Mein Liebster ist müde und hat einen Kater, das wird mir klar, sobald ich das Gespräch begonnen habe. Er hat nicht die passende Laune für meine Lebenskrise. Ich fühle mich gefangen, sage ich, ich komme mir vor wie in einem Käfig aus Kind und Wind. Es ist noch früh am Morgen, ich sehe genau, wie mein Liebster überlegt, ob er es wagen kann, Kaffee zu machen, während ich weine. Sein Blick flackert, er hat so irrsinnig Lust auf eine Tasse Kaffee. Er schätzt die Strecke zum Küchentisch ab, wo die Maschine neben der Dose mit Kaffeebohnen steht. Ich habe nur meine Einsamkeit, er hat auch den Frühling, eine Heimvolkshochschule und einen Tennisplatz. Er ist mit einem Kollegen verabredet, ich kann sehen, wie er sich bemüht, nicht auf die Uhr zu schauen, sondern auf mein Gesicht, als wäre es eine Kinoleinwand, und er müsste später in einer Kritik die Handlung zusammenfassen. Er unterdrückt ein Gähnen. Die meisten Frauen, die ich kenne, können mit geschlossenem Mund gähnen, aber das sind Profis, er nicht. Jetzt sehe ich, er fasst einen Beschluss, dann legt er mir zwei Blatt von der Küchenrolle hin. Er beginnt einen Satz und bewegt sich redend rückwärts Richtung Küchentisch, wo er sozusagen nebenbei Wasser in die Kaffeemaschine füllt und Kaffee mahlt. Weinen ist völlig in Ordnung, sagt mein Liebster, und mir schwant, er erinnert sich selbst daran, dass ich ein Recht auf Tränen habe. Ich glaube, uns unterscheidet, dass er blind auf Trost vertraut. Das Problem mit meinen Tränen ist nur, dass sie nicht wie ein paar Regenwolken vorüberziehen, stattdessen verhalten sie sich wie Beverly Hills 90210, es geht immer weiter und weiter, und wenn man irgendwann denkt, jetzt kann es unmöglich noch eine Staffel geben, dann geht es mit den Wiederholungen los. Der Kaffee läuft durch, mir wird klar, alles hat seine Grenzen. Ich weiß, mein Liebster wartet, und wenn er fertig gewartet hat, wartet er noch ein Weilchen. Teils aus Pflichtgefühl, aber vor allem aus Liebe, auch wenn beide Empfindungen sich natürlich abwechseln und ein bisschen überlappen. Wahrscheinlich treffen wir uns wieder, wenn alles überstanden ist, er erleichtert, ich wieder etwas zuversichtlicher. Trotzdem weiß ich genau, entscheidend ist die Reihenfolge, es kann ja auch sein, dass er das Warten leid ist, bevor ich fertig geweint habe.