Ein Frühlingstag in Ubud, im Süden von Bali: Gehalten nur von den starken Armen ihres Freundes, hängt die junge Frau am steingrauen äußeren Beckenrand des runden Infinity-Pools. Das linke Bein elegant angewinkelt, kokettiert sie mit dem tiefen Abgrund unter ihr, der zugleich das Ende der Zivilisation zu bedeuten scheint. Die wilde Natur, in die ein Hotelareal gepflanzt wurde, tut sich dort unten auf, selbst ein Schwimmbecken, dessen Bezeichnung Endlosigkeit verspricht, hat seine Grenzen. Das Paar küsst sich, der Mann mit Surferbody und Basecap steht dabei bis zum Nabel im glasklaren Wasser. Den Hintergrund dieses Flirts mit der Gefahr bilden Palmen. Das aus der Ferne, vermutlich von einem professionellen Fotografen aufgenommene Foto von der Außenpoolanlage des Kayon Jungle Resorts ging um die Welt: Kritisiert wurde allenthalben, dass sich die Reise-Influencer für das spektakuläre Foto in Lebensgefahr begeben hätten, was zu Nachahmungstaten verführen könne. Gewiss, doch das auf all seinen Fotos stets braungebrannte US-amerikanische Pärchen ist selbst nur Imitator eines Instagram-Trends, bei dem sich immer mehr Influencer und – als deren Nachhut – gewöhnliche Urlauber brenzligen Situationen aussetzen, um das perfekte Foto zu erzielen. Vermeintliche Originalität hat ihren Preis und ist immer schwerer zu erreichen, Tausende Fotos wurden in diesem Planschbecken für Erwachsene schon geschossen. Nicht selten lohnt sich solch eine riskante Investition, so hat das Profil der Travel-Influencer dank der Aktion mehr als 100 000 Follower dazugewinnen können. Von derart prosaischen Kalkulationen will man auf der Internetseite des Hotels aber nichts wissen, dort heißt es: »Das Kayon Jungle Resort ist ein Ort, an dem erfahrene Reisende der Hektik des Alltags entfliehen und sich durch die Schönheit der Natur erneuert fühlen können.«
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