Die pikante Kulisse aus Glanz und Verruchtheit, die die Stadt Rom zu Beginn des 16. Jahrhunderts bietet, hat ganze Bibliotheken von Romanen mit Geschichten voller Leidenschaft, Ausschweifungen, Intrigen, Verrat, Betrug und Giftmord hervorgebracht. Betörend schöne Frauen werden von Kardinälen und Bankiers mit Perlenketten behängt, von exzentrischen Künstlern gemalt und anschließend von Bösewichtern entführt; finstere Geheimnisse werden gelüftet, die Dolche der Meuchelmörder blitzen auf, Spione spähen durch Gucklöcher in den Gobelins, krachend schließen sich die schweren Riegel der Verliese, und einer trägt immer eine Augenklappe.

Dem Glamour der Epoche und des Schauplatzes zu widerstehen, war auch für Mercuria unmöglich. Umso mehr sind zum Schluss ein paar klärende Worte dazu angebracht, wie Tatsachen und Fiktion hier ineinandergreifen und wo die Grenze zwischen beiden verläuft.

Mit der ausgiebig geschilderten Plünderung von 1527 wurde der Mikrokosmos aus Luxus und Libertinage, der das Rom der Renaissancepäpste und Kurtisanen einige Jahrzehnte lang gewesen war, in Trümmer gelegt. Die Darstellung dieser Ereignisse im Roman, vor allem die

Die Katastrophe von 1527 bescherte den Moralisten Auftrieb, und in den folgenden Jahrzehnten wurden auch unter dem Druck der reformatorischen Umwälzungen die Richtlinien und Maßstäbe vorgegeben, die fortan den Lebenswandel der Geistlichen und ihrer Gläubigen und das Schaffen der Künstler bestimmen sollten. Nichts zeigt dies deutlicher als die Tatsache, dass 1564, unmittelbar nach dem Ende des Konzils von Trient, mit der Übermalung der anstößigen Blößen auf Michelangelos Jüngstem Gericht in der Sixtinischen Kapelle begonnen wurde, der unser Erzähler bei seinem Besuch beiwohnen darf.

Dieser tiefgreifende Mentalitätswandel, den die Stadt der Päpste und die gesamte katholische Welt im Lauf des Jahrhunderts durchmachte, ist das eigentliche Thema dieses Romans, und er manifestiert sich wie unter einem Brennglas in der Haltung der Obrigkeit zur Prostitution: Da man sie nicht abschaffen konnte, wurde sie durch eine Flut von Verboten und Einschränkungen ins Halbdunkel verdrängt. Kutschenverbote, Kleidervorschriften und schließlich die Verbannung in den ummauerten Wohnbezirk des Hortaccio sind die Meilensteine auf diesem Weg. Die aus dem Ruder gelaufene Bekehrungsmesse, auf der der Erzähler zu Anfang des Romans im November 1566 auf Mercuria trifft, ist ebenso wenig eine Erfindung wie das später in der Rückblende geschilderte Pfingstfest in Santissimi Apostoli, wenngleich ich jeweils einiges dazugedichtet habe.

Frauen wie die historisch belegte Luparella und eben auch Mercuria, denen es gelang, sich auch in den

Ein weiteres Thema des Romans ist das Nachrichtenwesen dieser Zeit. Es gab sie, die Novellanten wie Antonietto Sparviero, deren Tätigkeit dem heutigen Journalistenberuf näher kommt, als man es der Zeit zutrauen würde. Diese Männer saßen vor allem in Rom und Venedig und versorgten zahlende Kunden auf dem ganzen Kontinent mit Meldungen aus der Welt der Fürstenberater, Diplomaten, Militärs, Kaufleute und Bankiers. Ihre Sprache ist verblüffend sachlich und die Methoden ihrer Informationsbeschaffung investigativ. Sie nutzten ein Netz von Zuträgern, das bis in die höchsten Kreise reichte. Die Vatikanische Bibliothek besitzt eine riesige und über weite Strecken lückenlose Sammlung solcher Meldungen ab 1554, aus der sich Generationen von Historikern bedient haben; sie ist heute auf der Website der Bibliothek (http://www.mss.vatlib.it/guii/scan/link1.jsp?fond=Urb.lat., Bd. 1038 Aff.) einsehbar und wird fortlaufend weiter digitalisiert; eine weitere Sammlung befindet sich im Fugger-Archiv (https://fuggerzeitungen.univie.ac.at/faksimiles). Die zwischen den Zeilen

Ein ganz anderes Medium sind die gedruckten Gazetten. Will man einen Vergleich zur Gegenwart ziehen, dann entsprechen die handschriftlich kopierten und zumeist mit der Postkutsche beförderten Nachrichten der Novellanten an ihre Kunden am ehesten den Meldungen der Korrespondenten von Presseagenturen, während die Gazetten das Pendant zur Boulevardpresse darstellen: Sensationen und Wundergeschichten mit dem Ziel möglichst großer Verbreitung, ohne Rücksicht auf Tatsachen. Dass sie die Zensur passierten, lag vor allem daran, dass die Obrigkeit nichts gegen die haarsträubenden Räuberpistolen einzuwenden hatte, sofern sie nur die richtige Moral unter das Volk brachten. Beide Arten von Quellen habe ich in das Buch eingestreut; ihrem Inhalt nach sind sie erfunden, um der Romanhandlung zu sekundieren, der Form nach entsprechen sie Stil und Tonfall der damaligen Verfasser.

