So fördern Sie die geistige Entwicklung Ihres Babys
In früheren Zeiten, als die meisten Familien mehrere Kinder hatten und die älteren Geschwister halfen, die jüngeren großzuziehen, waren Babys nicht wirklich etwas Besonderes – schließlich wuchsen die meisten Menschen in ihren Familien mit ein oder zwei von ihnen auf. Was gab es über Babys schon zu wissen? Babys schrien, schliefen, aßen, sie machten die Windeln voll, sie begannen zu krabbeln, lernten laufen und wurden groß. Es dauerte nicht lange, dann halfen die ehemaligen Babys im Haushalt und versuchten zu beweisen, dass sie mit ihren großen Geschwistern mithalten oder sie sogar übertreffen konnten. Einige Kinder entwickelten sich schneller, andere langsamer, und keiner machte sich deswegen Gedanken. Erst wenn bestimmte Entwicklungsschritte ganz auszubleiben schienen, gerieten die Eltern in Sorge. Diese generelle Unbekümmertheit lag nicht daran, dass die Eltern unaufmerksam oder ihnen ihre Kinder nicht wichtig waren. Es lag daran, dass sie in ihrem Leben bereits genug Kinder um sich gehabt hatten, um zu wissen, dass diese die verschiedenen Entwicklungsstufen unterschiedlich schnell durchlaufen und meist alles in Ordnung ist.
Heutzutage sind kleinere Familien mit ein oder zwei Kindern die Norm, und viele der Eltern, mit denen ich gesprochen habe, hatten vor ihrem ersten Kind wenig oder gar keine Erfahrung mit Babys. Da sie keine Vorstellung davon hatten, was sie erwartete und was sie beachten oder tun müssen, orientierten sie sich an den Eckdaten für Entwicklungsschritte in Büchern, im Internet oder auf Facebook. Aber anstatt beruhigend zu wirken, verunsichern diese Daten oft. In einer stark konkurrenzgeprägten Kultur wie der unseren können Zeitschienen Eltern Angst machen, wenn ihr Kind den dort angeführten Standards nicht entspricht. Noch schlimmer kann sich der Vergleich mit Gleichaltrigen aus dem direkten sozialen Umfeld auswirken. (Allerdings haben mir auch einige Eltern gesagt, dass sie froh wären, wenn ihr Kind so spät wie möglich laufen lernt. Es wäre für sie dann einfacher, für die Sicherheit des Babys zu sorgen.) Den besorgten Müttern und Vätern ist nicht bewusst, dass viele Entwicklungsmeilensteine kulturelle Konstrukte sind.
Viele Meilensteine sind kulturelle Konstrukte.
Die Spanne einer normalen kindlichen Entwicklung ist tatsächlich viel größer, als die meisten Amerikaner glauben, denn der größte Teil der hier bekannten Untersuchungen zur Sozial- und Verhaltenswissenschaft wird an SELTSAMEN Bevölkerungsgruppen wie der unsrigen durchgeführt. Das heißt, an westlichen, gebildeten, industrialisierten, reichen und demokratischen Bevölkerungsgruppen. Dehnt man diese Untersuchungen auf die Weltbevölkerung aus, zeigt sich, dass die Eckdaten zur kindlichen Entwicklung oft von dem geprägt sind, was in einer Kultur als besonders wichtig gilt.36 Zum Beispiel sitzen und laufen in traditionellen kenianischen Dörfern aufgewachsene Kinder oft mehrere Monate früher als die meisten US-amerikanischen Kinder,37 und in Papua-Neuguinea lassen Babys des dort ansässigen Stammes Au das Krabbelstadium ganz aus.38 In nomadischen Gesellschaften oder solchen, in denen die Menschen durch Raubtiere oder Parasiten auf dem Boden gefährdet sind, ist es sicherer, die Babys zu tragen, bis sie laufen können.39 Es gibt also praktische Gründe, um Kinder möglichst früh laufen lernen zu lassen, daher geben die Eltern ihnen viel Freiheit und ermutigen sie schon sehr früh zu Bewegung und Unabhängigkeit. Westliche Eltern können es sich dagegen im Allgemeinen erlauben, ihren Kindern die Zeit zu geben, die sie brauchen, um krabbeln und laufen zu lernen.
In den USA scheinen manche Eltern mit einer langsameren motorischen Entwicklung zufriedener zu sein als Eltern in anderen Ländern und sich nur Sorgen zu machen, wenn ihr Kind sich weit außerhalb einer »normalen« Entwicklung befindet. Dagegen ist es vielen sehr wichtig, dass ihr Kind kognitiv weiter ist als der Durchschnitt. Immer häufiger fällt mir auf, dass Eltern – und nicht nur diejenigen der erfolgsbesessenen mittleren und oberen Gesellschaftsschichten, sondern auch die aus wirtschaftlich weiter unten angesiedelten Familien – nach Wegen suchen, ihren Kindern einen Vorteil zu verschaffen. Wie jede Generation vor ihnen möchten sie, dass es ihren Kindern besser geht als ihnen selbst, und die meisten glauben, dass der Weg dorthin über den schulischen Erfolg führt. In Zeiten, in denen die Ausbildung teuer ist und man schwer Arbeit findet, verstärkt sich der Wunsch, die intellektuellen oder körperlichen Fähigkeiten der Kinder auszubauen. Ich werde häufig von Eltern gefragt, was sie tun können, um die Intelligenz ihrer Kinder zu fördern, meist um deren ersten Geburtstag herum. Klassische Musik spielen? Baby-Apps herunterladen? Sie vor das neueste digitale Kindergartenspiel setzen?
Einige dieser Methoden können in begrenztem Rahmen von Nutzen sein, aber wenn Sie die kognitiven Fähigkeiten Ihres Kindes wirklich steigern wollen, müssen Sie dies mit einer gleichzeitigen Stärkung der motorischen Fähigkeiten tun. Durch die Motorik werden die kognitiven Funktionen angetrieben. Es ist die Stimulation aller Sinnesorgane, die zur Entwicklung des kindlichen Gehirns führt. Um also die kognitive Entwicklung zu fördern, müssen Sie mit allen fünf Sinnen beginnen – und das schon sehr früh, noch ehe Ihr Kind laufen kann.
Um die kognitive Entwicklung zu fördern, muss man mit allen fünf Sinnen beginnen.
Gerade das wird jedoch oft vernachlässigt. Wenn unsere Kinder älter werden, beteiligen wir uns mehr an ihren Aktivitäten, leiten sie beim Spielen an, führen Musikinstrumente ein und fangen an, ihnen Rechnen und Lesen beizubringen. Aber unsere Babys überlassen wir beim Spielen sich selbst. Sie sind nah bei uns, manchmal sogar in einem Tragetuch, und sie bekommen viel Liebe, Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit, aber nur selten nehmen Eltern sich die Zeit, wirklich mit ihrem Baby zu spielen oder ihm etwas beizubringen, so wie sie es mit Kleinkindern und älteren Kindern tun. In diesem Bereich wünschte ich mir ein Umdenken.
