Viertes Kapitel

»Ist das wahr?«, stieß Andrew aufgeregt hervor und packte sie an den Schultern. »Du bist wirklich… schwanger?«

Sie nickte und lächelte ihn an. »Ja, ich bin mir ganz sicher. Dass mir in den letzten Tagen morgens ständig übel ist, hat jeden Zweifel ausgeräumt.«

»O mein Gott! Ich werde Vater!« Sein bewegter Gesichtsausdruck verriet, wie sehr ihn diese Nachricht überwältigte. Dann schloss er sie in die Arme, drückte sie an sich und küsste sie stürmisch. Doch schon im nächsten Moment gab er sie erschrocken und mit schuldbewusster Miene wieder frei. »Entschuldige!«

»Wofür entschuldigst du dich denn ?«, fragte Abby verwundert.

»Dass ich so gedankenlos über dich hergefallen bin. In meiner Freude habe ich dir mit meiner Umarmung ja beinahe die Luft abgedrückt !«

Abby lachte. »Dass ich ein Kind erwarte, bedeutet doch nicht, dass ich nun plötzlich wie ein zerbrechliches Stück Porzellan behandelt werden muss«, neckte sie ihn. »Wenn ich in meinem Zustand die Strapazen der vergangenen sechs Wochen gut überstanden habe, wird auch die stürmische Umarmung meines Mannes bestimmt keinen Schaden anrichten. Ich schätze mal, dass ich jetzt schon im fünften Monat bin.«

Er machte eine verdutzte Miene. »Du bist schon im fünften Monat? Himmel! Aber warum hast du mir denn so lange nichts davon gesagt?«, fragte er mit einem Anflug von Verstimmung.

»Weil ich mir einfach nicht sicher war und keine falschen Hoffnungen in dir wecken wollte! Denn ich weiß doch, wie sehr auch du dir ein Kind wünschst«, antwortete sie. »Zuerst dachte ich, dass mein Körper irgendwie … nun ja, durch die außergewöhnlichen Ereignisse der letzten Monate aus seinem gewohnten Rhythmus geworfen war. Das ist mir schon mal passiert, nämlich als man mich in den Kerker von Newgate warf und später dann auf der Überfahrt. Da war bei mir fast ein halbes Jahr alles durcheinander. Und so hätte es diesmal ja auch sein können.«

Der Unmut verschwand aus seinem Gesicht. »Das wusste ich nicht«, sagte er versöhnlich. Was verstand ein Mann auch schon von solchen Frauendingen.

»Und die letzten Monate hatten es wirklich in sich. Da war doch erst der gefährliche Buschbrand und die Aufregung mit dem Aboriginemädchen Nangala«, fuhr Abby erklärend fort. »Dann kamen der Überfall und die Entführung, meine schwere Schussverletzung und all das andere. Deshalb war ich mir nicht sicher. Doch seit mir jeden Morgen schlecht ist und ich mich erbrechen muss, weiß ich, dass mein Körper diesmal nicht verrückt spielt, sondern dass ich ein Kind in mir trage! Denn meiner Mutter ist es mit mir auch so ergangen. Auch sie hat erst nach Monaten unter der morgendlichen Übelkeit gelitten, die andere Frauen von Anfang an befällt.« Sie machte eine kurze Pause. »Ich weiß aber nicht, ob das ein Zeichen dafür ist, dass man ein Mädchen erwartet. Vielleicht hat das ja auch gar nichts zu besagen und unser erstes Kind wird schon gleich ein Sohn.«

Er strahlte nun wieder über das ganze Gesicht. »Oh ja, schön wäre es schon, aber letztlich ist es mir egal. Eine Tochter ist mir genauso willkommen, auch wenn mein Vater das vielleicht anders sieht«, versicherte er überschwänglich und nahm sie erneut in die Arme, wenn auch etwas vorsichtiger. »Aber bei den Kindern, die wir noch haben werden, wird bestimmt auch der eine oder andere Sohn darunter sein!«

Abby lachte und war insgeheim doch sehr erleichtert, dass er nicht unbedingt einen Sohn und Stammhalter von ihr erwartete, sondern sich auch über eine Tochter freuen würde. Sie schaute in seine blassblauen Augen, nahm die markanten Züge seines Gesichts mit dem energischen Kinn einmal mehr bewusst in sich auf und fuhr mit einer Hand in sein dunkelbraunes Haar.

»Weißt du überhaupt, wie sehr ich dich liebe?«, flüsterte sie, aufgewühlt und getragen von einer Woge der Zärtlichkeit.

Andrew nickte. »So sehr, wie ich dich liebe, mit Leib und Seele«, flüsterte er zurück.

»Manchmal macht es mir Angst«, gestand sie. »Weil ich dann denke, es könnte etwas passieren, und ich müsste ohne dich und deine Liebe …«

»Psst!«, fiel er ihr ins Wort und legte ihr seine Hand auf die Lippen. »Vergiss diese törichten Gedanken! Wir sind füreinander bestimmt, mein Liebling, und du wirst nie ohne meine Liebe sein. Wir werden zusammen alt und grau werden und eine ganze Schar Enkel haben. So, und jetzt sollten wir besser aufbrechen. Mein Gott, was wird das für alle auf Yulara für eine freudige Nachricht sein, wenn bekannt wird, dass Nachwuchs unterwegs ist!«

Die Freude über seine baldige Vaterschaft beflügelte Andrew und die neuen Kräfte, die diese Freude und der Stolz in ihm wachriefen, stellten sich auch bei Abby ein. Zu sehen, wie sein Blick immer wieder voll Glück und Zärtlichkeit zu ihr ging, ließ auch sie viel von ihrer Erschöpfung vergessen.

Sie schafften an diesem Tag mehr als erhofft, obwohl die Sonne wieder erbarmungslos auf sie herabbrannte und sie weite Wegstrecken zurücklegen mussten, auf denen sie kaum einmal Schatten fanden. Mehrmals sahen sie weit in der Ferne Staubwolken aufsteigen, die ein Fuhrwerk oder eine Kutsche hinter sich herzog. Aber sie waren zu weit entfernt, um auf sich aufmerksam machen zu können.

Dennoch waren sie guten Mutes und in fast ausgelassener Stimmung, als sie kurz vor Einbruch der Dunkelheit eine kleine Gruppe von Eukalyptusbäumen als Rastplatz für die Nacht wählten. Das vor ihnen liegende Gelände war ihnen von langen Ausritten bestens vertraut, sodass sie die restliche Wegstrecke sehr gut abschätzen konnten: Sie hatten am nächsten Tag nur noch einen Fußmarsch von sieben bis acht Stunden vor sich, um endlich wieder auf Yulara einzutreffen.

Andrew entzündete ein Feuer, obwohl sie nichts hatten, was sie darüber hätten braten können. Aber der Rauch half ein wenig gegen die lästigen Fliegen und Stechmücken. Sie kauten den Rest getrockneter Beeren und Wurzeln, die Baralong ihnen zurückgelassen hatte und die tatsächlich ihren Hunger stillten. Und genug Wasser, um ihren Durst zu löschen, hatten sie auch.

Viel Schlaf bekamen sie in dieser Nacht jedoch nicht.