Größte Probleme mit der Zensur dagegen hatte die Satire. Ihr bekanntester Vertreter ist Pietro Aretino, der auf diesem Gebiet stilbildend wirkte. Seine Unzüchtigen Sonette, die von Mercuria und Giordana gegen Schluss des Romans zitiert werden, dienten als Bildunterschriften für die erwähnte Sammlung pornographischer Stiche von Marcantonio Raimondi; die Luxusversion auf Kameen habe ich erfunden.

Ein weiterer berühmter Satiriker war Niccolò Franco, der in Mercuria seinen Gastauftritt am Galgen hat. Liest man seine Werke heute und macht sich bewusst, dass sie vor fünf Jahrhunderten entstanden sind, bleibt man

Die Pasquino-Statue steht inzwischen seit mehr als fünfhundert Jahren an ihrem Platz vor dem Palazzo Braschi, südlich der Piazza Navona. Noch heute ist es üblich, dort Satiren in Wort und Bild anzukleben, die der Skulptur zu Ehren als Pasquinate oder Pasquillen bezeichnet werden. Viele dieser Werke, die den Pasquino und ein halbes Dutzend weitere «sprechende Statuen» im Lauf der Jahrhunderte geziert haben, sind später im Druck veröffentlicht worden. Und wieder einmal wundert man sich, mit welcher derben Unverblümtheit die Römer dort über die päpstliche Obrigkeit herzuziehen wagten.

Im Zentrum der Handlung von Mercuria steht die Carafa-Affäre, die zwischen 1559 und 1561 für erheblichen Wirbel sorgte. Der zeitliche Ablauf und die Ereignisse sind im Roman den historischen Tatsachen gemäß, allerdings stark vereinfacht dargestellt. Die etwas undurchsichtigen Motive von Pius IV. für das Verfahren gegen die Carafa lassen der Phantasie einigen Spielraum, sodass ich die von mir konstruierte Geschichte um die Vergewaltigung und den Mord an Mercurias Tochter Severina in die Carafa-Affäre einbauen konnte, ohne die historischen Tatsachen allzusehr verbiegen zu müssen. Angesichts von Carlo Carafas Charakter und seiner 1557 noch völlig unangefochtenen Machtfülle sind eine solche Tat und ihre anschließende Vertuschung durchaus vorstellbar.

Aufmerksame Leser werden vielleicht gemerkt haben, welche Berühmtheit sich hinter dem Namen Domenikos Theotokopoulos verbirgt. Über El Grecos Zeit in Rom ist wenig bekannt; auch über die Dauer seines vorherigen Aufenthalts in Venedig und über die Frage, ob er tatsächlich in Tizians Werkstatt gearbeitet hat, herrscht Uneinigkeit. Tatsache ist, dass der kroatische Maler Giulio Clovio ihn im November 1570 in einem Empfehlungsbrief an Kardinal Alessandro Farnese als Ausnahmetalent empfahl und dass der Grieche anschließend in dessen Dienste trat, aus unbekannten Gründen im folgenden Jahr aber wieder vor die Tür gesetzt wurde. Danach eröffnete er eine eigene Werkstatt in Rom, und einige Jahre später reiste er weiter nach Spanien, wo der einzigartige Stil, der seinen Weltruhm begründete, zur vollen Entfaltung kam. El Grecos römische Jahre sind eine Zeit der Suche nach seinem persönlichen

In Ulisse Aldrovandis Aufstellung der antiken Statuen in Rom ist auch die Sammlung in Alessandro Farneses Gartenhaus beschrieben, allerdings habe ich sie etwas abgewandelt. Die Stierbändigergruppe, der Herkules und der Priapos aber standen tatsächlich dort; auch die anderen Standorte der Priapos-Statuen entsprechen dem von Gennaro zitierten Inventar, einen davon habe ich dann Kardinal Morone untergeschoben.

Farneses Antikenverwalter Fulvio Orsini war in der Tat einer der größten Gelehrten seiner Zeit. Dass er jedoch seine sexuellen Gelüste an den von ihm so verehrten Skulpturen befriedigte, ist eine von mir erfundene Unterstellung, für die ich mich nachträglich bei ihm entschuldigen möchte.

Die gewaltige Kollektion der Farnese – einschließlich der hier erwähnten Prachtstücke – ist inzwischen im Archäologischen Nationalmuseum von Neapel gelandet, während die Kollektionen von Päpsten und Kardinälen zu einem guten Teil in Rom geblieben sind und in den Kapitolinischen und Vatikanischen Museen und im Römischen Nationalmuseum in endlosen Reihen aufgestellt sind. Als Michelangelo und Gennaro sie bewunderten, waren sie schon anderthalb Jahrtausende alt.

Das Schöne dabei ist: Um sie zu sehen, muss man nicht