N u’ek führte sie noch mindestens eine Stunde lang den Tunnel entlang, bevor über ihnen leuchtende Tafeln aufblinkten. Die Golra löschte ihre Flammen und wandte sich mit einem Nicken an Cheyenne und Persh’al. »Wir sind gleich da.«
»Gleich wo?« Cheyenne schaute auf die flackernden Lichter und konnte nicht sagen, ob sie hier unten durch Magie oder durch die Rückkehr funktionierender Technik angetrieben wurden.
»Bei einer Transportstation.« Nu’ek zeigte den dunklen Tunnel hinunter, der sich langsam erhellte, als ihre Anwesenheit die Oberlichter aktivierte. »Die Krone hat die meisten Portale in der Stadt blockiert. Zum Glück hat sie über die Portale ungefähr so viel Kontrolle wie über uns. Aber die, die sie entweder nicht erreichen kann oder die ihr egal sind, sind mindestens so weit weg wie das Oronti-Tal, wenn nicht noch weiter.«
Die Halbdrow seufzte. »Wir haben also noch wie viel vor uns? Vier Stunden oder mehr?«
Persh’al grunzte. »Nein, Kleine. Auf dem Rückweg kommen wir viel schneller voran.«
Fünf Minuten später öffnete sich der Tunnel in einen großen, rechteckigen Raum. Direkt gegenüber befand sich eine schwere Metalltür mit einem runden Fenster und die gesamte Wand wölbte sich vom Eingang des Raumes weg. Cheyenne betrachtete die Ecken des Raumes und runzelte die Stirn. »Das ist keine Wand, oder?«
»Gut kombiniert.« Persh’al schritt durch den Raum und gab der geschwungenen Metallwand einen kurzen Klaps. »Das ist wie in der U-Bahn, Kleine, nur ohne die überfüllten Sitze und den Gestank.«
Nu’ek hob eine Augenbraue. »Ich verstehe die Hälfte von dem, was du sagst, nicht mehr.«
»Das ist eine weitere Erdensache, Golra . Ich würde sagen, du solltest mal vorbeischauen, aber dort ist noch weniger Platz für dich als hier. Es sei denn, du hast deine Verwandlungszauber aufgefrischt.«
»Das wäre eine Verschwendung meiner Zeit.«
»Genau. Gut, dass du hier bleibst, während wir aus der Stadt verschwinden.« Persh’al drückte auf die Tür des O’gúleesh-Shuttles, aber es passierte nichts. »Ach, komm schon.«
Er drückte noch ein paar Mal, fuhr mit der Hand von einer Seite zur anderen und von oben nach unten über das Metall und schlug dann mit der Faust darauf ein. »Nu’ek!«
Der dicke Kiefer der Golra klappte auf und zu, als sie den aufgebrachten Troll anstarrte. »Als ich das letzte Mal hier war, war es voll funktionsfähig.«
»Wann war das? Gleich nachdem ich weg war?«
Ihr entschuldigendes Achselzucken wirkte noch unbeholfener, weil es von einem magischen Wesen ihrer Größe kam.
»Scheiße.« Er blickte finster zur Tür und warf die Arme in die Luft. »Was jetzt, hm? L’zar erwartet, dass wir uns noch vor Sonnenaufgang zurückmelden und wir fahren nicht mit einem weiteren verdammten Skiff in die Outers. Das wird nicht passieren.«
»Sag ihm, die Station ist lahmgelegt.«
»Oh, sicher. Ich tauche einfach mehrere Stunden zu spät wieder im Versteck des gesuchten Drows auf und liefere ihm Ausreden. Der Typ flippt schon aus, wenn du ihm die falsche Sorte Beef Jerky bringst. Was glaubst du, wie er reagiert, wenn sein Kind stundenlang verschwunden ist und er es nicht finden kann?«
»Ich bin nicht verschwunden«, murmelte Cheyenne.
