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So werden Mahlzeiten zum Vergnügen

Vor mir in meinem kleinen Untersuchungszimmer saßen Mutter und Vater, beide mit höherer Schuldbildung, berufstätig und Mitte 30. Der Vater wippte auf seinen Knien ein Baby in einem braunen Strampler mit blauen Paspeln. Der kleine Junge hieß Chase, und als ich seine Unterlagen überflog, erfuhr ich, dass er reif und gesund geboren worden war und auch seine Entwicklung anfangs in jeder Beziehung normal verlief. Doch ein Blick auf den Jungen genügte, um zu wissen, warum er bei mir war. Mit seinen acht Monaten hätte man ihn für ein vier Monate altes Baby halten können. Seine Haut wirkte beinah durchsichtig, seine Augenlider waren blassblau und zeigten einen violetten Schimmer. In seinen winzigen, gespreizten Händen konnte ich die Venen erkennen. In den Papieren stand, dass seine Größe und sein Gewicht bei der Geburt genau auf dem Mittelwert der Normkurve gelegen hatten, aber jetzt wog er etwas über sechs Kilogramm und war damit für sein Alter viel zu leicht. Chase’ Eltern, Erica und Nick, waren viele Kilometer gefahren, um in meine Sprechstunde zu kommen. In mehreren Besuchen bei ihrem Kinderarzt vor Ort hatte nicht geklärt werden können, warum dieses ansonsten gesunde Kind nicht zunahm. Der Vater lächelte nervös, und seine Augen waren voller Hoffnung, dass ich seinem Baby helfen könnte.

Ich tat mein Bestes, damit die Eltern sich entspannten, und ließ das Baby auf dem Schoß seines Vaters, während ich es untersuchte. Ich überprüfte seinen Herzschlag und tastete mit den Händen seinen eingesunkenen Bauch und seine dünnen, knochigen Ärmchen und Beinchen ab, fand aber nichts, was seinen Zustand erklärt hätte. Während sich meine Hände über den Körper des kleinen Jungen bewegten, befragte ich die Eltern im Plauderton, um mehr über dessen Gesundheit, Entwicklung und Ernährungsgewohnheiten zu erfahren. Wie oft brauchte Chase eine neue Windel? Wie oft und wie lange schlief er? Wie sah sein Stuhl aus? Was aß er?

»Das ist das Problem. Er will nicht essen«, sagte Erica.

Ich fragte, was sie ihm zu essen gaben.

»Viele verschiedene Sachen«, antwortete sie. »Tofu. Lima-Bohnen. Linsen. Natürlich nur Biosachen.«

»Wir geben ihm nie dieses industriell hergestellte Zeug«, fügte Nick hinzu. In dem Blick, den er mir zuwarf, lag die Überzeugung, dass wir da doch sicher einer Meinung wären. »Es ist furchtbar, was manche Eltern ihren Kindern zu essen geben.«

Im weiteren Verlauf unseres Gesprächs fand ich heraus, dass Chase noch nie in einem Hochstuhl gesessen hatte; seine Eltern hielten ihn lieber auf dem Schoß, weil sie ihrer Meinung nach so besser verhindern konnten, dass er sich verschluckte. Chase hatte sein Essen nie anfassen dürfen. Neben dem Muttermilchersatz bekam er nur Pürees aus dem sehr begrenzten Angebot an Biogemüse, das es im Supermarkt von Ericas und Nicks Wohnort gab. War es da ein Wunder, dass das Kind nicht essen wollte?

Ich sagte Chase’ Eltern, dass sie auf dem Heimweg am Supermarkt halten und mehrere Sorten Obst und Gemüse in allen Farben kaufen sollten, außerdem noch etwas Hühnerfleisch und Milchprodukte. Wenn es die Sachen in Bioqualität gäbe, umso besser, aber wenn nicht, sollten sie einfach kaufen, was hübsch und lecker aussah. Dann sollten sie nach Hause fahren, daraus eine Mahlzeit für sich selbst bereiten, eine Portion davon in kleine, mundgerechte Stücke schneiden, Chase in einen Hochstuhl setzen und diese Häppchen vor ihm ausbreiten. Ich bestand darauf, dass sie ihn mit dem Essen spielen und ihn in Ruhe ließen, damit er selbst herausfinden könnte, wie er es in seinen Mund bekam. Wenn er es sich in die Haare schmierte, auch gut. Von jetzt an sollten die Mahlzeiten vergnügliche soziale Zusammenkünfte sein und keine Kampfschauplätze mehr. Außerdem regte ich an, dass sie zu einer von mir empfohlenen Ernährungsberaterin gingen.

Nick und Erica waren sichtlich nervös, aber dankbar, dass sie jetzt einen Plan hatten, und sie hofften, dass er ihrem Sohn helfen würde. Sie waren liebevolle Eltern, die ihrem Kind einfach nur den gesündesten Start ins Leben hatten ermöglichen wollen. Sie ahnten, dass etwas falsch lief, weil Chase sich immer gegen das wehrte, was sie ihm zu essen gaben. Aber sie hatten viel darüber gelesen, womit, ab wann und wie man kleine Babys füttern durfte, also blieben sie bei dem, was sie für richtig hielten. Als ich fragte, warum sie Chase nichts anderes angeboten hatten, als er ihr Essen ablehnte, antwortete Erica: »Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich wollte eine perfekte Mutter sein und nur die besten Bioprodukte kaufen. Wenn es etwas in unserem Laden nicht in Bioqualität erhältlich war, gab ich es ihm eben gar nicht. Ich dachte, diese Milch wäre ausreichend. Schließlich ist er noch sehr klein.«

Zwar handelt es sich bei Chase’ Geschichte um einen Extremfall, aber wahrscheinlich plagen viele Eltern manchmal ähnliche, wenn auch nicht ganz so starke Zweifel und Ängste wie Chase’ Eltern. Die meisten werden zugeben, dass sie ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie die teuren Biozucchini liegen lassen und stattdessen zu der preiswerteren, konventionell angebauten Variante greifen. Seit wir uns der Pestizide und Hormone in unseren Nahrungsmitteln stärker bewusst sind, verstehen wir, wie wichtig unsere Nahrung ist, nicht nur als ein Barometer für unsere Gesundheit, sondern auch als kultureller Maßstab und Gesellschaftskitt. Doch hier tut sich eine interessante Kluft zwischen uns und dem Rest der Welt auf. Die Art, wie wir unsere Kinder ernähren, verdeutlicht am besten, dass das, was in einer Kultur als das »Beste« gilt, für eine andere noch lange nicht stimmig sein muss. Durch meine Erfahrungen in verschiedenen Kulturen und dadurch, dass ich viele Kinder beim Essen beobachtet habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Kinder dieser Welt im Grunde genommen alle gleich sind; Unterschiede bestehen nur in puncto Speiseplan und in der Erziehung.

Im Grunde genommen sind die Kinder dieser Welt alle gleich; Unterschiede bestehen nur in puncto Speiseplan und in der Erziehung.

Wie wir schlechte Esser heranziehen

In den USA bekommen die Kinder als erste feste Kost meist eine Babynahrung auf Reisbasis, die mit Muttermilch oder Muttermilchersatz sowie pürierten Bananen gemischt wird. Danach geht man hierzulande zu einer Ernährung aus Getreide, Gemüse und gehacktem Fleisch über. In Japan dagegen bekommen sechs Monate alte Babys oft fein gehacktes Nattō (stark riechende fermentierte Sojabohnen) und Gerstentee und mit zwei Jahren im Allgemeinen schon Sushi98; Inuit-Kinder lernen, auf Algen, Nuk-tuk (Robbenspeck) und – manchmal rohem – Walfleisch herumzukauen; nigerianische Babys mögen Egusi – Melonenkerne –, die zu weichen, pastenartigen Bällen gestampft werden, und fermentierte Maniokwurzeln; koreanische Kinder essen Kimchi; Polynesier geben ihren Kleinen Poi-poi, eine Mischung aus Kokoscreme und Brotfrucht; und in Tibet bekommen die Babys zum Abstillen Tsampa, Gerstenmehl vermischt mit Tee und Yak-Butter. Bedenkt man diese Vielfalt an Nahrungsmitteln, die Babys überall auf der Welt fröhlich verzehren, sollte es eigentlich keinen Grund dafür geben, dass in den USA ein Problem mit schwierigen Essern besteht.

