Titeldekoration

Elf

Gründe, keinen Langweiler zu mir nach Hause einzuladen:

Katie war wirklich sauer. Sie redete den ganzen Tag nicht mit mir. Als die Geschichtsstunde vorbei war, schob ich einen Kaugummi mit Zimtgeschmack auf ihr Pult – ihr Lieblingskaugummi. Sie nahm ihn mit spitzen Fingern, als wäre er ein zermatschter Regenwurm, und bot ihn Ryan an. Als es nach der letzten Stunde läutete, zog Katie ihre riesigen gelben Gummistiefel an und ging, ohne auf mich zu warten.

Es regnete. Katie stapfte durch die Pfützen nach Hause. Ich hatte in der Früh nicht daran gedacht, meine Gummistiefel anzuziehen. Also sagte ich schnell einen Zauberspruch auf, damit meine Socken trocken blieben, und lief ihr dann hinterher.

»Katie! Warte!«, rief ich. Als sie nicht stehen blieb, holte ich sie ein und packte sie am Jackenärmel. »Ich möchte mit dir reden.«

Katie machte sich mit einem Ruck los. »Ich muss nach Hause. Crackers muss gefüttert werden.«

»Ich kann dir dabei helfen«, bot ich an, obwohl ihr Vogel manchmal biss.

»Ich bin mir nicht sicher, ob meine Mutter erlaubt, dass ich jemanden mitbringe.« Katie wich meinem Blick aus. Wir wussten beide, dass ihre Mutter vorher nie etwas dagegen gehabt hatte, dass ich mitkam. »Vielleicht solltest du stattdessen zu Miranda hinübergehen.«

»Sei nicht sauer auf mich«, bat ich sie. »Ich möchte nicht zu Miranda. Ich wollte bloß zu ihrer Pyjamaparty, um zu sehen, wie es sein würde. Willst du denn nie wissen, wie es wäre, beliebt zu sein?«

»Nein.« Katie zog sich ihre Kapuze über den Kopf, um keinen Regen ins Gesicht zu kriegen. »Ich muss los.« Sie ging weiter die Straße hinunter.

Ich lief ihr nach. »Wie kann ich es wiedergutmachen? Möchtest du dir meinen rosa Pullover ausborgen?« Katie drehte sich nicht einmal um. »Oder du kannst meinen rosa Pullover haben. Ich weiß, dass es dein Lieblingspullover ist.« Ich hasste den Gedanken, meinen rosa Pullover herzugeben. Er war flauschig und kein bisschen kratzig. Aber Katie war meine beste Freundin.

»Ich will deinen Pullover nicht«, sagte Katie und marschierte geradewegs durch eine tiefe Pfütze.

»Und wenn ich dir Winston borge? Wir könnten mit ihm im Park spazieren gehen, und wenn irgendwer fragt, kannst du sagen, dass er dein Hund ist.« Hoffentlich spielte Winston dabei mit. »Oder wenn du willst, kann ich dir ein paar Plätzchen aus der Bäckerei meiner Mutter mitbringen. Die Toffeeplätzchen mit Schokostückchen.« Katie sagte noch immer nichts. Die Toffeeplätzchen waren wirklich die besten. »Ich bringe sie auch mit, solange sie noch warm sind«, sagte ich.

Katie blieb stehen. »Ich will weder deine Sachen noch deinen Hund noch deine Plätzchen!«

Ich wich einen Schritt zurück. Gleich würde ich zu weinen anfangen. Ich hatte meine erste Freundschaft mit einer Langweilerin vermasselt. »Du möchtest nicht mehr meine beste Freundin sein, oder?«

»Das ist nicht fair«, sagte Katie. »Du behauptest, du willst meine beste Freundin sein, aber du hast ständig Geheimnisse vor mir.«

»Nein, habe ich nicht«, protestierte ich.

»Du hast mir nichts von der Pyjamaparty erzählt. Du hast mir nicht gesagt, dass Nathan dich mag. Es gibt alle möglichen Dinge, von denen du mir nichts sagst. Und wieso war ich noch nie bei dir zu Hause?« Katie verschränkte die Arme vor der Brust.

»Es ist nicht so, dass du nicht vorbeikommen darfst. Ich finde bloß, dass es mehr Spaß macht, bei dir rumzuhängen.«

»Und was, wenn ich finde, dass es mehr Spaß macht, bei dir rumzuhängen?«, gab Katie heftig zurück.

Ich presste die Lippen zusammen. Mir fiel kein guter Grund ein, warum Katie mich nicht besuchen konnte. Ich konnte ihr unmöglich die Wahrheit sagen: dass meine Familie einfach zu seltsam war.

Katie fiel natürlich auf, dass ich nichts sagte. »Siehst du? Du willst nicht, dass ich zu dir komme.« Sie lief wieder los.

Ich packte sie am Arm, bevor sie zu weit weg war. »Ich werde mit meiner Mutter reden und sehen, ob du diese Woche vorbeikommen kannst.« Ich konnte sie auf keinen Fall sofort mitbringen. Es brauchte größere Vorbereitungsarbeiten, ehe sie auch nur einen Fuß über die Schwelle setzen konnte.

»Wirklich? Du lädst mich ein?«, fragte Katie.

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und nickte. »Klar.«

Katie berührte mich an der Schulter. »Du brauchst dir wegen deines Zuhauses keine Sorgen zu machen. Es muss nicht schick sein oder so.«

Ich versuchte, zu lächeln. »Ich weiß. Es ist mehr wegen meiner Familie. Sie sind …« Ich wusste nicht einmal, wie ich auch nur anfangen sollte, das zu erklären. »Meine Familie ist irgendwie schrullig.«

»Ich werde sie mögen, weil ich dich mag«, sagte Katie.

»Ich rede heute Abend mit meiner Mutter«, versprach ich.

Katie lächelte und sah dann zu Boden. »Das ist seltsam. Schau deine Beine an.«

Ich blickte nach unten. Meine Hose war vom Regen ganz durchnässt – doch von meinen Schuhen bis eine Handbreit unter den Knien war sie knochentrocken. Oh-oh. Ich hatte nicht daran gedacht, wie der Zauber für trockene Socken aussehen würde.

»Nun, ich sollte dich jetzt gehen lassen, damit du Crackers füttern kannst. Sie muss langsam hungrig werden.« Ich trat einen Schritt zurück.

»Wie schaffst du es bloß, trocken zu bleiben?«

»Oh, das sind Spezialsocken. Meine Mutter bestellt sie in einem Laden, der auf Socken zum Schwimmen spezialisiert ist.« Kaum war die Geschichte heraus, wusste ich auch schon, dass sie überhaupt keinen Sinn ergab.

»Socken zum Schwimmen? Davon hab ich noch nie gehört.« Katie verzog ungläubig das Gesicht.

»Du willst doch nicht, dass Crackers allzu hungrig wird. Sie ist ohnehin ein ziemlich dünner Vogel.« Ich machte noch ein paar Schritte in meine Richtung.

»Warte mal, kann ich mir deine Socken mal aus der Nähe ansehen?«, rief Katie.

»Ich muss jetzt los! Wir sehen uns morgen!«, brüllte ich über die Schulter zurück, bevor ich nach Hause rannte. Hoffentlich fiel Katie nicht auf, dass meine Beine trocken blieben, obwohl ich durch Pfützen platschte.