»Ja und das weiß er erst, wenn wir zurückkommen und es ihm sagen, oder?«
»Es tut mir leid.« Nu’ek neigte ihren Kopf zu ihm und breitete ihre Arme aus. »Wir können es an einer anderen Station versuchen.«
»Und riskieren, dass die auch lahmgelegt ist? Leg dich nicht mit mir an, Golra . Wenn die hier nicht funktioniert, werden es die anderen auch nicht. Verdammt! Und ich dachte, diese Dinger hätten noch ein paar hundert Jahre Zeit, bis sie lahmgelegt werden.«
Der Troll schimpfte weiter, aber Cheyenne blendete ihn aus, als sich ihre Finger um die Spule von Elarits Aktivator in ihrer Tasche schlossen. Sie zog ihn heraus, betrachtete stirnrunzelnd die Metalllinien des ersten Geräts, die sich auf ihrer Hand ausbreiteten und zog es ab. In dem Moment, in dem sie die Ketten von ihren Fingern löste, zogen sie sich mit einem metallischen Klirren zurück, bis sich die Teile wieder in die Metallröhre des Aktivators zurückgefaltet hatten, die ihre ursprüngliche Form hatte. Sie steckte ihn in ihre andere Tasche und musterte die Spule von Elarit. Einen Versuch ist es wert, oder?
»Hey, sind wir immer noch innerhalb der Schutzzauber? Die für die ganze Technik?«
Persh’al hielt mitten im Satz inne und warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er wieder zu Nu’ek aufblickte. »Du solltest hoffen, dass du eine brauchbare Antwort auf diese Frage hast.«
Die Golra stieß ein leises Knurren aus und stapfte auf den Eingang des Bahnhofs zu. Ihre Krallen knirschten auf dem Steinboden und sie strich mit einer Hand über die freie Luft, die in den Tunnel führte, den sie gerade verlassen hatten. Fahles Licht schimmerte über dem Eingang, der sich mit einer dünnen Metallplatte füllte, die sich in die richtige Position schob, um ihn abzusperren.
»Hm.« Persh’al blickte sich in dem langen Raum um und nickte Cheyenne zu. »Ja, vielleicht haben die Schutzmaßnahmen die Steuerung beeinträchtigt. Gute Idee, Kleine.« Er zeigte auf sie und eilte zurück zur Tür der U-Bahn, um zu versuchen, sie erneut zu öffnen.
»Das wollte ich damit nicht sagen«, murmelte Cheyenne.
Er knurrte die Tür an, die nicht reagierte und schlug sie erneut zu. »Bist du sicher, dass du weißt, wie man die Schutzzauber richtig dämpft?«
Nu’ek verschränkte ihre Arme und sah ihn finster an. »Ich weiß, was ich tue.«
»Ja, das merke ich.«
Cheyenne drehte sich leicht von ihm weg und schob sich die Spule hinter ihr Ohr. Das Ding drückte gegen ihre Haut und schickte einen vibrierenden Energiestoß durch ihren Kopf. Sie kniff die Augen fest zusammen, senkte den Kopf und biss die Zähne zusammen.
»Weißt du was?« Persh’al breitete die Arme aus und ging wieder quer durch den Raum zu der Metalltür, die sie absperrte. »Mach das verdammte Ding auf und bring uns in die unteren Etagen. Wenn ich das Skiff von jemandem neu verkabeln muss, gut. Damit breche ich zwar fünf Gesetze und zwei verschiedene Versprechen, aber was soll’s? Es ist besser, als wenn mir der Kopf von einem bestimmten Drow abgerissen wird.«
»Warte einen Moment.« Cheyenne holte tief Luft und öffnete langsam die Augen. Sie taumelte zur Seite angesichts der Flut von Informationen, die nicht nur ihr Sehvermögen, sondern ihren gesamten Verstand überschwemmten.