Doch dieses Problem ist real. Eine Studie ergab, dass 50 Prozent aller Kinder zwischen vier und 24 Monaten von ihren Betreuern als schwierige Esser bezeichnet werden.99 Wahrscheinlich beklagen sich auch in anderen Ländern Eltern darüber, dass ihre Kinder bestimmte Sachen nicht essen wollen, aber so etwas wie hierzulande ist mir bisher noch nicht untergekommen. Kann es sein, dass die Kinder in den USA feinere Geschmacksknospen haben als Kinder im Ausland? Zwar weisen Untersuchungen darauf hin, dass einige Kinder biologisch bedingt empfindlicher auf bestimmte Geschmacksrichtungen reagieren als andere und es länger dauert, sie an starke Aromen zu gewöhnen,100 trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass in den USA so viel mehr Kinder von Natur aus geschmacksempfindlicher sind als Kinder in anderen Teilen der Welt.

Warum weigern sich so viele Grundschüler in diesem Land, Gemüse zu essen, warum ernähren sich so viele Kinder hauptsächlich von Produkten aus Weißmehl und Zucker? Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist, dass dieses Verhalten kulturell bedingt und angelernt ist. Auch wenn der amerikanische Gaumen sich in letzter Zeit verfeinert hat und wir heute häufiger an anderen Küchen der Welt Gefallen finden, ziehen die meisten Leute hierzulande noch immer süße Geschmacksrichtungen den herzhaften vor. Im Allgemeinen liegen uns die scharfen, kräftig oder sauer schmeckenden Nahrungsmittel nicht besonders, die in vielen Regionen der Welt zum Alltag gehören. Viele US-Amerikaner stößt auch die Vorstellung ab, Innereien zu verzehren – in vielen anderen Ländern, auch in der westlichen Welt, werden diese zu beliebten Gerichten verarbeitet. Schottland hat sein »Haggis« mit Schafsinnereien, Franzosen lieben ihre Gänseleberpastete, und die meisten Länder – von Spanien über Schweden bis nach Deutschland – sind stolz auf ihre Version der Blutwurst. Es ist jedoch etwas anderes, ob man keine Chilischoten mag oder lieber Broccoli als Spargel isst, oder ob man grundsätzlich alles ablehnt, was mit Soße zubereitet wurde oder grün ist. Wenn man sich irgendwann nur noch von Cheeseburgern ernährt, wird es zum Problem.

Meiner Erfahrung nach haben die Kämpfe, die Familien bei den Mahlzeiten austragen, die gleichen Ursachen wie die meisten pädagogischen Herausforderungen der heutigen Zeit: Stress und Unsicherheit. Das kann bereits im Säuglingsalter beginnen, wenn es Schwierigkeiten beim Stillen, mit Reflux, einer Laktoseintoleranz oder Kuhmilchallergie gibt. Bei älteren Kindern stehen die Eltern oft vor einer frustrierenden Wahl: Sie können zum Beispiel warten, bis das Kind sich entschließt, morgens endlich die kleine Schüssel mit dem nahrhaften Quinoa-Frühstücksbrei oder den Teller mit Rührei leer zu essen, oder sie drücken ihm ein Toastbrot oder ein süßes Gebäckstück für die Fahrt im Auto in die Hand, damit alle pünktlich zur Arbeit und in den Kindergarten beziehungsweise die Schule kommen. Abends läuft es ähnlich ab. Den meisten Eltern ist klar, dass kleine Kinder ungefähr neun bis zwölf Stunden Schlaf brauchen. Die bekommen sie aber sicher nicht, wenn man sie abends so lange am Esstisch sitzen lässt, bis sie bereit sind, ihren Teller mit den gesunden Sachen leer zu essen. Arten die Mahlzeiten zu solchen Kämpfen zwischen Eltern und Kindern aus, wirkt sich die Frustration auf die ganze Familie aus. Daher wählen Eltern oft den einfachen Weg, geben dem Druck nach und beugen sich der Vorliebe der Kinder für stärkehaltige, fette und süße Sachen – es ist einfacher, als immer wieder Kämpfe auszutragen. Das Ergebnis sind schwierige Esser. Wenn Neunjährige irgendwann gar nichts anderes mehr essen wollen, zucken die Eltern resigniert die Schultern.

Als Ärztin kann ich bestätigen, dass es bei der überwiegenden Mehrheit der schwierigen Esser keinen biologischen Grund für deren Verhalten gibt. Wenn es so wäre, würden sich auch viele Kinder in anderen Ländern lediglich von Butternudeln oder Hähnchen mit Reis ernähren. So ist es aber normalerweise nicht. Der Geschmackssinn von Babys kann trainiert werden, und es lohnt sich, damit so früh wie möglich zu beginnen, lange bevor irgendwelche Erwartungen an das Essen und gemeinsame Mahlzeiten gestellt werden. Wenn Sie Ihre Kleinen frühzeitig an eine breite Palette verschiedenster Nahrungsmittel gewöhnen, macht das nicht nur die kommenden Mahlzeiten für Sie angenehmer, sondern es sorgt auch dafür, dass Ihre Kinder mit den nötigen Nährstoffen versorgt werden. Zudem bereitet es die Grundlage dafür, dass Kinder später offen für neue kulinarische Erfahrungen sind. Essen soll Spaß machen!

Essen soll Spaß machen!

Muttermilch schmeckt süß, daher werden mir viele Wissenschaftler zustimmen, dass Babys zunächst einmal darauf programmiert sind, süß Schmeckendes vorzuziehen. Nach meinen Beobachtungen kann man jedoch schon im Säuglingsalter durch die Einführung von herzhaften oder zumindest nicht süß schmeckenden Nahrungsmitteln einer breit gefächerten und nahrhaften Ernährung den Weg ebnen. Zum Beispiel könnten Sie Ihrem Baby zu Beginn etwas Mildes wie Reisflocken geben, die Sie mit Muttermilch oder Muttermilchersatz mischen. Das mögen die meisten Babys, sodass die Erfahrung mit Beikost gleich positiv beginnt. Nach ein paar Wochen könnten Sie als Nächstes püriertes Gemüse, zum Beispiel Karotten oder Kürbis einführen, und wenn Ihr Kind sich daran gewöhnt hat, können pürierte Früchte wie Bananen oder gedünstete Äpfel folgen. Machen Sie einen Bogen um gezuckerten Obst- oder Getreidebrei. Wenn Kinder schon früh an intensiv süß schmeckendes Essen gewöhnt werden, kann es sehr schwierig sein, sie später dazu zu bringen, andere, natürliche Geschmacksrichtungen zu akzeptieren.

Dass es – wenn auch ungewollt – dazu kommen kann, konnte ich beobachten, wenn Babys mit einer Magen-Darm-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Die beste Behandlung ist das Stillen – gestillte Babys übergeben sich nicht so oft, selbst wenn sie krank sind. Doch mit Muttermilchersatz gefütterte, von Dehydrierung bedrohte Babys erhalten dann oft eine Elektrolytlösung, die meist sehr süß ist. Babys, bei denen zur Behandlung die übliche Flaschenmilch durch diese Lösung ersetzt wurde, wollten Ihre Flaschenmilch danach nicht mehr. Sie mussten zunächst eine Zeit lang mit einer Mischung aus der süßen Lösung und ihrer vorherigen Babymilch gefüttert werden, bevor sie die pure Säuglingsnahrung wieder akzeptierten.

