Kapitel 28

A ls sie zurück in ihrer Wohnung waren, trug Cheyenne eine zusätzliche Schicht dicken, schwarzen Eyeliner auf und nickte sich im Spiegel zu. Sie hatte ihre Haare zu einer Art Hochsteckfrisur gebunde und die leichten Locken, die in ihren schwarzen Haaren verblieben waren, umrahmten ihr Gesicht. Sie strich die Vorderseite ihres neuen Jumpsuits glatt, betrachtete sich von oben bis unten und trat dann aus dem Bad, als Ember aus der Küche rollte.

»Woah.« Die Fae schmunzelte. »Okay, der Jumpsuit funktioniert. Besonders mit dem schwarzen Lippenstift.«

»Siehst du? Habe ich dir doch gesagt. Und schönes Kleid.«

Ember schaute an dem grauen Kleid hinunter, das ihr gerade bis zu den Knien fiel. »Danke. Zugegeben, ich wünschte, ich hätte mehr Zaubertricks zur Verfügung, aber ohne sie wäre das Anziehen dieser Leggings eine Katastrophe gewesen.«

Cheyenne kicherte. »Das hast du gut gemacht.«

»Ja. Bald werde ich mit den Fingern schnippen und voilà! Sofortiger Garderobenwechsel.« Ember schnippte mit den Fingern und ein leises Knacken ertönte in der Mitte des Wohnzimmers, als Corians Portal neben dem Couchtisch erschien. Die Augen der Fae weiteten sich, als der Nachtpirscher in einer schwarzen Hose und einem dunkelgrauen Button-up-Hemd aus dem Nichts auftauchte. Er schaute sich in der Wohnung um, bis er Ember entdeckte, die ihn erschrocken ansah. »Das war unheimlich pünktlich.«

»Ember.« Er nickte ihr zu und wandte sich dann Cheyenne zu. »Seid ihr bereit?«

»Ja.« Cheyenne schnappte sich ihre neue Jacke von der Couchlehne und griff in die tiefen Taschen, um zu überprüfen, ob ihr Handy und der Aktivator noch da waren, wo sie sie hingetan hatte. »Lasst uns loslegen.«

Ember nickte und rollte auf das Portal zu. Cheyenne schloss sich ihr an und Corian gab ihnen ein Zeichen, durch die schimmernde, undurchsichtige Wand aus schwarzem Licht zu treten.

»Warum ist dieses hier nicht durchsichtig?«

Er lächelte die Halbdrow an und neigte den Kopf. »Das ist eine Überraschung.«

»Oh, Mann.« Ember rollte durch das Portal.

»Ich bin kein großer Fan von Überraschungen«, murmelte Cheyenne.

»Ich weiß. Mach doch mal eine Ausnahme für heute.« Corian zeigte wieder auf das Portal und nickte.

Sie versuchte, nicht die Augen zu verdrehen, wandte sich der Lichtwand zu und atmete tief ein. Hoffentlich ist es eine gute Überraschung.

Als sie hindurchtrat, kippte sie fast gegen Embers Rollstuhl. Sie hielt sich mit einer Hand an den Griffen fest und bewegte sich nach links, wobei sich ihre Augen angesichts der Szene vor ihr weiteten.

»Tut mir leid«, murmelte Ember ausdruckslos. Ihr Stuhl blitzte violett auf und rückte ein paar Zentimeter nach rechts.

»Kein Problem.« Cheyenne blieb der Mund offen stehen, als Corian hinter ihnen ankam und das Portal verschwand. »Was ist hier los?«

»Überraschung.« Corian grinste und schritt an ihnen vorbei und auf die große Lichtung vor ihnen.

In der Mitte stand ein riesiger Baum, dessen Stamm sich zur Seite wölbte und dessen riesige Äste sich in alle Richtungen schlängelten. Jeder Ast war groß und dick genug, um bequem darüber zu gehen. Einige von ihnen neigten sich nach unten, um sich auf dem dunklen, taufeuchten Gras abzustützen und jeder Teil des Baumes pulsierte mit einem inneren Licht, das von Schwarz zu Lila und wieder zu Schwarz wechselte.

Ember beäugte den pechschwarzen, mit Sternen übersäten Himmel. »Es sollte gerade nicht dunkel sein.«

»Bäume sollten auch nicht leuchten«, murmelte Cheyenne sarkastisch.