Einige kindliche Entwicklungsstufen unterscheiden sich je nach Kultur, aber die Entwicklung der Sinnesorgane ist biologisch vorgegeben. Trotzdem kann sie beschleunigt oder verlangsamt werden. Eltern denken oft erst daran, etwas für die kognitive Entwicklung ihrer Kinder zu tun, wenn diese etwa ein Jahr alt sind, doch die kognitive Entwicklung beginnt schon viel früher. Tatsächlich sind es die ersten drei Lebensjahre, in denen die intellektuelle Entwicklung eines Kindes am nachhaltigsten und effektivsten gefördert werden kann. Babys brauchen keine Vorträge, kein neues Spielzeug und auch keine digitalen Medien. Sie brauchen jemanden, der sie streichelt und der zu ihnen spricht. Eine entspannte Interaktion, die wie selbstverständlich abläuft, ist mehr wert als alles, was Sie kaufen können.
Die Förderung der sensorischen Fähigkeiten ist im ersten Lebensjahr des Kindes besonders wichtig. Dazu muss man dem Baby nur regelmäßig verschiedene Gerüche, angenehme Klänge, neue Formen, Materialien und Farben anbieten. Außerdem sollte sich das Baby frei bewegen können. Leider ist gerade das offenbar schwieriger, als es scheint. Obwohl Kinder in unserer Gesellschaft kaum noch Momente der Ruhe kennen (mehr zur Reizüberflutung später), werden Eltern ermutigt, die Bewegungsfreiheit ihrer Babys einzuschränken. Wenn wir jedoch verhindern, dass ein Baby sich frei bewegen kann, besteht das Risiko, dass wir neben den motorischen Fähigkeiten des Kindes auch dessen kognitive Leistungsfähigkeit einschränken.
Warum wir unsere Babys ruhig stellen
Wenn man Eltern sehr kleiner Kinder fragt, wie es ihnen geht, bekommt man oft dieselbe Antwort, egal, ob sie zu Hause sind oder wieder arbeiten gehen: »Ich bin gestresst!« Man braucht keine der Studien über Stress und Elternschaft zu lesen, um zu wissen, dass ständiger Stress sich negativ auf die körperliche und mentale Gesundheit von Müttern und Vätern auswirkt. Aber es gibt noch einen anderen Nebeneffekt. Wir sind heute so sehr daran gewöhnt, Babys mit einem abgeflachten Hinterkopf zu sehen, dass es uns gar nicht mehr schockiert. Doch solche Deformierung sollte es gar nicht geben. Früher kamen solche Kopfverformungen nur bei Frühgeborenen oder kranken Kindern vor, die mehrere Wochen bis Monate im Brutkasten oder in der Wiege verbringen mussten, wo ihre Köpfchen lange Zeit auf der Seite lagen. Zu früh geborene Babys leiden manchmal unter Dolichozephalie (Langköpfigkeit), doch heute berichten immer mehr Kinderärzte von einem gehäuften Auftreten zweier anderer Kopfverformungen: Plagiozephalie und Brachyzephalie, zwei Schädelanomalien, auch als Flachkopf oder Schiefkopf bezeichnet. In den USA tritt dieses Syndrom bei bis zu 50 Prozent der zwischen zwei und drei Monate alten Babys auf, auch wenn diese gesund und reif geboren wurden. Wie kommt es dazu?
Vor der 1992 hierzulande angestoßenen Kampagne »Back to Sleep«, die Eltern dazu aufrief, ihre Babys zum Schlafen auf den Rücken zu legen, um das Risiko eines plötzlichen Kindstods zu verringern, wurde das Flachkopfsyndrom nur sehr selten (bei zwei bis drei Prozent der Babys) festgestellt, und das hauptsächlich bei zu früh geborenen oder kranken Säuglingen, die in ihren ersten Lebensmonaten auf der Intensivstation bleiben mussten. Als das Schlafen auf dem Rücken sich erfolgreich etabliert hatte, wurden auch neue Sicherheitsbestimmungen eingeführt, die Eltern verpflichteten, ihre Kleinen im Auto nur noch in Kindersitzen zu transportieren. Diese Vorsichtsmaßnahmen waren eine gute Idee, denn tatsächlich sank die Anzahl der Todesfälle im Auto und die Anzahl der Fälle von plötzlichem Kindstod schon bald signifikant. Doch zur gleichen Zeit wurde das Leben aus verschiedenen sozialen und kulturellen Gründen immer schneller, sodass die Kinder immer mehr Zeit in ihren Autositzen und anderen Vorrichtungen verbrachten, die ihre Bewegung einschränkten. So waren sie ruhig und sicher untergebracht, während die Eltern ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen in einer noch nie da gewesenen Geschwindigkeit nachkamen.
Zu Hause wurden die Kleinen in Babywippen, Reisebettchen oder Babyschaukeln abgelegt, damit sie zufrieden und zugleich aus dem Weg waren, während ihre Mütter und Väter den Haushalt erledigten oder die nahrhaften Mahlzeiten zubereiteten, die gerade zum Kennzeichen guter Eltern geworden waren. Wenn die Eltern unterwegs waren, schnallten sie ihre Kleinen in die verschiedensten Tragen, Kinderwagen und Sitze, die mit festen Konstruktionen für optimale Sicherheit sorgten. Schliefen die Kinder darin ein oder waren einfach ruhig und zufrieden, trugen die Eltern sie oft in ihren abnehmbaren Tragesystemen ins Haus und ließen sie darin, um sie nicht zu stören. So verbrachten die Kinder einen erheblichen Teil des Tages mit ihrem Kopf auf einer festen Unterlage.
Dann begannen viele Eltern, ihre Kinder in Tragetücher oder Babytragen zu schnallen. Die Tragesysteme wurden infolge der Philosophie populär, dass Mütter und Väter ihre Babys so oft wie möglich dicht am Körper haben sollten. Doch auch die so getragenen Babys entwickelten das Flachkopfsyndrom, wenn auch weniger ausgeprägt. Damit war widerlegt, dass Babys, die getragen werden, kein Flachkopfsyndrom entwickeln. Der Grund dafür ist einfach: Viele Eltern neigen dazu, ihre Kinder immer mit demselben Arm in diesen Tragen unterzubringen, und so hängen die Kleinen ständig in derselben Stellung darin, und ihr Kopf liegt einseitig an der Brust oder dem Rücken der Eltern.
Die kognitiven Folgen des Flachkopfsyndroms
In den USA hat sich in den zwei Jahrzehnten, seit die Kampagne für das Schlafen auf dem Rücken angestoßen wurde und Autositze für Kinder verpflichtend wurden, die Anzahl von Kindern mit Flachkopfsyndrom um 600 Prozent erhöht. (Die Anzahl ist weltweit überall dort stark gestiegen, wo der hektische westliche Lebensstil übernommen wurde und wo man sich die Bequemlichkeiten eines modernen Lebens leisten kann; laut einer kanadischen Studie sind fast 50 Prozent der dort lebenden Kinder zwischen sieben und zwölf Wochen davon betroffen.40)
Etwa die Hälfte dieser Kinder leidet gleichzeitig unter Torticollis, einer Schiefhaltung des Kopfes, häufig auch Schiefhals genannt. Die Ursache liegt in einer Verfestigung oder Verkürzung des Halsmuskels, wodurch die Fähigkeit des Kindes eingeschränkt wird, den Hals zu drehen oder den Kopf von einer zur anderen Seite zu wenden. Kinder mit einer Schiefhaltung werden normalerweise mit Physiotherapie behandelt, schwere Fälle des Flachkopfsyndroms erfordern eine Korrektur mit einem speziellen Helm. Aber anders als die meisten Leute glauben, sind diese Anomalien nicht nur ein kosmetisches Problem, das nach einer erfolgreichen Behandlung erledigt ist. Bei Babys mit Flachkopfsyndrom besteht das Risiko von kurz- und langfristigen Entwicklungsverzögerungen.41 Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass sich bei ihnen Probleme mit dem Hören und dem Sehen einstellen können.