Einführung von Beikost

Es gibt wahrscheinlich so viele verschiedene Arten, feste Nahrung bei Babys einzuführen, wie es Arten von Lebensmitteln gibt. Ich selbst habe Eltern viele Jahre lang den unten stehenden Zeitplan empfohlen. Mit dem Ergebnis waren die Mütter und Väter sehr zufrieden. Ihre Kinder aßen nicht nur gerne, sondern zogen abwechslungsreiches, nahrhaftes Essen einer einseitigen, eintönigen Ernährung vor.

Je älter Ihr Baby wird, umso mehr Neues kann es nach und nach ausprobieren. Ich würde etwa jeden Monat etwas mit einer festeren Textur hinzufügen, sodass die Kinder mit zehn oder zwölf Monaten selber essen können, und zwar fast das Gleiche wie der Rest der Familie. Auch wenn die Kleinen ihre Zähne noch nicht haben, können sie alles essen, was zu einer vollständigen Mahlzeit gehört, man muss es ihnen nur in winzige Stückchen schneiden oder pürieren.

Nie werde ich den kleinen Jared vergessen – ich wäre froh, wenn mehr Kinder wie er essen lernten: Er war der Erstgeborene seiner Eltern, und als wir über seine Ernährung sprachen, hörte seine Mutter aufmerksam zu, während sein Vater Notizen in sein Smartphone tippte. Bei jeder Vorsorgeuntersuchung sprachen wir über seine Fortschritte. Jared war ein Vorzeigebaby. Er war immer zufrieden, schlief gut und aß mit einem breiten Lächeln alles, was seine Eltern ihm vorsetzten. Seine Mutter erzählte mir, dass er nie etwas ablehnte, was sie ihm anbot. Süßigkeiten gab sie ihm nie. Er liebte Fisch wie zum Beispiel Heilbutt, alle Gemüsesorten einschließlich Rosenkohl sowie Obst und Milchprodukte. Beim Essen saß er immer im Hochstuhl, egal wo sie mit ihm hingingen, und er aß selbstständig mit den Fingern. Wenn sie in einem Restaurant waren, bekam er etwas von den Gerichten der regulären Speisekarte ab; spezielle Kindergerichte wurden nicht bestellt.

Der folgende Ernährungsplan zeigt Ihnen, wie Sie es anstellen können, dass Ihre Kinder später gerne abwechslungsreich essen und sich nicht davor scheuen, Neues auszuprobieren.

0 bis 4 Monate: Nur Muttermilch, Muttermilchersatz oder eine Mischung aus beidem.

4 bis 6 Monate: Wenn Ihr Baby sich neben seiner Milch offensichtlich auch für andere Nahrung interessiert (zum Beispiel nach Ihrer Gabel greift oder jeden Ihrer Bissen mit den Augen verfolgt), können Sie langsam mit der Einführung von Beikost beginnen. Bieten Sie ihm immer nur eine neue Sache auf einmal an und warten Sie drei bis vier Wochen, bevor Sie ihm wieder etwas Neues geben. Beginnen Sie mit etwas Reisflockenbrei, als Nächstes bieten Sie ihm püriertes gelbes, danach grünes Gemüse an, und dann andere Gemüsesorten, die Sie mögen (zerdrückte Auberginen sind der Favorit iranischer Babys). Nun können Sie mit pürierten oder zerdrückten Früchten wie Bananen oder Avocados fortfahren. Sie können das Essen für Ihr Baby selbst zubereiten, aber Fertigkost in Gläsern ist auch in Ordnung (nur haben Sie da keine so große Auswahl). Diese erste feste Nahrung soll vor allem schmecken, sie ist eher pädagogisch wichtig, und es kommt nicht so sehr auf den Nährwert an. Der Großteil des Nahrungsbedarfs Ihres Babys wird ja noch immer von der Muttermilch oder dem Muttermilchersatz gedeckt.

6 Monate: Nun beginnt es, interessant zu werden. Wenn Ihr Baby erst einmal in einem Hochstuhl sitzen kann, sollten Sie ihm zunächst vier bis sechs erbsengroße Bissen auf sein Tischchen oder einen kleinen Teller legen und es damit spielen lassen. Am besten geben Sie ihm anfangs weiche Gemüsestückchen und klein geschnittenes Obst. Bieten Sie ihm ruhig etwas mit intensiverem Aroma an, zum Beispiel Tomaten und Zucchini. Während Ihr Baby das Essen mit den Fingern untersucht oder es sich in den Mund schiebt, füttern Sie es mit dem Löffel – geben Sie ihm zum Beispiel pürierte Kartoffeln, Süßkartoffeln oder nach Packungsbeilage angerührte Baby-Getreideflocken, bis es genug hat. Erlauben Sie Ihrem Kind, das Essen zu zerquetschen und es zwischen den Fingern zu fühlen – auf diese Weise lernen Babys. Sie werden vielleicht erstaunt sein, wie viel von dem Essen im Babymund landet. Wenn das Tischchen leer ist und Ihr Baby augenscheinlich noch mehr essen möchte, legen Sie ihm eine neue Auswahl kleiner Bissen hin.

Füttern Sie Ihr Baby nicht nur, lassen Sie es auch üben, eigenständig zu essen. Es wird das gut hinbekommen, wenn es die anderen am Tisch nachahmen kann. Bieten Sie ihm Essen von Ihrem eigenen Teller an, damit sich Ihr Baby daran gewöhnt, das zu mögen, was Sie mögen. Am besten geben Sie ihm immer das, was Sie für die jeweilige Mahlzeit auch für sich selbst zubereitet haben (solange es weich, klein geschnitten und nicht zu stark gewürzt ist). Babys essen gern zusammen mit der Familie und freuen sich, wenn sie das Gleiche bekommen wie die anderen auch. Stellen Sie ihm eine Trinklerntasse mit Wasser hin, sodass es auch selbstständig trinken kann. Anfangs braucht Ihr Kleines vielleicht noch Hilfe, aber meist lernen Babys ziemlich schnell, wie Sie die Tasse hochheben und daraus trinken können. Auch wenn die Kleinen in diesem Alter ihre Nährstoffe noch zum größten Teil über Milch zu sich nehmen, sollten sie am Esstisch keine Milch bekommen. Sie sättigt so sehr, dass die Kinder nicht mehr an der Mahlzeit teilnehmen. Nach dem gemeinsamen Essen geben Sie Ihrem Baby etwas Zeit, die feste Kost zu verdauen, danach können Sie ihm noch Milch anbieten.

7 Monate: Jetzt können Sie Ihrem Baby auch schon fein gehacktes und gekochtes helles Fleisch geben, zum Beispiel vom Huhn, von der Pute, vom Schwein, Kochschinken sowie weißfleischigen Fisch (komplett entgrätet!).

8 Monate: Die Kleinen können nun auch Hackfleisch vom Rind oder Lamm essen. In einigen europäischen Ländern bekommen acht Monate alte Babys auch bereits Nierchen und Leber, entweder gekocht oder in Form von Pastete. Versuchen Sie es! Innereien sind unglaublich nahrhaft und sehr köstlich, wenn sie richtig zubereitet sind. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, weil Ihr Kind noch keine Zähne hat – es hat starkes Zahnfleisch, mit dem es sehr gut kauen kann.

9 bis 12 Monate: Jetzt wird der Spaß noch größer! Um diese Zeit führe ich normalerweise gern Milchprodukte ein. Milchprodukte gibt es ja in sehr großer Auswahl, experimentieren Sie also mit den verschiedensten Käsesorten, mit vollfettem Joghurt oder selbst gemachtem Pudding (mit wenig Zucker). Und geben Sie Ihrem Kind hin und wieder auch etwas gekochtes Ei.

Ich möchte kein Essen wegwerfen, mein Kind aber auch nicht zwingen, seinen Teller leer zu essen. Was tun?