»Cheyenne.« Persh’al stapfte auf sie zu. »Geht es dir gut?«
»Oh, ja.« Sie blinzelte und in dem Moment, als sie daran dachte, die zusätzlichen Daten auszublenden, reagierte der neue Aktivator. Sie drehte sich langsam um, begegnete dem besorgten Blick des blauen Trolls und lächelte breit. »Mir geht es ausgezeichnet.«
»Du siehst bekifft aus. Bist du …? Scheiße.« Seine Schultern sackten zusammen, als er sie von oben bis unten musterte. »Hast du die Spule hinter dein Ohr gesteckt?«
»Ja, das habe ich.«
Nu’ek lachte. »Jetzt sind wir quitt.«
Persh’al wirbelte herum, um sich der Golra zuzuwenden und breitete die Arme aus. »Was soll das heißen?«
»Vielleicht haben wir vergessen, einen Systemcheck der Stationen durchzuführen.« Das geflügelte magische Wesen kicherte. »Aber du hast die Aktivatoren vergessen.«
»Ich habe nichts vergessen.« Der Mund des Trolls öffnete und schloss sich lautlos, dann drehte er sich um und zeigte auf Cheyenne, als sie sich der Tür des Shuttles näherte. »In Ordnung, gut. Aber sei vorsichtig mit dem Ding, Kleine. Hast du mich verstanden? Am besten, du nimmst es ab und gibst es mir. Das Ding kann dir genauso gut das Gehirn versengen, wenn du nicht weißt, was du tust.«
»Persh’al.« Die Halbdrow blieb mit dem Gesicht nur wenige Zentimeter von der Metalltür entfernt stehen, strich mit der Hand über die Oberfläche und beobachtete die Datenströme, die sie umgaben.
Er seufzte. »Was?«
»Halt die Klappe.«
Nu’eks grollendes Lachen hallte in der Transportstation wider. Der Troll kratzte sich am Hinterkopf und knurrte wortlos, während er vor dem Shuttle auf und ab ging.
Cheyenne konnte sich das verrückte Grinsen nicht verkneifen und studierte die scrollenden Daten, die fast augenblicklich für sie übersetzt wurden. Wonach suche ich? Einem Einschaltknopf? Einem Befehl für …? Oh .
Sie drückte auf den blinkenden Punkt an der Tür, woraufhin sich Informationszeilen in verschiedene Richtungen ausbreiteten, die ihr genau vorgaben, was sie in welcher Reihenfolge tun musste. Nachdem sie den Befehlen des Aktivators gefolgt war, hatte sie einen vierzackigen Stern auf die Außentür des Shuttles gezeichnet. Mit einem kurzen, ungläubigen Lachen trat sie zurück und sah zu, wie das blaue Licht auf der rostigen Metalloberfläche erlosch.
Gleich darauf ertönte ein leises Brummen von der anderen Seite der Tür, gefolgt von einem hellblauen Licht, das von innen durch das runde Fenster leuchtete. Eine Art Motor schaltete sich ein und ein hohes Heulen erfüllte den Bahnhof.
»Tja, Scheiße.« Persh’al schnaubte und warf einen kurzen Blick auf Nu’ek, bevor er wieder auf das aktivierte Shuttle blickte. »Habt ihr jemanden runtergeschickt, um die Sicherheit zu verbessern oder was?«
Die Golra schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin nicht diejenige mit dem langen Gedächtnis.«
»Ja, reite nur drauf rum.«
»Das ist so cool.« Cheyenne lehnte sich vom Shuttle weg und betrachtete das Gefährt, das an den Rand der scheinbaren Plattform der Station gepresst war, in seiner ganzen Länge. »Du hast nicht gescherzt, als du sagtest, der erste sei rudimentär. Der hier ist wie DSL im Vergleich zu WLAN.«
»Aha. Du surfst jetzt mit Highspeed-Internet, Kleine. Also gut. Stell mal kurz leiser, damit wir dieser Riesenfledermaus auf zwei Beinen Adieu sagen können.«
Nu’ek runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht.«
Cheyenne blätterte mit einem kurzen Gedanken die Daten durch und stellte sich grinsend vor die Golra . »Es bedeutet Lebewohl.«
Persh’al spottete. »Ich schwöre, wir brauchen eine Art Übersetzer von der Erde für euch. Wenn wir diesen Krieg auf beiden Seiten der Grenze führen wollen, müssen wir alle auf derselben Seite stehen.«
»Das wird nie passieren.« Nu’ek trat vor und schlug sich mit einer riesigen, krallenbewehrten Faust auf die Brust. »Aber du kannst es versuchen.«
»Klar, ich kümmere mich in meiner Freizeit gleich darum. Kein Problem.« Mit einem Schnauben erwiderte der Troll die Geste und nickte der Golra kurz zu. »Ich bin froh, dass du uns gefunden hast. Das hat mir die Zeit erspart, mich daran zu erinnern, wo zum Teufel du all diese Tunnel gebaut hast.«
»Es hat ihn auch davor bewahrt, sich wie ein total betrunkener Arsch zu verhalten«, fügte Cheyenne hinzu. Sie drückte ihre Faust ebenfalls gegen ihre Brust und nickte Nu’ek zu. Die glutroten Augen der Golra weiteten sich, aber sie hielt ihre Faust knapp unterhalb ihres Brustbeins über der seltsam aussehenden Weste. Ja, okay. Vielleicht habe ich es falsch gemacht, aber ich versuche es wenigstens .
