Als ich die Kita betrete, sehe ich meinen Sohn im Garten hinter dem Haus, er sitzt im Spielhaus. Maj-Britt und Bent stehen dicht nebeneinander, den Rücken mir zugewandt, und schauen zu ihm hinaus, es sieht aus wie ein Bild, vom Fenster gerahmt. Auf dem Küchentisch Kuchenreste und eine große Schachtel gefüllte Pralinen. Heute ist Ellas letzter Tag, ab morgen geht’s in den Kindergarten. Was für ein Wetter, Bent nimmt seine Brille ab, das war’s mit bisschen Frühling. Draußen vibriert das winterliche Gänseschnattern, im Wind wirkt die Welt ungewiss und willkürlich. Es geht so schnell, sagt Maj-Britt, du schaust in den Himmel, ob du Regensachen anziehen musst, kaum schaust du weg, ist es schon wieder vorbei. Zwölf Meter pro Sekunde, sagt Bent, sagt das meteorologische Institut. Maj-Britt nickt. Sie müssen ja weiterziehen, sagt sie, so ist es nun mal. Ihre Fürsorge hat ein Ziel verloren und muss neue Wege finden, neue kleine Menschlein, denen sie sich widmen kann. Ella hingegen weiß noch nicht, was Abschied bedeutet, sie kann sich nichts anderes vorstellen, als dass Maj-Britt auch drüben im Kindergarten sein wird, oder dass sie selbst sowohl in die Kita als auch in den Kindergarten geht, wie in einer Art Paralleluniversum. Vielleicht wird sie ihre Mutter ein paarmal damit nerven, dass sie Maj-Britt besuchen will, aber nicht lange, und das wird ihr peinlich sein. Einerseits denkt sie, sie würde an einen wohlbekannten Ort zurückkehren, andererseits hat sich in ihr etwas verändert. Ihr Körper wird wachsen, der kleine gelbe Garderobenknopf und ihre Schublade werden einem anderen, kleineren Kind gehören. Sie wird versuchen, sich unsichtbar zu machen, wird ihr Gesicht im Rock ihrer Mutter verstecken. Der Besuch wird anstrengend sein, irgendwie falsch, ja, beinahe unmöglich. Maj-Britt wird Ella zulächeln, sie kennt ihre Kinder natürlich, diese beiden werden immer etwas miteinander gemeinsam haben, auch wenn die kleinere von ihnen das meiste vergessen wird. Maj-Britt bleibt ein Teil der frühesten Erinnerungen ihrer Kita-Kinder aber sie hinterlassen auch etwas in ihr. Ihre besonderen Kennzeichen, verschiedene Sprachfehler, variierende Grade von Trotz, hysterische Anfälle, schläfriges Lächeln. In diesem frühen Teil ihres Menschenlebens sehen sie Maj-Britt als solide verwurzelten Baum im Sturmwind, als Ruhepol, von dem sie, ohne es zu wissen, etwas mitnehmen werden. An ihrem letzten Tag in der Kita steht Maj-Britt winkend in der Tür, bis sie nicht mehr zu sehen sind, und dieses Bild von ihr werden sie behalten, friedvoll und unveränderlich wie die besten Kindheitserinnerungen.