WIE WIR EINMAL HERAUSFINDEN WOLLTEN,
WAS FÜR GERÄUSCHE GIRAFFEN MACHEN

Mein liebster Tag in der Woche ist Montag. Da habe ich nämlich Turnen in der Schule, und das macht mir am meisten Spaß von allem.

Dienstag und Mittwoch und Donnerstag und Freitag und Samstag mag ich manchmal gerne und manchmal nicht so gerne, das ist verschieden. Und Sonntage finde ich eigentlich richtig blöd. Sonntags ist immer alles soooo langweilig. Mama und Papa wollen dann den ganzen Tag nur Zeitung lesen und essen und schlafen.

Aber heute ist alles anders. Heute ist zwar Sonntag, aber kein normaler. Heute ist ein richtiger Super-Sonntag. Mama und Papa und Flo und ich gehen nämlich zusammen in den Zoo. Da wollen wir uns das Nilpferdbaby angucken, das eigentlich bei uns einziehen sollte, aber dann doch nicht.

Schon als ich aufwache, bin ich ganz aufgeregt und habe Herzklopfen, weil ich mich so freue. Draußen ist es noch dunkel, aber das ist eigentlich sogar gut, weil wir ja noch ziemlich viel vorbereiten müssen, bevor wir losfahren können.

»Flo«, flüstere ich und ziehe ein bisschen an ihrer Decke. »Wach auf! Wir fahren gleich in den Zoo!«

Eigentlich braucht Flo morgens immer ziemlich lange zum Aufwachen, aber heute nicht. Sie schlägt die Augen auf und springt aus dem Bett. »Komm, wir wecken Mama und Papa«, ruft sie und flitzt los.

Und das machen wir dann auch. Wir springen mit Anlauf ins große Bett und Flo setzt sich direkt auf Papas Bauch und hopst ein bisschen. Aber Papa schläft einfach weiter, deshalb zieht sie mit dem Zeigefinger ganz vorsichtig an den Lidern sein Auge auf.

»Huhu!«, ruft Flo dabei und kichert, weil Papas Auge so lustig aussieht.

Papa knurrt ein bisschen und dreht sich mit Schwung zur Seite.

Aber wenigstens Mama ist jetzt wach. Sie guckt auf ihre Uhr und stöhnt: »Och nöö. Es ist erst fünf Uhr! Also eigentlich ist es noch mitten in der Nacht!«

Aber da sage ich, dass das nicht stimmt, weil Onkel Jussi nämlich jeden Morgen um fünf Uhr aufsteht. Und dass wir jetzt auch nach unten gehen müssen, weil wir ja noch Frikadellen und Pfannkuchen machen wollen, damit wir im Zoo picknicken können.

Mama rührt sich nicht, deshalb pike ich sie leicht mit dem Finger in den Bauch. »Oh Mann, Mimi«, sagt sie. »Ich bleibe noch ein bisschen liegen, ja? Ihr beiden könnt doch vorher ein wenig spielen.«

Flo beugt sich zu mir hinüber und flüstert ganz leise in mein Ohr: »Ich habe eine richtig gute Idee! Wir gehen schnell in die Küche und machen alleine Frikadellen!«

Aber da sagt Mama, sie hat es sich doch anders überlegt. Und dass sie jetzt gerne aufstehen und mit uns nach unten kommen will. Und so machen wir es.

Ja, und dann geht der Tag endlich richtig los. Also zumindest fast, erst einmal muss Mama Kaffee kochen.

»Bevor ich keinen Kaffee getrunken habe, kann ich nicht klar denken und keine Pfannkuchen machen und auch keine Frikadellen. Und erst recht nicht morgens um fünf Uhr«, sagt sie.

Und deshalb bereiten Flo und ich schon mal alle anderen Sachen vor. Wir legen unsere Jacken und Schuhe bereit, und Flo holt noch ihren Rucksack und steckt Raffi hinein, das ist ihre Kuschelgiraffe.

»Der muss auf jeden Fall mit«, sagt sie. »Raffi will nämlich endlich mal andere Giraffen kennenlernen und sich ein bisschen unterhalten.«

»Was machen Giraffen eigentlich für Geräusche?«, frage ich, weil ich das nämlich überhaupt nicht weiß.

»So wie Kalle«, antwortet Flo. »Die machen auch Miau.«

Aber da sage ich, dass das nicht stimmen kann. Giraffen sind doch keine Katzen!

»Das stimmt wohl!«, sagt Flo und klingt ein bisschen beleidigt. »Raffi gehört schließlich mir. Und ich weiß ja wohl besser als du, was er für Geräusche macht.«

Aber in dem Moment ruft Mama uns, weil wir jetzt zusammen das Essen vorbereiten können. Und dann braten wir 24 Frikadellen und zwölf Pfannkuchen. Die bestreuen wir auch noch mit Zimt und Zucker. Also natürlich nur die Pfannkuchen und nicht die Frikadellen. Das riecht schon so gut, dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft und ich am liebsten sofort alles aufessen würde. Aber das geht nicht, denn sonst hätten wir ja nichts mehr für den Zoo übrig.

