Das Eis knirscht unter meinen Füßen, die Räder des Kinderwagens rutschen über den zugefrorenen Fjord. Krisser und ich gehen nebeneinanderher, unser Atem steht in großen Wolken vor unseren Gesichtern. Krisser friert, sie will nach Hause aufs Sofa. Sie redet von dem Möbel wie von einem gleichwertigen Familienmitglied, und wenn sie mich auf dem Heimweg von der Arbeit anruft, klingt es, als freute sie sich auf die Wiedervereinigung mit einem geliebten Wesen. Das Sofa ist das glatte Gegenteil von Alarmanlagen, die mitten in der Nacht irrtümlich losgehen, oder von unnützen Angestellten, die vorbeiflirren wie Statisten auf der Leinwand. Das Sofa ist eine kleine Insel, auf der Krisser und ihre Familie liegen, während sie zum Treibhaus hinausblicken, das ihren Garten zur Hälfte ausfüllt. Karsten war ihr Dozent auf der Restaurantschule und Weinspezialist in Teilzeit. In einer freien Woche hatte er für die Erstsemesterstudenten eine Verkostung mit verschiedenen Varianten von Pinot Noir arrangiert. Diese Traube wird schon so lange angebaut, wie unsere Zeitrechnung reicht, sagte er, aber sie ist empfindlich, sie ist heikel, sie braucht Fürsorge. Schaut mal, wie dünn die Haut ist, er deutete auf seine PowerPoint-Präsentation, wo in Vergrößerung eine blaue Weinbeere zu sehen war. Nachdem sie drei Flaschen aus Kalifornien und acht aus Frankreich probiert hatten, sagte Krisser zu ihm, du kannst gern mit zu mir nach Hause kommen, aber halt die Finger still. Sie sperrte sich in ihrem Schlafzimmer ein und wies Karsten ihr Sofa zum Schlafen an. Es war eines von Ikea, in einem merkwürdigen Beigeton und anderthalb Meter lang. Am nächsten Morgen hatte Karsten Kreuzweh und einen fürchterlichen Kater. So was mache ich nicht noch mal, sagte er, um zwei Tage danach wieder vor der Tür zu stehen. Krisser machte auf, und da stand Karsten hinter einem hübschen, geräumigen Sofa, das sie mit vereinter Anstrengung in ihre Wohnung bugsierten. Statt Blumen, sagte er, als sie keuchend nebeneinandersaßen. Unsinn, sagte Krisser und verpasste ihm einen Knuff. Das Sofa war dunkelrot, damit man die unvermeidlichen Weinflecken nicht sah, und Krisser sagt, besonders liebt sie an Karsten, wie vorausschauend er ist. Darum habe ich auch alle beide behalten, sagt sie mit einem Blick in Veras Kinderwagen. Unsere beiden Kleinen schlafen, wir gehen zurück Richtung Velling. Das Ortsschild spiegelt sich in Krissers Augen, ihre Gedankengänge haben etwas so Schönes, Gerades an sich, etwas Unbeirrbares. Wahrscheinlich werde ich nie herausfinden, wie es kommt, aber die Ereignisse in ihrem Leben nehmen niemals dieselben bizarren Ausmaße an wie bei mir. Nach nichts sehne ich mich heute so sehr wie danach, mich gemeinsam mit Krisser in diesen Frieden fallen zu lassen.