Kapitel 6

C heyenne stand auf, stieg aus dem Skiff und schaute sich in dem leeren Tal um. »Das Ding hat sich einen tollen Platz zum Pausieren ausgesucht.«

»Nein, wir sind sicher.« Der Troll ging in die Hocke, grunzte und kramte in der offenen Platte herum. »Ich meine, ja, ich will so schnell wie möglich hier raus, aber wir sind auf uns allein gestellt. Mach dir keine Sorgen, Kleine. Ich muss das nur festziehen …«

Ein Stück Metall zerbrach, Drähte fielen heraus und Teile klapperten in der mechanischen Öffnung herum.

»Festziehen, ja?«

Persh’al warf das zerbrochene Stück auf das Gras. »Zu eng für diese nutzlosen Teile. Das habe ich davon, wenn ich von einem Haufen Schrotthändler kaufe. Ich bin ehrlich gesagt erstaunt, dass es uns so weit gebracht hat und ohne dieses Teil ist es Schrott. Also …« Er stand auf, streifte seine Hände an der Hose ab und breitete die Arme aus. »Du kannst doch wandern, oder?«

»Durch ein offenes Tal? Klar.«

»Großartig.« Der Troll beugte sich über das Heck des kaputten Skiffs und zog an seinem prallen Rucksack. Der Gurt verfing sich an etwas darunter und er kämpfte, um ihn zu befreien.

Das Knirschen von zerbrochenem Holz sowie das Rascheln von trockenem Gras drangen an Cheyennes Ohren und sie drehte sich langsam zu den Nebengebäuden um. Das ist nicht nur der Wind .

»Hey, Kleine. Willst du mal nachsehen, was hier hängt? Ich kriege das nicht …«

»Psst.« Sie brachte ihn so leise zum Schweigen, dass sie dachte, er hätte es vielleicht nicht gehört. Ein weiteres leises Rascheln von Gras, das gegen die Erde drückte, erreichte sie und sie suchte den Raum zwischen den Gebäuden nach Bewegungen ab.

Persh’al schaute sie an und richtete sich langsam auf. »Wir sind nicht ganz allein, oder?«, flüsterte er.

Cheyenne schüttelte langsam den Kopf und lehnte sich zur Seite, um auf den nächsten langsamen Schritt zu warten.

Die Wand des Gebäudes vor ihr zerbrach, als ein gelber Ball aus Magie durch die verrottenden Lamellen krachte. Sie duckte sich und erhaschte durch das Loch in der Wand einen Blick auf zwei zusammengekniffene gelbe Augen, bevor ein orangefarbener Blitz über Persh’als Kopf hinwegzischte. Er sprang zur Seite und wirbelte herum, wobei er mit dem Handgelenk zuckte, um die funkelnde, grüne Peitsche zu beschwören.

Jemand stieß ein raues, trällerndes Kampfgebrüll aus und vier magische Wesen stürmten zwischen den Gebäuden auf Cheyenne und Persh’al zu – zwei Orks, ein Troll, der kaum alt genug aussah, um sich selbst als ausgewachsen zu bezeichnen und ein dünnes, gelbgrünes magisches Wesen, kaum einen Meter groß, mit spitzen Ohren und gelben Reißzähnen.

Der gelbe Kerl schrie und schlug mit seiner Hand durch die Luft, während er auf Cheyenne zustürzte. Sie schlug mit ihren schwarzen Ranken nach ihm und wickelte sie um seinen Arm, um ihn von sich wegzuschleudern. Ein leuchtend gelber Pfeil schoss vom Himmel auf sie herab und verfehlte ihre Hand nur knapp. »Was zum …?«

Eine rostige, schmutzige Kugel hüpfte zwei Meter über ihr in der Luft und drehte sich in mehreren Schichten in entgegengesetzte Richtungen. Das schlaksige, gelbe magische Wesen rutschte über den Dreck, auf den sie es geworfen hatte und bewegte erneut sein Handgelenk. Die schwebende Kugel flog hinter Cheyenne und schoss einen weiteren Pfeil auf sie, während der Übernatürliche gelbe Funken auf ihren Kopf schoss.

Die Halbdrow hob einen Schild vor sich und drehte sich um, um ihre violettfarbenen Funken auf die schwebende Kugel zu schleudern. Sie prasselten auf die Metallkugel, die ein ohrenbetäubendes Quietschen von sich gab und in lilafarbenem Licht gehüllt zu Boden fiel.

