5. Einflussreiche Körperbilder

Etwas stimmt hier nicht: Das leicht gewellte Haar wurde mit einem Klecks Haarwachs zu einem Pony drapiert, der einen Tick zu betont lässig aussieht, um unschuldig zu sein. Arglos soll auch der welpenhaft nach oben gerichtete Blick anmuten, während die geschlossenen, leicht geschürzten Lippen »Ich bin süß!« zu sagen scheinen, zumal sie ein Gesicht zieren, das zwar schon Kontur hat, aber noch immer das eines Knaben ist. Der kräftige Hals führt zu einem Körper, der jeden Versuch, Naivität und Unschuld auszustrahlen, nicht bloß kokett, sondern gänzlich albern erscheinen lässt. Wir sehen die glatte, vom vielen Training geschwellte Brust eines Bodybuilders, massive Schultern sorgen für eine Breite, die den jungenhaften Kopf winzig wirken lässt. Auf den mächtigen Oberarmen – nicht nur die Bizepse, auch die schwieriger zu formenden Trizepse wurden zu schweren Bowling-Pins aufgepumpt – zeichnen sich dicke Adern ab. Die Bauchmuskulatur bildet kein Six-, sondern ein Eightpack, das unter der Gürtellinie möglicherweise sogar ein Tenpack ergibt, doch der breite, mit »Calvin Klein« bedruckte Rand der weißen Boxershorts verdeckt den Rest des gebräunten Körpers, auf dem ein paar Schweißtropfen ihren Weg sich bahnen. Die Haut ist eine polierte Oberfläche, Kunstleder sieht ähnlich aus. Der zarte Anthrazit-Fotofilter tut sein Übriges, um dem zwanzigjährigen Mann, der ein transformiertes Kind sein könnte, etwas Androides zu verleihen. Selbst der kleine ovale Nabel, das pointierte Zentrum des völlig körperfettlosen Bauchs, verweist keineswegs auf die Geburt, höchstwahrscheinlich handelt es sich um eine Ladebuchse für das Smartphone.

***