KAPITEL 6

Frank war wie vor den Kopf geschlagen.

Als seine Mutter ins Zimmer trat, um »Wer war das denn?« zu fragen, sagte er nur: »Niemand.«

Seine Mutter legte den Kopf schief und betrachtete ihn eine Weile, als zweifele sie an seinem Geisteszustand. Das konnte Frank gut verstehen, denn das tat er schließlich selber.

»Ich muss mir jetzt ganz genau überlegen, was ich als Nächstes mache«, murmelte er.

»Hast du irgendwelche Probleme?«, fragte seine Mutter besorgt.

»Was für Probleme?« Frank sprang fast senkrecht von seinem Stuhl auf. »Ich hab überhaupt noch nie in meinem Leben Probleme gehabt. Erst taucht James Bond auf, dann stellt sich raus, dass es Jerry Cotton ist und am Ende will mir dieser Sohn von Müller ...«

»Müller?«, echote seine Mutter verwirrt.

»Der Fußballstar Müller. Und das gerade war sein Sohn. Und er will mir Karin ..., ich meine, den Fußballplatz wegnehmen ...«

Frank verstummte, als seine Mutter zwei Schritte nach vorne machte und ihre Hand auf seine Stirn legte. »Du bist ja ganz heiß. Am besten stecke ich dich ins Bett und messe erst mal Fieber.«

»Ich hab kein Fieber. Ich hab eine Daniel-Allergie. Dany mit Sahne! Da hat Guido ganz Recht: erst Jacki, dann Karin und dann der Fußballplatz – und anrufen kann ich meine Freunde auch nicht, weil wir uns nämlich zerstritten haben und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll.«

»Geh ins Bett«, sagte seine Mutter sanft. »Ich glaube, du hast hohes Fieber. Du redest total wirres Zeug.«

Frank nickte. »Wirres Zeug. Stimmt haargenau: Das ist es. Und deswegen gehe ich jetzt zu Jan und Guido, denn ich kann keine Jaguare auf unserer Wiese dulden, und wenn sie noch so rot sind.«

Zehn Minuten später stand Frank vor Jans Haustür. Nachdem seine Mutter mit irgendeinem Gerät an seinem Ohr herumgefummelt hatte, mit dem sich ganz schnell die Körpertemperatur ablesen lässt, hatte er sie davon überzeugen können, dass er nicht krank war.

»Kein Fieber«, hatte sie gemurmelt. »Aber irgendetwas stimmt doch mit dir nicht. Dieser ganze Quatsch von James Bond, dem Fußballstar und dem roten Jaguar – da steckt was ganz anderes dahinter, oder?«

Frank drückte zum zweiten Mal auf die Klingel. Sollte seine Mutter doch glauben, was sie wollte: Hauptsache, Jan war zu Hause.

Da wurde auch schon die Tür aufgerissen. »Ach, sieh mal einer an«, sagte Jan gedehnt. »Bist du etwa gekommen, um dich zu entschuldigen?«

»Spar dir das Rumgesülze für Eberhard und Daniel auf.« Frank drückte sich an seinem Freund vorbei und eilte die Treppe zu Jans Zimmer hoch. Er war nicht sonderlich überrascht, als er Guido vor dem Computer sitzen sah. »Nur, damit ihr es gleich wisst«, sagte er, »Daniel hat sich unsere Fußballwiese unter den Nagel gerissen!«

Jan zog die Tür hinter sich zu und ließ sich auf sein Bett fallen. »Willst du jetzt eine kleine Märchenstunde abhalten oder was soll der Flachkram?«

Frank runzelte wütend die Stirn. »Das mag total bescheuert klingen, aber es ist wahr! Daniel hat mich gerade selbst angerufen. Er hat mit Karin geredet und die hat ihm erzählt, dass ihr Vater voll sauer wäre, weil wir Luki nicht richtig trainieren würden und blablabla ...«

Guido sah überrascht zu ihm hoch. »Ach, ist Karin jetzt auch in Daniel verschossen?«

»Das ist mir doch vollkommen egal.« Frank stiefelte zu Jans Fenster hinüber und starrte hinab auf den sauber angelegten Garten in seiner vorösterlichen Blumenpracht. »Es geht mir gar nicht um Karin! Ich mach mir nur Sorgen um unsere Fußballwiese.«

Guido trommelte unruhig auf dem Computertisch herum. »Jetzt mach dir mal nicht in die Hosen, Kleiner. Daniel wollte dir doch bloß eins reinwürgen.«

Frank fuhr herum. »Nenn mich nicht Kleiner!«

»Was genau hat Daniel denn gesagt?«, fragte Jan.

