Wenn jemand sieht, wie du mit einem Hund sprichst, wird er das ganz normal finden.
Im Allgemeinen richtig, es sei denn, die Person erwischt dich dabei, wie du eine heftige Diskussion mit dem Hund führst, von der sie nur die eine Seite mitkriegt. In diesem Fall wird derjenige finden, dass du der seltsamste Mensch bist, den er je getroffen hat.
Katie und ich bastelten in meinem Zimmer. Ihre Mutter hatte ihr ein Buch besorgt, in dem stand, wie man aus kleinen Wattebällchen und Pfeifenreinigern Tiere machte. Bis jetzt hatten wir einen Löwen und eine Giraffe gebastelt. Der Löwe sah ziemlich gut aus, aber die Giraffe ließ dauernd den Kopf hängen. Katie war es langweilig geworden, den Anleitungen zu folgen, und bastelte jetzt ihre eigenen Tiere. Sie klebte drei Wattebällchen auf den Hals einer Kreatur.
»Das wird ein dreiköpfiger Hund«, sagte sie. »Wie bei Harry Potter, nur dass er nicht Furcht einflößend ist, sondern freundlich.«
Winston, der vom Bett aus alles beobachtete, schnaubte. »Jemand sollte ihr sagen, dass der Hund in Harry Potter erfunden ist. Dreiköpfige Hunde!« Er schnaubte noch einmal. »Absurd. Warum sollte man an einem vollkommenen Geschöpf wie einem Hund herumpfuschen? Wir sehen von Natur aus gut aus. Natürlich sehen manche von uns besser aus als andere.«
Ich beachtete Winston gar nicht. »Schau, ich hab eine Schlange gemacht.« Ich hielt einen Pfeifenreiniger hoch, den ich zu einem S gebogen hatte. Katie und ich lachten. Die Anspannung, die mir die Brust zusammenschnürte, seit wir bei mir waren, begann sich zu lösen. Alles würde gutgehen.
In dem Moment sah ich meinen Vater. Ich ließ meine Pfeifenreinigerschlange fallen.
Mein Vater schwebte direkt vor meinem Fenster und spähte herein. Er hatte noch immer sein Notizbuch dabei und vermerkte darin, wie Katie spielte. Seine Brille war ihm auf die Nasenspitze gerutscht. Was dachte er sich eigentlich dabei? Wie wollte er erklären, was er da draußen vor dem Fenster im zweiten Stock machte, falls Katie ihn sah? Ich fuchtelte mit der Hand in seine Richtung, um ihm zu verstehen zu geben, dass er verschwinden musste. Papa winkte zurück.
Katie wollte sich gerade umdrehen und nachschauen, wo ich da hinblickte. Ich sprang auf, stolperte dabei fast über unsere Schultaschen, stürzte zum Fenster und zog die Vorhänge mit einem Ruck zu.
»Ist es hier drinnen zu hell? Ich glaube, es ist zu sonnig.« Ich lehnte mich an die Wand und versuchte, normal auszusehen. Ich atmete schwer. »Ich möchte keinen Sonnenbrand kriegen, während ich hier drin sitze.«
Katie stand auf. »Es ist nicht zu hell. Wir brauchen Licht, wenn wir was sehen wollen.« Sie griff nach den Vorhängen, um sie aufzuziehen.
»NEIN!«, brüllte ich.
Die Vorhänge gingen auf, aber dahinter war nichts. Mein Vater war unten im Garten und hatte die Heckenschere in der Hand. Er musste gleich, nachdem ich ihn gesehen hatte, nach unten geschwebt sein.
Katie sah mich kurz verwundert an, doch dann fiel ihr Blick auf ein Glaskästchen mit regenbogenfarbenem Feenstaub auf meinem Schreibtisch.
»He! Du hast da ja Glitzer.« Katie hob den Feenstaub hoch. »Den können wir für unsere Tiere verwenden.«
Mir blieb das Herz stehen. Es war nicht abzusehen, was alles passieren konnte, wenn Katie den Staub ausstreute. Winston könnte sich in einen Elefanten verwandeln, womöglich fiel lindgrüner Schnee von der Decke, oder vielleicht brach auf dem Klo ein Gewitter aus. Das Bett könnte anfangen zu schweben, der Teppich sich in Wasser verwandeln, oder Katie könnte verschwinden. Leichtsinniger Gebrauch von Feenstaub konnte alle möglichen Probleme verursachen.
»Ich brauche diesen, ähm, Glitzerstaub für ein Projekt«, sagte ich. Mein Mund war total trocken. Ich streckte die Hand aus, um ihr das Glaskästchen abzunehmen. Hoffentlich fiel ihr nicht auf, wie meine Hand zitterte.
»Ich nehme mir nur ein bisschen für die Nasen meines dreiköpfigen Hundes.« Katie machte sich daran, den Deckel abzuschrauben.
Ich hechtete durchs Zimmer und riss Katie das Kästchen aus der Hand. Ich stürzte schwer zu Boden und rollte mich ab. Langsam öffnete ich die Hand. Der Deckel war noch immer zu. Ich atmete tief durch und spürte, wie mich eine Woge der Erleichterung durchflutete. Bis ich aufblickte und sah, wie Katie mich anstarrte.
