Kapitel 18

W ie viel weißt du über Generalin Hi’et?«, rief das schwarzrote magische Wesen über den Lärm hinweg.

»Nicht so viel, wie ich bis vor ein paar Tagen dachte.« Cheyenne schüttelte den Kopf. »Aber genug, um zu wissen, dass ihr den Weg verfolgt, den sie begonnen hat, bevor sie ging. Maleshi kämpft für die Erde und Ambar’ogúl von der anderen Seite. Wer danach immer noch glaubt, dass die Erde es nicht wert ist, gerettet zu werden, sollte nicht hier sein.«

Foltr stieß ein raues, krächzendes Lachen aus, das alle wieder zum Schweigen brachte.

Cheyenne lehnte sich in ihrem Stuhl von ihm weg und sah ihn an. »Das sollte nicht lustig sein.«

Der Raug stieß ein weiteres Lachen aus, keuchte und wischte sich die Spucke von der Unterseite seines grauen Kinns. »Maleshi, ja?«

»Ja. Wir nennen uns schon eine ganze Weile beim Vornamen.« Meistens nenne ich sie Mattie, aber das brauchen sie nicht zu wissen .

»Es scheint so.« Der alte Raug kicherte wieder und zeigte mit einem krummen, orangefarbenen Finger auf sie. »Vergiss, was diese Narren zu wissen glaubten, worauf wir gewartet haben, Aranél . Du hast diesem alten Raug am Ende seiner Tage eine neue Zukunft beschert.«

»Nein.« Persh’al winkte die Bemerkung ab. »Du hast noch mindestens tausend Jahre vor dir.«

Nu’ek schnaubte. »Beim Schleier, ich hoffe nicht.«

Die versammelte Gruppe brach in hemmungsloses Gelächter aus, diesmal ohne die Last des Zweifels und der vorsichtigen Unentschlossenheit. Der Raug lachte mit ihnen und schloss die Augen.

Als der Lärm wieder verstummte, richteten die magischen Wesen ihre Aufmerksamkeit wieder auf Cheyenne. Einige von ihnen lächelten. Die anderen schauten weniger angespannt.

Wenn der alte Raug zustimmt, folgen die anderen. Gut zu wissen.

»Also, die Figuren sind auf beiden Seiten im Spiel.« Die Trollfrau mit der Kette, die vor ihrem Gesicht baumelte, zeugte auf Persh’al. »Wenn die Krone den Krieg auf die Erde trägt, wird sie nicht aufhören, selbst falls er und seine Tochter es bis zum Rahalma schaffen.«

»Nicht falls«, fügte Cheyenne schnell hinzu. »Wenn.«

Persh’al warf ihr einen erstaunten Blick zu und sie zuckte mit den Schultern. Ja, ich bin schon weit gegangen. Da kann ich auch aufs Ganze gehen .

»Natürlich.« Die Trollfrau neigte ihren Kopf mit einem kleinen, geheimnisvollen Lächeln. »Wenn ihr beim Rahalma steht. Aber wie viel wird sich dadurch wirklich ändern?«

Persh’al kratzte sich am Kopf. »L’zar scheint zu denken, dass dies das Endziel ist. Da muss ich ihm recht geben.«

»Er wird also den Krieg in das geschwärzte Herz von Ambar’ogúl zurückbringen«, murmelte Foltr. »Mit einer Tochter, die sich den Geheimnissen der Prophezeiung widersetzt hat.«

»So ähnlich, ja.«

Cheyenne konnte den Blick nicht von den leuchtend orangefarbenen Augen des alten Raug abwenden. Warum habe ich das Gefühl, dass ich nicht alles mitbekomme ?

»Dann werden wir kämpfen.« Der schwarzhäutige Ork schlug wieder mit der Faust auf den Tisch und nickte. »Genau da, wo wir sind. Ich halte mich seit Jahrhunderten an diesen verdammten Schwur und ich werde jetzt nicht damit aufhören.«

»Gute Wahl.« Persh’al zeigte auf ihn und schmunzelte. »Geh die Kisten durch, ja? Wir haben auf der Erde noch einiges zu erledigen, aber L’zar wird hier sein, sobald er mit den Problemen fertig ist. Dann weißt du, was zu tun ist. Haben wir die Territorien noch auf unserer Seite?«

»Das Letzte, was wir gehört haben, ist, dass Simmara und Teridól immer noch auf eine Nachricht von uns warten. Ki’uali ist schwieriger zu erreichen, aber wir haben keinen Grund zu glauben, dass sie jetzt ihre Meinung ändern.«

»Gut.« Der blaue Troll klatschte seine Hände auf den Tisch und stand auf. »Ich denke, wir haben so ziemlich alles besprochen.« Er nickte Cheyenne zu und fügte hinzu: »Mach dich bereit für den langen Weg nach Hause, Kleine.«

»Ihr geht schon?«, fragte die Trollfrau und zog eine Augenbraue hoch.