Setzen Sie Ihrem Kind sehr kleine Portionen vor und geben Sie ihm nach Bedarf mehr, wenn es gut isst. Oder Sie geben ihm zuerst nur von einer Beilage einen Löffel voll und ergänzen die anderen Bestandteile der Familienmahlzeit im Lauf des Essens. Am besten servieren Sie sein Lieblingsessen zusammen mit anderen Sachen, die nicht ganz so beliebt oder noch nicht so vertraut sind.

Blick über den Tellerrand: So wird Ihr Kind zum unkomplizierten Esser

Gemeinsam essen

Sobald Sie feste Nahrung eingeführt haben, ist es wichtig, dass Sie oder andere Betreuungspersonen das Kind zum Essen an den Tisch setzen. Ich habe viele Mütter getroffen, die nicht die Zeit hatten oder sich nicht in der Lage fühlten, zu Hause zu kochen, um ihre Familie gut zu ernähren. Ich bin Kindern begegnet, die meinten, dass nur arme Leute zu Hause kochen, weil diese es sich nicht leisten könnten, Fertigmahlzeiten zu kaufen oder im Restaurant zu essen. Und ich habe gehört, dass es bei jungen Familien zu Hause manchmal keinen Tisch mit Stühlen gibt, an dem sie sich alle zusammen zum Essen hinsetzen können. Wenn auch Sie daran gewöhnt sind, auf die Schnelle, im Stehen oder unterwegs etwas zu essen, sollten Sie sich das möglichst schnell wieder abgewöhnen. Ihr Kind sollte von Anfang an die Erfahrung machen, dass die Mahlzeiten eine vergnügliche Zusammenkunft der ganzen Familie sind.

Damit bereits Ihr Baby diese Erfahrung machen kann, ist es wichtig, dass Sie ihm das geben, was Sie selbst essen, und es füttern, wenn auch Sie Ihre Mahlzeit einnehmen. Viel zu oft essen kleine Kinder getrennt von der Familie. Die Eltern wollen sie zeitig ins Bett bringen, um dann etwas Ruhe bei einem »richtigen« Abendessen zu haben. Leider ist es auch üblich, den Kleinen etwas anderes zuzubereiten als dem Rest der Familie (nicht nur Restaurants haben ein spezielles Angebot für Kinder). In den meisten Ländern der Welt wäre es für Familien eine seltsame Vorstellung, dass Kinder nicht mit den Erwachsenen zusammen und nicht das Gleiche wie diese essen sollen. Außerdem ist es viel mehr Arbeit, verschiedene Mahlzeiten zuzubereiten! Diese Zeit könnte man besser für die intensive Beschäftigung mit seinem Kind nutzen.

Eltern wird oft empfohlen, vor den Augen ihrer Kinder gesunde Dinge zu essen, damit diese es ihnen nachtun. Das ist lobenswert und ein sehr guter Rat, denn Babys lernen durch Nachahmung. Leider vernachlässigen wir dabei aber oft, durch unser Verhalten noch eine andere wichtige Botschaft zu übermitteln, eine, die in den meisten anderen Kulturen an allererster Stelle steht: Essen sollte ein gemeinschaftliches Erlebnis sein, eine vergnügliche Zeit, in der Menschen zusammenkommen, um zu reden, sich auszutauschen, zu lachen und zu entspannen. In dieser Zeit sollte nicht darüber verhandelt werden, ob Johnny nur eine der drei Blumenkohlröschen auf seinem Teller essen muss. In anderen Ländern wird über Essen fast nie verhandelt. Die Kinder essen, was man ihnen hinstellt, Punkt. Wenn sie wenig essen, bekommen sie keinen Snack, keine größere Schüssel mit Nachtisch oder trockene Cornflakes zu knabbern, um auch ja bis zur nächsten Mahlzeit über die Runden zu kommen. Sie müssen eben warten, bis es so weit ist! Diese Haltung sollte man einem Kind vom ersten Tag an vermitteln, an dem man ihm eine richtige Mahlzeit serviert. Dann kommt es erst gar nicht auf die Idee, mit seinen Eltern darüber zu verhandeln, was oder wie viel es essen wird. Es isst einfach, und es isst mit Freude, wodurch die Familie viel mehr Zeit hat, die gemeinsame Mahlzeit zu genießen.

Essen sollte ein gemeinschaftliches Erlebnis sein, eine vergnügliche Zeit, in der Menschen zusammenkommen, um zu reden, sich auszutauschen, zu lachen und zu entspannen.

Gemeinsame Mahlzeiten sind nicht nur wichtig, um gesunde Essgewohnheiten zu etablieren, auch wenn das ein bedeutender Aspekt ist. Es geht ebenfalls darum, Menschen zusammenzubringen. In ihrem Buch Parenting without Borders beschreibt Christine Gross-Loh wunderbar, wie die Betreuerinnen im Kindergarten ihrer Dreijährigen in Japan den Kleinen beibrachten, ihre Mahlzeiten und die dazugehörige Pause von der Geschäftigkeit des Tages zu genießen:

»Ein typischer Kindergartentag für unsere Dreijährigen dauerte von neun bis zwei. In diesen Stunden gab es außer ihrem Bentō-Mittagessen nichts zu essen, denn ihre Mahlzeiten sollten nahrhaft genug sein, um für einige Zeit vorzuhalten. Im Kindergarten wurde den Kindern gewissenhaft beigebracht, wie sie ihr Mittagessen hervorholen, ihre Essensmatten ausbreiten, sich zusammen mit den andern Kindern niederlassen und sich die Zeit nehmen, das gemeinsame Essen zu genießen und sich miteinander und mit den Betreuerinnen zu unterhalten. Diese lebten selbst vor, wie man sich in Ruhe hinsetzt, um eine Mahlzeit zu genießen. Die Kinder lernten zu warten, bis alle bereit waren, um mit dem Essen zu beginnen. Nachdem sie itadakimasu (›danke für dieses Essen‹) gesagt hatten, konnten sie anfangen. Es wurde erwartet, dass sie so lange sitzen blieben, bis alle Kinder ihre Mahlzeit beendet hatten.«101

Auch wenn wir es wollten, könnten wir diese Situation in einer amerikanischen Schule nicht eins zu eins kopieren, denn Gross-Loh schreibt, dass für die Kinder in dem japanischen Kindergarten eine 40-minütige Essenspause angesetzt war. Amerikanische Kinder haben etwa 25 Minuten Mittagspause – wenn sie Glück haben. Dass sogar die amerikanische Kinderärztevereinigung American Association of Pediatrics für das Mittagessen mindestens 20 Minuten empfiehlt,102 macht deutlich: Hier in den USA wurde uns schon von klein auf beigebracht, dass Essen lediglich Treibstoff für den Körper ist und schnell aufgenommen werden muss. Umgekehrt bedeutet das, dass wir darin in erster Linie kein Zusammensein mit Familie und Freunden sehen, keine Gelegenheit, um soziales Verhalten einzuüben, keine Freizeit, kein Vergnügen. Es sind aber genau diese Aspekte, denen wir bei unseren Mahlzeiten gerecht werden sollten, um gesunde, wagemutige, unkomplizierten Esser großzuziehen. Und wir müssen unsere Kinder daran gewöhnen, lange bevor sie in die Schule kommen.

Führen Sie Rituale ein

Behandeln Sie Mahlzeiten wie ein Fest. Das heißt nicht, dass sie um jedes Essen ein großes Tamtam machen müssen, es bedeutet nur, dass die Mahlzeiten regelmäßig stattfinden sollten und alle Familienangehörigen darauf eingestellt sind, sich dann gemeinsam an den Tisch zu setzen, um zu essen. Kein Stehen am Küchentresen mehr, während man schnell etwas aus der Serviette isst. Kein Imbiss am Laptop, während das Kind vor dem Fernseher isst oder beim Essen auf seinem iPad herumwischt. Eine gemeinsame Mahlzeit ist der perfekte Moment für alle, um Abstand vom geschäftigen Alltag zu gewinnen. Mindestens 30 Minuten, besser noch eine Stunde lang, sollte die Aufmerksamkeit der Mahlzeit gelten und den Menschen, die mit am Tisch sitzen. Wenn es nicht möglich ist, dass die ganze Familie abends zur selben Zeit isst, machen Sie aus dem Frühstück eine Familienmahlzeit und ermuntern Sie die Kinder, von ihren Erlebnissen zu erzählen. Auch wenn alle nur Eier und Toastbrot essen, ist es eine gute Gelegenheit, sich nahe zu sein und den jüngeren Familienmitgliedern gute Essgewohnheiten und Sozialverhalten vorzuleben.

