An den folgenden beiden Tagen war Mercuria nicht aufzufinden. Was immer sie vorbereitete, was immer sie plante, sie wollte es offenbar allein tun. Ich muss zugeben, dass ich fast ein bisschen beleidigt war, schließlich war ich ihr Vertrauter, doch statt ins Vertrauen gezogen zu werden, hockte ich herum, ging auf und ab und fragte mich, was zum Teufel sie vorhatte. Und natürlich machte ich mir Sorgen. Von Hautabziehen hatte sie gesprochen. Ich fürchtete das Schlimmste und sah sie schon am Galgen.

Gennaro ging es ähnlich. Die Tatsache, dass er nach wie vor das Bett kaum verlassen konnte, machte ihn zusätzlich verrückt. Bartolomeo war mit seinen österlichen Verpflichtungen beschäftigt. Giordana ließ sich nicht blicken. Nur der Grieche war die Ruhe selbst.

«Sie weiß, was sie tut», sagte er, als wüsste er mehr als wir. Ausgerechnet er, der sie kaum zwei Wochen kannte. Es klang schon fast anmaßend, und doch sollte er recht behalten.

Erst am Montagabend traf ich Mercuria in ihrem Haus an. Als ich eintrat, stand sie am Fenster und blickte hinaus in den Fackelschein.

«Was hast du vor?», fragte ich.

«Kannst du dir das nicht denken?»

Ja, so ungefähr konnte ich das.

Hatte sie wirklich alles berücksichtigt? Wie wollte sie

Sie sah mir meine Angst an und lächelte milde. «Keine Sorge. Ich werde dir erhalten bleiben.»

Es hätte wirklich nur noch gefehlt, dass sie mir über den Kopf gestrichen hätte.

«Du willst das im Hortaccio machen, oder?»

Sie nickte. «Sannazaro besucht dort eine Bekannte von mir. Er ist ganz versessen auf sie. Du kennst sie übrigens auch.»

«Wer ist es?»

«Bona la Bonazza. Sie ist eingeweiht. Und ein paar andere auch.»

«Darf ich mitgehen?»

«Es wird unappetitlich werden», sagte sie unheilvoll.

«Trotzdem.»

«Einverstanden. Aber du machst genau, was ich dir sage. Er darf dich nicht sehen. Morgen wird es voll werden, die Kunden sind ausgehungert nach sechs Wochen Fastenzeit. Wir gehen hin, sobald sie öffnen. Sannazaro wird zwei Stunden später da sein. Wir warten in einem Nebenraum, bis er drin ist. Den Rest mache ich allein.»

«Wie willst du das anstellen?»

«Er hat eine Vorliebe für gewisse Spielereien.»

«Was denn für Spielereien?»

«Er lässt sich gern fesseln.»

«Bitte?»

Sie schaute mich spöttisch an. «Nie gehört? Von der Sorte gibt es so einige.» Sie lächelte böse. «Er wird hilflos

«Und dann?»

«Dann bezahlt er. Mein ganzes Leben lang habe ich die Kunden vorher bezahlen lassen. Er bezahlt mit über zwölf Jahren Verspätung. Und dann sind alle Rechnungen beglichen, die ich in meinem Leben zu begleichen hatte.»

Das klang, als sei ihr alles gleichgültig, was danach passieren würde.

«Man wird die Leiche finden», gab ich zu bedenken. «Es wird eine Untersuchung geben.»

«Das ist schon geregelt.»

 

Am nächsten Morgen brachen wir auf. Mercuria hatte wieder die Kutsche kommen lassen, mit der sie drei Jahre zuvor bei Santissimi Apostoli vorgefahren war, selbst der Kutscher war derselbe. Es war, als würde unsere erste Begegnung rückwärts ablaufen. Wir passierten den Kanzleipalast, die Piazza Navona und das Straßengewirr von Campo Marzio wie auf dem Weg zu einer feierlichen Messe.

Wie Mercuria vorausgesagt hatte, stauten sich vor dem Eingang zum Hortaccio die Männer, und aus den Gassen der Umgebung kamen immer mehr, allein und in Gruppen, verschämt zu Boden blickend die einen, schwatzend und lachend die anderen. Und auch diesmal teilte sich die Menge, als Mercuria der Kutsche entstieg und auf das breite Tor zuschritt. Ich eilte ihr hinterher wie ein Beiboot, das nervös auf dem Wasser tanzt, während die Galeone vorneweg mit geblähten Segeln ihre Bahn durch die Wellen schneidet.

