Kapitel 8

S ie passierten ein halbes Dutzend anderer Städte, die sich aneinanderreihten und immer größer wurden, je näher sie der Hauptstadt kamen. Andere schwebende Fahrzeuge rasten in beide Richtungen an ihnen vorbei, ohne Straßen, Schilder oder irgendeine Form der Verkehrslenkung.

Die Hügel wurden steiler und waren mit Bäumen und spät blühenden Wildblumen übersät. Das Skiff kämpfte sich den nächsten Hügel hinauf und Persh’al gab ihm noch einen kleinen Schubs magischen Treibstoffs, um den Rest der Steigung zu bewältigen. Als sie den Gipfel erreichten, fiel Cheyenne die Kinnlade herunter.

Die Stadt, die sich unter ihnen erstreckte, sah der Skyline von New York erstaunlich ähnlich. Sie bestand jedoch aus dreimal so hohen Wolkenkratzern und Türmen, von denen die meisten auf jeder Ebene durch offene Gehwege verbunden waren. In den unteren Stockwerken schwebten fliegende Gefährte und um die Türme herum sausten kleinere, schnellere Fahrzeuge durch die Luft. Aber keine Flugzeuge. Keine Landeplätze. Es fliegt also niemand über den Wolken ein oder aus.

Stein, Metall und Glas wurden verwendet, um die Metropole zu erschaffen, die aussah, als wäre sie ewig weitergebaut worden, ohne dass die vorherigen Strukturen der Zeit gewichen wären. Eine hohe, durchsichtige Wand aus Licht umgab die riesige Stadt, außerhalb derer weitere Gebäude verstreut waren.

»Dir fliegt da noch was rein, wenn du nicht den Mund schließt.« Persh’al lachte leise und steuerte das Skiff auf der anderen Seite des Hügels hinunter.

»Das ist die Hauptstadt?«

»Oh, ja. Hangivol in seiner ganzen verkorksten Pracht. Sieht nicht anders aus als in meiner Erinnerung.«

»Ernsthaft?«

»Wenn wir dort unten sind und durch die Straßen gehen, Kleine, werden wir herausfinden, wie nah ich an der Wahrheit war, was hier vor sich geht. Dann wissen wir, was zu tun ist, wenn wir zurück auf der Erde sind.«

Der Boden bebte, als sie den Hügel hinunterglitten und riesige Erdklumpen hinter sich her schleuderten. Cheyenne drehte sich um und sah, wie die Spitze eines riesigen Metallpanzers den Hügel erklomm, der weniger als einen Meter über dem Boden schwebte. »Sie haben doch niemanden hinter dir hergeschickt, oder?«

»Hm?« Persh’al sah über seine Schulter und grunzte. »Nicht für mich. Das ist ein Armeepanzer.«

»Er ist so groß wie ein Haus.«

»Ja. Kannst du dir vorstellen, wie Maleshi am Steuer dieses Dings saß?«

Cheyenne rümpfte die Nase. »Irgendwie schon, ja.«

Er lachte. »Ist schon oft passiert.«

»Pass auf!«

»Was?« Er drehte sich noch einmal um, als der haushohe Panzer die Kuppe des Hügels überflog und mit Höchstgeschwindigkeit auf sie zuraste. »Diese Idioten!«

Persh’al strich mit beiden Händen über das Steuerpult und das Schiff hüpfte seitlich über den Abhang. Nur knapp entkamen sie dem Risiko, von dem metallenen Ungetüm umgestoßen oder überfahren zu werden. Das Skiff schwankte von einer Seite zur anderen und mit einem verärgerten Schnauben brachte der Troll es langsam wieder zum Stehen.