Am Fuße des massiven Baumstamms standen L’zar, Byrd, Lumil und Persh’al, jeder von ihnen trug eine Variante eines formellen Anzugs. Lumil hatte sich einen purpurroten Schal um den Hals gebunden, um die Narbe zu verbergen, die ihren Hals umgab und in Kombination mit dem Outfit, das seltsamerweise zu dem von Byrd passte, sah sie aus wie ein grünhäutiger Pirat mit gelben Haaren.

L’zar lachte leise und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Sein gut geschnittener Anzug schimmerte silbern, als er mit einer Geste auf die Lichtung um sie herum deutete. »Die Nós Aní wurden schon immer nachts unter einem Nimlothar zeremoniell gebunden, aber wir haben keine Zeit, auf die Dunkelheit zu warten oder einen dieser Bäume zu finden, die es auf der Erde nicht gibt. Trotzdem ist Tradition wichtig, oder?«

»Ich denke schon.« Cheyenne zog ihre Jacke an und warf einen Blick auf die beiden magischen Wesen, die unter dem Baum auf sie warteten. Corian nahm seinen Platz neben L’zar ein und winkte ihr und Ember zu, sich zu ihnen zu gesellen. »Das ist also alles nur eine riesige Illusion?«

L’zar senkte den Kopf. »In gewisser Weise. Hauptsächlich.«

Ember rollte sich mühelos über das kalte, nasse Gras und ihre Augen leuchteten im pulsierenden Licht der Illusion des Nimlotharbaumes. »Ich kann das nicht glauben.«

»Ich bin ganz deiner Meinung, Em.«

Sie blieben vor einer leuchtenden, silbernen Linie im Gras stehen, die sie von L’zar und den anderen trennte. Auf der anderen Seite dieser Linie standen ein silberner Krug, zwei silberne Kelche und ein scharfer Zeremoniendolch, der im künstlichen Sternenlicht glitzerte.

Cheyenne schmunzelte. »Hey, ihr habt versprochen, dass wir keine Opfer bringen müssen.«

Ember lachte leise.

»Nun, nein.« L’zar betrachtete den Dolch zu seinen Füßen. »Der ist nicht für euch beide.«

Ein neues Portal erschien auf der rechten Seite der Halbdrow und Maleshi trat hindurch. Sie trug ein Cocktailkleid in einem leuchtenden, verblüffenden Rosaton.

Cheyenne stupste Ember an die Schulter und deutete mit einem Nicken auf die Generalin. Die Fae blickte in ihre Richtung und lachte. »Ja, siehst du? Sie kann natürlich so etwas tragen.«

Maleshi lächelte sie an und trat vor, als ihr Portal verschwand. Dann blieb sie vor Ember stehen und streckte ihre Hand aus. »Ich freue mich sehr, dich endlich kennenzulernen, Ember. Maleshi Hi’et.«

»Ja, ich weiß.« Die Fae sah sie mit großen Augen an, nahm aber die Hand der Nachtpirscherin, die mit feinem, dunklem Fell bedeckt war.

»Ich hätte nicht gedacht, dass du hierüber Bescheid wissen würdest«, sagte Cheyenne, als Maleshis leuchtende, silberne Augen die ihren trafen.

»Oh, das würde ich um nichts in der Welt verpassen, Mädchen.« Die Generalin nickte und legte Cheyenne eine Hand auf die Schulter. »Gutes Timing, nicht wahr?«

»Sicher.« Die Halbdrow lachte ungläubig und schaute auf den glühenden Rumpf des Nimlothar. »Also, was jetzt?«

Corian schritt auf die silberne Linie im Gras zu.

Ein weiteres Portal öffnete sich auf der Lichtung hinter ihnen. Corian schaute dahin und als er die Stirn runzelte, drehte Cheyenne sich um. Marsil Keldryk trat durch das Oval aus schimmerndem Licht und enthüllte schließlich seine wahre Gestalt als Kobold, ebenfalls in förmlicher Kleidung. Direkt hinter ihm kam Doktor Boseley, die ihr scharlachrotes Haar in einem Haufen wilder Locken auf dem Kopf trug.

»Meine Physiotherapeutin ist ein Troll«, murmelte Ember.

»Sieht so aus, ja.«

Zwei weitere Portale öffneten sich, dann noch zwei und ein Strom anderer magischer Wesen, die Cheyenne nicht kannte, betrat feierlich die Lichtung. Sie blickte jeden von ihnen starr an. Alle waren für den besonderen Anlass gekleidet und jedes Gesicht schaute sie mit einem breiten, erwartungsvollen Lächeln an.

