Kapitel 9

D ie Gassen schlängelten und wanden sich in einem Labyrinth aus identischen Metallwänden. In einige von ihnen waren O’gúleesh-Symbole eingraviert und eine zufällige Auswahl davon pulsierte mit verschiedenfarbigen Lichtern. Gerade als Cheyenne fragen wollte, ob Persh’al wusste, wohin sie gingen, endete die Gasse und sie traten in einen Hof, der so groß war wie ein Fußballfeld.

»Okay.« Persh’al grinste. »Das ist genauso, wie ich es in Erinnerung habe.«

Peridosh war nichts im Gegensatz zu diesem Innenhof. Geschäfte, Stahlkarren und flatternde Zelte säumten die Reihen der Stahlgebäude, die sich in den Himmel reckten. Holografische Lichter und magisch aufgehängte Laternen in allen Farben schwebten in alle Richtungen. Summende Energie, knisternde Magie und surrende Mechanismen untermalten den Lärm von Hunderten von magischen Wesen und Cheyenne kniff die Augen zusammen. Bei diesem Lärm werde ich es hier nicht lange aushalten .

»Okay.« Persh’al rieb seine Hände aneinander. »Oh, hey, ein Sparksetter. Ich habe dir doch Spielzeug versprochen, oder? Komm schon. Das ist ein Laden für O’gúleesh-Technik. Da sollten wir dein Spielzeug bekommen.«

In dem Moment, in dem sie den Hof überqueren wollten, kam ein rumpelnder Fleck aus einem anderen Durchgang um die Ecke gerast.

»Woah. Pass doch auf!« Persh’al trat schnell zurück und zerrte Cheyenne mit sich.

Ein Haufen sich bewegender, taumelnder Felsen in mehr oder weniger humanoider Form krachte an ihnen vorbei. Die magischen Wesen wichen aus und füllten die Lücke, die die Kreatur hinter sich ließ, dann verschwand sie in einer anderen Seitenstraße und nahm das Geräusch mit sich.

»Steinfresser.« Persh’al seufzte. »Weißt du, manchmal denke ich, sie sind blind. Geht es dir gut?«

»Ja.« Cheyenne wies seine Hand ab, als er nach ihrer Schulter griff. »Ganz schön laut hier drin.«

»Das ist einer der Nachteile, aber wir finden genug Dinge, die dich ablenken. Bleib bei mir, ja?« Er trat in die sich schnell bewegende Menge von magischen Wesen, die zu Fuß und auf Hufen über das Pflaster liefen oder durch die Luft flatterten.

Sie schloss kurz die Augen und rannte ihm dann hinterher, wobei sie nur knapp einer Rennmaus mit Flügeln auswich, die etwa die Größe eines Hundes hatte. Ein Oger knurrte sie an, als sie fast mit ihm zusammenstieß und sie knurrte zurück, bevor sie ihm auswich und Persh’als prall gefülltem Rucksack folgte.

Er hielt vor einem Schaufenster mit einer Reihe von O’gúleesh-Runen inne, die in blinkenden Farben über die Metallwand liefen. »Das wird dich umhauen, Kleine. Es sollte dich nur nicht wirklich umhauen, aber wir werden sehen.«

Stirnrunzelnd folgte sie ihm durch die offene Tür in einen Laden, dessen Regale voller Metallkisten und -geräte, aufgerollter Drähte und winziger, glänzender Quadrate von wer-weiß-was waren. Cheyenne duckte sich unter einem baumelnden Strang aus silbernen Ketten und erkannte, dass es sich um einzelne Glieder handelte, die sich übereinanderlegten und wie fliegende Metallschlangen durch die Luft glitten.

Persh’al wandte sich dem Tresen ganz rechts zu und wackelte mit den Augenbrauen. Als er ihn erreichte, trommelte er mit den Fingern auf die Metalloberfläche und nickte dem Skaxen dahinter zu. Das andere magische Wesen hielt eine kleine Metallkiste in der einen Hand, die andere hob er über die Kiste und schoss mit seinem langnagligen Finger ein schwirrendes, orangefarbenes Licht darauf. Funken flogen, als das Metall sich erhitzte und auf seinen Zauber reagierte. Persh’al räusperte sich.