Und dann nehmen wir eine Frikadelle und laufen ins Schlafzimmer und halten sie Papa direkt unter die Nase, der liegt nämlich immer noch im Bett und schläft.

Erst rührt er sich nicht, aber als wir gerade schon denken, dass er gar nicht mehr aufwacht, sperrt er plötzlich ganz weit den Mund auf. Und dann stecke ich schnell die Frikadelle hinein, und obwohl Papas Augen immer noch zu sind, kaut er und schmatzt und sagt: »Oh, wie lecker! Ob ich ab jetzt wohl jeden Morgen eine Frikadelle ans Bett bekommen könnte?«

Und da antwortet Mama, dass das überhaupt kein Problem ist. Sie steht ab sofort gerne jeden Morgen um fünf auf und macht Frikadellen für alle. Aber ich glaube, das sagt sie nur so.

Und dann sitzen wir endlich im Auto und fahren los zum Zoo. Juchhu! Am meisten freue ich mich auf die Affen. Es ist so niedlich, wenn die Affenkinder sich am Rücken von ihren Mamas festhalten und die dann zusammen durch die Bäume klettern und springen. Und Zwergnilpferde sind natürlich auch süß.

»Also ich will nur zu den Giraffen«, verkündet Flo plötzlich.

»Nur zu den Giraffen?«, fragt Mama. »Aber das ist doch ein bisschen schade. Da sind auch so viele andere tolle Tiere, die wir uns angucken können.«

»Nö«, antwortet Flo. »Ich gehe nur zu den Giraffen. Und sonst nirgends hin.« Also wenn Flo sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann ist das auch so.

»Aber ich will alle Tiere sehen!«, rufe ich deshalb schnell. »Mama, wir gucken uns doch alle Tiere an, ja?«

Mama antwortet nicht. Stattdessen dreht sie sich zu mir um und zwinkert mit einem Auge und nickt, aber so, dass Flo es nicht sehen kann. Und da weiß ich, dass wir nicht nur zu den Giraffen gehen.

Hinter dem Eingang vom Zoo stehen viele Schilder mit Pfeilen und Tieren drauf. Daran kann man sehen, in welche Richtung man gehen muss.

»Also ich will als Erstes zu den Affen«, rufe ich schnell.

»Nee, wir gehen zu den Giraffen«, brüllt Flo. »Das haben wir abgemacht!«

»Haben wir gar nicht«, schreie ich und werde richtig wütend.

Flo ist wirklich doof. Ohne Schwester wäre alles viel schöner.

Aber da sagt Papa, dass jetzt sofort Schluss ist, sonst fahren wir direkt wieder nach Hause. Und dann sagt Mama, dass sie am liebsten zu den Elefanten will. Das finde ich auch gut. Und da gehen wir dann hin.

Flo läuft ein Stück hinter uns und tritt gegen alle Steine. Dabei flüstert sie irgendetwas in Raffis Ohr und klingt echt wütend. Aber Mama und Papa und ich, wir drehen uns nicht nach Flo und Raffi um, sondern gehen einfach weiter. Und dann kommen wir bei den Elefanten an – stellt euch vor, die werden gerade gefüttert!

»Flo!«, ruft Mama. »Komm mal schnell her! Guck mal, wie die Elefanten fressen!«

Aber Flo antwortet nicht. Und als Mama sich nach ihr umdreht, da ist Flo verschwunden. Mama kriegt einen Riesenschreck, das kann ich sehen.

»Thomas!«, sagt sie zu Papa. »Flo ist weg!«

Und dann fangen wir an zu suchen. Wir rufen ganz laut immer wieder Flos Namen, und Mama rennt zurück zum Eingang, um zu sehen, ob sie vielleicht irgendwo sitzt – aber sie ist einfach weg. Ich kriege langsam richtig Angst.

»Was machen wir denn, wenn wir Flo nicht finden?«, frage ich Papa. »Muss sie dann ganz alleine im Zoo schlafen? Draußen?«

»Mimi, jetzt hör mal auf«, antwortet Papa. »Ich verspreche dir, dass wir Flo finden. Und natürlich muss sie nicht hier schlafen!« Aber ich kann an seiner Stimme hören, dass er auch aufgeregt ist.

»Wenn wir Flo in fünf Minuten nicht gefunden haben, dann rufe ich die Zooleitung an. Oder gleich die Polizei. Vielleicht können die sie suchen!«, sagt Mama.

»Julia, jetzt beruhige dich doch erst einmal«, murmelt Papa.

Ui, jetzt wird Mama sauer.

»Ich soll mich beruhigen?«, fragt sie ziemlich laut. »Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Unser Kind ist weg. Und ich will es jetzt wiederfinden, und zwar sofort.«

»Aber es geht doch nicht schneller, wenn du hier rumschreist«, antwortet Papa und klingt jetzt auch ziemlich wütend.

Und genau in dem Moment habe ich eine Idee. »Ich glaube, ich weiß, wo Flo ist!«, rufe ich ganz laut dazwischen.