Vor dem Tor standen zwei Knüppelmänner, die halb gelangweilt, halb neidisch auf die Eintretenden blickten und den einen oder anderen nachlässig auf Waffen

«Ihr habt meinen Knüppel gar nicht gefunden», witzelte einer, nachdem er eingelassen worden war.

Es war das erste Mal, dass ich das zugemauerte Viertel betrat, eine kleine Stadt mitten in der großen. Niedrige Häuser reihten sich rechts und links der Gassen aneinander. Es wirkte wie eine Theaterkulisse: hübsch dekoriert und irgendwie provisorisch. Hinter den Dächern ragten das Augustusmausoleum und ein paar Glockentürme auf. Innerhalb des Hortaccio gab es keine Kirchen und keine Paläste, nur diese Spaliere von Puppenhäusern.

Hinter den Fenstern und auf den Balkonen saßen, einige hinter halb durchsichtigen Vorhängen, die Frauen. Die meisten von ihnen waren höchstens so alt wie ich, sorgfältig zurechtgemacht, geschminkt und frisiert oder mit blonden Perücken ausstaffiert, mit falschen und echten Perlenketten behängt, die sie wie Rosenkränze durch die Finger gleiten ließen. Sie lächelten, zupften an ihren Kleidern herum, strichen sich Locken aus der Stirn und beugten sich vor, um tiefere Einblicke zu gewähren.

Die hereinströmenden Männer verteilten sich in die Gassen, schlenderten hierhin und dorthin. Einige beobachteten verstohlen die Frauen und schlüpften schnell durch die Türen, andere scherzten herum und handelten dabei in aller Ruhe die Preise aus. Alles ging geordnet vonstatten. Niemand wollte Ärger, denn jeder wusste, dass das Vergnügen hier auch ganz schnell vorbei sein konnte. Die Sittenwächter warteten nur auf den passenden Anlass, diesen Sumpf endlich trockenzulegen.

«Da sind wir», sagte Mercuria.

Bona la Bonazza war herausgeputzt wie für ein Fest. Ihre Schönheit war so strahlend, dass man weiche Knie bekommen konnte, aber die hatte ich ja sowieso schon. Sie war dick geschminkt, hatte falsche Wimpern angeklebt und trug ein leuchtend blaues Kleid mit einem Ausschnitt, der noch tiefer war als damals in der Kirche.

Wir stiegen ins obere Geschoss hoch. Hinter einer kleinen Diele befanden sich drei Türen, eine davon war angelehnt. Dort stand ein Bett mit eisernem Gestell. Es duftete nach frischen Blüten.

«Alles bereit?», fragte Mercuria.

«Alles bereit», bestätigte Bona la Bonazza. Und mit einem Kopfnicken in meine Richtung: «Soll er mit rein?»

«Nein», sagte Mercuria. «Er leistet mir Gesellschaft, während ich warte.»

Das also war meine einzige Aufgabe. Mercurias Abgebrühtheit jagte mir einen Schauer über den Rücken.

Wir wurden in eins der beiden anderen Zimmer geleitet, in dem zwei Stühle und eine Kleidertruhe standen. An der Wand hing ein Spiegel. Ich zitterte am ganzen Körper. Mercuria drückte mich auf einen Stuhl und massierte mir den Nacken. Ihre Finger waren kühl. Im Spiegel sah ich, dass sie lächelte.

Wir warteten und sprachen dabei fast kein Wort. Immer wieder spielte ich in Gedanken durch, was gleich passieren würde und was dabei schiefgehen konnte: Was würde geschehen, wenn Sannazaro in Begleitung irgendwelcher anderen Kerle kam, die beim ersten verdächtigen Geräusch

Schließlich erschien der Kopf von Bona la Bonazza in der Tür. «Er kommt. Keinen Laut.»

Mein Herz hämmerte so stark, dass es mir vorkam, als würde der ganze Raum davon widerhallen. Mercuria verschränkte die Arme vor der Brust und schloss die Augen.

