Kapitel 86
Berlin
D er bewusstlose Kanzler wurde von einem Notarzt und zwei Rettungssanitätern aus dem Studio geholt und in die Charité gebracht. Dort wurde festgestellt, dass der Herzschrittmacher des Bundeskanzlers versagt hatte. Ferner stellten die Ärzte fest, dass der Kanzler massive Hirnschäden erlitten hatte, da dieses für zu lange Zeit nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgt worden war. Der leitende Neurologe teilte dem Kanzleramt mit, dass Bundeskanzler Kleinert niemals wieder in der Lage sein würde, sein Amt auszuführen. Was folgte, war die Suche nach einem neuen Bundeskanzler. Da das Grundgesetz keine kanzlerlose Zeit vorsah, konnte der Bundespräsident bis zur Wahl eines neuen Regierungschefs einen geschäftsführenden Bundeskanzler ernennen. Dafür kamen aber nur bisherige Bundesminister in Betracht. Nun schlug die Stunde von Essling. Er benutzte die Informationen, die er durch Redemptio über fast jeden Politiker erhalten hatte, und setzte sie damit unter Druck.
Redemptio hatte ganze Arbeit geleistet.
Über die Hälfte der Mitglieder des Bundestages hatten in den Tagen vor der Abstimmung anonyme E-Mails mit höchst brisantem Inhalt erhalten. Die Männer und Frauen wurden vor die Wahl gestellt: Entweder sie gäben ihre Stimme Essling oder aber die Informationen würden an die Presse weitergegeben werden. Dies hätte das Ende der Karriere aller Betroffenen bedeutet. Viele von ihnen hätten sogar strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten gehabt.
Es gab drei Personen, die sich nicht erpressen lassen wollten.
Redemptio kümmerte sich auch um sie.
Zwei kamen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Eine Abgeordnete aus Niedersachsen erlitt einen tödlichen Stromschlag.
Nach seiner Wahl zum Bundeskanzler stellte Essling diverse Reformen in Aussicht. Insbesondere das aus dem Jahr 1949 stammende Grundgesetz, das Strafrecht sowie das Steuerrecht müssten den heutigen Gegebenheiten angepasst werden. Niemand stellte Fragen. Niemand begehrte auf. Essling war dabei, die Bundesrepublik Deutschland in ein Land umzubauen, das Redemptios Idealbild eines Rechtsstaates entsprach.