Gefährliche Begegnung im Schnee
In aller Frühe holen Kokosnuss und Matilda alles, was man für eine Expedition in den Ewigen Schnee braucht: einen kleinen Drachenschlitten, Schneeschuhe, vier Paar Schier, Spitzhacken, ein paar warme Decken, genug Proviant, eine Sturmlampe und mehrere Seile zum Klettern, denn schließlich geht es in die Berge.
Mit dem Schlitten kommen die vier Abenteurer schnell voran. Schon bald erreichen sie die Große Ebene vor den Himmelskratzern. Auf der Ebene liegt der Schnee so hoch wie zwei kleine Drachen.
»Wie sollen wir denn da durchkommen?«, fragt Matilda. Kokosnuss grinst. »Na, buddeln!«, sagt er und stürzt sich in die Schneemassen.
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»Buddeln?«, fragt Matilda ungläubig. »Einfach so?«
»Einfach so«, antwortet Kokosnuss und beginnt, sich mit seinen Drachenkrallen durch den Schnee zu graben. Greta und der kleine Pelle benutzen ihre Schnäbel wie Spitzhacken und jetzt macht auch Matilda mit. Fleißig schaufelt sie mit ihren Pfoten den Schnee beiseite.
Nach kurzer Zeit haben sie einen tiefen Tunnel in den Schnee gegraben. Buddeln ist viel anstrengender, als man denkt, und bald plumpsen die vier Freunde erschöpft in den Schnee.
»Puh, so geht’s nicht weiter«, japst Kokosnuss.
»Kein Stück mehr«, sagt Matilda, aber da fällt ihr etwas ein: »Sag mal, du bist doch ein Feuerdrache, oder nicht?«
Was für eine Frage, denkt Kokosnuss. »Natürlich!«, sagt er. »Und was für einer!«
»Na, dann leg mal los!«, sagt Matilda.
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Loslegen? Womit denn? Aber plötzlich geht Kokosnuss ein Licht auf, und er versteht, was Matilda meint. Dass er nicht selber darauf gekommen ist!
Der kleine Drache holt tief Luft und speit einen gezielten Feuerstrahl auf den Schnee. Und der schmilzt im Nu zusammen.
»Ha, so geht’s! Super Idee, Matilda!«, ruft Kokosnuss und speit fleißig weiter. Immer weiter und weiter und tiefer und tiefer geht es in den Schnee hinein, bis plötzlich das Feuer immer kleiner und ihre Schritte immer kürzer werden.
»Ich glaube, meine Feuerkraft lässt nach«, sagt Kokosnuss.
»Geht’s nicht noch ein bisschen?«, fragt Greta.
Kokosnuss strengt sich an, aber bald kommt nicht mal mehr ein winziges Fünkchen aus seinem Drachenmaul. Erschöpft setzt sich der kleine Feuerdrache in den Schnee.
»Und was jetzt?«, fragt Matilda.
»Weiß auch nicht«, antwortet Kokosnuss. »Das dauert bestimmt noch eine ganze Weile, bis ich wieder Feuerkraft habe.«
Jetzt ist es ganz dunkel um sie herum, denn bis in den Schneetunnel reicht die Sonne nicht hinein.
Plötzlich hört Kokosnuss sein Drachenherz pochen. BUM, BUM, BUM macht es. Das Pochen wird immer lauter und auf einmal bebt die Erde.
Nanu, ist das immer noch mein Herz, das da pocht?, denkt Kokosnuss erstaunt. Auch Matilda und die Pinguine hören das dumpfe BUM, BUM, BUM.
»Was ist das denn?« Matilda rückt ganz dicht an Kokosnuss heran.
»Oh, ich fürchte, das ist kein gutes Zeichen«, antwortet der kleine Drache.
Wieder macht es BUM und die Erde zittert und bebt ganz in ihrer Nähe.
»Ohgottogott!«, rufen die Pinguine und verstecken sich hinter Kokosnuss.
»Was meinst du damit - kein gutes Zeichen?«, fragt Greta zitternd.
»Na ja, äh«, sagt Kokosnuss. »Wahrscheinlich handelt es sich hier um einen ausgewachsenen Fressdrachen. Nur ein Fressdrache würde so alleine durch die Große Ebene stapfen.«
»Oh nein, bitte nicht!«, ruft Matilda und springt auf Kokosnuss’ Arm.
In diesem Moment bricht ein riesiger Drachenfuß direkt neben ihnen durch den Schnee und ein mächtiges Drachenmaul nähert sich langsam schnüffelnd.
Zitternd drücken sich die Pinguine ganz fest an den kleinen Feuerdrachen. Jetzt spüren sie den stinkenden Atem des Fressdrachen.
»Na, was haben wir denn da?«, dröhnt der große Drache. »Vier kleine Leckerbissen. Und das mitten in diesem widerlichen Schnee. Da hab ich aber Glück!«
Kokosnuss blickt den Fressdrachen entschlossen mit blitzenden Augen an. »Wenn du auch nur noch ein winziges Stück näher kommst, dann verbrenn ich dir die Schnauze!«
Da hebt Matilda den Kopf. »Aber du kannst doch gar nicht...«
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»Schscht!«, zischt Kokosnuss und gibt Matilda einen Stoß.
»Also, du Riesen-Untier, was ist? Schnauze verbrennen oder lieber nicht?«
Der Fressdrache weicht ein Stück zurück und verzieht widerwillig das Maul. »Ein Feuerdrache, wie unangenehm!«, sagt er. »Ja, genau! Und du bringst uns jetzt ganz schnell zu den Himmelskratzern«, ruft Kokosnuss und richtet dabei drohend sein Maul auf den Fuß des Fressdrachen.
»Okay, okay! Springt schon auf!«, sagt der Fressdrache zerknirscht.
Kokosnuss, Matilda und die beiden Pinguine klettern samt Schlitten und Ausrüstung auf den Rücken des großen Drachen. »So, hü-hott!«, ruft Kokosnuss. »Auf geht’s zu den Himmelskratzern!«
Schnaubend stapft der Fressdrache los. Der tiefe Schnee reicht ihm gerade mal bis zu den Knien und es geht sehr schnell voran.
»Das war aber ganz schön riskant!«, flüstert Matilda. »Du hast doch gar keine Feuerkraft mehr.«
»Na und«, sagt Kokosnuss. »Das weiß doch der Fressdrache nicht. Opa Jörgen sagt immer, auf zwei Dinge im Leben kannst du dich verlassen: Erstens, Fressdrachen haben mächtige Angst vor Feuer. Zweitens, Fressdrachen sind ein bisschen dämlich. Und wenn du nur einen Funken Verstand hast, dann passiert dir nichts.«
Sehr beruhigend, denkt Matilda und schaut mit Unbehagen auf die langen, spitzen Zähne, die aus dem Maul des Fressdrachen ragen.
 
Bald sind sie am Ziel. Der Fressdrache lässt die vier genau unterhalb der Himmelskratzer absteigen. Dann verzieht er sich schnell wieder dorthin, wo er hergekommen war.
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