»Niemand kümmert sich mehr um den kleinen Mann.« Er beugte sich über die Konsole und rief dem Kriegspanzer zu: »Was ist aus dem Frieden geworden, hm?«

Cheyenne presste die Lippen aufeinander und beobachtete das rasende Gefährt. »Ist hier unten eine Armee stationiert?«

»Natürlich ist sie das. Ich weiß nicht, wie sie jetzt aussieht, wo Maleshi nicht mehr da ist, denn sie war das letzte Stück Kleber, das die ganze Sache zusammengehalten hat. Aber ja, es gibt eine Armee.«

»Toll.«

Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis sie die dicht gedrängten Gebäude im äußeren Ring der schimmernden Lichtwand von Hangivol erreichten. Zwischen den Gebäuden tummelten sich mehr magische Wesen, als Peridosh fassen konnte. Sie schrien sich gegenseitig Befehle zu und stellten Fragen, bewegten sich um Gruben, in denen grüne Flammen loderten und arbeiteten an Maschinen, die offensichtlich weitere Maschinen bauten.

»Industriesektor«, murmelte Persh’al und bewegte das Skiff langsam durch die große Hitze, die aus den Gruben kam. »Nicht innerhalb der Stadtmauern, denn wer will schon all den Lärm, die Hitze und den Gestank direkt neben … na ja, okay, einer anderen Art von Lärm, Hitze und Gestank.«

»Was machen sie hier draußen?« Cheyenne betrachtete eine Metallklaue an einem drei Meter hohen Kran, die eine riesige Metallplatte hinter sich her zog, auf deren Seite ein knurrender Wolf eingraviert war.

»Alles. Alles. Die großen Sachen, okay? Einiges davon ist Handwerkskunst, aber das ist die alte Schule. Aber Metall ist Metall, nicht wahr? Wir arbeiten immer noch damit, wie wir es immer getan haben.«

Eine leere, mit grünen Flammen gefüllte Grube verpuffte, als ein drei Meter großes magisches Wesen hindurchtrat und der Boden unter seinen schwerfälligen Schritten erzitterte. Das sind keine Füße, das sind Hufe .

Der große Kerl bemerkte, wie sie ihn anstarrte und breitete zwei riesige, schwarz verkrustete Flügel zu beiden Seiten aus, die sowohl das Licht des grünen Feuers als auch das der Sonne hinter ihm ausblendeten. Ein leises Knurren drang aus ihm heraus, bevor er sich ein Blech schnappte, das größer war als er selbst und durch die Flammen zurücktrat.

»Solange wir in Bewegung bleiben und nicht versuchen, mit den Typen zu reden, sind wir in der Stadt, bevor du sagen kannst: ›Scheiße, das ist heißes Fellfeuer‹.« Persh’al steuerte das Skiff auf einen Stahltunnel zu, der sich nach oben wölbte und als sie ihn passierten, überkam sie ein prickelndes Gefühl von warmer Energie. Er erschauderte. »Das hat mir noch nie gefallen.«

»Was war das?«

»Äh, eine Dekontaminationskammer. Mehr oder weniger.«

Cheyenne blickte ihn verwundert an, während der Tunnel gerade wurde und dann wieder sanft abfiel. »Wir sind also gerade durch einen verseuchten Industriebereich gefahren.«

»Mehr oder weniger. Ich meine, nicht mit Übelkeit oder so. Mach dich nicht verrückt. Die Stadt hat schon immer eine Art Filtersystem betrieben. Die Arbeit mit Fellfeuer hat ihre Schattenseiten, nämlich einen der schlimmsten Gerüche, die ich je gerochen habe.«

»Ich habe nichts gerochen.«

»Genau. Das tut man erst, wenn die Dämpfe ein oder zwei Tage Zeit hatten, sich zu setzen.« Sie verließen den Tunnel und Persh’al wendete das Skiff nach rechts, um durch die anderen Fahrzeuge zu navigieren, die durch den offenen Korridor an der Stadtmauer fuhren. »Ich habe den schnellsten Weg genommen, Kleine. Wir werden nicht stinken und wir haben eine Menge Zeit gespart, weil wir nicht den ganzen Weg um die Stadt herum bis zur Front fahren müssen. «