Persh’al runzelte schmerzhaft die Stirn, als er sie ansah. »So gerne ich auch bleiben würde, Elarit, es sollte nur ein Tagesausflug sein.«

Sie schenkte ihm ein kurzes, wenig amüsiertes Lächeln. »Schade.«

»Hmm.« Er zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden, bevor er ein weiteres Lächeln aufsetzte und es an Nu’ek richtete. »Ich nehme an, du kannst uns ohne allzu große Probleme wieder rausbringen?«

Die Golra verschränkte ihre Arme und hob eine Augenbraue. »Ich nehme an, du hast nicht vergessen, wer diese Tunnel gebaut hat.«

»Ich? Nee. Langes Gedächtnis, G olra . Das heißt aber nicht, dass ich mir die Karte gemerkt habe.«

Nu’ek schnaubte und wandte sich vom Tisch ab, um durch den riesigen Raum zu gehen.

Cheyenne stand auf, als die Gespräche wieder aufgenommen wurden und das improvisierte Treffen offensichtlich beendet war. Eine raue, lederartige Hand legte sich um ihr Handgelenk und sie blickte schnell auf den alten Raug, der neben ihr stand.

»Du wirst vorbereitet sein, Aranél «, murmelte er. »L’zar war der Krone schon immer ein Dorn im Auge, aber du, denke ich, wirst die Klinge sein.«

Gúrdus Stimme kam ihr ins Gedächtnis: Schneide das Herz heraus, schneide die Fäulnis heraus. Die Fesseln der alten Gesetze erheben sich. Für den letzten Nachkommen heißt es: Schicksal oder Ketten.

Cheyenne atmete tief durch und nickte. »Ich hoffe es.«

»Oh, ja.« Foltr lächelte und ließ ihren Arm los. »Ja, das tun wir alle.«

Er schloss die Augen und sagte nichts mehr, was Cheyenne als Zeichen dafür nahm, dass sie entlassen war. Sie warf sich ihren Rucksack über die Schulter und ging um den Tisch herum, als die magischen Wesen sich erhoben. Einige von ihnen nickten ihr zu, bevor sie sich wieder ihren Gesprächen widmeten. Die Halbdrow spürte, wie sie angesehen wurde, auch wenn sie nicht hinschaute, aber niemand beobachtete sie mehr auffällig.

Ja, seht euch mal L’zars Halbdrow -Kind an, das eigentlich gar nicht existieren sollte.

Sie fand Persh’al auf der anderen Seite des Raums, in ein intensives, aber ruhiges Gespräch mit der Trollfrau mit der silbernen Kette im Gesicht verwickelt. Er lehnte sich immer näher heran und versuchte, sie von etwas zu überzeugen, aber Elarit wirkte, als ob sie keine Lust darauf hätte. Als sie Cheyenne erblickte, drückte sie ihre Hand gegen Persh’als Brust, woraufhin er sofort stehen blieb. »Deine Zeit ist um, ma gairín

»Was?« Persh’al folgte ihrem Blick und erblickte Cheyenne, die ihn mit ausdrucksloser Miene ansah. »Oh. Ja. Bist du bereit?«

»Ja.«

»Tut mir leid.« Er kicherte und trat einen Schritt zurück. »Das ist …«

»Elarit Masharun.« Die Lippen der Trollfrau verzogen sich zu einem Lächeln, während sie Cheyenne mit scharlachroten Augen musterte. »Ich erwarte nicht, dass du dich an den Namen erinnerst, wenn du gehst, Aranél . Es wäre nicht das erste Mal.«

Persh’al gab einen erstickten Laut von sich und beugte sich zu Elarit. »Komm schon. Das ist nicht fair.«

Sie ignorierte ihn.