»Was?« Der Skaxen senkte seine Hand und warf dem Troll einen vernichtenden Blick zu.

»Ich suche einen Aktivator, ein Basismodell. Was immer du hast.«

Der Skaxen verdrehte die Augen und schaute sich in seinem Laden um. Der gleiche orangefarbene Finger schnippte durch den Raum und ein sich drehendes Tablett mit wellenförmigen Metallarmen sauste durch die Luft zu einem Gewirr von Drähten, die an der gegenüberliegenden Wand hingen. Als es wieder zum Tresen zurückschwirrte, trug es ein dünnes Metallrohr in seinem zangenartigen Griff. Es fiel dem Skaxen in die offene Hand und das orangehäutige magische Wesen blickte auf die offene Tür seines Ladens, als wäre er lieber irgendwo anders. »Voller Kopf.«

»Was?« Persh’al klopfte mit seinem Rucksack auf den Tresen, wobei die kleinen Metallteile klapperten und zog das schwarze Etui aus der Vordertasche. »Dafür einen vollen Kopf? Komm schon, Mann. Das ist doch nur die Hälfte wert.«

Kopfschüttelnd hob der Skaxen das Metallrohr neben seinem Gesicht an und das sich drehende Tablett mit den Armen schwebte darüber, bereit, das Ding auf Kommando wegzuschnappen. »Voller Kopf.«

Persh’al breitete seine Arme aus. »Ich gebe dir zwei Drittel, ja? Betrüge mich nicht mit einem schlechten Deal.«

»Die neueren Modelle kosten das Dreifache. Ich verkaufe sie für das Doppelte und du zahlst einen vollen Kopf oder du kannst hier rausgehen.«

»Schon gut, schon gut. Beruhige dich.«

Cheyenne verschränkte ihre Arme und beobachtete die Transaktion. Er ist beim Feilschen genauso schlecht wie beim Lügen.

Persh’al nahm drei der haardünnen Plastikkarten aus dem Etui und blickte den Skaxen starr an, bevor er die Bezahlung langsam auf den Tresen legte. »Hast du eines der neueren Modelle?«

»Nein.« Der Skaxen legte das Metallrohr auf den Tisch und widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Schachtel in seiner Hand. Die orangefarbenen Funken an seinem anderen Finger flackerten auf, als er auf die Tür zeigte. »Nichts davon kommt von Uppertech.«

»Weißt du was? Ach, vergiss es.« Persh’al schnappte sich das Metallrohr, steckte sein Etui zurück in den Rucksack und warf sich das Ding über die Schulter. Ein Ständer mit baumelnden Schnüren aus glühendem Metall lehnte sich von selbst zur Seite, um dem riesigen Gepäckstück auszuweichen, als der Troll in der Mitte des Ladens auf Cheyenne zuging. »Okay, der Skaxen ist ein diebischer Lügner, aber ich habe etwas für dich.«

»Das sieht aus wie eine metallene Schrotflintenhülse.«

»Ha. Denk nochmal nach, Kleine. Das ist ein einfacher Aktivator, wie eine Fernbedienung für deine Magie. All dieses verrückte Zeug.« Er wackelte mit dem Kopf und schaute sich in dem stickigen Laden um, dann überreichte er ihr das Metallrohr. »Das ist so, als würde man einem Teenager sein erstes Handy kaufen.«

Cheyenne sah ihn misstrauisch an, bis er mit den Schultern zuckte, dann nahm sie das Metallrohr und drehte es in ihren Händen um. »Ich bin zum ersten Mal in der Stadt und du hast mich zu einem magischen Radio Shack gebracht.«

Er lachte leise. »Es ist nichts Besonderes, aber vielleicht bekommst du einen Eindruck davon, wie es hier zugeht. Wenn das mit der gemischten Abstammung für dich überhaupt funktioniert. Du kannst nicht O’gúleesh lesen, oder?«

Als sie ihn angewidert ansah, nickte Persh’al dem Skaxen zu, der sie gerade ignorierte. »Nein.«

»Na ja, einen Versuch ist es wert. Wenn es nicht klappt, verkaufe ich es und mache ein bisschen Gewinn.«

»Nein, das wirst du nicht«, murmelte der Skaxen.