Mama und Papa sind sofort still und gucken mich an.

»Bei den Giraffen! Sie ist bestimmt mit Raffi zum Giraffenhaus gegangen!«, sage ich und hüpfe dabei von einem Bein auf das andere, weil ich am liebsten sofort nachschauen will.

»Natürlich!«, ruft Papa und schlägt sich mit der Hand an die Stirn. »Wie doof kann man denn sein! Dass uns das nicht gleich eingefallen ist! Kommt schnell!«

Und dann rasen Mama und Papa und ich zum Giraffenhaus. Die Tür ist aus Glas und geht schwer auf. Drinnen riecht es ganz komisch, ein bisschen so wie alte Socken. Und es ist so still.

Aber dann höre ich plötzlich, dass hinten in einer Ecke irgendjemand leise schluchzt und danach laut die Nase hochzieht.

»Das ist Flo!«, rufe ich und flitze los.

Mama und Papa sind fast genauso schnell wie ich, und dann sehen wir sie: In der Ecke auf einer Bank sitzt Flo, ganz alleine. Und sie hat rote Augen und ihr Gesicht ist nass und dreckig und gerade wischt sie sich mit dem Ärmel ihre Schnoddernase ab.

»Florentinchen, was machst du denn bloß für Sachen?«, ruft Mama und drückt sie richtig fest an sich.

Papa und ich wollen beide gleichzeitig auch ein Stück von Flo umarmen. Und das ist ein ziemliches Durcheinander und Kuddelmuddel, und da verlieren wir alle zusammen das Gleichgewicht und fallen von der Bank. Aber keiner tut sich weh. Stattdessen müssen wir ziemlich lachen.

»Mensch, Flo, da hast du uns aber einen Schrecken eingejagt«, sagt Papa. »Was machst du denn hier so ganz alleine?«

Dann erzählt Flo. Dass gar nicht sie alleine zu den Giraffen gehen wollte, sondern Raffi. Weil er nämlich wissen wollte, ob die auch noch andere Geräusche machen können als Miau.

»Und jetzt sitzt er da die ganze Zeit vorne an der Scheibe und guckt, aber die Giraffen unterhalten sich überhaupt nicht mit ihm«, schluchzt Flo. »Die sind die ganze Zeit still! Vielleicht ist Raffi ihnen einfach zu klein!«

Da geht Papa zu Raffi und hebt ihn hoch und hält ihn sich ans Ohr.

»Seid mal bitte leise!«, ruft er uns zu, »sonst kann ich doch gar nicht hören, was Raffi mir sagen will.«

Er nickt und nickt und lacht und sagt immer wieder »Ach so!« und »Nicht zu glauben!« und »Also das wusste ich nicht!«.

Flo und ich gucken Papa und Raffi an und versuchen, auch was zu verstehen.

»Papa, jetzt erzähl uns mal, was Raffi sagt«, ruft Flo irgendwann, weil sie es nicht mehr aushält.

Da nimmt Papa Raffi von seinem Ohr und antwortet: »Also, das werdet ihr nicht glauben. Raffi behauptet, dass die Giraffen hier eine Geheimsprache sprechen, die nur sie selbst hören und verstehen können. Und er natürlich, weil er ja auch eine Giraffe ist. Und dass wir das aber nicht hören können, weil wir ja Menschen sind!«

»Und was haben die großen Giraffen zu ihm gesagt?«, frage ich schnell.

»Dass sie es hier schön finden«, antwortet Papa. »Und sie wollten wissen, wo er denn eigentlich wohnt.«

»Haben die vielleicht auch miaut?«, fragt Flo neugierig.

»Warte«, antwortet Papa, »ich erkundige mich mal.« Dann hält er sich Raffi wieder ganz nah ans Ohr und nickt.

»Miaut haben sie nicht«, sagt Papa dann. »Aber Raffi behauptet, das macht er sowieso auch nur, damit er sich mit Kater Kalle unterhalten kann.«

»Da kannst du mal sehen, wie schlau Raffi ist«, sagt Flo und nickt zufrieden. »Der kann sogar andere Sprachen sprechen!«

Dann fragt Papa, ob außer ihm jetzt eigentlich noch jemand Hunger hat. Und das haben wir natürlich, und deshalb breiten wir mitten im Giraffenhaus unser Picknick aus und essen.

»Übrigens«, sagt Mama zu Papa und lächelt ihn an. »Ich bin sehr gerne mit dir verheiratet, du alter Giraffenversteher.«

»Ich mit dir auch«, grinst Papa und nimmt Mamas Hand. »Manchmal auf jeden Fall. Also eigentlich meistens.«

Da stupst Mama Papa an und gibt ihm einen Kuss auf die Nase.

Und ich, ich beiße gleichzeitig in eine Frikadelle und in meinen Pfannkuchen, und Flo macht es mir nach und schmatzt und sagt:

»Das ist aber sehr, sehr lecker.« Und dann müssen wir lachen.

Und sind ganz froh.