Du lässt deinen Frommen nicht die Verwesung schauen! So spricht der Evangelist Lukas im dreizehnten Kapitel der Apostelgeschichte. Die Wahrheit dieses köstlichen Wortes belegen auf treffliche Weise die vielen seit den Tagen der frühesten Glaubenszeugen auf uns gekommenen Schilderungen & Berichte über die Auffindung der unverwesten Körper von Heiligen & Märtyrern, die nicht als von Gewürm & Maden abgenagte Gerippe, sondern wie in friedlichem Schlummer ausgestreckt & von lieblichem Duft umweht in ihren Gräbern entdeckt wurden. Doch nicht nur in jenen vergangenen Zeiten, als die Welt vom Licht des wahren Glaubens erleuchtet & erfüllt war, sondern auch in unseren Tagen, in denen die Schlange der Ketzerei überall ihr keckes Haupt erhebt & die Menschheit durch Täuschung & List vom Pfad der wahren Religion abzubringen trachtet, lässt der allmächtige Gott uns allerlei Zeichen schauen. So geschah es im Jahre MDLXIX am Tag des Heiligen Sebastian, dass einige Arbeiter bei Ausschachtungsarbeiten in einem Garten unweit der Thermen des Kaisers Diokletian in Rom im Boden auf einen marmornen Sarkophag stießen, den sie zunächst für einen verschütteten Futtertrog hielten, allzumal das Grundstück vordem als Weide für Rinder & Schafe gedient hatte. Nachdem sie ihn aber aus der Baugrube gestemmt & von Erde & Schlamm gereinigt hatten, entdeckten sie darin zu ihrer großen Verblüffung den unversehrten Körper eines Mannes in Soldatenkleidung. Während die anderen noch staunend berieten, was zu tun sei, eilte einer der Arbeiter zu der kürzlich nach den Plänen des göttlichen Michelangelo in den Ruinen der besagten Thermen errichteten Kirche & holte einen Priester herbei, der den Leichnam untersuchte & dabei entdeckte, dass dieser an jeder Hand nicht fünf, sondern sechs Finger hatte. Sogleich sank er voller Ergriffenheit auf die Knie, dankte dem Herrn in glühenden Worten für dieses Wunder & verkündete dem zusammengelaufenen Volk, es handele sich unzweifelhaft um den Leichnam des Heiligen Hexadaktylus, dessen Geschichte im Martyrolog des Beda Venerabilis aufgezeichnet sei & folgendermaßen laute: Hexadaktylus, ein für Tapferkeit & Kampfesmut in der ganzen Legion bekannter Soldat, der sich zur Zeit des Kaisers Diokletian zum wahren Glauben bekehrt hatte, war aufgrund seiner beharrlichen Weigerung, den heidnischen Göttern zu opfern, den Folterknechten des besagten Kaisers vorgeführt worden. Er aber streckte den Schergen seine Hände entgegen & sprach unverzagt, Gott, der ein Zeichen an ihm getan habe, indem er ihm Finger entsprechend der Zahl der Apostel geschenkt habe, werde ihm nun auch die Kraft geben, allen Martern zu widerstehen; sie mögen nur fröhlich drauflosfoltern. So begannen die Knechte nun, ihm die Finger einen nach dem anderen mit glühenden Zangen abzutrennen, doch für jeden abgetrennten Finger wuchs sogleich ein neuer nach & so viel sie auch zwickten & kniffen, so blieb doch die Zahl seiner Finger immer gleich der Zahl der Apostel, & seine Stimme pries den Herrn nur umso lauter. Am Ende wussten sie sich nicht anders zu helfen, als ihm den Schädel einzuschlagen, & während die Engel seine Seele zum Vater emportrugen, erklangen aus dem Himmel die süßesten Harfentöne. Seinen Leichnam bestatteten seine Glaubensbrüder an einem unbekannten Ort, doch der Bericht über das Wunder verbreitete sich im ganzen Land, & Hexadaktylus wurde bald als Schutzpatron des Saitenspieles verehrt.
Also schloss der Priester seinen Bericht, & die versammelte Menge sank mit ihm auf die Knie & pries erneut den Herrn, der dieses Wunder gewirkt hatte. Halleluja!