Ich setze mich vehement dafür ein, dieses zumeist vermeidbare Problem auszumerzen, indem ich Eltern mit Neugeborenen ausführlich berate, wie sie es verhindern können. Ich habe – wie bereits kurz erwähnt – sogar eine Babymütze namens Tortle entwickelt, die auf einer festen Unterlage das regelmäßige Wenden des Babykopfes von einer zur anderen Seite unterstützt. Aber diese Mütze kann nur das Symptom abwenden und beseitigt nicht das eigentliche Problem, dass nämlich unseren Babys weder zu Hause noch in Betreuungseinrichtungen genug Freiheit und Zeit gegeben wird, um sich zu bewegen. Ich bin sogar der Meinung, dass die Untersuchungsdaten über Entwicklungsverzögerungen weniger mit der Form des Babykopfes zu tun haben als vielmehr damit, dass die Babys in ihrer Bewegung eingeschränkt werden und ganz allgemein unter Bewegungsmangel leiden. In der Fachzeitschrift The New England Journal of Medicine veröffentlichte Statistiken zeigen, dass die Tendenz von Kindern zur Fettleibigkeit wahrscheinlich schon vorhanden ist, wenn sie fünf Jahre alt sind.42 Wenn Forscher auf eine Wende im Gesundheitswesen hoffen, sollten sie vielleicht ihr Augenmerk darauf richten, welchen Einfluss der chronische Bewegungsmangel auf Kinder hat, und zwar noch bevor sie überhaupt laufen können.
Doch obwohl die Aufmerksamkeit der Mediziner für dieses Problem wächst, schränken die Eltern die Bewegung ihrer Kinder weiter ein, ja, sogar immer stärker. Wie bereits erwähnt, ist dafür sicherlich auch die Verbreitung von Produkten verantwortlich, die den Eltern suggerieren, dass sie Angst haben müssen, wenn ihr Kind sich frei bewegt. Kürzlich hörte ich zum Beispiel von einem Gurt für das Babybettchen, der das Kind so sichert, dass es sich nicht umdrehen kann. Aber wenn Babys sich erst einmal umdrehen können, sollten sie das auch tun dürfen. Auf diese Art entwickeln sie sich. Wir haben gelernt, die Kinder zum Schlafen auf den Rücken zu legen, aber die von Kinderärzten veröffentlichte Empfehlung lässt außen vor, dass wir unsere Babys zum Spielen auf den Bauch legen sollten. Wir nehmen es mit der Sicherheit der Kleinen so genau, dass wir damit wieder ganz neue Gefahren hervorrufen.
Vor ein paar Jahren schickte mir ein Kollege zur Einholung einer zweiten Meinung einen acht Monate alten Jungen und seine Eltern ins Krankenhaus; mein Kollege hatte den Verdacht, dass der Junge geistig behindert sein könnte. Das Kind konnte nicht sitzen und noch nicht einmal seinen Kopf halten. Mir schien der Junge jedoch trotzdem geistig gesund zu sein. Seine Augen waren wach und folgten mir aufmerksam. Er hatte einen normalen Muskeltonus und war zwar schwach, aber nicht völlig kraftlos. All das war nicht typisch für ein Kind mit neurologischen Problemen. Allerdings hatte der Junge einen merkwürdig geformten Kopf und zeigte einige Entwicklungsverzögerungen. Nachdem ich etwas Zeit mit dem Kind verbracht hatte, sagte ich den Eltern, dass mit ihm alles in Ordnung sei und er sich nur mehr bewegen und Kraft aufbauen müsse. Beide Eltern begannen vor Erleichterung zu weinen. Ich verordnete eine Therapie zur Förderung der motorischen Entwicklung und nahm Maß für einen Helm, der die Kopfverformung beseitigen würde. Sobald der Vater wusste, dass mit seinem Sohn alles in Ordnung war, befolgte er all meine Ratschläge und arbeitete mit dem Jungen, um ihn motorisch zu motivieren und zu stärken. Bei der Mutter dauerte es länger, bis sie einsah, was nötig war. Ich konnte ihr ansehen, dass sie sich unwohl dabei fühlte, wie ich auf dem Behandlungstisch mit ihrem Kind umging. Jedes Mal, wenn ich den Kleinen umdrehte oder hochzog, verkrampfte sie sich.
Es stellte sich heraus, dass sie vor ihrem Besuch bei mir ihr Baby niemals abgesetzt hatte. Wenn es nicht schlief, hatte sie es auf dem Arm. Ihr Sohn bekam keinerlei Stimulation, und sie spielte nicht mit ihm. »Aber er ist doch noch ein Baby«, antwortete sie, als ich ihr erklärte, dass er Zeit zum Spielen auf dem Fußboden brauchte, »er könnte sich verletzen.«
Ich zeigte ihr, wie ich den Kleinen an den Armen in eine sitzende Position hochziehen konnte. »Sehen Sie, er weint nicht. Es macht ihm nichts aus.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich das mache«, sagte sie.
Glücklicherweise verstand auch die Mutter bald darauf, was ihrem Sohn guttun würde, und nach kurzer Zeit begann er, selbst aktiv zu werden. Ich begleitete die Familie, bis ich umzog. Zu diesem Zeitpunkt war der Junge fünf Jahre alt und rannte herum wie jeder andere kleine Junge; er zeigte sogar Anzeichen von geistiger Frühreife.
Ausbildung des kindlichen Gehirns
Das gerade erwähnte Kind konnte seine ihm auferzwungene Lethargie ablegen und ohne Folgeschäden aufwachsen, weil seinem Bewegungsmangel schon mit acht Monaten begegnet wurde. Die kognitive und motorische Entwicklung eines Babys hängt direkt mit seiner Umgebung zusammen, vor allem im ersten Jahr. Ist zum Beispiel der Kopf eines Babys zwischen Hinterkopf und Ohr auf einer Seite stark abgeflacht, verändern Auge und Ohr auf dieser Seite oftmals ihre Position. In einem solchen Fall beginnt das Baby, die Augen nacheinander zu benutzen und erst mit dem einen, dann mit dem anderen Auge zu schauen; so kann die Entwicklung des binokularen Sehens gestört werden, das heißt, das Baby kann einen Gegenstand nicht gleichzeitig mit beiden Augen betrachten. Findet keine Korrektur statt, verlieren die Babys nach einem Jahr die Fähigkeit, beide Augen koordiniert zu benutzen. Ist die normale binokulare Sehfähigkeit beeinträchtigt, beeinflusst das die Tiefenwahrnehmung; es wird schwer, etwas mit den Augen zu verfolgen. Häufig haben betroffene Kinder in der Schule Leseprobleme. Dies zieht andere Lernschwierigkeiten nach sich und kann sogar zu Legasthenie führen.