Lassen Sie Ihr Baby zuschauen, wie Sie Ihr Essen genießen. Sprechen Sie während der Mahlzeit mit ihm und allen anderen am Tisch. Essen soll Spaß machen, und Ihr Baby soll das auch sehen! Babys merken sofort, wenn andere sich amüsieren, und natürlich wollen sie genau das tun, was den anderen solchen Spaß macht. Vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es sich auf die Mahlzeiten freuen kann, und die Einführung neuer Nahrungsmittel wird kein Problem mehr sein.

Lassen Sie Ihr Kleines essen, was Sie essen

Ich bin kein Fan von Babykost in Gläschen, ich finde die Auswahl zu begrenzt. Zum Beispiel habe ich noch nie Avocadobrei im Glas gesehen, obwohl viele Babys Avocados lieben. Ich habe auch den Verdacht, dass die teureren Biogläschen nicht wirklich besser sind als die normalen Supermarkt-Marken.

Die Gläschenhersteller werben damit, Ihnen die Babymahlzeiten bequem zu machen, aber Babykost selbst herzustellen, macht kaum Arbeit – und ist sehr viel billiger! Sie brauchen nur eine Küchenmaschine oder einen Mixer und ein paar Eiswürfelbehälter. Geben Sie Gemüse oder Obst in den Mixer, pürieren Sie es und fügen Sie etwas Wasser, salzarme Brühe oder Milch hinzu, bis das Püree die richtige Konsistenz hat. Übrig gebliebenes Püree füllen Sie in den Eiswürfelbehälter und stellen es ins Tiefkühlfach, bis Sie es verwenden wollen. Wenn Sie das Essen in einer Mikrowelle erhitzen, überprüfen Sie die Temperatur an Ihrem Handgelenk, bevor Sie Ihr Baby damit füttern. Oder lassen Sie es fünf bis zehn Minuten abkühlen. Für ein älteres Baby können Sie das Essen einfach zerdrücken oder in kleine Stücke schneiden.

Ich bin Vegetarierin. Kann ich auch mein Baby vegetarisch ernähren?

Natürlich können Sie Ihr Baby vegetarisch ernähren. Viele hinduistische und buddhistische Familien in der ganzen Welt halten es so. Sie sollten nur darauf achten, dass Ihr Baby nicht zu wenig Kalzium, Vitamin D, Eisen, Zink und vor allem Vitamin B12 bekommt. Die erste Nahrung ist Muttermilch oder Babymilch (halten Sie dafür zuvor aber unbedingt Rücksprache mit Ihrem Kinderarzt!). Um sicherzugehen, dass Ihr Baby alle nötigen Nährstoffe bekommt, informieren Sie sich über den Nährstoffgehalt Ihrer derzeitigen Ernährungsweise und passen Sie sie im Bedarfsfall an. Normalerweise empfehle ich, vegetarisch ernährten Kindern ein Multivitaminpräparat zu geben, damit ihr Bedarf an Vitaminen ganz sicher gedeckt ist – auch hier fragen Sie am besten Ihren Kinderarzt.

Es gibt gute Kochbücher für Babymahlzeiten zu kaufen, Sie können aber auch welche in der Bücherei ausleihen. Manche sehr beschäftigte Eltern sehen im Kochen für Ihr Baby eine weitere Belastung. Doch dafür gibt es keinen Grund. Sie müssen normalerweise nichts zusätzlich zu Ihrer eigenen Mahlzeit zubereiten – es sei denn, Sie kochen ein sehr stark gewürztes Gericht –, aber auch dann reicht es im Prinzip, eine kleine Portion davon weniger stark zu würzen. Sie müssen sich deswegen nicht mit fadem, langweiligem Essen begnügen. Babys lieben es, wenn ihr Essen nach etwas schmeckt. Sie brauchen auch nicht gesondert etwas für Ihr Baby zuzubereiten, damit es gesund bleibt oder um seinen Gaumen zu befriedigen. Schließlich essen Sie selbst jeden Tag und haben wahrscheinlich etwas im Haus. Und auch wenn Sie sich bisher hauptsächlich von unterwegs Gekauftem oder Fertigessen ernährt haben – die meisten können einen solchen Lebensstil finanziell ohnehin nicht mehr stemmen, sobald der Nachwuchs da ist. Es ist preiswerter und auch nahrhafter, seine Mahlzeiten selbst zuzubereiten. Wenn Ihr Kind größer wird, müssen Sie sowieso etwas mehr kochen, warum sollten Sie also nicht gleich damit anfangen? Bereiten Sie bei jeder Mahlzeit ein kleines bisschen mehr als gewöhnlich zu. Wenn Ihr Kind selbst isst, schneiden Sie seine Portion in kleine Bissen und legen Sie sie ihm auf sein Tellerchen, damit es die Stücke mit den Fingern nehmen kann. Noch besser: Lassen Sie es seine Portion zunächst auf Ihrem Teller sehen, bevor Sie sie ihm geben. Ein Baby findet es wunderbar, wenn es sieht, dass es das Gleiche wie Sie isst. Reste frieren Sie einfach ein.

Versuchen Sie es immer wieder

Wenn Ihr Baby fast ein Jahr alt ist, können Sie ihm alles außer zu stark gewürzten Gerichten anbieten. Ich kenne viele kleine Kinder, die Essiggurken oder alle möglichen Früchte wie zum Beispiel Mangos und Kiwis mögen. Wenn Ihr Kind daran gewöhnt ist, mit Ihnen am Tisch zu sitzen und das zu essen, was Sie essen, wird es Ihr Risotto wahrscheinlich nicht ablehnen. Sollte es jedoch etwas nicht mögen, bleiben Sie freundlich. Schenken Sie der Situation nicht zu viel Aufmerksamkeit, und wenn es ein Gericht ist, das Sie gerne essen, kochen Sie es weiterhin und bieten Sie Ihrem Kind jedes Mal wieder eine kleine Menge davon an. Betonen Sie ruhig ab und zu, wie sehr es ihnen schmeckt, das kann hilfreich sein. Bieten Sie daneben aber etwas an, von dem Sie wissen, dass Ihr Kind es mag. Wenn es eine Weile dauert, bis Ihr Kind das neue Essen annimmt, üben Sie keinen Druck aus, geben Sie aber auf keinen Fall auf. Isst Ihr Kind die Speise schließlich, kommentieren Sie das ruhig mit ein paar netten Worten.

Wenn Ihr Kind nicht essen will, machen Sie keine großen Umstände und räumen Sie ab, sobald alle anderen fertig sind. Dann fahren Sie mit dem normalen Tagesablauf fort. Belohnen Sie es auf keinen Fall dafür, dass es nicht gegessen hat, indem Sie ihm einen Snack anbieten. Bieten Sie Wasser an und lassen Sie es bis zur nächsten Mahlzeit warten, auch wenn die erst am nächsten Morgen ist. Wenn Ihr Kind wirklich Hunger hat, wird es auch essen, das verspreche ich Ihnen.