Das gelbe magische Wesen schrie wieder und sprang auf. »Hol dir dein eigenes, mór edhil

»Was?«

Einer der Orks prallte mit einem Grunzen gegen die Seite des Gebäudes vor Persh’al, stieß sich dann ab und trat gegen nichts als Luft. Der Boden brach vor Persh’al auf und eine Stahlplatte erhob sich und steuerte auf ihn zu. Der Troll sprang zur Seite und schlug mit seiner Peitsche nach dem fliegenden Untertassen-Ding, das wie ein Frisbee auf seinen Besitzer zurückgeschleudert wurde.

Der Trolljunge sprintete um die Gebäude herum, warf Lichtscheiben und ritt auf einem anderen Blech, das klackte und quietschte.

Cheyenne drehte sich und sah zu, wie er an ihr vorbeiflog. Der Junge hat ein Hoverboard. Was ist das?

Die blauen Lichtscheiben segelten über ihren Kopf, als sie sich duckte und vergruben sich im Holz des Schuppens. Der Junge drehte sich um, um auf sie zuzufliegen und zog weitere Scheiben aus einer Tasche, um mehr Zielübungen zu machen. Seine ersten Geschosse lösten sich aus dem Holz und gesellten sich zu den anderen, sodass acht blinkende Scheiben auf Cheyenne zusegelten, sich drehten und um sie schwirrten.

In letzter Sekunde hob sie einen Schild und das schneidende Metall prallte gegen die schwarze Oberfläche. Dann sprang sie zur Seite und schickte zwei wirbelnde, schwarze Kugeln in die Scheiben, die sechs von ihnen auf einmal erwischten. Sie teilten sich in zwei Hälften, während die anderen beiden den Kurs änderten, um auf Persh’al zuzusteuern und Cheyenne hörte das Summen des Hoverboards des Jungen hinter sich, Sekunden, bevor er von dem Ding absprang und sie zu Boden warf.

Mit einem Schrei stieß sie den Jungen von sich und wickelte ihn in ihre schwarzen Ranken. Er wehrte sich heftig, strampelte und bockte auf dem Boden, während sie ihn festhielt. »Hör auf damit, Junge! Was machst du da?«

»Geh und friss von der Titte der Mutter, ja«, spuckte er. »Sie hat noch viel mehr für ihre mór edhil -Brut!«

»Cheyenne!« Persh’al schoss den zweiten Ork mit einem Blitz aus grünem Licht zurück und ließ dann seine Peitsche auf die beiden Scheiben los, die auf ihn zurasten. Er erwischte nur eine und Cheyenne aktivierte ihre erhöhte Geschwindigkeit.

Die zweite Scheibe verlangsamte sich Zentimeter vor seiner Nase, drehte sich in der Schwebe und pulsierte mit blauen Funken, die von der Mitte bis zur rasiermesserscharfen Kante hinausschossen. Sie löste eine Handvoll ihrer Ranken von dem gefesselten Troll und griff nach der Scheibe. Sie surrte kurz zwischen ihren Fingern und erschauderte.

Als sie wieder in die normale Zeit zurückglitt, erwartete der Troll, dass seine Metallwaffe ihre Stirn spalten würde. Stattdessen sah er, wie sie die Scheibe in einer Hand anhob und sie zerdrückte. Metallsplitter und haarfeine Drähte flogen um sie herum und wurden dem Kind ins Gesicht gepfeffert. »Schlampe!«

»Merk dir den Gedanken.« Cheyenne hielt ihn in ihren Ranken fest und schoss eine Salve lilafarbener Funken auf den seltsamen, gelben Kerl, der auf allen Vieren auf sie zustürzte. Ihr Angriff traf ihn an der Schulter und er wurde durch die Luft geschleudert. Schreiend streckte das gelbe magische Wesen beide Hände nach ihr aus und ein Schwall von Metallpfeilen schoss nicht aus seinen Händen, sondern aus seinen zerfledderten, schmutzverkrusteten Ärmeln.

Sie sprang zur Seite und befreite den Jungen von ihren aufgerollten, schwarzen Peitschen. Er wirbelte durch die Luft und rannte im falschen Moment auf sie zu. Das Dutzend Metallpfeile seines gelbhäutigen Freundes durchbohrte seinen Rücken und schickte ihn zu Boden. Seine scharlachroten Augen weiteten sich vor Schmerz und Unglauben.