Das menschliche Gehirn entwickelt sich am schnellsten gleich nach der Geburt und wächst bis zum Alter von drei Monaten um ein bis zwei Zentimeter pro Monat. Das Kleinhirn, das die Motorik kontrolliert, verdoppelt in dieser Zeit sein Volumen.43 Das Flachkopfsyndrom zeigt sich normalerweise zwischen der vierten und achten Lebenswoche. Kinderärzte empfehlen dann meist, den Kopf des Babys abwechselnd in verschiedenen Positionen abzulegen. Eine Früherkennung ist wichtig, denn oft möchte das Baby den Kopf schon im Alter von zwei Monaten nicht mehr zur anderen Seite wenden, weil ihm das unbequem ist. Während das Wachstum des Gehirns sich verlangsamt, werden die Schädelknochen fester; bei sechs Monate alten Babys ist der Schädel schon ziemlich fest und fast vollständig ausgeformt. Dann reicht eine Veränderung der Kopflage als Therapie nicht mehr aus, und für die betroffenen Babys wird eine Helmtherapie empfohlen. Leider dauert es mehrere Monate, bis der Schädel seine natürliche Form gefunden hat, und je später die Therapie begonnen wird, desto länger muss sie durchgeführt werden. Wenn man zu lange wartet, lassen sich auch einige Probleme wie zum Beispiel eine Störung des binokularen Sehens nicht mehr nur dadurch lösen, dass der Babykopf mit einem Helm umgeformt wird.
Es hat also einen guten Grund, dass es überall auf der Welt traditionelle Methoden gibt, mit denen Mütter für einen runden Babykopf sorgen und Stärke, Ausdauer und Beweglichkeit der Kinder fördern. Mütter in Kenia massieren die Köpfe ihrer Babys täglich, damit sie schön rund bleiben, und es ist üblich, dass Großmütter den Babykopf auf eine perfekte Form hin überprüfen. Jamaikanische Mütter nutzen die Zeit während des Badens, um Arme und Beine ihres Babys zu strecken und zu massieren.44 Von Müttern in der Mithila-Region in Indien und Nepal ist bekannt, dass sie ihre Babys an den Fußknöcheln halten und sie sanft hin und her schaukeln oder sie hochwerfen, damit sie furchtlos werden – was ihrer Ansicht nach wiederum die Gesundheit fördert.45 Ich will keinesfalls dafür eintreten, dass wir so weit gehen sollten, aber wir sind so sehr darauf konzentriert, unsere Babys ruhig zu halten – weil wir Ruhe mit Sicherheit gleichsetzen –, dass wir noch immer eine Generation von Babys mit Flachkopfsyndrom haben. Die Empfehlung, Babys auf dem Bauch spielen zu lassen, um die Auswirkungen des Schlafens auf dem Rücken auszugleichen, hat daran nichts geändert.
In den USA gibt es seit Kurzem Programme, die Schulkinder dabei unterstützen sollen, sich mehr zu bewegen und mehr Sport zu treiben. Dies sollte jedoch schon im Babyalter gefördert werden, um den Grundstein für ein aktives Leben zu legen – die Entwicklung von Stärke und Geschicklichkeit. Eine Kombination aus der Förderung aller fünf Sinne und ausgedehntem freiem Spiel unter Aufsicht ist somit das Wertvollste, was Sie tun können, um die Ausbildung starker kognitiver und motorischer Fähigkeiten zu unterstützen – sowohl im Babyalter als auch später.
Wir können nicht die Art und Weise ändern, wie wir unsere Babys schlafen legen – alle Untersuchungen zeigen, dass das Schlafen auf dem Rücken der wirksamste Weg ist, um den plötzlichen Kindstod zu verhindern. Andererseits können wir den Eltern kaum vorschreiben, dass sie ihre Aktivitäten und Reisen einschränken sollen, damit ihre Kinder weniger Zeit in Tragesystemen und Autositzen verbringen. Wir müssen eine Lösung finden, die eine Balance herstellt zwischen den Bedürfnisse unseres Erwachsenenlebens und den biologischen Bedürfnissen unserer Babys nach Bewegung und nach der Freiheit, neue Erfahrungen in der großen weiten Welt machen zu können.
Als Erstes sollten Sie es zu einer Ihrer wichtigsten Aufgaben machen, Ihr Kind täglich eine Zeit lang flach auf dem Bauch liegen zu lassen. Kinderärzte begannen, sich für diese »Bauchzeit« auszusprechen, nachdem sie erkannt hatten, weshalb immer mehr Kinder mit Verzögerungen in der motorischen Entwicklung in ihre Praxis kamen. Der Grund lag in der Kombination aus einer Schlafposition auf dem Rücken und der zunehmenden Verwendung von Autokindersitzen, die gleichzeitig als Tragesysteme dienten.46 Viele wissen, dass die Zeit auf dem Bauch wichtig ist, damit sich der Hals der Babys kräftigt und die Kinder krabbeln lernen, aber den meisten ist nicht klar, welch wunderbare Möglichkeit diese Position bietet, die Sinne des Babys zu stimulieren. Seine Lippen berühren die Decke, es kann die Decke und Ihre Hand riechen, es kann Ihre Stimme hören, es strengt seine Augen an, während es das Muster der Decke berührt oder nach dem Spielzeug auf der Decke greift, oder es beobachtet ein Haustier, das entweder an ihm schnüffelt oder in sicherer Distanz bleibt. All diese Stimulationen fördern die Entwicklung des Babyhirns. Während der Zeit auf dem Bauch werden so ganz von selbst sämtliche biologischen Funktionen gefördert – die der Sinnesorgane, die motorischen und die kognitiven. Sorgen Sie also dafür, dass Ihr Baby schon früh und möglichst oft eine Zeit lang auf dem Bauch liegt, und beginnen Sie damit gleich nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus. Wenn Sie zu lange warten oder das Kind zu selten auf den Bauch legen, kann es sein, dass es protestiert, weil ihm die Situation neu ist, oder dass es zu schwach ist, um sich aufzustützen und sich sicher zu fühlen. Sie können mit dieser Übung gar nicht früh genug beginnen.
Die »Bauchzeit« ist für Sie selbst nicht anstrengend und eine wunderbare Methode, um zur Ruhe zu kommen. So können Sie mehrmals am Tag ein paar Minuten lang die Zeit mit Ihrem Kind bewusst genießen und in Gedanken an sich vorbeiziehen lassen, wie sehr Ihr Leben sich mit der Ankunft des Babys verändert hat.
Mein Baby weint jedes Mal, wenn ich es auf dem Bauch ablege. Wie kann ich ihm die Situation angenehmer machen?
Ihr Baby weint nicht, weil ihm etwas wehtut, sondern weil ihm die Situation nicht vertraut ist. Babys weinen normalerweise nicht, wenn jemand neben ihnen auf dem Boden sitzt oder liegt. Legen Sie Ihr Baby zunächst auf den Rücken, reden Sie mit ihm und zeigen Sie ihm Spielzeug, und sobald es sich wohlfühlt, drehen Sie es auf den Bauch. Babys weinen nur, wenn sie in einer ungewohnten Position sind oder sich allein und hilflos fühlen.