Sorgen Sie für eine positive Erwartungshaltung und legen Sie den Gesprächen bei Tisch mehr Bedeutung bei als dem Essen. Leiten Sie eine Mahlzeit nie mit folgenden oder ähnlichen Worten ein: »Ich weiß, dass du das nicht so gerne magst, deswegen habe ich dir eine Extraportion Kartoffeln gegeben.« Wenn Sie jemanden besuchen und Ihrem Kind wird etwas Neues zu essen angeboten, können Sie ihm sagen, dass Sie dieses Gericht mögen und es schön wäre, wenn es auch davon probieren würde. Leider habe ich, wenn ein Gastgeber einem Kind etwas anbietet, allzu oft folgende Konversation gehört: »Ava, möchtest du etwas Käse?« Und noch bevor das Kind antworten kann, preschen die Eltern vor: »O, Ava, das ist Brie. Ich glaube nicht, dass du den magst.« Bringen Sie Ihrem Kind bei, davon auszugehen, dass Essen gut schmeckt, bis es sich selbst vom Gegenteil überzeugt hat.

Fördern Sie ein respektvolles Miteinander

Es ist nicht so wichtig, ob ein Kind weiß, welche Gabel es für den Salat nehmen soll, viel wichtiger ist, dass es die Zeit und die Mühe anerkennt, die jemand für eine Mahlzeit aufgewendet hat. Wenn wir zulassen, dass ein Kind sich über sein Essen beschwert, lassen wir gleichzeitig zu, dass es sich respektlos gegenüber der Person verhält, die das Essen zubereitet hat. Am Familientisch kann man akzeptieren, dass ein Kind seine Vorliebe für ein Gericht ausdrückt. (Zum Beispiel, indem es sagt »Papa, ich mag den Auflauf mit den Nudeln lieber als den mit den Kartoffeln«, nicht jedoch: »Igitt! Was ist das denn?!«) An den Esstischen anderer Menschen dagegen ist auch das Äußern von Vorlieben nicht immer akzeptabel. Bringen Sie Ihren Kindern bei, das, was ihnen serviert wird, erst einmal positiv aufzunehmen. Wenn Sie zum Essen eingeladen sind, bitten Sie Ihr Kind, sich entweder nett über das Essen zu äußern oder, wenn es nicht gerade sein Lieblingsessen ist, lieber gar nichts zu sagen.

Mein Kind ist ein schwieriger Esser, und wir sind bei Freunden zum Abendessen eingeladen. Was kann ich tun, damit alle einen netten Abend haben, ohne der Gastgeberin extra Mühe zu machen?

Wenn Ihre Gastgeberin so rücksichtsvoll ist und Sie fragt, was Ihr Kind gerne hätte, dann ist es in dem Fall vernünftig, Sachen vorzuschlagen, die sich ganz einfach zu einer Mahlzeit hinzufügen lassen. Nehmen Sie keine Snacks für Ihr Kind mit, sonst besteht die Gefahr, dass sich das »Extrawurst«-Verhalten manifestiert, und es wirkt der Gastgeberin gegenüber etwas unhöflich. Wenn Sie nicht die Möglichkeit haben, für Ihr Kind etwas vorzuschlagen, lassen Sie es das essen, was es in jedem Fall mag, zum Beispiel nur ein Brötchen oder etwas Reis. Erklären Sie ihm, dass es sich der Gastgeberin gegenüber nicht unfreundlich verhalten soll, und geben Sie ihm dann zu Hause noch eine Kleinigkeit. Stellen Sie klar, dass dies besondere Umstände sind, und dass es zu Hause nicht erwarten kann, regelmäßig etwas anderes zu bekommen als die übrige Familie.

Wird Kindern schon früh die Erwartungshaltung anerzogen, dass Essen meist gut schmeckt, werden sie gespannt auf die servierten Gerichte warten, egal, wo Sie sich gerade mit Ihren Kindern befinden. Und wahrscheinlich wird es ihnen auch schmecken. Falls nicht, werden sie es überleben. Die meisten Gastgeber wollen ja, dass ihre Gäste zufrieden sind; wenn sie sehen, dass ein Kind sich mit Essen abmüht, das ihm offenbar nicht schmeckt, werden sie ihm etwas anderes anbieten. Machen Sie Ihrem Kind aber klar, dass es so etwas zu Hause nicht erwarten kann!

Erfüllen Sie keine Extrawünsche

Was mir an den USA mit am besten gefällt, ist der hohe Stellenwert von Individualität und persönlichen Wahlmöglichkeiten. Sitzt man indes mit kleinen Kindern am Tisch, die gerade das Essen lernen, sollte diese Haltung jedoch in den Hintergrund rücken. Sie können Ihr Kind wählen lassen, ob es Käse auf seinem Burger möchte oder nicht; anstatt den Salat in einer Schüssel zu mischen, können Sie ihn auf einer Platte servieren und jeder nimmt sich, was er möchte (vielleicht unter der Bedingung, dass jeder sich für zwei oder drei Zutaten entscheidet); Sie können den für Sie unverzichtbaren Spritzer Zitrone auf dem Lachs Ihres Kindes weglassen. Aber über solche kleinen Abwandlungen hinaus, die nicht viel Arbeit machen, sollten alle das Gleiche essen. Warum? Erstens sollten Eltern nicht auf ihre Funktion als Köche reduziert werden, und für jeden etwas Besonderes zuzubereiten, erfordert viel Zeit und gute Planung. Es gibt keinen Grund, weshalb Sie sich Ihr Leben schwerer (und unnötig stressiger) machen sollten, indem Sie jedes Mal die Essensvorlieben jedes einzelnen Familienmitglieds berücksichtigen. Außerdem würde man Kindern auf diese Weise geradezu anerziehen, sich nur noch von einer begrenzten Anzahl an Lebensmitteln zu ernähren, was langfristig ihrer Gesundheit schaden könnte.

Zweitens nimmt man der Familie ein Stück des Zusammengehörigkeitsgefühls, wenn jeder etwas anderes isst, denn im Teilen einer Mahlzeit liegt auch etwas Verbindendes. Darüber hinaus kann das Eingehen auf Einzelwünsche zu der Erwartungshaltung beitragen, dass die eigenen Bedürfnisse immer Vorrang vor denen der Gruppe haben. Wie Art Markman und Bob Duke von der University of Texas in einem Beitrag ihres Podcast Two Guys on Your Head erklären, ist das gemeinsame Essen eine ganzheitliche Lernerfahrung. Man lernt nicht nur, wie man einen Löffel richtig hält, sondern auch wichtige soziale Aspekte:

»Wenn alle gemeinsam essen, lernt man die Kunst, Kompromisse zu schließen. Man lernt, dass es heute Abend vielleicht das Lieblingsessen eines anderen und nicht das eigene gibt, und dass das in Ordnung ist, denn es ist ein gutes, gesundes Essen. Man lernt, die Mahlzeit mit anderen zu teilen, das heißt, man kann nicht alles allein aufessen. Und wenn etwas da ist, das alle gern haben möchten, muss man es gerecht aufteilen. Es findet sehr viel soziale Interaktion statt, wenn man teilt. Wenn aber jeder sein eigenes Essen hat, lernt ein Kind, dass man bekommen kann, was man will, wenn man nur laut genug schreit. Und dass es nur um einen selbst geht und darum, dass in dem Moment die eigenen Bedürfnisse erfüllt werden.«103

Bestechen Sie Ihr Kind nicht mit einem Dessert als Belohnung für den Verzehr der eigentlichen Mahlzeit. Zunächst einmal macht ein solches Verhalten aus der gemeinsamen Mahlzeit eine Zeit der Verhandlung. Die Aufmerksamkeit des Kindes liegt dann nicht auf dem fröhlichen, geselligen Ereignis, sondern auf einem Spiel mit dem Namen »Mal sehen, was ich hier für mich herausholen kann«. Und von einem medizinischen Standpunkt aus betrachtet, ist dies ein Rezept für kindliche Fettleibigkeit. Sagen Sie »Wenn du deinen Teller leer isst, gebe ich dir noch mehr (nämlich den Nachtisch), provozieren Sie geradezu, dass Ihr Kind mehr isst, als es braucht.

