Kapitel 3

D ie Rückkehr von Schwerkraft und sichtbarem Boden unter ihnen brachte sie zum Straucheln, als sie durch das Portal traten. Persh’al ließ Cheyennes Hand los, als er über einen losen Stein stolperte, aber er fing sich und richtete sich auf. »Scheiß auf diesen Ort, Mann. Es wird jedes Mal schlimmer.«

»War aber nicht so schlimm wie der Kampf gegen die Dinger auf der anderen Seite.«

»Ja, das kannst du leicht sagen. Du warst ja nicht diejenige, die von einem was-auch-immer-das-war gewürgt wurde.«

»Stimmt.« Cheyenne lächelte unschuldig, als er ihr einen verärgerten Blick zuwarf.

Mit einem leichten Lachen trat er auf sie zu und reichte ihr die Hand. »Aber du warst diejenige, die das Ding gebraten hat. Danke.«

»Hey, wenn ich hier keinen Begleiter habe, der mich herumführt, bin ich aufgeschmissen.« Sie schüttelte ihm die Hand und als er ihren Griff losließ, stellte sich der Troll neben sie und blickte auf die Weite des Landes, wo sie die Grenze überquert hatten.

»Oh, Mann.« Er kratzte sich am Kopf und runzelte die Stirn. »Sieht aus, als wäre dieser Ort auch im Arsch.«

»Ambar’ogúl hat auch Wüsten, was?«

»Nicht so ganz. Zumindest nicht auf natürliche Weise.«

Der Boden erstreckte sich flach und karg vor ihnen und die Erde war gespalten und rissig, soweit sie sehen konnten. Zwei Bäume ragten links von ihnen aus der toten Landschaft heraus, trocken und knorrig. Einer von ihnen war gebrochen und halb gegen den anderen gefallen, der ohnehin kurz vor dem Einsturz stand. Alles war verkohlt, staubig und schwarz.

Cheyenne strich sich die Strähnen ihres weißen Haares aus dem Gesicht und suchte die weite Fläche vor ihnen ab. »Bist du sicher, dass wir es rausgeschafft haben?«

»Sehr witzig.« Persh’al drehte sich um und zeigte auf den geschwärzten, teilweise gespaltenen Felsblock hinter ihnen. »Der bewegt sich nicht. Wenn wir auf dem gleichen Weg zurückkämen, wäre der Felsen immer noch da.«

»Richtig. Auch kein Rauch.«

»Du hast deinen ersten Übergang gut gemeistert, Kleine. Willkommen in Ambar’ogúl.« Er schlug ihr mit dem Handrücken auf den Arm und Cheyenne wich zischend zurück. »Woah. Das ist übel.«

Sie blickte auf ihren Arm hinunter, wo der Rauchtentakel sie gepackt hatte und verzog das Gesicht: »Scheiße.«

Das Ding hatte ein Loch in den Ärmel ihres Kapuzenpullis und durch einige Schichten ihrer violettgrauen Haut gebrannt. Die Brandwunde glitzerte im hellen Sonnenlicht, das auf sie herabfiel und die Ränder waren schwarz verkohlt wie das tote Land um sie herum. Sie kniete sich hin und nahm ihren Rucksack ab, wobei sie darauf achtete, mit dem anderen Riemen nicht gegen die frische Wunde zu stoßen. Dann öffnete sie den Reißverschluss des Rucksacks und holte das Gefäß mit der Schwarzzungensalbe heraus. Als sie den Deckel abschraubte, überwältigte der Geruch von verfaulenden Erdbeeren sie beide.