Wenn Ihr Baby von anderen betreut wird, reden Sie mit den entsprechenden Personen und bitten Sie sie, diese Übung mehrmals täglich während der Wachstunden Ihres Babys durchzuführen. Und wenn Sie nach der Arbeit nach Hause kommen, verbringen Sie noch eine weitere, längere Bauchphase mit ihm – wenn möglich 20 bis 30 Minuten. Diese Aktivität wird auch Ihrem Partner gefallen. Ermutigen Sie ihn, sich vor dem Baby auf den Boden zu legen, es anzusehen, spielerische Geräusche zu machen und seinen Rücken und seine Arme und Beine zu streicheln. Die begeisterte Reaktion eines Babys auf Berührung und Stimme der Eltern ist für jeden eine Freude. Genießen Sie diese unbezahlbaren Momente! Die Zeit, die Ihr Baby bäuchlings auf der Decke oder dem Spielteppich verbringt, kann für Ihr Kleines der aufregendste Teil des Tages werden – und für Sie der entspannendste und genussreichste.
Was tue ich, wenn mein Kind schon ein Flachkopfsyndrom entwickelt hat?
Die Entwicklung der fünf Sinne
Wie schon erläutert, ist die Entwicklung der fünf Sinne Ihres Babys der Schlüssel, um sein kognitives Potenzial optimal zu fördern. Und das geeignetste Mittel für die Entwicklung der fünf Sinne ist Ihre Interaktion mit ihm, während es auf dem Bauch liegt. Die im Folgenden beschriebenen sensorischen Entwicklungsstufen können Sie als grobe Leitlinie nehmen.
Was kann Ihr Baby sehen?
Ihr Baby wird fasziniert von Gesichtern sein, vor allem von Ihrem. Da das Leben eines Babys einzig und allein von seinen Betreuern abhängt, entwickelt sich sein Sehvermögen im Verhältnis dazu, wie weit diese im jeweiligen Stadium wahrscheinlich von ihm entfernt sind. Ein Neugeborenes kann zwischen 20 und 30 Zentimeter weit sehen, was etwa der Entfernung seines Gesichts zu dem seiner Mutter während des Stillens entspricht. Mit vier Monaten, wenn das Baby größer ist und die Mutter es auf ihre Knie setzen kann, entspricht dieser Abstand der Entfernung, in der es scharf sehen kann. Wenn das Baby mit etwa sechs Monaten allein aufrecht sitzen kann, reicht sein Sehvermögen aus, um seiner Mutter mit den Augen durchs Zimmer zu folgen. Und wenn das Baby sich schließlich um den neunten bis zwölften Monat herum allein fortbewegen kann, hat es die Sehfähigkeit eines Erwachsenen erlangt.
Die meisten Spielzeuge und Dekorationen fürs Kinderzimmer sind in Pastellfarben gehalten, aber das liegt einzig und allein daran, dass die Designer sich nicht an die Babys, sondern an deren Eltern oder andere Erwachsene richten, die die Sachen kaufen. Babys und Kleinkinder bevorzugen in Wirklichkeit leuchtende, kräftige Farben wie Rot, Weiß und Schwarz und Kombinationen daraus. Einige Studien legen nahe, dass starke Kontraste auf Babys beruhigend wirken;47 sie brauchen sich beim Sehen dann nicht so sehr anzustrengen, während ihr Gehirn all die anderen Reize in ihrer Umgebung verarbeitet. Für Babys sind auch Gegenstände, die sich bewegen, sehr attraktiv, weshalb in Kinderzimmern häufig Mobiles hängen. Die Augen eines Babys sind sehr lichtempfindlich, dimmen Sie also das Licht in dem Raum, in dem Sie sich mit Ihrem Kind aufhalten, und bringen Sie im Auto einen Sonnenschutz an. Je länger die Augen Ihres Babys offen bleiben, desto mehr Übungsmöglichkeiten hat es, etwas sich Bewegendes mit den Augen zu verfolgen. Dieses Folgen mit den Augen führt schließlich, wenn Ihr Baby anfängt, nach Gegenständen in seinem Blickfeld zu greifen, zu einer verbesserten Augen-Hand-Koordination.
Sie können Ihrem Baby helfen, das Verfolgen von Gegenständen mit den Augen zu üben, während es bäuchlings auf dem Boden liegt oder Sie gerade darauf warten, dass das Essen im Backofen fertig wird. Bewegen Sie einen mittelgroßen Gegenstand oder ein Spielzeug in kontrastierenden Farben einige Male 30 Zentimeter vor seinen Augen hin und her. Die meisten Babys werden dem Gegenstand schon mit etwa zwei Monaten mit den Augen folgen. Natürlich erwerben Babys diese Fähigkeit auch ohne dass die Eltern mit ihnen üben, aber bei denjenigen, mit denen schon frühzeitig geübt wird, entwickelt sich die Koordination zwischen Auge und Hand in der Regel schneller, und sie könnten es später auch leichter haben, lesen zu lernen.
Was Sie noch tun können
Bringen Sie am Kinderbett einen babysicheren Spiegel an; Ihr Baby wird fortwährend das interessante Gesicht betrachten, das es darin erblickt. Wechseln Sie die Stelle, an der der Spiegel hängt, damit Ihr Baby seinen Kopf in verschiedene Richtungen dreht.
Vielleicht mögen Sie das Bettchen in die Mitte des Zimmers stellen, um Ihrem Baby einen 360-Grad-Blick zu ermöglichen. Hängen Sie farbig leuchtende Bilder an die Wände, die seine Aufmerksamkeit erregen. Ein Mobile muss nicht sein, es sei denn, es ist in stark kontrastierenden Primärfarben gehalten oder sogar in Schwarz und Weiß.
Was kann Ihr Baby hören?
Das Hörvermögen ist beim Neugeborenen bereits voll entwickelt. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Abspielen sanfter, vor allem klassischer Musik die Entwicklung synaptischer Leitungsbahnen fördern kann, die auch mit räumlichem Denken in Zusammenhang stehen. Allerdings sind sich die Wissenschaftler noch nicht einig, ob Musikhören in einem sehr frühen Alter tatsächlich zu verbesserten kognitiven Funktionen im späteren Leben führt. Musikunterricht für sechs Monate alte Babys bietet Eltern oder anderen Betreuer vermutlich eher eine nette Gelegenheit mal aus dem Haus zu kommen. Zweifellos aber mögen Babys Musik, und sie reagieren gefühlsmäßig darauf, und so ist es allein aus diesem Grund wunderbar, wenn Sie Musik zu einem Teil Ihres Lebens und dem Ihres Babys machen können.
Die schönste Musik für Babyohren ist jedoch der Klang der elterlichen Stimmen, vor allem wenn sie auf diese langsame, sich wiederholende, hohe Art und Weise sprechen, in der die meisten Leute automatisch mit Babys reden. Bereits mit drei bis fünf Tagen ahmen Babys beim Weinen den Klang der Muttersprache nach,48 was darauf hindeutet, dass sie ihre Eltern schon im Mutterleib hören. In einer Studie zeigten Neugeborene nur Stunden nach der Entbindung ein größeres Interesse am Klang ihrer Muttersprache als am Klang fremder Sprachen49 – ein weiteres Argument, so früh wie möglich mit der Zweisprachigkeit anzufangen.