»Schön, dich kennenzulernen.« Aus reiner Gewohnheit streckte Cheyenne ihre Hand aus. Die Trollfrau starrte sie ausdruckslos an.

»Das ist eine Sache der Erde«, murmelte Persh’al und schob Cheyennes Hand zur Seite.

»Der Aktivator nicht«, kommentierte Elarit und hob ihren Blick langsam von dem Geflecht aus Metallfäden um Cheyennes Hand zu dem Gesicht der Halbdrow. »Hat Persh’al dir dieses Spielzeug gekauft?«

Cheyenne verkniff sich ein Lachen. »Ja.«

»Hmm. Das habe ich mir auch gedacht. Er war schon immer geizig, wenn es um Geschenke ging.«

Persh’al schnaubte. »Warte doch mal!«

Elarit warf ihm einen wissenden Blick zu und zog eine kleine Silberspirale aus der Tasche ihrer wallenden Röcke. Sie nickte und reichte sie Cheyenne. »Damit wirst du viel mehr Spaß haben.«

»Was ist das?« Die Halbdrow nahm sie und drehte die Spule in ihren Fingern.

»Ein Upgrade. Wenn du aus unserer obligatorischen Dunkelzone hier unten raus bist, steck es dir hinters Ohr.« Die Trollfrau zwinkerte ihr zu.

»Danke.«

»Wir fahren sofort zurück zur Grenze«, sagte Persh’al schnell. »Sie wird ihn nicht benutzen können.«

»Ich kann mit links noch einen bauen, Persh’al.« Elarit wandte ihren Blick zu ihm und legte den Kopf schief. »Sie wird sehen wollen, was sie damit machen kann und so wie du vorgehst, hat sie genug Zeit.«

Er grunzte und rieb sich den Nacken, dann nickte er Cheyenne schließlich zu. »In Ordnung. Du kannst es behalten.«

Die Halbdrow schnaubte. »Dafür brauche ich deine Erlaubnis nicht.«

Elarit lachte und verschränkte die Arme. »Das tust du sicher nicht.«

»Okay, alle lachen über den Troll, der versucht, alles richtigzumachen. Sehr hilfreich.« Als Elarits Lächeln verschwand, deutete er auf Nu’ek, die an einem der beiden einzigen Tunnel in dem Raum stand, die groß genug waren, dass eine Golra hindurchgehen konnte. »Sag ihr, dass ich gleich komme, ja? Ich brauche noch eine Minute.«

Cheyenne warf einen Blick auf die Trolle und steckte Elarits Aktivator vorsichtig in ihre Tasche. »Klar. Lass dir nur nicht zu viel Zeit.«

»Ich nehme mir so viel Zeit, wie ich brauche, Kleine. Kümmere dich um deinen eigenen Kram.«

Mit einem knappen Nicken und einem kaum verhohlenen Lächeln verabschiedete sich Cheyenne stumm von Elarit und drehte sich zu Nu’ek am anderen Ende des Raumes um. Sieht aus, als hätte ich eine private Trollparty gestört.

Die Golra schnaubte, als Cheyenne ein paar Meter entfernt stehen blieb und beide sahen zu, wie Persh’al Elarit mit leiser Stimme um etwas anflehte, das sie ihm nicht geben wollte.

»Ist es das, wonach es aussieht?«

Nu’ek blickte auf die Halbdrow hinunter und hob eine Augenbraue. »Ich habe keine Ahnung, wie es für dich aussieht.«

»Es sieht so aus, als hätte der Troll erwartet, dass jemand ein paar hundert Jahre auf ihn wartet und er kam ein paar hundert Jahre zu spät zurück.«

»Dann ist es genau das, wonach es aussieht.« Nu’ek kicherte, während ihre verschränkten Arme gegen ihren Bauch schlugen. Sie kratzte sich an ihrem Oberarm, der mit einem Streifen drahtigen, roten Fells bedeckt war, was sich anhörte, als würde man trockenes Laub über totes Gras harken. »Die beiden spielen dieses Spiel schon so lange, dass wir es alle satthaben, es zu sehen, selbst mit den relativ langen Pausen dazwischen. Irgendwann wird sie nachgeben und wenn es so weit ist, werde ich die Erste sein, die einen Krug hebt und den beiden sagt, sie sollen sich verpissen und es endlich offiziell machen.«

Cheyenne verschluckte ein Lachen. »Wie nennt man das auf dieser Seite?«

»Persh’al aus seinem Elend befreien.« Sie lachten beide kurz.