Persh’al betrachtete die Paste und kratzte sich am Kinn. »Es riecht nach Schwarzzunge.«

»Das ist es auch.«

»Hast du, äh, das Zeug schon mal benutzt?«

Sie sah ihn an und hob eine Augenbraue. »Leider, ja.«

Er lächelte amüsiert. »Soll ich dir helfen?«

»Danke, aber das könnte dazu führen, dass statt eines Tentakels eine Drowhand zu deinem vorzeitigen Ableben führt.«

Der Troll hob seine Hände und trat einen Schritt zurück. »Na gut.«

Cheyenne steckte ihre Finger in das Glas und nahm ein bisschen zähen, dehnbaren, weißen Schleim in ihre Hand. »Macht es dir was aus, den Stoff noch ein bisschen weiter aufzureißen?«

»Kein Problem.« Er beugte sich vor und löste den angesengten Stoff vorsichtig von ihrem Arm. Cheyenne bis die Zähne zusammen, als er einmal kräftig zog und das zerfetzte Loch weiter aufriss. »Tut mir leid.«

»Muss dir nicht leidtun. Das ist doch nur zum Aufwärmen, oder?« Sie lächelte gezwungen, während sie die offene Wunde musterte, dann atmete sie schnell aus und legte los. Ihr Arm brannte schlimmer als der Tentakel, als sie die Salbe darauf verschmierte. Ein Knurren entkam ihr und sie versuchte, es zu unterdrücken.

»Ist schon gut, Kleine.« Persh’al schaute sich um. »Hier draußen kann dich sowieso niemand hören …«

»Scheiße!« Sie beugte sich über ihre Knie und presste die Augen zusammen, während die Salbe ihren Arm zusammenflickte. Tränen liefen über ihre Wangen und sie atmete langsam zitternd ein und aus. »Das dauert ja ewig.«

»Nein, es ist schon fast verheilt.« Sie wehrte sich nicht, als er ihr den Behälter abnahm und den Deckel zuschraubte. »Nur, damit das hier heil bleibt.«

»Ja.« Der Schmerz ließ langsam nach und sie atmete noch einmal tief durch, bevor sie in den blaugrünen Himmel blickte. »Die Sonne hier sieht irgendwie genauso aus.«

»Es gibt aber zwei Monde.« Er reichte ihr den Behälter, den sie zurück in ihren Rucksack steckte, bevor sie mit einer Hand über ihre frisch geheilte Haut fuhr. »Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bevor wir eine Pause machen können. Bist du bereit?«

»Ja. Danke.« Cheyenne richtete sich auf und schulterte ihren Rucksack. Dann drehte sie sich um, um einen weiteren Blick auf das Portal zu werfen, das als zerbrochener Felsblock getarnt war. Die vernarbte, schwarze Erde erstreckte sich kilometerweit um sie herum, aber in der Ferne erhob sich eine hohe Bergkette. »Bist du sicher, dass das keine Wüste ist?«

»Früher war hier ein See.« Persh’al nickte und sie drehte sich um, um ihm über den trockenen, verschrumpelten Boden zu folgen. »Jetzt ist hier nicht mehr viel übrig.«

»Das ist die Fäulnis.«

»Was?«

Cheyenne schüttelte den Kopf. »Ich habe es in einer Prophezeiung gehört. Irgendwas über das Herausschneiden der Fäulnis.«

»Hm. Das ergibt Sinn. Ich meine, entweder hat der See Feuer gefangen, ist sofort ausgetrocknet und die Flammen haben den Boden weggefressen oder etwas anderes hat das Leben aus diesem Ort gesogen.«

»Etwas anderes wie die Krone?«

»Ich wünschte, ich wüsste die Antwort darauf, Kleine. Aber ich würde sagen, das ist eine ziemlich gute Vermutung.«

* * *

Sie liefen eine Stunde lang über das verkohlte Seebett, bevor sie den Rand erreichten. Nach einem steilen Aufstieg über bröckelnde Erde und Felsen, die unter ihren Fingern wegbrachen, wischte Persh’al sich die Hände ab. »Es ist lange her, dass ich so gewandert bin.«

Cheyenne schnaubte. »Das war doch ziemlich einfach.«

»Aha. Dein Gesicht sagt etwas Anderes.«

Sie wischte sich über die Stirn und strich sich die Schweißperlen von der Hand. »Es ist mitten am Tag und wir sind an einem Ort, der eigentlich eine Wüste ist. Und ich bin ganz in Schwarz gekleidet.«