»Ich schätze, dass nicht viele magische Wesen durch die Hintertür reinkommen.«

»Ja, die meisten versuchen, das Fellfeuer zu vermeiden.«

Cheyenne blickte über den metallenen Rand der geschwungenen Gasse, die nur mit anderen schwebenden Fahrzeugen gefüllt war. Zu ihrer Linken erhob sich die schimmernde, durchsichtige Wand fast senkrecht nach oben, bevor sie sich nach innen in Richtung der höchsten Türme im Zentrum der Stadt wölbte. Zwei größere Fahrzeuge zischten an ihnen vorbei, manövrierten geschickt zwischen den anderen Fahrzeugen hindurch und lösten bei anderen Fahrern empörte Rufe aus.

»Also gut, los geht’s.« Persh’al wich nach rechts aus und schnitt einem anderen Fahrer hinter ihm den Weg ab. Das Skiff tauchte in einen weiteren Tunnel an der Seite des Korridors ein und sie fuhren in eine Tiefgarage. Als sie langsam zum Stehen kamen, blinkte die Metallwand neben ihnen gelb. »Scheiß drauf. Ich werde nicht noch mehr Veréle für Schrott verschwenden.«

Cheyenne schaute sich in dem niedrigen, unterirdischen Parkplatz um. »Das ist nicht das, was ich erwartet habe.«

»Das ist Hangivol, Kleine. An deiner Stelle würde ich gar nichts erwarten.« Er schnappte sich seinen Rucksack und wartete darauf, dass die Halbdrow sich ihren eigenen nahm, bevor er sie über den leeren Parkplatz zu einer erhöhten, runden Plattform an der gegenüberliegenden Wand führte. Das Metall neben dem Skiff blinkte wieder gelb und machte ein zirpendes, klickendes Geräusch. Bevor Cheyenne fragen konnte, seufzte Persh’al und trat auf die Plattform. »Ja, ja. Schlage Alarm. Das ist mir scheißegal. Aber pass mal auf.«

Sie blickte stirnrunzelnd auf das Skiff, als die Wand erneut aufblitzte. Etwas surrte und klickte und ein silbernes Licht erstrahlte um das Skiff, bevor es in sich zusammenbrach. Das Metall quietschte und knackte, bis eine dicht gepackte Metallkugel im Inneren der silbernen Blase schwebte. »Also, kein Skiff mehr.«

»Nein, das brauchen wir nicht. Das ist quasi die O’gúleesh-Version eines Abschleppdienstes.« Persh’al zwinkerte ihr zu, als die runde Plattform ruckelte und sich langsam vom Boden abhob. »Ich hatte einen Riesenschreck, als ich das erste Mal einen Strafzettel in DC bekam.«

»Nicht so schlimm im Vergleich.«

»Oder? Es ist gut, eine positive Einstellung zu haben.«

Die Plattform hob sie durch einen runden Schacht in der Metalldecke über ihnen nach oben und hielt an, um sie aussteigen zu lassen. Cheyenne beäugte die schimmernde Außenmauer der Stadt, die vor ihnen lag. »Durch wie viele Dinge müssen wir gehen, um hineinzukommen?«

»Es ist übertrieben, ich weiß. Fast geschafft.«

Andere magische Wesen, die ihre Sachen mit sich schleppten, bewegten sich einen schmalen Gang hinunter, der sechs Meter über der belebten Verkehrsspur lag, die die Stadt umgab. Dieser Gang führte zu einem riesigen Ork, der an einem der Eingänge Wache stand. Cheyenne und Persh’al reihten sich bei den anderen ein und warteten, bis sie an der Reihe waren.

