Vier Stunden später trugen wir den Sack mit der von Gennaro angefertigten Büste durch die Via Giulia. Ich fragte mich, welches der Häuser auf der dem Tiber zugewandten Seite der Straße einmal Mercuria gehört hatte. Es war ein merkwürdiges Gefühl, an der Stelle vorbeizulaufen, an der sie ihre Kindheit verlebt, ihre Favoriten empfangen, ihre Tochter zur Welt gebracht und von deren Tod erfahren hatte.
Wie beim ersten Mal überwanden wir die Gartenmauer ohne Schwierigkeiten und warteten eine Weile im Gebüsch. Im Palast des Kardinals regte sich nichts. Hinter einigen Fenstern brannte Licht. War Alessandro Farnese anwesend? Brachte Fulvio Orsini sich für einen weiteren Besuch bei seinem steinernen Gespielen in Stimmung?
Wir schlichen durch den Garten. Tief im Osten war hinter einem dünnen Wolkenschleier der Halbmond zu sehen. Das bisschen Licht reichte für unsere Zwecke. Wir wussten ja, wo wir hinwollten.
Das Gartenhaus war diesmal nicht abgeschlossen, sodass wir ungehindert eintreten konnten. Gennaro entzündete die Lampe, wir fanden den Pythagoras, wuchteten ihn vom Sockel, zogen die Kopie aus dem Sack und tauschten die Stücke aus.
Als die Büste verstaut war, löschte Gennaro nach einem sehnsüchtigen Blick zur Stierbändigergruppe die Lampe. Er nahm meine Hand und führte mich in Richtung der Tür, doch dann wich er plötzlich vom Weg ab, zog mich nach rechts und legte meine Hand auf etwas Langes und Kaltes.
«Fühl mal», kicherte er. «Steinhart.»
«Sehr witzig.»
«Wenn Orsini jetzt reinkommt, gibt’s eine Eifersuchtsszene.»
«Und anschließend den Strick. Sehen wir zu, dass wir wegkommen.»
Wir schlichen zurück zur Mauer. Ich kletterte voran und warf einen Blick in die Straße. Niemand war zu sehen. Ich stieg auf der anderen Seite wieder hinunter und wartete, dass Gennaro mir folgen würde.
Und da passierte es.
Gennaro schwang sein linkes Bein über die Mauer, setzte den Fuß in eine Nische und hatte sich schon herübergewuchtet, als die Steine unter ihm wegbrachen. Gennaros Bein verschwand zur Hälfte in einem Loch, der Schwung und das Gewicht seines Körpers rissen ihn nach unten, der Fuß blieb stecken, er kippte kopfüber und begleitet von einem dumpfen Knacken nach unten und konnte gerade noch die Hände nach vorn reißen, um nicht mit dem Schädel auf das Pflaster zu schlagen.
Gennaro brüllte auf und rollte zur Seite. Und dann sah ich, was da geknackt hatte: Sein Schienbein war gebrochen, und zwar auf so grässliche Weise, dass der Knochen ein Stück aus der aufgerissenen Haut herausragte. Blut quoll pulsierend hervor und glänzte dunkel im Mondlicht auf dem Pflaster. Gennaro hörte überhaupt nicht mehr auf zu schreien; er wälzte sich hin und her, tastete nach seinem Bein, bekam den Knochenstumpf zu fassen, zuckte zurück und brüllte vor Entsetzen noch lauter.
Fensterläden klappten auf, ein paar Gesichter erschienen und schrien zu uns herunter.
«Schnauze da unten!»
«Macht, dass ihr weiterkommt!»
Dann wurden die Läden wieder zugeknallt.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Gennaros Geschrei erstarb zu einem gepressten Keuchen. Er war viel zu schwer, als dass ich ihn hätte tragen können. Während ich noch überlegte, wie ich ihn wegschaffen könnte, knirschte ein Riegel, und eine Tür in der Gartenmauer schwang auf. Ein Kerl in einer kurzen Jacke trat auf die Straße, erblickte uns und machte misstrauisch ein paar Schritte auf uns zu, sprungbereit, als fürchtete er einen Hinterhalt.
«Was ist passiert?»