Schritte erklangen auf der Treppe. Eine Männerstimme war zu hören. Die Tür klappte. Dann wurde es still, bis auf das gedämpfte Schwatzen, das von der Gasse heraufdrang.

Endlich schlüpfte Bona la Bonazza herein. Sie hatte eine Decke um ihren Körper geschlungen, darunter war sie nackt. Als sie mich sah, zog sie den Stoff enger.

«Zier dich mal nicht so, deinen Hintern hat er schon gesehen», kommentierte Mercuria. Wie schaffte sie es bloß, so ruhig zu bleiben?

Bona la Bonazza ging nicht auf die Bemerkung ein. «Er ist gut verschnürt und geknebelt», sagte sie. «Bring es hinter dich. Und veranstalte nicht zu viel Krach.»

Dann verschwanden die beiden. Türenklappen. Gemurmel.

Kurz darauf ertönte ein furchtbares Brüllen und Grunzen, wie von einem tobenden Tier. Es krachte, als das Bettgestell mehrmals gegen die Wand donnerte. Ich sprang von meinem Stuhl auf, zitternd wie ein Grashalm. Warum dauerte das so lange? Sie zog ihm doch wohl nicht wirklich

Das Krachen wurde lauter. Metall kreischte und brach, ein Möbelstück zersplitterte, das Brüllen wurde lauter, eine Frau schrie auf. Ich stürzte hinaus in die Diele, und im gleichen Augenblick flog die Tür zum Schlafzimmer auf.

Es war schiefgegangen.

Das Bettgestell war zerborsten. Sannazaro stand mitten im Raum, unbekleidet, einen Knebel im Mund, die Arme an ein Metallgitter gebunden, das er wie wild hin- und herschwang, ohne sich davon losreißen zu können. Er musste sich mit solcher Gewalt in den Fesseln hin und her geworfen haben, dass das Kopfteil des Bettes abgerissen war. Jetzt wirbelte er es durch die Luft wie einen sperrigen Zweihänder. Er machte das geschickt, man sah, dass der Nahkampf sein Metier gewesen war und dass er nichts davon verlernt hatte, ein Soldat durch und durch, dem jede Klinge gleich gut in der Hand lag. Die beiden Frauen drängten sich in einer Zimmerecke aneinander, Bona la Bonazza war nackt, Mercuria hatte einen Dolch in der Hand und machte ein paar verbissene Vorstöße, musste aber immer wieder zurückspringen, um dem Bettgestell auszuweichen. Ich raste zurück ins Zimmer und schnappte mir ohne nachzudenken einen der Stühle, doch in den zwei Sekunden, die ich dafür gebraucht hatte, hatte Sannazaro sich schon durch die Tür gequetscht und war zur Treppe gesprungen. Jeder andere hätte sich wahrscheinlich mit dem Bettgestell am Geländer verkeilt, wäre ins Stolpern gekommen und krachend am Fuß der Treppe gelandet. Er nicht. Mit ein paar Sätzen war er unten, spuckte den Knebel aus und floh ins Freie.

«Verdammt!», schrie Mercuria, dann stürzte sie hinterher. Ich warf den Stuhl weg und folgte ihr.

«Da ist er lang!», rief einer und wies nach rechts, wo Sannazaro zu entkommen versuchte.

«Immer im Voraus bezahlen lassen!», schrie ein anderer.

Sannazaro rannte weiter, das Bettgestell schwingend. Ein paar Kerle, die ihm im Weg standen, konnten sich im letzten Augenblick wegducken, bevor das Metall über ihre Köpfe sauste. Mercuria fiel hinter mir zurück, ich rannte keuchend weiter.

Er wollte zum Ausgang, aber dort war das Gedränge zu groß, sodass er sich anders entschied und eine Seitengasse nahm, in der wenig Betrieb herrschte.

In diesem Augenblick flog der erste Blumentopf von einem der Balkone, verfehlte Sannazaro knapp und zerschellte am Boden. Dann der zweite. Dann der dritte. Der vierte traf ihn an der Schulter und hinterließ eine Platzwunde. Sannazaro schrie wütend auf und rannte weiter. Der fünfte Topf und der sechste gingen wieder ins Leere, aber der siebte erwischte ihn im Rücken. Erdklumpen und Blüten flogen in alle Richtungen, und die Scherben rissen blutende Schrammen in seine Haut, während die Wucht ihn ins Taumeln brachte.