Sie lehnte sich zu dem Troll und murmelte: »Bist du sicher, dass du bei dem Kerl an keine offenen Haftbefehle erinnern wirst?«

»Natürlich bin ich mir sicher.« Er räusperte sich. »Auf keinen Fall werden sie eine zweitausend Jahre alte Datenbank durchsuchen.«

»Sehr überzeugend.«

»Gut, behalte das alles noch fünf Minuten für dich, Kleine. Überlass mir das Reden. Du stehst nur neben mir und schaust genervt.«

Cheyenne schmunzelte. »Das ist einfach.«

»Ja, das dachte ich mir schon.«

Als sie an der Reihe waren, blieben sie vor dem riesigen Ork stehen. Er ragte mindestens einen Meter über ihnen und knurrte: »Hände.«

Persh’al streckte beide Hände aus und versuchte, so zu tun, als ob er wie die anderen magischen Wesen vorgehen würde.

Der Ork hob seine Hand über Persh’als offene Handflächen und machte eine Faust. Ein Tropfen violettfarbenen Lichts stieg von seinem Handschuh herab wie eine Spinne auf Seide und erblühte auf den blauen Fingern des Trolls. Dann verschwand er und der Ork blickte Cheyenne an. »Was machst du mit dem hier?«

Cheyenne konnte ihren Blick nicht von dem zentimetergroßen Stierkopf auf der Schulter der schwarzen Weste des Orks abwenden. Vermassle das nicht. Niemand weiß, dass du hier bist. »Ich habe eine Tour durch die Outers gemacht. Der Troll war mein Fahrer.«

Die gelben Augen des Orks verengten sich und er warf Persh’al einen kurzen, missbilligenden Blick zu. »Was hast du da draußen gemacht?«

Verhalte dich einfach wie eine typische Drow . Sie blinzelte langsam. »Mir war langweilig.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da draußen viel verändert hat.«

Schließlich zwang sie sich, zu ihm aufzusehen und hob eine Augenbraue. »Hat es nicht. Mir ist immer noch langweilig.«

Der Ork schnaubte und winkte sie durch die Türöffnung in der Metallwand. »Geht weiter.«

»Ja.« Persh’al joggte praktisch durch die schmale Türöffnung.

Cheyenne folgte ihm und schaute auf massive Metallwände, die fast zwei Meter dick waren, bevor sie auf der anderen Seite herauskamen. Sie folgte dem Troll nach rechts auf die Plattform innerhalb der Mauer und als sie nach oben blickte, sah sie die geschwungene Lichtkuppel, die sich so hoch und so weit in Richtung Stadtzentrum erstreckte, dass sie sie aus den Augen verlor.

»Kannst du das glauben?« Persh’al zeigte auf eine Treppe zu ihrer Linken, die sie in die untere Ebene der Stadt hinunterführte. Er warf einen Blick auf den Eingang, den sie gerade passiert hatten und schüttelte den Kopf. »Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, deine Akte zu überprüfen.«

»Ich habe keine.«

»Ja, ja. Reib es mir unter die Nase. Sieht so aus, als bekämen die Drow heutzutage eine noch bessere Behandlung als vorher.«

»Ich glaube nicht, dass du darüber enttäuscht sein solltest.« Cheyenne blickte zu den hohen Gebäuden entlang der Stadtmauer hinauf. Wie viele Mauern hat dieser Ort?

»Ich bin nicht enttäuscht. Wenn ich mir Sorgen gemacht habe, war es umsonst.« Persh’al stupste sie am Arm an und deutet mit einem Nicken in Richtung einer Gasse zwischen den beiden Gebäuden vor ihnen. »Komm schon. Je schneller wir den ganzen Verkehr und den Sicherheitsmist hinter uns lassen, desto eher kannst du das echte Hangivol sehen.«

Cheyenne folgte ihm durch die Gasse und ignorierte ihren knurrenden Magen. Es fühlt sich an, als wäre ich in eine m Science-Fiction-Film.

»Vertrau mir, Kleine.« Persh’al schaute über seine Schulter und nickte ihr zu. »Das ist eine ganz neue Welt hier drinnen.«