Frank erzählte es ihm mit wenigen Worten. »Und jetzt weiß ich nicht mehr weiter«, gestand er. »Wir können ja schlecht Karin fragen, was an der Sache dran ist.«

»Und wieso nicht?«, wunderte sich Guido.

»Na ja, weil das ... weil das ... oberpeinlich wäre.«

»Ach so.« Guido winkte weltmännisch ab. »Das ist doch alles kein Problem für jemanden wie mich.«

»Na gut.« Frank zuckte mit den Schultern. »Dann ruf sie halt an.«

»Ich?« Guido tat ganz erstaunt. »Du kennst doch Karin viel besser als ich.«

»Ihr seid Memmen, alle beide«, sagte Jan. »Wenn ihr euch nicht traut, ruf ich eben an.«

»Nee, nur nicht!«, riefen Guido und Frank wie aus einem Mund. Sie sahen sich verwundert an und lachten. Beide hatten den gleichen Gedanken gehabt: nämlich, dass man den Poltergeist Jan auf keinen Fall anrufen lassen konnte, wenn es um ein heikles Telefongespräch ging.

»Hallo.« Franks Stimme klang wie das heisere Krächzen eines Vogels, der damit seine Artgenossen vor einem Angriff warnen wollte.

Guido und Jan warfen sich einen besorgten Blick zu. Sie hockten zu dritt um dis Telefon, über dessen Freisprecheinrichtung sie das Gespräch mitverfolgten.

»Wer ist denn da?«, fragte Karin.

»Na ...«, Frank räusperte sich, »ich bin’s.«

»Daniel?«

Frank zuckte zusammen, als ob man ihn geschlagen hätte. »Ich fasse es nicht. Es gibt doch schließlich noch andere außer Daniel.«

»Ach so, du bist es nur.«

Karins Stimme klang leicht genervt und Frank hätte am liebsten auf der Stelle das Telefonat beendet. Er war aufgewühlt, stinksauer und verletzt.

»Wir wollten morgen Nachmittag wieder mit dem alten Perschke auf der Wiese trainieren. Ich wollte nur fragen, ob das jetzt noch geht.«

Guido verdrehte die Augen. Dann streckte er die Hand vor, als wollte er Frank den Hörer entreißen. Aber dieser schüttelte nur wütend den Kopf und rückte ein Stück ab.

»Wovon redest du eigentlich?«, ertönte Karins Stimme aus dem Lautsprecher der Freisprechanlage.

»Das weißt du doch genau, oder?« Frank kam jetzt so richtig in Fahrt. »Ich kann dir nur sagen, dass ich das ganz schön gemein von dir finde. Wir haben dir doch überhaupt nichts getan! Und jetzt schmeißt du uns raus. Nur weil Luki mal wieder rumquengelt ›Die lassen mich gar nicht richtig mitspielen‹ oder irgend so ein abgedrehtes Zeug.«

Guido griff endgültig nach dem Telefonhörer und wollte ihn Frank entreißen. Seine Augen funkelten wütend. Aber da war er an den Falschen geraten: Frank war so geladen. Er war nicht bereit, auch nur einen Millimeter nachzugeben.

»Wie ... Was redest du da eigentlich für einen Blödsinn?«

»Das kann ich dir sagen, du falsche Schlange! Kaum kommt das Papasöhnchen von irgend so einem bescheuerten Fußballstar daher, schon lässt du deine Freunde im Stich! Das hätte ich nie, nie von dir gedacht.«

»Glaub ihm kein Wort!«, brüllte Guido in den Hörer. »Frank dreht gerade durch.«

»Was?« Frank wirbelte zu seinem besten Freund herum. »Ich und durchdrehen? Wie kommst du auf so einen Blödsinn? Ich bin vollkommen normal!«

»Klick«, machte es in diesem Moment und dann tutete das Freizeichen.

»Sie hat aufgelegt«, sagte Jan überflüssigerweise. »Da hätte doch besser ich angerufen.«