Babys können die Stimmen ihrer Eltern aber nicht nur erkennen, sie können sie auch interpretieren. Schon mit drei Monaten sind sie in der Lage, zwischen einem traurigen Klang und einem fröhlichen oder neutralen Klang zu unterscheiden.50 Wenn sie Angst oder Stress in der Stimme der Mutter hören, kann es sein, dass sie quengelig werden oder nicht mehr problemlos trinken. Dies erklärt auch, warum das Stillen und das Zubettbringen manchmal zu regelrechten Dramen führen. Wenn eine Mutter sich beim Stillen gestresst oder frustriert fühlt, und diese Emotionen sich körperlich und in ihrer Stimme bemerkbar machen, kann sich dies auf das Baby übertragen – es müht sich vielleicht noch stärker an der Brust ab und trinkt nicht mehr richtig. Ein Baby zieht seine Sicherheit auch aus den Klängen, die es um sich herum wahrnimmt, daher ist es wichtig, in seiner Gegenwart möglichst in sanftem, beruhigendem Ton zu sprechen.
Was Sie noch tun können
Singen Sie. Wiegenlieder weisen weltweit bemerkenswert ähnliche Klänge und Strukturen auf.51 Babys lieben es, wenn ihre Eltern ihnen etwas vorsingen. Wählen Sie ein traditionelles Lied, oder erfinden Sie ein eigenes. Babys ist es egal, ob Sie eine tolle Stimme haben oder nicht; Hauptsache, Sie singen ihnen liebevoll etwas vor!
Sobald Ihr Baby ein paar Monate alt ist, geben Sie ihm möglichst viele Gelegenheiten, selbst Musik zu machen – entweder auf Musikinstrumenten für Babys oder einfach mithilfe eines Topfes und eines Holzlöffels.
Wenn Sie eine Fremdsprache sprechen, setzen Sie sie ein! Normalerweise haben Babys keine Probleme damit, mehrere Sprachen gleichzeitig zu lernen, und es gibt Hinweise darauf, dass mehrsprachig aufgewachsene Kinder manchmal eine hohe Lese- und Problemlösefähigkeit entwickeln.
Was kann Ihr Baby riechen?
Der bei der Geburt am weitesten entwickelte Sinn ist der Geruchssinn. Der Lieblingsduft eines Babys ist der seiner Mutter, und schon nach ein paar Wochen können sie ihre Mutter nur aufgrund ihres Geruchs erkennen. Der Geruchssinn entwickelt sich ungefähr bis zum achten Lebensjahr weiter, danach bleibt er auf gleichem Niveau und lässt im Alter nach.
Warum sollten wir besonders darauf achten, die Entwicklung des Geruchssinns zu fördern? Nun, zum einen verbinden wir mit Gerüchen viele Erinnerungen. Zum anderen trägt unser Geruchssinn dazu bei, dass wir unser Essen genießen können! Die menschliche Nase ist neben ihrer Funktion als Geruchsorgan auch unser eigentliches Geschmacksorgan. Die sogenannten Geschmacksknospen auf unserer Zunge können nur vier Geschmacksrichtungen unterscheiden – süß, sauer, bitter und salzig. Jeder andere Geschmack wird von Geruchsrezeptoren in den oberen Nasengängen wahrgenommen.
Was Sie noch tun können
Tragen Sie möglichst kein Parfüm auf. Manche Parfüms können Allergien bei Babys hervorrufen, außerdem überdeckt Parfüm Ihren natürlichen Geruch – den Geruch, den Ihr Baby so liebt.
Verwenden Sie Waschmittel ohne Duftstoffe; parfümierte Waschmittel können die Fähigkeit Ihres Babys herabsetzen, die Welt um sich herum zu riechen.
Nehmen Sie sich Zeit, nach draußen zu gehen, auch wenn Sie nur einen kurzen Spaziergang um den Block machen oder sich vors Haus setzen. Verschaffen Sie Ihrem Baby Möglichkeiten, verschiedene Dinge zu riechen: Blumen; aromatisches Essen von einem Imbiss, einem Restaurant oder vom Grill; Früchte; Gras und alles andere, was Ihnen begegnet. Bitten Sie auch andere Personen, die Ihr Baby betreuen, darum.
Was berührt Ihr Baby gern?
Monatelang wird das Baby im Bauch durch die Körperbewegungen seiner Mutter geschaukelt und vom Klang ihrer Stimme beruhigt. Dann beginnen plötzlich die Wehen, und das Baby wird aus dem warmen, wässrigen Kokon in eine Welt aus grellem Licht und Klang gepresst, wo es seine Lunge mit Luft vollsaugen und zum ersten Mal allein atmen muss. Kein Wunder, dass es schreit! Aber Babys lassen sich schnell beruhigen und trösten, wenn sie unmittelbar nach der Geburt nackt auf die ebenfalls nackte Brust ihrer Mutter gelegt werden. Dieser Haut-zu-Haut-Kontakt fördert zum einen den Bindungsinstinkt der Mutter, zum anderen helfen die Körperwärme, der Herzschlag und das Auf und Ab ihres Brustkorbs beim Atmen dem Baby, seine eigenen Herz-Kreislauf-Funktionen, seinen Glukosespiegel und seine Atmung zu regulieren. Babys, die (Pi mal Daumen) die erste Stunde nach der Geburt auf der Brust ihrer Mutter gelegen haben, finden leichter den Weg zur mütterlichen Brust und sind beim ersten Saugen erfolgreicher als andere, die dies zum Beispiel aufgrund akut auftretender medizinischer Probleme nicht konnten. Heute wird diese Praxis des »Känguruens« in vielen Krankenhäusern empfohlen. Sogar winzige Frühgeborene verbringen, sobald sie erst einmal stabil genug sind, Stunden auf der nackten Brust ihrer Eltern – sorgsam zugedeckt, damit sie ihre Körperwärme halten. Wie so oft scheinen die Leute jedoch auch in diesem Fall eine wichtige Information zu beherzigen – Körperkontakt zur Mutter ist gut fürs Baby –, übertreiben es dann jedoch bei der Umsetzung.
Wenn mein Baby gleich nach der Geburt medizinisch behandelt werden muss, wird es trotzdem an der Brust trinken und eine Verbindung zu mir aufbauen können?
Auf jeden Fall. Wenn Ihr Baby gleich nach der Geburt Hilfe braucht, hat die medizinische Behandlung Priorität. Wenn es ihm wieder gut geht, haben Sie noch genug Zeit, ihm zu zeigen, wie es an der Brust trinken kann, und eine Verbindung ergibt sich im Folgenden ganz natürlich.
