Kapitel 47
Hannover
D er unbekannte Anrufer gab Anabel exakte Anweisungen. Alles in ihr sträubte sich, einem Menschen zu vertrauen, den sie nicht kannte. Auf der anderen Seite würde es überhaupt keinen Sinn ergeben, würde diese Stimme zu Redemptio gehören. Das Programm hatte ganz andere Möglichkeiten, sie zu töten. Der Anrufer hatte ihr deutlich gemacht, dass für Erklärungen jetzt keine Zeit wäre und ihr seinen Plan erläutert. Redemptio hatte sie und Blessing zu Zielpersonen gemacht und würde erst halt machen, wenn sie beide ausgeschaltet wären. Er aber verfüge über einen Übersichtsplan von Überwachungskameras sämtliche Städte. Dadurch wäre es ihm möglich, sie zu einer sicheren Unterkunft zu lotsen. Sobald sie dort angekommen wären, würden sie alles Weitere klären. Anabel blieb nichts anders übrig, als zuzustimmen. Aber sie würde sehr vorsichtig sein. Blindes Vertrauen kannte sie nicht.
„Haben Sie das Handy der Frau aus der Bar?“
„Ja.“
„Gut. Ich schicke Ihnen jetzt einen Straßenplan auf das Smartphone. Der zeigt Ihnen einen Radius von drei Kilometern rund um Ihren momentanen Standort an. Benutzen Sie ausschließlich die grün markierten Straßen und Wege. Dort werden Sie nicht von Kameras erfasst.“
„Wer sind Sie?“, wollte Anabel erneut wissen.
Der Mann fuhr fort, als hätte Anabel nichts gesagt.
„Mir stehen alle halbe Stunde genau vier Minuten und zwanzig Sekunden zur Verfügung, um mit Ihnen zu kommunizieren. Danach übernimmt Redemptio die vollständige Kontrolle. Alle Fragen, die Sie haben, müssen wir auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Los jetzt, machen Sie sich auf den Weg.“
Das Smartphone, das Anabel der Frau weggenommen hatte, signalisierte durch ein leises Fiepen den Eingang einer Nachricht. Anabel öffnete sie und sofort erschien ein Straßenplan auf dem Display. Unten links blinkte ein grüner Punkt.
Ihr aktueller Standort.
Wenn sie die Informationen richtig deutete, hatten sie keinen langen Weg vor sich. Ihr Ziel befand sich in unmittelbarer Nähe. Anabels Vermutung wurde bestätigt, als eine Nachricht einging. Parkhaus Schmiedestraße. Zweite Ebene, Stellplatz 2361, Fahrzeug ist offen, Tank ist voll. Halten Sie sich ans Tempolimit. Werden Sie geblitzt, sind sie tot. Fahren Sie auf die A7 in Richtung Süden. Ich melde mich wieder.
„Wir sollen ins Parkhaus Schmiedestraße“, informierte sie Blessing. „Da lang und dann links in die Schuhstraße.“
Blessing sah Anabel zweifelnd an. „Soweit ich weiß, sind im Parkhaus jede Menge Kameras.“
Erneut fiepte das Handy. Anabel las die eingegangene Nachricht laut vor.
Ich habe sämtliche Kameras im Parkhaus deaktiviert. Euch bleiben noch drei Minuten.
Sie machten sich zügig auf den Weg. Nach wenigen Augenblicken wandten sie sich nach links in die Schuhstraße. Zweihundert Meter geradeaus, dann bogen sie wieder links ab in die Schmiedestraße. Sie erreichte das Parkhaus und blieben kurz stehen, um sich zu orientieren. Blessing wies mit dem Kinn in eine bestimmte Richtung. „Da ist das Treppenhaus.“
Sie gingen in das zweite Geschoss und suchten den genannten Parkplatz.
Als sie ihn gefunden hatten, blieben sie unschlüssig stehen.
„Echt jetzt?“, wollte Blessing wissen, als er den Wagen sah.
Es handelte sich um einen uralten BMW 1502.
Anabel zuckte mit den Schultern. „Der hat garantiert keinen Bordcomputer.“
Blessing wirkte plötzlich unschlüssig, was Anabel nicht entging. „Was ist los?“
„Wie konnte dieser Typ, der dir ständig Nachrichten schickt, wissen, wo wir sind? Und wie konnte er diesen Wagen für uns hier abstellen?“
„Ich weiß es nicht“, gab Anabel zu.
Blessing ließ sich vor dem Wagen auf die Knie nieder und spähte unter das Fahrzeug.
„Was suchst du?“, wollte Anabel wissen.
„Eine Bombe.“