Ich verlangsamte meine Schritte und blickte nach oben. Da standen die Frauen, als hätten sie sich verabredet, auf ein Zeichen alle gleichzeitig auf die Balkone zu treten, blaue, rote und grüne Kleider leuchteten, Stickereien und Schmuck glitzerten, Arme wuchteten die Wurfgeschosse hoch und schleuderten sie hinab, eine wütende und immer weiter anschwellende Kaskade, die gewalttätige Parodie des Einzugs einer Braut in die Kirche, doch diese Brautjungfern waren keine Jungfern, und die Blüten, die sie warfen, wurden von Scherben und Splittern begleitet.

Zu spät merkte er, dass er in eine Sackgasse geraten war. Nach etwa dreißig Schritten endete der Weg vor der Mauer des Hortaccio, die direkt an die letzten Häuser stieß. In diese Richtung gab es kein Entkommen. Während immer neue Geschosse krachend, scheppernd und klirrend neben ihm einschlugen, wandte er sich um und hielt direkt auf mich zu. Ich wich zurück. Hinter mir schloss Mercuria auf, den Dolch noch immer in der Hand.

In diesem Moment flog ein besonders großer Kübel heran, mit enormer Wucht traf er Sannazaro am Kopf, als er nur noch ein halbes Dutzend Schritte von uns entfernt war. Ich konnte sehen, wie sein Schädel aufplatzte, es spritzte in alle Richtungen, und er kippte um wie eine vom Sockel gestürzte Statue. Unter seinem zertrümmerten Kopf breitete sich eine Blutlache aus.

Von diesem Augenblick an bewegte ich mich wie eine Marionette. Ich sah, wie die Frauen von den Balkonen zurücktraten; ich sah, wie Mercuria den Dolch wegwarf; ich sah, wie das Blut durch den Staub rann; ich sah das grausig verformte Gesicht von Sannazaro; ich sah, wie die Frauen auf die Straße traten und sich um uns versammelten; ich sah, wie Mercuria den Toten betrachtete und wie schön sie auf einmal wieder war: keuchend, das Gesicht gerötet, die Haare in wirrer Unordnung und dabei doch wie um mindestens zwölf Jahre verjüngt.

Sie wandte sich ohne ein Wort zum Gehen. Ich riss mich von dem furchtbaren Anblick der Leiche los und folgte ihr.

An der Einmündung der Gasse hatte sich schon ein

Die Gaffer wichen zurück. Wie Quecksilber durchfloss Mercuria das Spalier, das sich ganz von selbst vor ihr auftat und hinter ihr wieder schloss.

Niemand behelligte uns, bis wir den Hortaccio verlassen hatten. Überall nur aufgerissene Augen und klaffende Münder, hinter uns Geraune.

Vor dem Tor stand eine Kutsche. Das Wappen auf dem Schlag war mit einem Tuch verhängt.

«Nach dir», sagte Mercuria.

Mechanisch stieg ich ein.

Und blickte in das Gesicht von Alessandro Farnese.

Er war gekleidet, als wäre er auf dem Weg zu einer Landpartie: enge Hose, ein schlichtes Wams und auf dem Kopf ein kleines Barett. Nichts verriet den Kardinal. Auf seinem Schoß lag ein Bündel Papiere.

Hinter mir bestieg Mercuria die Kutsche. Wir ruckten an. Die Hufe klapperten auf dem Pflaster. Draußen zogen glotzende Gesichter vorbei. Mercuria hatte die Augen geschlossen und atmete tief und regelmäßig, als schliefe sie.

Die Pferde fielen in einen schnellen Trab, es ging durch die Gassen von Campo Marzio, Ponte und Parione. Als wir schließlich anhielten, standen wir vor dem Palast des Gouverneurs. Erst jetzt öffnete Mercuria die Augen.

«Alle Dokumente beisammen?», fragte sie und wies auf das Papierbündel.

Alessandro Farnese nickte bedächtig. «Alle beisammen. Protokoll, Zeugenbefragung, Schlussbericht. Raubmord. Täter unerkannt entkommen. Ermittlungsverfahren abgeschlossen.»