»Du scheinst diesen Glitzerstaub ja wirklich dringend für was anderes zu brauchen«, sagte Katie.
»Tut mir leid. Aber ich habe meiner Mutter versprochen, dass ich ihn für ein gemeinsames Projekt verwende. Was ihren Glitzer angeht, ist sie heikel«, sagte ich.
Hoffentlich würde Katie – nachdem ich sie im Grunde gerade attackiert hatte, um das Kästchen zurückzukriegen – nicht sagen, dass in Wirklichkeit ich diejenige war, die heikel mit ihrem Bastelzubehör war.
»Ich gehe ins Badezimmer«, sagte Katie.
Ich folgte ihr durch den Flur. Ich wollte dafür sorgen, dass der Spiegel die Klappe hielt. Auf halbem Weg blieb Katie stehen. Mir dämmerte, dass sie es wahrscheinlich seltsam fand, dass ich mitkam.
»Ich möchte bloß sichergehen, dass du weißt, wo das Badezimmer ist«, sagte ich. Ich zeigte auf das Badezimmer, was irgendwie doof war. Schließlich war das Obergeschoss nicht so groß.
Als sie uns im Flur hörte, machte Lucinda ihre Tür auf und spähte verstohlen nach draußen. Kaum hatte sie Katie gesehen, stürzte sie durch den Flur und warf sich vor die verschlossene Tür des Gästezimmers, als würde Katie mit der Axt darauf losgehen.
»Da kannst du nicht rein!«, rief Lucinda. »Dieses Zimmer ist tabu. Lang… ähm, Gäste haben keinen Zutritt.«
»Okay. Ich wollte bloß ins Badezimmer«, erklärte Katie und wich vor meiner Schwester zurück.
»Das Gästezimmer ist ein bisschen unordentlich, deshalb lassen wir keine Gäste rein«, sagte ich. »Es ist so was wie ein Gästezimmer-nicht-für-Gäste.«
Katie schlüpfte ins Badezimmer und machte die Tür hinter sich zu.
»Führ dich nicht dauernd so idiotisch auf«, zischte ich Lucinda an.
»Was, wenn sie das Zimmer gesehen hätte? Wie hättest du ihr meine Orangenkutsche erklärt?«, gab Lucinda flüsternd zurück. »Es ist ein großer Fehler, eine Langweilerin im Haus zu haben. Es gibt zu viele Möglichkeiten, wie sie herausfinden könnte, dass wir Feen sind.«
»Sie wird es nicht rausfinden.« Ich stolzierte in mein Zimmer zurück.
Winston war überrascht, mich so schnell wiederzusehen. Er hatte einen Pfeifenreiniger im Maul.
»Winston!«, brüllte ich und entriss ihm den Pfeifenreiniger. Es war nur noch der Draht übrig. Die pelzige Umhüllung war abgekaut. Ich hielt ihm den feuchten, gebogenen Draht vors Gesicht.
»Er lag auf dem Boden«, verteidigte sich Winston. »Du weißt, dass ich nicht widerstehen kann, wenn Dinge auf dem Boden herumliegen.« Er ließ den Schwanz nach unten hängen. Ich brüllte ihn fast nie an.
Ich setzte mich neben Winston, sah unser Bastelzeug an und räumte ein bisschen auf. Ich hatte das Gefühl, Katie würde bald nach Hause wollen. »Wenigstens hast du nicht Katies dreiköpfigen Hund gefressen. Das ist so ungefähr das Einzige, was nicht schiefgegangen ist.«
»Ihr hat es bestimmt gefallen. Wahre Freunde erwarten nicht, dass alles perfekt ist«, sagte Winston und legte seine Schnauze auf mein Knie. »Freunde mögen dich so, wie du bist. Sogar wenn du, nur als Beispiel, manchmal an Dingen rumkaust, an denen du nicht rumkauen solltest.«
»Ich bin nicht wirklich sauer auf dich, weil du an dem Pfeifenreiniger rumgekaut hast. Ich wollte bloß, dass Katies Besuch ein Erfolg wird. Wie sollen wir jemals beste Freundinnen sein, wenn ich sie nie zu mir einladen kann?«
»Vielleicht braucht es etwas Übung, Leute zu Besuch zu haben. Wenn man etwas zum ersten Mal macht, ist es immer schwieriger«, sagte Winston. »Wenn sie das nächste Mal vorbeikommt, wird deine Mutter wissen, das sie nicht ganz so viel zu essen machen muss. Und Lucinda könnte den Nachmittag vielleicht mit eurer Großmutter verbringen.«
Ich zupfte am Teppich herum. »Ich glaube nicht, dass Katie jemals wiederkommen möchte. Und selbst wenn, bin ich mir nicht sicher, ob Mama und Papa es noch mal erlauben werden. Wir können nicht riskieren, dass sie herausfindet, wer wir wirklich sind.«
»Was meinst du mit: Wer wir wirklich sind?«
Ich fuhr herum. Katie stand in der Tür und sah mich an. Oh-oh. Das hier würde schwieriger zu erklären sein als der Schokoladenbrunnen.