»Ich meinte den Teil, der es offiziell macht.«

»Ich weiß.« Nu’ek rollte die Schultern zurück und blickte auf die gewölbte Decke des höhlenartigen Raums, wobei sie ihren muskulösen, grauen Hals streckte. »Das nennt man einen Myrein . Wenn das alles vorbei ist, brauchen wir etwas zum Feiern. Das wird uns von dem ablenken, was wir getan haben.«

Cheyenne runzelte die Stirn. »Ich dachte, wenn wir die Krone aufhalten, wäre das Grund genug zum Feiern.«

Die Golra verschränkte wieder die Arme und schüttelte den Kopf, das Lächeln verschwand aus ihren stählernen Zügen. »Nach so vielen Verlusten, Aranél , fühlt sich selbst ein endgültiger Sieg wie ein weiterer Kampf an, den es zu bestehen gilt. Es gibt wenig Grund zur Freude, wenn du als Letzter auf dem Schlachtfeld stehst. Aber ein Myrein ? Ein Myrein konzentriert sich auf die Zukunft.«

»Verstehe.« Cheyenne blickte zu dem riesigen, geflügelten magischen Wesen neben sich auf, aber Nu’ek hatte ihre Aufmerksamkeit auf die anderen gerichtet, die immer noch in kleinen Gruppen um den Tisch versammelt waren. Das ist der Grund, warum sie hier sind. Sie konzentrieren sich auf die Zukunft und vergessen alles, was sie aufgeben mussten, um dorthin zu gelangen. Diese Sache ist viel größer, als ich dachte.

Persh’al ergriff Elarits Hand und hielt sie in seinen beiden Händen, als sie sich von ihm abwandte. Das kleine Lächeln der Trollfrau verriet ihre vorgetäuschte Teilnahmslosigkeit, die sie so sehr zu zeigen versuchte. Als Persh’al ihre Hand an seine Lippen führte, schaute sie über die schimmernde Silberkette auf ihn herab und schloss die Augen. Ihre scharlachroten Finger strichen leicht über seine Wange, dann drehte sie sich ohne ein weiteres Wort um und entfernte sich von ihm, um sich mit jemand anderem zu unterhalten.

Persh’al schaute ihr hinterher und brauchte ganze zehn Sekunden, bevor er sich umdrehte und auf Cheyenne und Nu’ek zustürmte. »Lasst uns von hier verschwinden.«

Die Golra nickte und machte sich auf den Weg in den Tunnel, wobei sie eine weitere Handvoll Feuer beschwor, um ihren Weg zu erleuchten. Cheyenne stellte sich neben Persh’al und räusperte sich. »Also, Elarit, hm?«

Persh’al sah sie mit großen Augen an und schüttelte dann den Kopf. »Ich hätte wissen müssen, dass du das merkst.«

»Ich glaube, das hat jeder bemerkt.«

»Ja, jeder kann sich um seinen eigenen verdammten Kram kümmern, oder?« Seine erhobene Stimme hallte durch den Tunnel, aber Nu’ek tat so, als hätte sie es nicht gehört. Persh’al kratzte sich am Hinterkopf und murmelte: »Was du gesehen hast, kannst du für dich behalten, Kleine. Die Crew auf der Erde weiß nichts davon.«

»Bist du sicher?«

»Oh, ja. Ich bin mir sicher.« Er schnaubte. »Wenn sie es wüssten, hätten sie mich nicht mit dir hergeschickt.«

Cheyennes Augen weiteten sich, aber er sah sie nicht an. »Das ist ein beschissener Grund, um dich auf der Erde zu halten.«

»Stimmt. Aber so denken sie zumindest nur, dass ich lediglich hier bin, um Befehle zu befolgen.«

»Was ? Er hat dir befohlen …?«

»Lass es gut sein, ja?« Persh’al sah sie mit gerunzelter Stirn an, sein Kiefer spannte sich im flackernden Licht von Nu’eks Feuer vor ihnen an. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt.«

Cheyenne schluckte und schaute starr geradeaus. L’zar steckt seine schicke Drownase also auch in die Angelegenheiten anderer Leute. Na gut. Noch eine Sache, die wir klären müssen, wenn die Zeit reif ist. Wann auch immer das sein wird.