«Er ist gestürzt», sagte ich.
Der Mann war jung und muskelbepackt, wahrscheinlich ein Leibwächter des Kardinals, auch wenn er nicht besonders hartgesotten wirkte, denn der Anblick des vielen Blutes und des Knochens machte ihm sichtlich zu schaffen. Er hielt sich an der Mauer fest und war so entsetzt, dass er gar nicht auf die Idee kam, weiter nachzufragen, wie zum Teufel man sich einen solchen Bruch beim Umknicken auf dem Straßenpflaster zuziehen konnte.
Er zögerte kurz, wägte wohl ab, ob er es riskieren wollte, wegen einer eigenmächtigen Entscheidung seine Stellung zu verlieren.
«Wir bringen ihn rein», sagte er schließlich.
Wir packten Gennaro, der jetzt nur noch stöhnte, zogen ihn hoch, hängten uns seine Arme über die Schultern und schleppten ihn durch das Tor. Bis auf die wenigen Fenster, hinter denen vorher schon Licht gebrannt hatte, war im Palast alles dunkel.
Der Leibwächter, oder was auch immer er war, hatte Gennaro einen Arm um die Hüfte gelegt und trug ihn mehr oder weniger allein, ich stützte ihn nur seitlich ab, damit er nicht wegkippte. Wir brachten ihn durch die Loggia und über einen breiten Korridor in den Innenhof. Dunkle Pfeiler stützten die Galerie, die im oberen Stock einmal um den ganzen Hof lief.
Oben am Geländer erschien ein Schemen.
«Alles in Ordnung?», rief eine Männerstimme.
«Schick mal den Chirurgen runter!»
Der andere entfernte sich, ohne weitere Fragen zu stellen.
«Zweite Tür links», sagte der Leibwächter nur.
Wir trugen Gennaro in ein längliches, von einem großen Kerzenleuchter erhelltes Zimmer, vielleicht ein Aufenthaltsraum für die Wachen, jedenfalls standen dort vier Betten und ein Tisch mit einigen Hockern. Die Höhe des weiß getünchten Gewölbes war beeindruckend; es war fast, als befänden wir uns in einer Schlucht. Zwei Fenster lagen zum Garten hin, eins davon war geöffnet.
Der Leibwächter hatte einen für seine Statur winzigen Kopf mit einem Kindergesicht, das über dem athletischen Körper aussah, als hätte man eine zu kleine Büste auf eine zu große Statue gesetzt. Er wies mit einem Kopfnicken zu einem der Betten. Wir wuchteten den kreidebleichen Gennaro, der eine Blutspur auf dem Boden hinterlassen hatte, auf die Decke. Er zitterte. Der Knochen schimmerte bleich im Kerzenlicht. Ich nahm Gennaros Hand. Er presste meine Finger so fest zusammen, dass ich schon damit rechnete, der Chirurg würde gleich noch ein paar weitere Brüche zu richten bekommen.
Der Leibwächter, dem der Anblick der Wunde bei Licht offenbar noch mehr zu schaffen machte, verließ das Zimmer.
«Was ist mit der Büste?», fragte ich flüsternd.
«Ins Gebüsch gefallen», hauchte Gennaro.
Von draußen waren Schritte und dann ein kurzer Wortwechsel zu hören. Einen Augenblick später rauschte ein untersetzter Kerl mit Schnauzbart und starkem Unterbiss herein, der eher wie ein Maurer aussah als wie der Leibarzt eines Kardinals. In seinem Mund steckte ein Holzstäbchen, das er zwischen den Zähnen herumschob. Der Leibwächter blieb in der Tür stehen.
Der Chirurg warf eine schwere Ledertasche auf eins der anderen Betten, nickte mir kurz zu und blickte dann den Verletzten an. Offensichtlich war er kein bisschen verärgert über die Störung; im Gegenteil, er schien hocherfreut zu sein, dass es endlich etwas für ihn zu tun gab.
«Hol mal den Leuchter ran», blaffte er.
Da der Leibwächter keine Anstalten machte, auch nur einen Schritt näherzutreten, zerrte ich den hüfthohen eisernen Kerzenständer zum Bett. Das Knirschen, das er dabei verursachte, rief unangenehme Vorstellungen von malträtierten Knochen hervor.