In vielen anderen Kulturen gehört zu einer Mahlzeit bis auf ein Stück Obst sowieso kein Nachtisch. Die meisten Kinder, für die ein Dessert eine gelegentliche Leckerei und kein üblicher Teil der Mahlzeit ist, haben als Erwachsene auch keine Gewichtsprobleme. Möchten Sie selbst gerne einen Nachtisch haben, können Sie ihn vielleicht essen, wenn die Kinder im Bett sind.

Beziehen Sie alle mit ein

Jamie aus New York plant ihre wöchentlichen Mahlzeiten gemeinsam mit ihren zwei Kindern, dem elfjährigen Aaron und der neunjährigen Josie – und das schon seit die Kinder klein waren. Zuerst schaut Jamie im Kühlschrank, im Tiefkühlfach und in der Speisekammer nach, was sie dahat und was die Grundlage für Mahlzeiten bilden könnte. Dann schlägt sie den Kindern einige Gerichte vor und lässt sie wählen, was sie in der folgenden Woche essen möchten. »Sie haben beide Lieblingsgerichte, aber manchmal ermuntere ich sie dazu, einmal etwas anderes auszuprobieren. Ich sehe Rezepte durch – mittlerweile meist im Internet –, und hin und wieder biete ich ihnen dann eine Auswahl an. Manchmal, wenn sie ihre Lieblingsgerichte gewählt haben, nehme ich noch etwas Neues mit auf. Nachdem sie es probiert haben, entscheiden sie, ob wir das Gericht fortan in unsere Rezeptauswahl aufnehmen.«104 Einfachheit und Effizienz sind für die berufstätige Jamie, deren Mann oft auf Dienstreise ist, äußerst wichtig. Und die Kinder lernen so die Mühe schätzen, die es macht, gesunde Mahlzeiten zu planen und vorzubereiten. Da sie selbst an der Entscheidungsfindung beteiligt sind, werden sie sich später auch nicht über das Essen beklagen.

Kinder können auch schon sehr früh anfangen, in der Küche zu helfen. Die ganz Kleinen sieben gern Mehl oder füllen Messbecher. Mit einem stumpfen Messer können auch kleine Kinder eine Banane in Stücke schneiden oder eine Gurke schälen. Lassen Sie Ihren Nachwuchs auf dem Tresen sitzen oder anderswo in der Küche, damit er alles, was Sie tun, aus nächster Nähe beobachten kann. Kinder essen gern, was sie selbst gemacht haben, und auf diese Art und Weise werden die Essensvorbereitungen zu vergnüglichen gemeinsamen Aktivitäten.

Sorgen Sie für Abwechslung

Setzen Sie sich hin und wieder auf den Fußboden, um zu essen, wie bei einem Picknick. Versammeln Sie sich auf der Terrasse im Garten oder setzen Sie sich vors Haus. In eine täglich wiederkehrende Routine einen überraschenden Moment einzubauen macht immer Spaß. Die Hauptsache ist ja, dass Sie gemeinsam essen und sich über die Gesellschaft der anderen freuen. Man kann eine Mahlzeit auch dann zelebrieren, wenn diese nur aus belegten Broten und Salat besteht.

Ganz wichtig

Ihr Motto sollte lauten: »Hier, probier das. Ich finde es lecker.«

Und was ist mit Allergien?

Einer der Gründe, warum viele Eltern beim Füttern ihres Babys extrem vorsichtig sind, ist die Furcht vor Allergien, insbesondere vor einem anaphylaktischen Schock. Tatsächlich aber steht bei sehr wenigen Lebensmitteln zu befürchten, dass sie diese extreme und gefährliche Reaktion hervorrufen, bei der man sofort ein Antihistaminikum geben und in die Notaufnahme fahren muss. Natürlich fürchten sich Eltern vor einem solchen Albtraumszenario. Nichtsdestotrotz machen sich Lebensmittelallergien meist zuerst durch eine schwache Reaktion wie einen leichten Ausschlag bemerkbar. Wenn das bei Ihrem Kind der Fall ist, sollten Sie zunächst natürlich das Lebensmittel meiden, das vermutlich der Auslöser war. Bei einem schweren Ausschlag oder Quaddelbildung empfehle ich, zunächst den behandelnden Kinderarzt aufzusuchen, der eventuell einen Test bei einem Allergologen vorschlägt.

Es gibt Grund zu der Annahme, dass unsere eigenen übertriebenen Vorsichtsmaßnahmen mit der rapiden Zunahme von Lebensmittelallergien in Zusammenhang stehen. Unsere Großeltern haben sich deswegen wohl noch keine Sorgen machen müssen. Doch seit etwa zwei Jahrzehnten sehen sich Ärzte immer mehr mit Kindern konfrontiert, die allergisch auf Erdnüsse, Eier oder Fisch reagieren. Tatsächlich hat sich die Anzahl der Kinder mit einer Erdnussallergie in den USA und in Großbritannien im Zeitraum von 1997 bis 2007 verdoppelt.105 Kinderärzte reagierten mit der Empfehlung, diese Lebensmittel nicht zu früh einzuführen, um dem kindlichen Immunsystem Zeit zur Entwicklung zu geben. Vor der Vollendung des ersten Lebensjahrs waren vor allem Erdnüsse und andere Nussarten streng verboten. Manchmal wurde Eltern sogar geraten, mit der Einführung von Erdnussbutter zu warten, bis das Kind zwei Jahre alt war.

Dagegen sind in Teilen Afrikas Gerichte mit Erdnüssen so beliebt, dass Kinder sie meist schon sehr früh zu sich nehmen. In Israel gehören Bamba-Erdnussflips zu den beliebtesten Kindersnacks und werden sogar schon Säuglingen gegeben, in deren Mund sie sich schnell auflösen. Wenn die Babys alt genug für feste Nahrung sind, also mit ungefähr sieben Monaten, konsumieren sie dort etwa sieben Gramm Erdnussprotein im Monat.106 Die Anzahl jüdischer, in Israel aufgewachsener Kinder mit einer Erdnussallergie ist sehr gering, während sie bei jüdischen Kindern, die in Großbritannien aufgewachsen sind (und häufig genetische Wurzeln in Israel haben), ungleich höher ist – Letztere konsumieren Lebensmittel mit Erdnüssen meist frühestens ab zwei Jahren. Dieser bemerkenswerte Unterschied war der Anlass für Wissenschaftler des King’s College in London, eine kontrollierte Studie mit Kindern durchzuführen, die allergiegefährdet waren, aber noch keine Allergie ausgebildet hatten. Das Ergebnis war deutlich: Kinder, die schon im ersten Lebensjahr Erdnussproteine zu sich nahmen, hatten im Vergleich zur Kontrollgruppe ein um 81 Prozent geringeres Risiko, eine Erdnussallergie zu entwickeln.107

Es kann also durchaus passieren, dass wir ein Problem nur noch verschlimmern, wenn wir versuchen, unsere Kinder vor einer Gefahr zu bewahren. Außerdem setzten entsprechende Warnungen viele Eltern unnötig unter Druck. Mittlerweile vermuten Forscher und Ärzte, dass es einen Zusammenhang zwischen Allergien und dem Zustand der Darmflora gibt, aber definitive Antworten wird es wohl nicht so bald geben.

Nun scheint es medizinisch gesehen hilfreich zu sein, kleine Kinder schon früh ganz sanft an Lebensmittel zu gewöhnen, die als allergieauslösend bekannt sind, um spätere Allergien aus einer bestimmten Lebensmittelgruppe zu vermeiden. Ich rate aber dringend, dass Eltern, die selbst oder deren Familienmitglieder unter Allergien leiden, mit dem Kinderarzt darüber sprechen und dessen Empfehlungen in Bezug auf Lebensmittel befolgen.

Wenn in Ihrer Familie und der Ihres Partners bisher keine Allergien aufgetreten sind, müssen Sie sich sehr wahrscheinlich keine Sorgen um Ihr Kind machen. Fragen Sie trotzdem Ihren Kinderarzt bei den Vorsorgeuntersuchungen nach seiner Meinung zu dem Thema. Eine gute Vorsichtsmaßnahme wäre, ein Antihistaminikum im Haus zu haben, damit man bei Überraschungen gewappnet ist. Lassen Sie sich von Ihrem Kinderarzt beraten.

