Es passiert auf dem Heimweg vom Kaufmann. Ich sehe Emma am Straßenrand entlanggehen, sie trägt eine Art langen schwarzen Mantel, in der Hand hat sie drei Stücke Himbeerrolle. Ich blinke, fahre an den Straßenrand und mache die Tür auf. Das wird nichts, Himbeerrolle ist zu feucht, rufe ich. Sie setzt sich ins Auto und teilt mir sofort etwas mit. Sie hat das Gefühl, ich hätte ein Problem mit ihrer Persönlichkeit. Nein, sage ich, in meinem Herzen ist Platz für die unmöglichsten Kinder. Sie schaut mich aus ihren schwarz ummalten Augen an, sofort vermisse ich meine eigene Wut, die irgendwann durch eine verwirrte Irritation über weniger bedeutsame Dinge ersetzt worden ist. Emma, sage ich, auch wenn wir denselben Mann lieben, brauchen wir deswegen keine Todfeindinnen zu sein. Sie holt einen Kaugummi aus der Tasche und hält ihn mir hin. Würde dir guttun, sagt sie. Ich fahre auf den Parkplatz der Heimvolkshochschule und mache den Motor aus. Emma sagt, zwischen meinem Freund und ihr würde einfach eine ganz irre Chemie laufen. Das bezweifle ich nicht im Geringsten, sage ich, aber vergiss nicht, er wird dafür bezahlt, dass er Zeit mit dir verbringt. Emma fragt, ob wir eine monogame Beziehung führen, denn das findet sie ziemlich altmodisch, sie persönlich würde sich da ja eingesperrt fühlen. Willkommen in der Liebe, sage ich. Emma meint zu wissen, es gebe Beweise dafür, dass man als Individuum erstarrt, wenn man nicht mindestens alle fünf Jahre den Partner wechselt. Ich sage, ich finde Leute gut, die das Gegebene unerschrocken infrage stellen, ich weiß Ehrgeiz und Neugier zu schätzen. Aber erzähl mir bloß nicht, eine lebenslange Liebesbeziehung wäre nicht das Irrsinnigste und Radikalste, was ein Mensch versuchen kann. Es ist ein gewaltiges Experiment, wild und halsbrecherisch hoffnungsvoll. Du trittst gegen die Zeit an, sage ich, gegen unsichtbare, aber spürbare Veränderungen im Laufe der Jahre, gegen sich unerwartet wandelnde Prämissen. Es ist ein Balanceakt, ein Wunder, wenn zwei Menschen es schaffen, einander ein Leben lang zu lieben. Vielleicht ist es einfach nur ein bisschen fantasielos, sagt Emma. Vor dem Haupteingang raucht ein Grüppchen Schüler und schaut in den Regen. Wie läuft es mit Malte, frage ich. Immer noch in Mona verliebt, murmelt Emma. Wir sind alle in Mona verliebt, sage ich, das ist ein Velling-Virus. Es ist gut, wenn du kämpfst, aber versuch es doch mit einem Kampf, den du eventuell gewinnen könntest.