»Ich freue mich darauf, dich wiederzusehen, Aranél . Am besten, nachdem du dir genommen hast, was dir gehört und, bevor der Rest von uns hinter dir in die Schlacht zieht.«
Persh’al warf Cheyenne einen kurzen Blick zu, dann räusperte er sich und ging zur Shuttletür.
»Wenn ich eine Drowmünze auf den Altar der Krone geworfen habe, ja.« Cheyenne zuckte mit den Schultern. »Ich verstehe schon. Ich hoffe, das ändert etwas an der ganzen Sache mit dem bevorstehenden Kampf, aber wir werden sehen.«
»Ja.« Nu’ek warf einen Blick auf das Shuttle, als Persh’al es endlich schaffte, die Schiebetür zu aktivieren. »Wir werden sehen.«
»Komm schon, Kleine.« Persh’al winkte die Halbdrow in Richtung der offenen Tür. »Wir müssen uns beeilen. L’zar ist ziemlich darauf angewiesen, dass wir diesen Zeitplan einhalten und ich bin auf meinen Kopf angewiesen.«
Mit einem letzten Nicken an die Golra drehte sich Cheyenne um und betrat das Shuttle. Die Tür schloss sich zischend hinter ihr und die blauen Lichter flackerten über ihr.
»Okay.« Persh’al warf seinen inzwischen deutlich leichteren Rucksack auf die zweite Sitzreihe hinter ihm und rieb sich die Hände. »Der Rest muss manuell gestartet werden. Setz dich, ich starte die Fahrt.«
»Auf keinen Fall.« Cheyenne grinste und winkte ihn von den Kontrollen vor der Tür weg. »Wenn ich mich bei dem nächsten Übergang von diesem Ding verabschieden muss, werde ich es vorher so oft wie möglich benutzen.«
»Toll.« Persh’al beäugte sie misstrauisch, dann gab er nach und ließ sich in die erste Reihe der ausgesprochen unbequemen Metallsitze fallen. »Versuch, nichts kaputtzumachen, ja? Auch nicht dich selbst.«
»Du musst dich entspannen, Mann. Ich mach das schon.«
»Weißt du, wer das noch sagt? Jeder Idiot, der hochstufige Zaubersprüche in die Finger bekommt und versucht, sie allein und ohne Training zu wirken. Ich hatte mal einen solchen Freund. Er hat sein ganzes Haus in die Luft gejagt und die obere Hälfte seines Körpers.«
Cheyenne betrachtete die Daten, die über die Bedienfelder liefen und las sie so schnell, wie sie auftauchten. »Wir haben bereits festgestellt, dass ich schlecht im Zaubern bin. Aber das hier, das kann ich gut.«
»Woher weißt du das?«
Ihre Finger bewegten sich blitzschnell über die Bedienelemente, als sie die gewünschten Befehle aktivierte. Das laute Heulen der Energiequelle des Shuttles verstummte und das Gefährt schaukelte, bevor es sich langsam vorwärts bewegte.
Cheyenne schaute über ihre Schulter und hob eine Augenbraue. »Was hast du gesagt?«
Persh’al lachte und schüttelte den Kopf. »Nichts, Kleine. Ich halte von jetzt an meinen Mund.«