Marsil und Doktor Boseley hatten sich um die Lichtung herum bewegt, um Platz für die anderen zu machen. Cheyenne warf einen Blick auf Ember und ging dann auf den Koboldassistenten zu. »Ich dachte, du und ich hätten gestern eine Abmachung getroffen. Dazu gehörte auch, dass du niemandem etwas davon erzählst.«

»Das haben wir, Cheyenne.« Marsil lächelte sie höflich an, obwohl er ein kleines Stirnrunzeln nicht unterdrücken konnte. »Ich wurde eingeladen.«

»Du wurdest was

L’zar lachte und trat vor, als ein weiteres halbes Dutzend magischer Wesen auf der Lichtung erschien. »Wir müssen das geheim halten. Hauptsächlich zumindest. Aber ich konnte nicht zulassen, dass du das ohne eine Art Publikum durchziehst. Das ist das Beste daran.«

»Ein Publikum.« Cheyenne löste sich von Marsil und betrachtete die schnell wachsende Menschenmenge am Rande der Lichtung. Diejenigen, die in den ersten Reihen standen, mussten einen Schritt nach vorn machen, um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen. »Ich kenne keinen von diesen magischen Wesen.« Sie blickte auf die neuen Leute, die aus den Portalen kamen. Was ist denn hier los ?

R’mahr, Yadje und ihre Tochter Bryl strahlten überglücklich, als sie Cheyenne unter dem großen Baum sahen. Bryl hüpfte auf ihren Zehen und winkte. Die Halbdrow lächelte und winkte zurück, dann musterte sie die anderen Gesichter. Das muss Tony sein und er ist ein Ork.

Mit finsterer Miene trat Corian auf L’zar zu und senkte seine Stimme. »Du hast Einladungen verschickt.«

»Ja, Corian.« Der Drow lächelte alle Neuankömmlinge an und machte sich nicht die Mühe, seinem Freund in die Augen zu schauen. »Entspann dich. Ich habe nur ein paar geschickt.«

»Wirklich? Denn es tauchen immer mehr auf und ich zähle im Moment fast achtzig.«

Hinter Marsil öffnete sich ein großes Portal und Gúrdu trat in seiner grauen Gestalt hindurch. Maleshi lachte, als sie ihn sah. »Du auch, hm?«

Die orangebraunen Augen des Raugorakels verengten sich, als er auf die Nachtpirscher-Generalin blickte. »Ich bin nicht deinetwegen hier«, knurrte er, aber ein leises Lachen entkam ihm, als er vom Nimlotharbaum wegging und seinen Platz unter den anderen Zeugen einnahm.

Die Lichtung war erfüllt von gedämpften Stimmen und eifrigen Gesprächen und alle betrachteten den Nimlotharbaum und die Halbdrow, die neben ihrer ehrfürchtigen Faefreundin im Rollstuhl stand.

L’zar legte den Kopf schief und zuckte mit den Schultern. »Ups.«

Corian zischte. »Das ist keine Antwort.«

»Sie sind aufgeregt. Das spricht sich hier schnell herum.« Der Drow drehte sich zu seinem Nós Aní um und hob eine Augenbraue. »Sie können etwas gebrauchen, worauf sie sich freuen dürfen, meinst du nicht?«

»Du hättest wählerischer sein sollen.« Corian verschränkte die Arme, holte tief Luft und musterte die Menge. »So viele von ihnen auf einem Fleck, das kann nur Ärger geben.«

»Wir können mit Ärger umgehen, Bruder. Lass es gut sein und amüsiere dich.«

Der Nachtpirscher brummte etwas Unverständliches und als er mitbekam, dass Cheyenne das Gespräch belauschte, schüttelte er den Kopf und wandte sich ab.

Sie beobachtete ihn weiter und ihr entging sein verärgerter Blick nicht, den er Maleshi zuwarf. Die Kriegsgeneralin schmunzelte ihn an und breitete ihre Arme aus.

»So viel dazu, sich vor fünf anderen magischen Wesen in einer Lagerhalle lächerlich zu fühlen«, murmelte Ember.

»Tut mir leid, Em. Ich hatte keine Ahnung, dass es so abläuft.«

Die Fae blickte mit einem unsicheren Lächeln zu ihrer Freundin auf. »Aber es läuft so ab.«

»Ja. Was auch immer es ist.«

L’zar schaute Cheyenne an. »Du wirst den Rest als Drow erledigen.«

Mit einem schnellen Nicken beschwor Cheyenne die Magie an der Basis ihrer Wirbelsäule und verwandelte sich vor den Augen aller.

Ihr Vater breitete die Arme aus und legte den Kopf schief. »Fangen wir an.«