»Urae!« Das gelbe magische Wesen knurrte und konzentrierte sich wieder auf Cheyenne. »Ihr n ehm t immer. Wir nehmen jetzt zurück!«

Er stürzte sich auf sie und Cheyenne hob einen Schild. Die gelbe Magie prallte mit einem Klirren auf die schwarz schimmernde Oberfläche und sein langes, schmutzverschmiertes Gesicht wurde im selben Moment getroffen, als Persh’al ihn mit seinem nächsten Angriff in den Rücken traf. Das eingeklemmte magische Wesen glitt an Cheyennes Schild hinunter und fiel zu Boden, woraufhin sie einen Schritt zurücktrat, um den nächsten Angriff abzuwarten.

Es kam keiner.

»Verdammt.« Persh’al öffnete seine Hand. Die grüne Peitsche verschwand und er trat einen Schritt zurück, um die beiden Orks zu betrachten, die sie niedergeschlagen hatten. Einer von ihnen hatte seine eigene fliegende Metallplatte im Nacken stecken und der andere war kopfüber in das nächste Gebäude geschleudert worden, sodass alles unterhalb der Taille aus dem Loch heraushing, das sein Kopf und seine Schultern verursacht hatten. Er grunzte, trat einmal in die Luft und stellte fest, dass der Boden unter ihm zu weit weg war. Dann wurde er ohnmächtig.

»Oh, Mann.« Cheyenne trat auf das Trollkind zu, das auf der Seite lag, die scharlachroten Augen noch immer vor Überraschung aufgerissen. Ein Dutzend Stahlspitzen ragten aus seiner Brust. »Ich habe ihn aus dem Weg geworfen und er hat einfach wieder angegriffen.«

»Nicht deine Schuld, Cheyenne.«

Sie biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. »Ja, aber ich war ein Teil davon.«

»Sicher. Angegriffen von einer kleinen Gruppe verzweifelter Plünderer, die sich viel zu sehr auf kaputte Technik verlassen und keine Ahnung haben, wie man gemeinsam kämpft.«

Persh’al rollte die kurzgeschlossene Metallkugel unter seinem Schuh. »Schrott. Das ist es, worauf sie heutzutage ihr Vertrauen setzen.«

Cheyenne riss sich von den toten Augen des Trollkindes los und drehte sich um. »Kämpfen mit Maschinen. Das gilt also für alle auf dieser Seite, nicht nur für die Loyalisten und ihre verschifften Kisten?«

»Oh, ja. Das ist neuere Technik, aber sie hat ziemlich scheiße funktioniert, weil sie wie Scheiße behandelt wurde. Sieht auch ziemlich zusammengeschustert aus. Sie wären besser dran gewesen, wenn sie gelernt hätten, ohne sie zu kämpfen. Komm mit. Wir überlassen es den anderen beiden, von allein aufzuwachen, aber wir sollten uns beeilen.« Er blieb bei ihrem gestrandeten Skiff stehen und schnappte sich seinen Rucksack, den er diesmal problemlos hochheben konnte.

Cheyenne schnappte sich ihren eigenen und ging an dem kleinen Bauernhof vorbei, hielt aber an, als der Troll einen Pfiff ausstieß. »Ich dachte, wir gehen in diese Richtung.«

»Das war so. Bei so viel Ausrüstung bezweifle ich ernsthaft, dass die Jungs den ganzen Weg hierher allein gelaufen sind. Wenn sie ein Skiff oder ein Shuttle oder sogar zusätzliche Hoverboards haben, können wir sie gebrauchen.«

Die Halbdrow folgte ihm um die Außenseite der in einem Hufeisen angeordneten Gebäude. Die vier Räuber hatten hier ein Lager errichtet, nachdem sie alles, was die Trollfamilie besaß, durchwühlt und auf einen Haufen geworfen hatten. Zwei Skiffs waren an einer Seite des am weitesten entfernten Gebäudes aufgestellt und Persh’al wandte sich mit einem weiteren leisen Pfiff von dem nächstgelegenen ab. »Sie sind schon eine Weile hier draußen.«

Er rieb seine Hände aneinander, beschwor das grüne Licht zwischen seinen Handflächen herauf und setzte sie vorsichtig auf das Bedienfeld des verbeulten Skiffs. Das Ding knallte und gab ein knurrendes Stottern von sich, dann summte es und hob sich einen halben Meter vom Boden ab.

»Ausgezeichnet.« Persh’al hob einen riesigen Sack aus dem Heck des Skiffs und warf ihn so weit wie möglich. Der Sack öffnete sich mit einer Wolke aus schwarzem Staub und Aasfliegen.