«Niemand wird das glauben.»

«Niemand wird das anfechten.»

Mercuria schüttelte langsam den Kopf. «Ihr seid ein solches Pack», murmelte sie.

Der Kardinal lächelte milde.

«Denk an dein Versprechen», sagte Mercuria. «Ich will meine Enkelin sehen.»

«Nächste Woche, wie verabredet», sagte er.

Damit stieg Alessandro Farnese aus. Die Wachen am Eingang des Gouverneurspalastes standen stramm. Die Kutsche fuhr wieder an und brachte uns nach Hause.

«Ich muss jetzt schlafen», sagte Mercuria, nachdem der Kutscher uns vor dem Tor zum Innenhof in der Via dei Cappellari abgesetzt hatte. «Und zwar lange.»

Endlich gab sie es einmal zu.

«Erzähl es den anderen noch nicht. Wir machen das morgen zusammen.»

 

Mir war nicht danach, irgendjemandem zu begegnen, den ich mit Ausreden würde abspeisen müssen. Ich brauchte

Über drei Jahre war es her, dass ich Mercuria das erste Mal getroffen hatte. Ungefähr drei Monate, dass ich bei ihr eingezogen war und Gennaro kennengelernt hatte. Zweieinhalb Monate, dass wir das Skelett von Francavilla gefunden und zum ersten Mal von Sannazaro gehört hatten. Zwei Monate, dass ich Giordana in der Dunkelheit des Tordurchgangs begegnet war. Drei Wochen, dass Mercuria mir die Geschichte ihrer Tochter erzählt hatte. Zwei Wochen, dass ich von Carlo Carafas furchtbaren Festen erfahren hatte. Anderthalb Wochen, dass Mercuria entdeckt hatte, dass ihre Enkelin lebte. Eine Woche, dass wir hinter die wahren Gründe für den Prozess gegen die Carafa gekommen waren. Drei Tage, dass wir Sannazaro enttarnt und die Kameen gefunden hatten.

Und heute war die Sache mit Sannazaros Tod zum Abschluss gekommen. Es war, als hätte sich die Zeit in den vergangenen drei Monaten tatsächlich rasant beschleunigt.

War ich in der Zwischenzeit jemand anders geworden? Wollte ich jemand anders werden? Ein seriöser Novellant nach der Art meines Onkels, wie Mercuria und Bartolomeo mir die ganze Zeit über einzuflüstern versucht hatten? Eines Tages vielleicht sogar das. Doch fürs Erste beschloss ich, die Geschichte von Mercuria aufzuschreiben, zum Andenken an den ehrlichsten Menschen, der mir je begegnet ist. Und so ist ausgerechnet diese unglaubliche Geschichte die einzige, bei der ich nichts dazugeflunkert habe.

Ich stieg den Gianicolo auf der Südseite wieder hinab und wanderte die Via Aurelia hinaus, um zu überlegen,

 

Spät am Abend kehrte ich zurück. Es gelang mir, mich ins Haus zu schleichen, ohne jemandem über den Weg zu laufen. Dass der Innenhof nicht mehr erleuchtet war und unser Wächter nicht mehr an seinem Platz stand, das fiel mir gar nicht auf.

Ich zündete den Kamin an, schenkte mir ein Glas Wein ein, legte Tinte, Feder und Papier bereit und nahm am Tisch Platz.

Zwei Stunden später war ich fertig. Die Tinte war noch nicht getrocknet, da klopfte es an die Tür, und ohne eine Antwort abzuwarten, trat Giordana ein. Ich freute mich mehr als jemals zuvor, sie zu sehen. Die Tatsache, dass wir nun auch noch so etwas wie Komplizen waren, und der Umstand, dass sie durch den Innenhof gekommen war, anstatt durch das Holzlager zu kriechen, gab ihrer Anwesenheit eine Selbstverständlichkeit, die mich glücklich machte.

Ihre Nasenspitze und ihre Ohren waren rot von der Kälte der Nacht. Ihr Blick fiel auf das Blatt auf dem Tisch. Sie löste sich von mir, überflog es kurz und lachte auf.

«Was du dir immer für einen Scheiß ausdenkst.»

Sie zog mich zur Treppe. Und auf dem Weg nach oben