Der Schnauzbärtige besah sich den Bruch von allen Seiten, nickte ein paarmal, lachte zufrieden auf und sagte über die Schulter: «Herrlich, Leute, wie aus dem Lehrbuch. Schaut mal hier: sauber durchgeknackt, nichts abgesplittert.» Und dann, zur Tür gewandt: «Weißt du noch? Der Dachdecker, der letztes Jahr vom Gerüst gesegelt ist?»
Der andere nickte gequält.
«Klar weißt du das noch, du hast dir ja den Magen auf links gekotzt.» Und wieder zu mir: «Das war vielleicht eine Schweinerei. Der Oberschenkel sah aus, als hätten sie ihn durch die Mühle gedreht. Die Schlagader abgerissen, so eine Fontäne, die mussten hinterher das ganze Zimmer neu verputzen. Natürlich hatte keiner einen Gürtel zur Hand, ich also einfach einen Streifen vom Seidenvorhang abgerissen, das musste ja schnell abgebunden werden. Der Kardinal hat vielleicht geschäumt!» Er verdrehte affektiert die Augen. «Seide aus Persien! Ogottogott! Kriegt man gar nicht mehr nachgekauft!»
Er lachte vor sich hin, während er das gebrochene Bein betastete, wobei er unablässig auf seinem Holzstäbchen herumkaute, als förderte das seine Konzentration. Gemessen an seinem derben Gerede ging er bei der Untersuchung erstaunlich behutsam zu Werk. Trotzdem stöhnte Gennaro auf. Immerhin hatte die Blutung inzwischen nachgelassen.
«Giorgio, auf meinem Tisch steht eine Flasche», sagte der Chirurg in Richtung der Tür. «Hol die mal.»
Der Leibwächter schien ganz zufrieden zu sein, dass er einen Grund hatte, sich zu entfernen. Gennaro hatte inzwischen die Augen geschlossen. Sein Atem ging schwach, aber schnell.
«Kriegen Sie ihn wieder hin?», fragte ich ängstlich.
Er sah mich an, als wollte ich ihn auf den Arm nehmen.
«Den? Was gibt’s denn da nicht wieder hinzukriegen? Das wird verbunden und geschient, und in zwei Monaten tanzt er wieder auf dem Tisch. Wie ist das überhaupt passiert?»
«Gestürzt», sagte ich vorsichtig und hoffte, dass er nicht weiter nachfragen würde.
«Bei so einem Bruch? Von wo ist der denn bitte runtergestürzt? Vom Mond, oder was?»
Glücklicherweise stöhnte Gennaro genau in diesem Augenblick besonders laut auf, sodass der Chirurg nicht dazu kam, weiter nachzuhaken. Stattdessen strich er Gennaro über die Stirn, eine fast liebevolle Geste, die wirklich gar nicht zu ihm passen wollte.
«So, mein Freund», sagte er. «Das wird gleich ein bisschen weh tun.»
Gennaro nickte fast unmerklich.
Der Chirurg lachte auf. «Gott, ich muss schon wieder an diesen Dachdecker denken. Der Bruch lag so beschissen, dass ich die Knochenstümpfe zuerst gar nicht wieder voreinander gekriegt habe. Am Ende musste ich mir von einem seiner Kollegen einen Hammer borgen. Als würde ich einen Dachbalken in die Nut schlagen. Echt mies, Leute.»
Gennaro verdrehte die Augen.
«Schön, fangen wir an. In der Tasche ist eine Schere.»
Ich griff in die Tasche, in der allerhand schmerzverheißende Gerätschaften klimperten, kramte die Schere heraus und reichte sie dem Chirurgen. Er schnitt mit ein paar schnellen Handgriffen Gennaros Hose auf und löste vorsichtig den blutverklebten Stoff von der Haut, bis das ganze Bein freilag. In diesem Moment trat Giorgio wieder ein und reichte dem Chirurgen die gewünschte Flasche, wobei er es vermied, das Bein anzusehen.
Der Schnauzbärtige entkorkte die Flasche und kippte den Inhalt großzügig über die Wunde. Gennaro verkrampfte sich, hielt aber still.