Lohnt es sich, Bioprodukte zu kaufen?

Vielen Eltern jagt das Schreckgespenst einer Allergie Angst ein, bei anderen herrscht die zwanghafte Vorstellung vor, dass sie ihr Kind nur mit biologischen Produkten ernähren dürfen. Bis vor Kurzem hatten jene, die ihr Kind auf diese Weise ernähren wollten, noch das Problem, dass diese Lebensmittel sehr viel teurer waren als konventionelle. Doch inzwischen bekommt man biologische Produkte in jedem Supermarkt zu erschwinglichen Preisen, sodass die Kosten kein entscheidender Faktor mehr sind. Trotzdem ist es nicht immer einfach, sich nur von biologischen Produkten zu ernähren. Aber sollten wir es überhaupt versuchen?

Meiner Meinung nach liegt das Problem mit der Bioware darin, dass es extrem schwierig ist, wirklich schadstofffreie Produkte zu erhalten. Bei der Lebensmittelherstellung gibt es so viele unkontrollierbare Faktoren, dass es fast unmöglich scheint, Lebensmittel so rein und natürlich zu produzieren, wir wir sie haben wollen. Anstatt sich zu sorgen, ob ein Produkt biologisch ist, wäre es besser, sich generell von natürlichen Lebensmitteln anstatt von industriell verarbeiteten zu ernähren. Ein großer Schritt in Richtung gesunder Ernährung wäre es, abgepackte Fertigprodukte zu meiden und stattdessen frisches Gemüse, unverarbeitetes Fleisch und naturbelassenen Fisch zuzubereiten und mehr frisches Obst auf den täglichen Speiseplan zu setzen. Ich sähe es lieber, wenn Eltern ihren Kindern eine konventionell angebaute Banane als einen Bioschokoriegel geben würden.

Andererseits lässt sich in europäischen Ländern beobachten, dass viele Kinder nachmittags einen kleinen Riegel Schokolade oder etwas anderes Süßes in der Hand haben. Zwar ist auch in Europa die Anzahl der übergewichtigen Kinder gestiegen, aber die Rate ist dennoch bedeutend niedriger als in den USA. Häufig bestimmen Armut und ein niedriger sozioökonomischer Status, wer übergewichtig wird.108 In europäischen Familien mit höherer Bildung und einem stabilen Einkommen ist dieser nachmittägliche Schokoriegel oft die einzige Süßigkeit, die Kinder am Tag erhalten. Auch die Größe der Portionen spielt eine bedeutende Rolle. Kleine Kinder sollten auf ihren Tellern keine ähnlich große Menge wie Erwachsene haben. Auf die Balance kommt es an.

Wir dürfen uns nicht derart von Sorgen und Ängsten lähmen lassen wie die Eltern von Chase, das Paar, das wir am Anfang dieses Kapitels kennengelernt haben. Sie hatten solche Angst, ihrem Sohn etwas zu geben, das er nicht essen »sollte«, dass sie ihm mehr geschadet haben, als es eine konventionell angebaute Tomate jemals hätte tun können. Kaum eine Familie wird in einer so extremen Lage enden, aber viel zu viele lassen sich von den Werbeslogans der Lebensmittelindustrie verwirren und wissen nicht mehr, wie eine gesunde Ernährung aussehen sollte. Dabei ist es ganz einfach, sich gut zu ernähren: Nehmen Sie Pflanzliches, Proteine, Kohlenhydrate und Fette in einer ausgewogenen Mischung zu sich – und von keinem dieser Bestandteile zu viel, so wie es auch der Food-Autor Michael Pollan auf der ersten Seite seines Buches Lebens-Mittel: Eine Verteidigung gegen die industrielle Nahrung und den Diätenwahn geschrieben hat.109 Und wie in allen Bereichen zum Thema Erziehung sollte man auch in puncto Ernährung von niemandem erwarten, einem Ideal zu entsprechen, und niemand sollte es sich selbst nachtragen, wenn er hier und da seinen eigenen Maßstäben nicht gerecht wird oder sich entschließt zu »sündigen«. Wichtig ist, dass es nicht täglich dazu kommt! Zwischen den mit biologischen Produkten ernährten Kindern und anderen Kindern konnte ich selbst noch nie einen Unterschied feststellen, der nicht auf Umweltbedingungen oder finanzielle Gegebenheiten zurückzuführen war.

Zucker ist nicht die Pest. Solange keine Allergien oder Unverträglichkeiten diagnostiziert wurden, braucht man sich keine Gedanken zu machen, ob man seinem Kind erlauben soll, ab und zu ein Stück gekauften, quietschbunten Geburtstagskuchen zu essen. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die langfristigen Ernährungsgewohnheiten von Kindern – einschließlich derjenigen, die beeinflussen, ob ein Kind stark übergewichtig wird – schon in sehr früher Kindheit geprägt werden.110 Wichtig ist also, dass Eltern für ihre Kleinen möglichst keine Fertigprodukte kaufen, die voller Zucker, Zusatzstoffen, Farbstoffen und anderen künstlichen Zutaten stecken, sondern sich bemühen, ihre Kinder mit natürlichen Lebensmitteln zu versorgen, die nicht industriell erzeugt wurden. Sich darum zu bemühen, auch wenn es nicht immer hundertprozentig gelingt, kann die langfristigen Ernährungsgewohnheiten und die Gesundheit der Kinder positiv beeinflussen.

In den USA insgesamt ist inzwischen ein Fortschritt zu verzeichnen. Zum ersten Mal seit etwa 40 Jahren hat sich die Anzahl der von Kindern konsumierten Kalorien verringert,111 während gleichzeitig die Rate der fettleibigen Kinder zwischen zwei und fünf Jahren um 43 Prozent zurückging.112 Das bedeutet, dass auch hierzulande inzwischen mehr auf die Ernährung geachtet wird. Und je mehr Menschen sich eine gesündere Ernährungsweise angewöhnen, desto mehr werden sich wiederum davon inspirieren lassen und ihnen nacheifern wollen. Sich gesund zu ernähren und die Mahlzeiten im Kreis der Familie einzunehmen ist natürlich aufwendiger, als ein Fertiggericht auszupacken, in den Backofen oder die Mikrowelle zu schieben und es zu verzehren, während jeder seine Lieblingsvideos auf YouTube anschaut. Doch wenn man seine Mahlzeiten selbst kocht und sich zu einer gemeinsamen Mahlzeit an einen Tisch setzt, ergeben sich daraus langfristige soziale, körperliche und emotionale Vorteile, die für Sie und Ihre Kinder unbezahlbar sind.

Ungefähr zu der Zeit, als ich dieses Kapitel schrieb, kamen meine Enkelkinder zu Besuch. Wie üblich bereitete mein Mann, der bei uns der Chefkoch ist, das Essen zu. Gerade war die Casting-Show The Voice angelaufen. Wir sind eine musikliebende Familie – meine Großmutter Ann, in deren Haus ich in Kenia aufwuchs, hatte Opernsängerin werden wollen. Daher beschloss ich, den Kindern etwas Besonderes zu bieten, und schlug vor, dass wir uns ins große Zimmer setzen und während des Essens die Show ansehen könnten.

Zu meiner Überraschung lehnte mein 15-jähriger Enkel mein Angebot sofort ab. Stattdessen deckte er wie üblich den Esstisch, drückte den Aufnahmeknopf am Festplattenrekorder und rief den Rest der Familie zum Essen. Nach ein paar Minuten erzählte jemand eine Geschichte, wir lachten, aßen und hatten eine schöne Zeit zusammen. Das bestätigte mich in dem Glauben, dass die Praxis, Menschen um einen Tisch zu versammeln, niemals aus der Mode kommt. Vielleicht ist sie sogar die mächtigste Erfahrung, die eine Familie zusammen machen kann.