»Fuck.« Cheyenne runzelte die Stirn und atmete tief ein und aus. »Sie sind mit einer Leiche auf dem Rücksitz herumgefahren?«

»Kein totes magisches Wesen. Da ist aber auf jeden Fall eine verrottende Leiche von irgendetwas drin.« Mit einem verstörten Gesichtsausdruck schmiss er seinen Rucksack auf den Rücksitz und kletterte hinein. »Komm schon, Kleine. Wir haben noch einiges zu sehen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wen wir finden werden. Das müssen wir abwarten.«

Die Halbdrow drehte sich zu den letzten beiden atmenden Räubern um und schüttelte den Kopf. »Wir können nicht ihr Skiff stehlen und sie hier draußen liegen lassen.«

»Oh doch, das können wir.« Persh’al klopfte auf die Bank neben sich, schaute auf seine Hand und wischte sie an seiner Hose ab. »Sie haben uns angegriffen und würden nicht zögern, unsere Sachen zu stehlen und uns hier zu lassen, wenn die Rollen vertauscht wären. Der einzige Unterschied ist, dass sie uns die Kehle aufschlitzen würden, während wir bewusstlos sind, nur so zum Spaß und wer weiß, was noch alles. Ich habe gesehen, wie Räuber und Plünderer mit jedem übel umgegangen sind, der ihnen in die Quere kam.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Trotzdem.«

»Hey, zwei von ihnen wurden ausgeschaltet, einer von dem dünnärschigen Kobold und der andere durch seine eigene Ausrüstung. Damit bleiben zwei Plünderer und ein Skiff übrig. Es wird ihnen schon gut gehen. Lass uns gehen.«

Cheyenne betrachtete das letzte Skiff und presste die Lippen aufeinander. Gute Argumente. Nun g ut .

Sie stellte ihren Rucksack neben seinem ab und kletterte über die Kante. Persh’al untersuchte das Steuerpult, das noch weniger Symbole enthielt, die ihm beim Lenken helfen konnten. Er brummte unschlüssig vor sich hin, dann drückte er beide Hände auf das Metall und sie flogen langsam, aber stetig in Richtung der anderen Seite des Oronti-Tals.

»Was ist das überhaupt?« Cheyenne deutete mit einem Nicken auf das Bedienfeld.

»Darauf gibt es viele mögliche Antworten, Kleine.«

»Ich meine, was du mit deinen Händen gemacht hast? Was die Jungs da hinten gemacht haben. Die ganzen Gesten und so. Sind das Zaubersprüche, die mit der Technik funktionieren oder was?«

»Äh, manchmal.« Persh’al kicherte und hob seine Hände, um auf die größtenteils unbeschriftete Tafel zu schauen. »Wenn du deine Ausrüstung kennst, brauchst du keine Hilfe. Sie verschmilzt mit deiner Magie und ist im Grunde wie eine Projektion von dir selbst. Die meisten magischen Wesen kommen nicht so weit, besonders hier draußen. Kein Training und keine Zeit, sich zu verbessern, wenn du verzweifelt nach einem zusätzlichen Schub suchst, um alles zu nehmen, was du kriegen kannst. Ich bin mir sicher, dass unsere kleine Überraschungsparty noch ein paar andere Teile irgendwo angeschnallt hatte. Persönlich synchronisiert, was?«

»Also kann es jeder machen.«

»Klar! Jeder mit Magie.« Er drehte sich um und sah, wie die Halbdrow die Schalttafel und das sanfte Glühen musterte, das zwischen den schlecht geschweißten Nähten hervorkam. »Hast du ein neues Hobby gefunden?«

Cheyenne warf ihm einen ausdruckslosen Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Rand des Tals richtete. »Ich will nur wissen, wie es funktioniert.«

»Aha. Ich kenne das Gefühl. Das juckt ganz schön, nicht wahr?« Der Troll kicherte und legte die Hände in den Schoß, während das Skiff über das trockene Gras glitt. »Ich sag dir was. Wenn wir in der Stadt ankommen, werde ich dir ein paar Spielsachen besorgen.«

Ihre Mundwinkel zuckten. »Du kannst aufhören, das hier in einen Freizeitausflug für Kinder zu verwandeln. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir diesen Punkt hinter uns haben.«

»Sehr witzig. Wir können es Ausrüstung oder Technik oder was auch immer nennen, aber ich spreche von dem guten Zeug. Die fein abgestimmte Kunstfertigkeit der modernsten O’gúleesh-Technik. Mir kribbelt es schon beim Gedanken daran.« Persh’al wackelte mit den Fingern und sie schlug sie mit einem Schnauben weg.

»Behalte deine kribbelnden Finger für dich. Nur damit das klar ist: Dieses schwebende Fischerboot gilt nicht als hochmodern, richtig?«

Er schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln. »Nicht mal annähernd.«