Und dann begann der Chirurg mit seiner Arbeit, unterbrochen von kurzen, an mich gerichteten Anweisungen, ihm das eine oder andere Instrument anzureichen. Er tupfte mit dem Zeug aus der Flasche in der Wunde herum, zupfte mit einer Pinzette kleine Fremdkörper heraus, schabte hier, drückte dort und erzählte dabei unappetitliche Anekdoten von früheren Eingriffen, als wäre ich sein Lehrling: Von Zimmerleuten war die Rede, die sich mit der Balkensäge irgendwelche Gliedmaßen gekappt hatten, von in Köpfen steckenden Arkebusenkugeln, von Tischlerbeilen und Schmiedehämmern und von Ranuccio Farneses Bereiter, der einen Huftritt ins Gesicht bekommen hatte.
«Nur noch Brei, Leute! Dem hab ich die Zahnreste durch die Nase rausgeholt!»
Ranuccio Farnese. Mit einem Schlag fiel mir wieder ein, was Pallantieri mir im Gefängnis gesagt hatte. Alessandro Farnese hatte den Chirurgen seines Bruders Ranuccio übernommen. Und genau dieser Mann hockte jetzt vor mir auf der Bettkante und verarztete Gennaro. Unwillkürlich begann ich zu zittern.
«Reiß dich zusammen, wir haben’s gleich. Pinzette noch mal.»
Mechanisch reichte ich ihm das Gewünschte, während meine Gedanken rasten. Ich musste ihn auf jene Nacht ansprechen. Aber wie?
«So», sagte der Chirurg. «Jetzt wird’s lustig.» Mit einem Riemen aus seiner Tasche schnallte er das gesunde Bein am Bettgestell fest. Dabei kaute er die ganze Zeit auf seinem Holzstäbchen herum.
«Setzt euch mal auf ihn drauf. Wie auf ein Pferd.»
Wie benommen stieg ich auf Gennaros breite Brust, der Leibwächter nahm hinter mir Platz. Der Chirurg dirigierte uns in Position und steckte dem Gepeinigten ein Stück Holz zwischen die Zähne. Ich blickte in Gennaros entsetzte Augen.
«Stellt euch darauf ein, dass der Gaul ordentlich steigen wird. Ich hatte mal einen Hufschmied auf dem Tisch, der …»
«Ist ja gut jetzt», unterbrach ihn der zitternde Giorgio.
Der Chirurg kaute konzentriert auf seinem Hölzchen, dann ruckelte es einmal kurz, Gennaro bäumte sich auf, warf sich nach links und nach rechts und hätte uns wohl wirklich abgeworfen, wenn er nicht einen Augenblick später ohnmächtig zusammengesunken wäre.
«Das sitzt, ihr könnt absteigen. War doch gar nicht so schwierig, oder?»
Gott, der arme Gennaro. Da lag er unter mir, leichenblass und regungslos, bis auf die Brust, die sich hob und senkte.
«Jetzt wird genäht, verbunden und geschient.»
Während der Chirurg weitere Utensilien aus seiner Tasche hervorkramte, verzog Giorgio sich nach draußen in den Hof. Der Schnauzbärtige versorgte die Wunde und legte die Schiene an und plauderte dabei fröhlich weiter, sodass ich keine Gelegenheit bekam, das Thema auf Severina zu lenken. Irgendwann war er fertig. Wieder strich er Gennaro, dessen Bein nun mit einem dicken Verband umwickelt war und eine Holzschiene trug, über die Stirn. Es war rührend.
«Wo wohnt er?»
«Nicht weit von hier. Via dei Cappellari.»
«Gut. Ich rufe Giorgio, der trägt ihn rüber.»
Ich fasste den Chirurgen am Arm. Muskeln wie ein Hafenarbeiter. «Moment noch.»
Er zog die Brauen zusammen. «Ja?»
«Vor zwölf Jahren wurde vor diesem Palast eine junge Frau gefunden», sagte ich vorsichtig.
Sein Gesicht wurde hart. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber es war deutlich zu sehen, dass er sich genau erinnerte. Er tat, als ob er überlegte, aber ein talentierter Schauspieler war er nicht.