»Das hast du dir selbst zuzuschreiben.« Mit einem schiefen Lächeln wandte er sich von ihr ab und zeigte auf die andere Seite der Ebene. Eine runde, braune Kuppel erhob sich aus dem Meer aus kurzem, buschigem, braunem Gras unter ihnen, mit zwei kleineren, rechteckigen Nebengebäuden auf beiden Seiten. »Da gehen wir zuerst hin. Dort sollten wir etwas finden, das schneller ist als unsere eigenen zwei Füße.«

Cheyenne legte ihren Kopf schief. »Das bezweifle ich.«

»Okay, schneller als meine zwei Füße, Halbdrow. Es sei denn, du willst mich tragen und mit Supergeschwindigkeit in eine beliebige Richtung rennen.«

»Ich verzichte.«

»Dann lass uns gehen.«

Der Abstieg auf der anderen Seite des trockenen Beckens war viel sanfter und einfacher, obwohl Cheyenne auf halber Strecke anhalten musste, um ihren Kapuzenpullover auszuziehen und ihn in ihren Rucksack zu stopfen. Als sie den flachen Boden erreichten, hörten sie Metall auf Metall schlagen und magische Wesen, die sich gegenseitig anschrien. Als sie näher kamen, sahen sie ein halbes Dutzend quadratischer Hütten auf der anderen Seite des riesigen Kuppelbaus. »Weißt du, was das für ein Ort ist?«

»Es steht genau hier an der Wand.« Persh’al kicherte und ließ seine Hand fallen. »Oh. Ich vergesse immer wieder, dass du das Zeug nicht lesen kannst. Es ist eine Wegstation, mehr oder weniger. Ein kleines Dorf, wie es aussieht.«

»Aber du warst doch noch nie hier.«

»Als die Wüste noch ein See war, Kleine, war das Tal hier unten nur Ackerland. Ich war schon mal hier, aber da sah es nicht so aus wie jetzt.«

Die rechteckigen Nebengebäude waren an einem Ende offen und Cheyenne erhaschte einen Blick auf einen monströsen Oger, der drinnen stand und einen riesigen Schraubenschlüssel gegen eine Maschine schlug, die wie ein kleines Fischerboot aussah, das einen halben Meter über dem Boden schwebte. Als er die Drow und den blauen Troll auf sich zukommen sah, warf er den Schraubenschlüssel in die Maschine und starrte sie an.

Zwei schmutzverschmierte Kobolde liefen schnell zwischen der Kuppel und einem der Nebengebäude hin und her und zogen ein Seilnetz mit einem Haufen Metallkisten und Maschinenteilen hinter sich her. Sie wurden langsamer, als sie die beiden sahen und die Koboldfrau auf der rechten Seite runzelte die Stirn.

»Sieht nicht so aus, als würden sie sich über Besuch freuen«, murmelte Cheyenne.

»Das tun sie wahrscheinlich auch nicht, aber sie werden Geschäfte machen wollen.« Persh’al zeigte auf die Tür, die in der Seite der Kuppel war. Ein kleiner, grimmiger Ork mit einem langen, schwarzen Zopf, der ihm über den Rücken fiel, trat durch die Tür, kurz, bevor sie sie erreichten, und hielt bei ihrem Anblick inne. Seine Lippen verzogen sich zu einem Knurren, bevor er sich davonschlich, ohne sich die Mühe zu machen, die Tür aufzuhalten. »Okay, hoffentlich machen sie Geschäfte. Überlass mir das Reden und ich kümmere mich darum.«

»Kein Problem.«

Persh’al griff nach der Klinke und öffnete die Tür erneut, wobei er Cheyenne ein Zeichen gab, zuerst einzutreten. Drinnen war es viel dunkler und kühler und der Raum war beleuchtet von kleinen, faustgroßen Lampen, die in verschiedenen Höhen unter der runden Decke hingen. Auf dem Weg zur halbrunden Bar im hinteren Teil des Lokals kamen sie an ein paar schiefen Tischen und wackeligen Stühlen vorbei. An zwei der Tische saßen andere magische Wesen, die allesamt schmutzig und verschwitzt waren und die unangemeldeten Besucher anglotzten.