Persh’al schaute ihn finster an. »Mit dir redet keiner, Rattengesicht.« Der Ladenbesitzer antwortete nicht, sondern konzentrierte sich darauf, das Kästchen mit seinem Zauberpistolenfinger zu schweißen.

»Ich weiß nicht, was ich damit machen soll.« Cheyenne rollte das Metallrohr zwischen ihren Fingern.

»Oh, ja. Ein kleiner Knopf an der Unterseite. Du spürst vielleicht ein kleines …«

Cheyenne drückte auf den Boden der Röhre und das Ding öffnete sich in einem Wirrwarr aus beweglichen Teilen, die sich entfalteten und über ihre Hand im rasenden Tempo ausbreiteten und sich schließlich auf ihrer Haut festsetzten. Das alles geschah in weniger als einer halben Sekunde. »Scheiße.«

»Kneifen.« Persh’al räusperte sich. »Das ist es dann wohl.«

Sie schüttelte ihre Hand und ihre Augen weiteten sich, als sich die dünnen Linien des Metallnetzes nicht bewegten. »Es ist ein Handschuh.«

»Nicht ganz. Warte ein paar Sekunden.«

»Worauf?«

»Hm.« Er betrachtete ihre Hand, die sie hin und her drehte. »Hey, du hast mir einen falschen Aktivator verkauft?«

Der Skaxen blickte nicht auf. »Willst du mir auf die Nerven gehen?«

»Ja, denn dieses Ding ist nicht …«

Das Metallnetz an Cheyennes Hand blitzte auf und sie atmete scharf ein, als eine Flut summender Energie ihren Arm hinauf und in ihre Schulter strömte. Ihre Augenlider flatterten und sie schloss sie, um sich auf das Gefühl zu konzentrieren. Der Stromstoß war nicht das beste Gefühl. Aber auch nicht das schlimmste.

Persh’al sah sie an und zuckte mit den Schultern. »Okay. Vergiss es.«

Das Kribbeln der Tech-Magie pulsierte noch einmal in ihren Schultern und die Seite ihres Halses hinauf, bevor es ihren Hinterkopf erreichte. Dann erstarb es und Cheyenne atmete tief durch. »Das war seltsam.«

Der Troll kicherte. »Oh, ja. Vielleicht klappt es ja bei dir. Warte, bis du deine Augen öffnest.«

Ihre Augenlider flatterten auf und sie blinzelte die blauen und grünen Lichtblitze in ihrem Blickfeld weg. Aber anstatt zu verschwinden, wurden die unscharfen Lichter zu klaren Buchstaben am Rand ihres Blickfelds, die blinkten und sich neu einstellten, wenn sie sich auf die verschiedenen Teile der Ausrüstung im Laden konzentrierte. »Heilige Scheiße.«

»Ja.« Persh’al grinste.

»Ein Bildschirm in meinem Kopf.« Der Blick der Halbdrow huschte durch den Laden und als sie bei dem Metallkasten in der Hand des Skaxen stehen blieb, füllte sich ihr Blick mit scrollenden Codezeilen in einer Programmiersprache, die sie erkannte. »Sieht so aus, als ob das Basismodell mit Sprachoptionen ausgestattet ist.«

Mit einem Schnauben schüttelte Persh’al den Kopf. »Also gut, hör auf mit dem Quatsch.«

»Ich mache keinen Quatsch.« Als sie ihn ansah, wurden die blinkenden Lichter schwächer und verschwanden im Hintergrund. Ich werde also in der Lage sein, ein magisches Wesen von einem Roboter zu unterscheiden, denke ich. »Ich kann das lesen.« Sie zeigte auf das Regal hinter dem Troll und überflog die Beschreibung, die erschien. »Das ist ein Ward-sniffer, richtig?«