Babys mit sich herumtragen – Pro und Contra
Zwar gibt es Kulturen, in denen die Mütter ihre Babys monatelang wie kleine Koalabären dicht am Körper mit sich herumtragen, aber sobald diese Kinder erst einmal auf eigenen Füßen stehen und vor allem laufen können, werden sie nur noch dann getragen, wenn die Mutter eine große Entfernung zurücklegen muss. Das Tragen von Babys ist aus einer Notwendigkeit heraus entstanden. Völker mussten weiterwandern, Frauen mussten Essen sammeln und Wasser holen, also banden sie sich ihre Babys an den Körper. Sobald sie sie absetzen konnten, taten sie das auch. Mary Martini, Professorin an der University of Hawaii, erforschte die Marquesas, Bewohner einer weit entfernten, zu Französisch-Polynesien gehörenden Inselgruppe.52 Sie berichtete, dass Erwachsene »ihre Kinder trugen, herzten, mit ihnen spielten und bei ihnen schliefen, solange sie Babys waren … sobald ein Kind aber laufen konnte, gab seine Mutter es in die Obhut anderer Kinder.« Natürlich tat sie das! Es ist schwer, etwas zu erledigen oder schnell mal eben von A nach B zu gelangen, wenn man ein Kleinkind um sich hat. Allerdings ist es in unserer Gesellschaft nicht üblich, derart kleine Kinder ihren wenig älteren Geschwistern zu überlassen. Doch die Lösungen, die wir uns haben einfallen lassen, sind auch nicht ideal und können manchmal sogar schaden.
Die Nutzung von Kinderwagen für Kinder, die bereits laufen können, könnte laut einiger Wissenschaftler dazu beitragen, dass diese später zu körperlicher Passivität und Übergewicht neigen. Und immer häufiger tragen Mütter ihre Kinder vom Säuglingsalter bis ins Kleinkindalter; jedoch nicht auf der Hüfte oder den Armen, wo die Kleinen noch eine Menge Bewegungsfreiheit hätten, weil die Mutter das Kind aufgrund seines Gewichts immer mal wieder anders positionieren würde. Nein, heute werden die Kinder in Babytragesystemen und -tüchern untergebracht, die sich für Kinder, die älter als ein paar Monate sind, nicht mehr eignen. Ich habe Mütter häufig darauf hinweisen müssen, dass eines der Babybeine in der Trage blau angelaufen war, weil die Beinöffnung die Blutzirkulation behinderte. In manchen Tragen werden Becken und Hüfte in eine unnatürliche Position gebracht. Kinder auf diese Art zu tragen, kann für kurze Zeit praktisch sein, aber sobald die Kinder stark genug sind, müssen sie laufen und ihre Umgebung erkunden. Als in Kenia die ersten Versuche unternommen wurden, Kinderwagen auf den Markt zu bringen, sagte eine Frau aus Nairobi: »In Afrika tragen wir unsere Kinder oder lassen sie umherstreifen. Sie können doch nicht wie Klumpen herumsitzen.«53
Ihr Baby dicht am Körper zu tragen ist wunderbar, und Kinderwagen und -autositze sind eine Notwendigkeit für geschäftige Eltern. Achten Sie aber darauf, dass Sie Ihr Baby so oft wie möglich tragen, wenn Sie nicht im Auto sitzen. Idealerweise sollten Sie das Kleine im Stehen auf der Hüfte balancieren, und im Sitzen auf Ihren Knien. Lassen Sie Ihr Kind nicht im Autositz, während Sie zum Beispiel darauf warten, dass ein älteres Geschwisterkind aus der Turnstunde kommt – auch wenn das Kleine darin vollkommen zufrieden ist. Lassen Sie das Kind auch nicht unnötig lange im Kinderwagen oder im Buggy. Nehmen Sie es heraus und lassen Sie es seine Umgebung sehen, Ihre Hände um seine Taille spüren und mit seinen kleinen Fäusten Ihre Finger kneten. Das stärkt nicht nur seinen Rücken, verbessert sein Gleichgewichtsgefühl und hilft, ein Flachkopfsyndrom zu vermeiden, es ist auch eine gute Gelegenheit, trotz vollen Terminkalenders mit ihm zu spielen und Ihre Beziehung zueinander zu stärken.
Andere Arten, Babys Sinne zu fördern
Babys lieben es, geknuddelt und geküsst zu werden, geben Sie also jedem Impuls nach, Ihr Baby zu berühren. Bei afrikanischen Völkern ist es üblich, dass die Großmütter den frischgebackenen Müttern Techniken für die Babymassage beibringen. Berührungen sind überall eine soziale, emotionale und kognitive Erfahrung für Eltern und ihre Kinder. Sie helfen Babys, die Verbindung zur Bezugsperson herzustellen und Gefühle zu interpretieren. Untersuchungen haben gezeigt, dass Berührungen auch die körperliche und emotionale Gesundheit fördern; ohne Berührung verkümmern Kinder. Besonders im ersten Lebensjahr ist die körperliche Interaktion von größter Bedeutung.
Spielzeug
Mit welchem Babyspielzeug lässt sich die Entwicklung der Sinne und der motorischen und kognitiven Fähigkeiten am besten fördern? Auch wenn es sicher das eine oder andere gute Spielzeug zu kaufen gibt, lassen Sie diese immer wieder einmal beiseite und greifen Sie zu ganz normalen Haushaltsgegenständen. Kleine Kinder öffnen und schließen gerne Schachteln, legen etwas hinein und nehmen es wieder heraus. Oder Sie gehen einfach in Ihren Garten oder den nächsten Park, wo Sie kostenloses Spielzeug bekommen. Gekauftes Spielzeug ist bunt, hat aber keinen Geruch und ist meist unveränderlich. Ein Plastikring behält immer dieselbe Form und dieselbe Oberfläche, wie oft man auch mit ihm spielt. Das gilt auch für Krabbeldecken oder Spielebögen. Lassen Sie Ihr Kind jedoch mit Sand spielen, können Sie beobachten, wie es die Körnchen mit großer Freude durch seine Finger rieseln lässt und kichert, wenn seine Spucke den Sand in Schlamm verwandelt. Kinder mögen auch glatte Steine und andere Gegenstände aus der Natur. Eine ungiftige Blume, ein Zweig, eine Muschel – die Natur stellt die besten Kinderspielzeuge der Welt bereit.
Ein Wort zu elektronischen Medien
Ich komme nicht umhin, die Wirkung elektronischer Medien auf die Entwicklung der kindlichen Sinne zu erwähnen. Die Natur ist definitiv die beste Lehrerin für ein Kind, und der beste Klassenraum ist draußen, aber Technologie muss nicht im Widerspruch zu einer gesunden Kindheit stehen. Die Fragen lauten: Wann ist der beste Zeitpunkt, um elektronische Medien einzuführen, und wie viel Zeit sollte das Kind damit verbringen? Die Antworten: Später, als die meisten Eltern sich wahrscheinlich wünschen, und weniger, als sie wahrscheinlich möchten.
