber nach und schüttelte schließlich den Kopf. „Du hast recht. Einzig das Ergebnis zählt. So machen wir es.“

„Und bei dieser Gelegenheit könntest du deine neue Idee einer präventiven Spezialeinheit der Öffentlichkeit präsentieren. Weil diese Einheit den Zugriff durchgeführt hat.“

Schneider schüttelte den Kopf. „Wo soll ich auf die Schnelle diese Einheit herbekommen?“

„Du hast doch garantiert irgendeinen höheren Beamten im BKA, oder in einem LKA, dem du vertraust. Ruf ihn an, weihe ihn ein. Ich wette, er stellt dir ein loyales Team zusammen.“

„Könnte funktionieren …“, sagte Schneider leise.

Der Zugriff erfolgte fünf Tage später. Neben Al-Shabibi wurden drei weitere Personen festgenommen. In der Wohnung des Verdächtigen wurden neben Waffen eine große Menge Dünger und anderes Material zum Bau einer Bombe sichergestellt. Auch Baupläne fand man. Die Terrorzelle um Al-Shabibi hatte tatsächlich geplant, eine Synagoge im Zentrum Berlins in die Luft zu sprengen. Das mutige und entschlossene Handeln von Innenministerin Schneider wurde hoch gelobt und als sie ihre geänderten Pläne für eine Reform der Bundespolizei präsentierte, fanden diese eine breite Zustimmung. Einzig der Bundeskanzler war verstimmt, da Schneider ihn seiner Meinung nach zu spät in ihre Pläne eingeweiht hatte.

Die Erweiterung der Reform in Form einer neuen Spezialeinheit wurde mit großer Mehrheit verabschiedet. Bundesweit wurden ausgewählte Polizeibeamte in die neue Spezialeinheit PEG, Präventions-Einsatz-Gruppe, berufen. Innerhalb eines Jahres sollte sie auf eintausend Mann ausgebaut werden. Nach vierzehn Monaten waren die Vorbereitungen abgeschlossen. Redemptio wurde installiert, ohne dass jemand davon erfuhr. Die einzigen Personen, die vollumfänglich Bescheid wussten, waren die Innenministerin, Staatssekretär Essling und der Leiter der neuen Spezialeinheit. Lasker und die drei Entwickler erhielten die erste Rate in Höhe von dreihundertdreiunddreißig Millionen Euro und feierten ihren Erfolg angemessen.