»Kein Scheiß.« Er lachte. »Ich weiß genau, dass kein Aktivierungssystem in irgendeiner menschlichen Sprache läuft, aber du kannst das lesen?«

»Ja. Ich glaube, ich kann jetzt O’gúleesh lesen. Das ergibt Sinn, denn die Schriftsprache ist halbmagisch.« Ein langsames Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus und sie lachte. Die Codezeilen und die Umformung der Buchstaben aus den O’gúleesh-Runen in Wörter und Zahlen, die sie verstand, blitzten auf der Oberfläche auf, die von jenseitiger Technologie durchzogen war. »Das ist so cool. Erinnert mich irgendwie an Matrix. «

»Ha. Coole Filme. Das hier ist echt.«

»Soso.« Cheyenne ging mit einem schiefen, erstaunten Lächeln langsam durch den Laden. Ich wette, ich könnte herausfinden, wie jedes Teil hier funktioniert, wenn ich es in die Hand nehme und zwei Minuten lang betrachte. Sie umrundete den kleinen Raum und blieb dann vor dem Tresen und dem Skaxen stehen, der immer noch an seinem privaten Projekt arbeitete.

Der Scrollcode blinkte und zeigte eine Fehlermeldung, als sie sich auf die Linie seiner Magie konzentrierte, die sich durch den Kasten lötete. Sie lehnte sich näher heran und zeigte auf sie. »Ich würde einen Zentimeter weiter nach rechts gehen. Du wirst da drin etwas Wichtiges durchschneiden.«

Das orangefarbene Licht, das vom Finger des Skaxen ausging, verpuffte und er ließ seine Hand mit der Schachtel auf den Tresen sinken, bevor er sie genervt anschaute. »Verpiss dich.«

»Ja.« Cheyenne lachte und hob ihre Hände. »Ja, das werde ich tun.«

Benommen drehte sie sich um und ging auf die offene Tür zu. Persh’al eilte ihr hinterher und packte sie am Arm, als sie nach draußen traten. »Wenn du mit diesem Ding den ganzen Tag herumläufst, als hättest du einen Haufen psychedelischer Zauberpilze gegessen, sage ich dir, dass du es abnehmen sollst.«

Cheyenne streifte seine Finger sanft von ihrem Arm und nickte. Der Innenhof leuchtete jetzt auf eine ganz neue Art und Weise und übertrug alle Informationen, die sie wissen wollte, über jedes Gerät, jedes System und jedes magisch synchronisierte Ausrüstungsteil, das an den Metallwänden angebracht war. »Mir geht’s gut.«

»Bist du sicher? Ich will nicht lügen, Kleine. Du siehst aus, als wärst du auf einem ziemlich krassen Trip.«

Die Halbdrow wandte ihren Blick von der Fülle der O’gúleesh-Informationen ab und lächelte ihn an. »Komm schon, Persh’al. Erzähl mir nicht, dass das erste Mal, als du so ein Ding benutzt hast, nicht ein totaler Trip für dich war.«

Er versuchte, ernst zu bleiben, aber die Belustigung in ihren leuchtenden, goldenen Augen war ansteckend. Der Troll kicherte und kratzte sich an dem vom Wind verwehten Flaum, zu dem sein Irokese geworden war. »Na gut, da hast du mich erwischt. Aber gewöhne dich schnell daran, hm? Eine glückselige Drow, die die Straßen vollsabbert, wird Aufmerksamkeit auf uns ziehen, die wir nicht wollen.«

»Ich sabbere nicht.«

»Wenn du das sagst.« Er grinste und nickte ihr zu, damit sie ihm in die Menge der magischen Wesen folgte, die auf dem unteren Marktplatz von Hangivol ihren Geschäften nachgingen. »Und gewöhne dich nicht zu sehr daran, das hier zu haben. Es ist nur vorübergehend. Das ist die Art von Technik, die es nicht über die Grenze schafft und sobald wir wieder auf der Erde sind, bist du wieder eine Analphabetin.«

»Gut. Aber ich behalte es an, bis wir zurückgehen.«