Die Koboldfrau hinter der Theke war zu sehr damit beschäftigt, einen Metallkanister mit einem schmutzigen Lappen zu polieren, um zu den Neuankömmlingen aufzuschauen. Sie schaute blinzelnd auf das Ding, rieb es noch einmal und nickte, mit Blick auf die Gegenstände, die neben ihr auf der Theke ausgebreitet waren. »Seht euch das erst mal alles an. Eine neue Lieferung ist gerade eingetroffen, aber ich verspreche euch, es ist nichts Ausgefallenes.«

»Wir brauchen nichts Ausgefallenes«, erklärte Persh’al. »Wir suchen nur ein funktionierendes Gefährt und etwas Wasser. Wenn du welches hast.«

Die Bardame knallte den Kanister auf die Theke und schaute auf. Ihre Augen weiteten sich, als sie Cheyenne sah und sie legte beide Hände auf die Theke und beugte sich vor. »Bist du dir da sicher?«

Persh’al fragte: »Bei welchem Teil?«

»Allen Teilen.«

»Ja, ich bin mir sicher.« Er nahm seinen Rucksack ab und legte ihn an den Rand der Bar. »Wir haben einen langen Weg vor uns. Wir könnten ein bisschen Hilfe gebrauchen.«

»Hilfe ist nicht billig, Troll.« Die Koboldfrau kratzte sich am Kopf und ihre verfilzten, staubigen gelben Haare, die sich darauf befanden, schwangen hin und her. Sie sah ihm zu, wie er in der Vordertasche seines Rucksacks kramte und blickte dann zu Cheyenne. »Aber ich wette, das wisst ihr beide schon, oder?«

Cheyenne sah die Koboldfrau starr an, bis das andere magische Wesen blinzelte und wegschaute. Was hat das zu bedeuten ?

»Oh, sicher.« Persh’al zog ein dickes, schwarzes Etui in der Größe von Cheyennes Handy heraus und klappte es auf. »Nicht ausgefallen und nicht billig. Wir sind auch nicht wählerisch.«

Die Augen der Koboldfrau weiteten sich, als Persh’al ein dünnes Stück blau gefärbtes Plastik mit denselben Maßen wie das Etui herauszog und es auf die Theke legte. Sie leckte sich über die rissigen Lippen und schaute Persh’al an, dann lehnte sie sich zur Seite und rief: »Cork! Hast du schon eines der Skiffs zum Laufen gebracht?«

Ein Ork, der an einem der Tische saß, kratzte sich am Kinn und schüttelte eine Staubschicht ab, die sich auf seinem Gesicht gebildet hatte. »Vielleicht.«

Die Koboldfrau hob die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern.

Persh’al nahm eine weitere dünne Karte aus blauem Plastik vom Stapel des schwarzen Etuis und legte sie auf die erste. »Wie sieht es jetzt aus?«

»Ja.« Sie grinste und zog die beiden dünnen Karten über die Theke. »Wir haben etwas für dich. Willst du immer noch das Wasser?«

»Solange es uns nicht umbringt.«

Ein keuchendes Lachen entkam ihr und entblößte gelb verfärbte Zähne. »Du bist in den Outers, lugahw’o . Alles kann dich töten.«

Persh’al klopfte mit den Fingerknöcheln auf die Theke und nickte. »Mach lieber zwei daraus.«

Cheyenne warf ihm einen verwirrten Blick zu. »Du zahlst für Wasser?«

Er zuckte mit den Schultern. »Es ist ein Anfang.«