ZITRONEN
Einmal schlief ich mit einem, der um einiges jünger war als ich. Er war nicht unerfahren, nur unbegabt – er hätte mir fast die Klitoris abgeschabt. Am nächsten Morgen gab ich ihm eine Tüte Gummibärchen mit, statt ihn zum Frühstück einzuladen.
Ein anderer, auch jünger, fickte, als hätte er sehr viele Pornos gesehen. Ich versuchte, ihm zu zeigen, was ich mag, aber er fiel immer wieder zurück in seine einstudierten Posen.
Ich denke erstaunlich oft an den Typ, mit dem ich nach einer Party Sex hatte und der mir dann bei unserem nächsten Treffen eröffnete, er könne leider nichts mit mir anfangen, weil er eine Freundin habe. Auf meine Frage, warum er das nicht gleich gesagt habe, entgegnete er: »Hast du denn überhaupt nicht bemerkt, dass ich schlimme Blähungen hatte, während wir miteinander geschlafen haben? Das war, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte.«
Neulich hat im Fitness-Studio der Mann auf dem Stepper neben mir ordentlich gefurzt, und das löste das gleiche Gefühl von Scham aus. Als würde es irgendetwas über mich aussagen, wenn jemand in meiner Gegenwart Blähungen hat.
Eben auf dem Weg nach Hause: Ein älteres Paar steigt in sein Auto. Als ich an der Frau vorbeigehe, pupst sie gar nicht mal so leise. Sie sagt an ihren Partner gewandt, aber auch irgendwie zu mir: Das waren blähende Speisen! Im Alter blähst du sowieso mehr. Wichtig ist dann, einfach alles rauszulassen.
Meine Schwiegermutter hat unserem Sohn eingetrichtert, dass man ohnmächtig werden kann, wenn man die Pupse nicht rauslässt.
Mein Uropa hat ständig und überall gefurzt. Am liebsten bei Familienfesten, in der Kirche und auf Ämtern. Dabei verzog er keine Miene, tat, als höre er nichts. Und er trug ja auch manchmal ein Hörgerät. Mir hat das sehr imponiert als Heranwachsende. Ich will auch einmal eine furzende Alte sein, der das wirklich scheißegal ist.
Meine kleine Tochter probierte heute einen Badeanzug an. Sie stellte sich vor den Spiegel, streichelte ihren wie immer nach dem Essen aufgeblähten Bauch, der nun überzogen war mit Dutzenden winzigen Zitronen auf hellblauem Synthetikgrund. Wie schön, strahlte sie, und ich dachte, sie meine den Badeanzug. Schau, wie schön dick und rund mein Bauch ist, sagte sie stolz.
An einem Novembertag kommt ein Paket bei mir an, das ich vor fünf Jahren bestellt habe. Ich kann mich nicht daran erinnern, aber plötzlich ist es da. Ein Paket aus der Vergangenheit. Es wurde anscheinend durch ein Loophole immer wieder zwischen zwei Lagern hin- und hergeschickt – ich muss durch Hunderte Schichten aus Etiketten schneiden, bis ich zum eigentlichen Paket komme. Sachte öffne ich die Pappe und greife hinein. Ein Hemd von Etsy. Ich bin inzwischen zu fett und zu sehr trans geworden, als dass ich das Hemd anziehen würde. Obwohl die Welt komplett in Raster unterteilt ist, bleibt vieles unberechenbar. Ständig schlüpft das Reale durch die Ritzen der Matrizen. Ich gehe hinaus und hänge das Hemd mit Kleiderbügel an einen Zaun auf der Köpenicker Straße. Und gleich auf dem Rückweg sehe ich dort, inmitten des kalten Novembers, ein gelbes Blümchenkleid liegen, sommerlich und leicht, zitronig, welches ich einpacke und mit nach Hause nehme. Die Welt ist offen und weit, und niemand weiß, wie depressiv du wirklich bist. Die Pakete der Zukunft sind noch nicht bestellt.
in verschiedenen lebensphasen verschiedene möglichkeiten von sexualität ausloten, diese wieder aufgeben oder verlieren, andere entdecken müssen. wir haben nicht eine sexualität, sondern sexualitäten, sie sind lebendige prozesse. die vorstellung einer einzigen, wahren sexualität ist das, was uns immer wieder beschränkt, hineinzwingt in bilder von anderen, in vorher gemachte konzepte, die wir dann zu erfüllen suchen. das will ich nicht.
Ich dachte lange, ich hätte schon »guten Sex«, »guter Sex« sei aber eben einfach nicht so gut, wie die Leute behaupten. Doch dann traf ich G., und zum ersten Mal in meinem Leben ergab dieser Begriff für mich Sinn. Der Sex mit G. war wirklich guter, bester Sex. Alles davor verkommt in meiner Erinnerung zu schnödem Geschabe und Geruckel.
Vielleicht gibt es auch mehr halbschlechten als schlechten Sex, hab ich gerade gedacht. Oder eben nur halbguten Sex, der immer, so leicht am Ziel vorbei, unausgegoren und stokelig vor sich hin murkst. Ich finde auch Aufgeben spannend. Den halbschlechthalbguten Sex lachend abbrechen. Wenn das geht, ist es am Ende ja doch wieder guter Sex oder eben Sex mit einer guten Person, die sich nichts draus macht. Das finde ich ziemlich hot, glaube ich. Beim nächsten Mal wird es dann sicher toll oder zumindest halbtoll oder vielleicht auch nur irgendwie interessant.
Zusammen beim Sex scheitern, sich kaputtlachen, es weiter versuchen. Sich gemeinsam was aufbauen, ein gutes, stabiles, manchmal aufregendes, manchmal eintöniges Sexleben. Die Latte bisschen runterhängen, Leute.
die pakete der zukunft sind noch nicht bestellt – darum geht es doch hier, nicht wahr? wir sollten beginnen zu überlegen, was dadrinnen sein soll.
this one is for you
für den Jungen, der auf meine Hände kam, als ich seinen Schwanz aus der Hose holte. Wir haben beide gelacht und sind in dieser Nacht noch sehr oft gekommen/this is for the one who got away, falls du das hier liest: ich will dich wiedersehen, und nicht nur im Traum/dich will ich auch wiedersehen, und nicht nur im Netz/für die Dentalhygienikerin, deren Brüste eine Stunde lang warm und schwer auf mir lagen/für den Mann mit Potenzproblemen, keiner hat mich je wieder so gut geleckt/questo è per te, mamma butch, und für alle Menschen, mit denen ich nackt sein will.