«Kann sein», sagte er knapp.
«Sie war schwanger.»
«Es hätte keinen Arzt gebraucht, um das festzustellen. Und weiter?»
«Man sagt, sie wurde vergewaltigt.»
«Wer sagt das?»
Sein abweisender Ton verunsicherte mich. «Ich wüsste nur gern, ob Ihnen sonst noch irgendwas aufgefallen ist, oder ob jemand anders aus dem Haus etwas gesehen hat.»
«Junge, sie wurde hier reingetragen und mir auf den Tisch gelegt. Sie war tot. Der Täter wurde gefasst, verurteilt und hingerichtet. Was gibt es da noch zu fragen? Wer bist du überhaupt? Sei froh, dass ich deinen Freund hier zusammengeflickt habe! Jeder andere hätte das amputiert! Giorgio!»
Der Leibwächter trat in die Tür.
«Bring ihn nach Hause. Der hier sagt dir, wo er wohnt.»
Giorgio packte Gennaro unter den Achseln und hob ihn vom Bett. Sie sahen aus wie eine Skulptur von Herkules und Antaeus.
«In zwei Tagen muss er neu verbunden werden», sagte der Chirurg. «Wer immer das macht, er soll darauf achten, dass kein Dreck in die Wunde kommt und dass die Schiene hinterher wieder richtig sitzt. Ich empfehle mich.» Mit diesen Worten packte er seine Sachen wieder in die Tasche.
Giorgio schleppte Gennaro über der Schulter nach Hause, ich ging nebenher. Auf dem ganzen Weg sagte er kein Wort. Nachdem wir Gennaro in sein Bett gelegt hatten, wälzte er sich auf die Seite.
«Verdammtes Schalenmauerwerk», murmelte er. «Kommt davon, wenn man da nur Schutt reinkippt und keinen Mörtel.»
Dann schlief er wieder ein.
Ich beschloss, auf dem Boden vor seinem Bett zu schlafen, für den Fall, dass er aufwachen sollte oder Fieber bekäme, aber dann fiel mir die Büste wieder ein. Ich musste den Sack aus dem Gebüsch bergen.
Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass Gennaro fest schlief, kehrte ich in die Via Giulia zurück. Beim Überklettern der Mauer achtete ich darauf, dass sich nicht noch mehr Steine lösten.
Den Sack mit der Büste hatte ich schnell gefunden. Doch als ich mich gerade auf den Rückweg machen wollte, bemerkte ich, dass sich hinter dem Fenster des Zimmers, in dem Gennaro verarztet worden war, etwas tat. Im Licht der Kerzen sah ich den Chirurgen und einen stattlichen älteren Mann im Nachthemd, mit Vollbart und Stirnglatze. Er ging auf und ab, schüttelte ein paarmal den Kopf und schien sehr aufgebracht. Alessandro Farnese.
Ich konnte nicht anders. Geduckt rannte ich hinüber und schlich mit gesenktem Kopf bis zu dem erleuchteten Zimmer. Der Fensterladen stand immer noch offen. Ich kam gerade rechtzeitig.
«Warum kreuzt der hier auf?», fragte eine aufgebrachte Stimme.
«Ein Notfall. Der andere war verletzt», brummte der Chirurg.
«Was hast du ihm gesagt?»
«Nicht mehr, als er schon wusste.»
«Hat er danach Ruhe gegeben?»
Zögern. «Jedenfalls hat er nicht weitergefragt.»
«Verdammt. Und Giorgio hat die beiden nach Hause gebracht?»
«Ja. Die wohnen in der Via dei Cappellari.»
«Frag Giorgio, wo genau. Ich will wissen, wer das war. Und jetzt lass mich noch mal zur Ader.»
«Das bringt nichts. Die Körpersäfte …»
«Red nicht, lass mich zur Ader. Und mach das Fenster zu. Mir ist kalt.»
Das Fenster wurde geschlossen. Ich schlich zurück zum Gebüsch, schnappte mir den Sack mit der Büste und sah zu, dass ich über die Mauer kam. Als ich auf die Straße sprang, wäre ich fast in Gennaros Blutlache ausgerutscht.