Obwohl es eine ganze Flut an Informationen darüber gibt, wie die elektronischen Medien unsere Kinder in eine Generation von Stubenhockern verwandeln, denken die meisten Leute, dass ihre eigenen Kinder davon nicht betroffen sind. Tatsächlich aber sind sie es wahrscheinlich doch. Wenn man all die Minuten mit dem Smartphone und die Zeit am Tablet zusammenzählt, starren viele kleine Kinder jeden Tag eine Stunde oder länger auf einen Bildschirm. Die meisten Argumente gegen diese Technologien ähneln denjenigen, die jahrelang gegen das Fernsehen vorgebracht wurden. Und viele Eltern werden vielleicht sagen: »Ich habe als Kind ferngesehen, und mir hat es auch nicht geschadet.« Der Unterschied besteht darin, dass der Fernseher früher der einzige Bildschirm im Haus war, und sobald dieser ausgeschaltet wurde, beschäftigte man sich mit etwas anderem. Dagegen kann es heute passieren, dass ein Kind sich nach dem Fernsehen einem Tablet zuwendet, dann dem Smartphone und anschließend einem elektronischen Spielgerät – und einiges davon lässt sich sogar mit nach draußen nehmen! Die Zeit mit elektronischen Medien muss begrenzt werden, und den meisten Eltern gelingt das nicht so gut, wie sie vielleicht glauben. Wir können unsere eigene Mediensucht nur schwer kontrollieren, daher ist es kein Wunder, wenn wir den Überblick verlieren, wie viel Zeit unsere Kinder tatsächlich vor dem Bildschirm verbringen. Die Schaltkreise im Gehirn eines Babys entwickeln sich nicht richtig, wenn sie von einer Abfolge kurzer Licht- und Klangimpulse stimuliert werden. Die Empfehlungen der amerikanischen Kinderärztevereinigung American Academy of Pediatrics mag manchem etwas übervorsichtig erscheinen, aber es ist richtig, die Zeit vor dem Bildschirm für Kinder zwischen drei und 18 Jahren auf zwei Stunden pro Tag zu begrenzen, und Kinder im Alter von zwei Jahren und darunter gar nicht davorzusetzen.
Gar nicht? Das wird für die meisten Familien schwer zu akzeptieren sein. In vielen Familien wird Kindern ein Smartphone in die Hand gedrückt, wenn sie im Restaurant essen, oder der Fernseher wird eine Stunde eingeschaltet, damit das Essen zubereitet werden kann oder die Eltern etwas Zeit für sich haben können. Fragt man sie, warum es das Smartphone oder der Fernseher sein muss, antworten sie fast immer, dass es das Einzige ist, was funktioniert. Aber schon lange, bevor es Fernseher und elektronische Geräte gab, gelang es Eltern, ihre Kinder eine Zeit lang ruhig zu halten – Kinder brauchen zur Unterhaltung also keine Bildschirme. Außerdem lassen flimmernde, bunte Bildschirme die Kinder nur umso mehr aufdrehen, sodass es noch schwieriger wird, sie abends ins Bett zu bringen. Tablets und Smartphones mögen Kinder eine Zeit lang ruhigstellen, aber sie sind nicht gut für die geistige Entwicklung und den Spracherwerb. Die ständige Bewegung und das flackernde Licht beeinflussen die kindliche Informationsverarbeitung und Aufmerksamkeit. Nimmt man dazu noch die »abgehackte« Musik, von der Kindersendungen und digitale Spiele meist begleitet sind, erhält man das Rezept für ein überstimuliertes Gehirn. Das Gehirn eines Babys kann unzusammenhängende, abrupte Bilder und Klänge nicht gut verarbeiten. Wie in der Forschung gezeigt wurde, entwickeln sich die Verbindungen zwischen den Nervenbahnen besser, wenn ein Baby fließende, zusammenhängende Klänge hört, zum Beispiel klassische Musik. Ist das Gehirn eines Babys oder Kleinkinds schnell wechselnden Bildern und unzusammenhängenden Klängen ausgesetzt, besteht die Gefahr, dass es sich zu einem eher unorganisierten Gehirn mit einer begrenzten Aufmerksamkeitsspanne entwickelt.
Ich treffe auf viele chronisch überstimulierte Kinder. Wir leben in einer Kultur, in der Geschäftigkeit und Produktivität einen hohen Stellenwert haben, und diese Tendenz hat auch die Art und Weise beeinflusst, wie wir mit unseren Kindern interagieren. Wenn für das Baby eine Stunde Beschäftigung oder Interaktion mit einer Person, einem Spielzeug oder einem digitalen Gerät gut ist, dann müssen mehrere Stunden noch besser sein – so denken viele. Aber jeder braucht Auszeiten, um zu träumen und sich zu entspannen, insbesondere Babys. Lassen Sie es sich zur Gewohnheit werden, dass Sie Ihr Kind, solange es sehr klein ist, auf den Boden setzen, ihm ein paar interessante Gegenstände und Sachen zum Draufherumkauen geben und es dann in Ruhe lassen. Wenn Sie die Kinder nicht für den Großteil des Tages mit stimulierenden Spielen und Bildschirmen zu beschäftigen versuchen, werden sie glücklicher und ausgeglichener sein. Geben Sie ihnen Zeit, nicht nur ihren Sehsinn, sondern auch den Tast-, Geschmacks- und Geruchssinn zu entwickeln, bis ihr zentrales Nervensystem im Alter von ungefähr zwei Jahren gut entwickelt ist. Danach können Sie etwas Zeit mit sorgfältig ausgesuchten Medien einführen. Noch besser wäre es, sich ab und zu zusammen mit den Kleinen Kindersendungen anzusehen oder mit ihnen elektronische Spiele zu spielen; die Kinder werden sich freuen, wenn Sie ihnen dabei Gesellschaft leisten.
Jeder braucht Auszeiten, um zu träumen und sich zu entspannen – insbesondere Babys.
Viele Eltern befürchten, dass durch eine Beschränkung elektronischer Medien, vor allem der Lernspiele, ihre Kinder hinter der Entwicklung Gleichaltriger zurückbleiben. »Und wenn die anderen dann schon zählen können und meins immer noch auf Stöcken herumkaut?« Zunächst einmal spielen die meisten Kinder über vier Jahre am Bildschirm nicht wirklich Lernspiele.54 Und wenn Sie ein frühreifes Kind treffen, das auf einem Tablet spielt und schon mit drei Jahren bis zehn zählen kann, dann hat es dies höchstwahrscheinlich nicht am Tablet gelernt, sondern von den daneben sitzenden Eltern. Ein Kind, das mit einem anderen Menschen agiert, lernt immer mehr als ein Kind, das allein vor einem elektronischen Gerät sitzt.
Ein Kind, das mit einem anderen Menschen agiert, lernt immer mehr als ein Kind, das allein vor einem elektronischen Gerät sitzt.
Sind die Kinder im Schulalter, kann man sie in begrenztem Umfang elektronischen Medien aussetzen. Es schon früher zu tun, macht kein Kind klüger, eher behindert es seine soziale Entwicklung. Untersuchungen haben ergeben, dass sich Kinder, die schon sehr früh viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, schwer damit tun, Empathie zu lernen.55 Die Zeit, die sie vor dem Bildschirm verbringen, nimmt ihnen die Gelegenheit, die Welt um sie herum zu beobachten und zu entdecken und mit Familie und Freunden ein soziales Miteinander zu erfahren.
Woher die Zeit nehmen?
Ich begegne auch vielen gestressten Eltern – ob sie berufstätig sind oder nicht –, die frustriert über die Ermahnungen sind, dass sie mehr Qualitätszeit mit ihren Kindern verbringen sollten. »Ich habe so viel zu tun und bin erschöpft. Kann ich mir nicht auch etwas Zeit für mich selber nehmen?« Auf jeden Fall. Sie sollten Zeit für sich selber sogar als äußerst wichtig einstufen. Aber denken Sie auch daran, dass es nicht nur im Interesse Ihres Kindes ist, gerade in diesem frühen Alter immer wieder intensiv Zeit mit ihm zu verbringen; es ist auch in Ihrem eigenen Interesse. Babys, denen man konzentriert Aufmerksamkeit schenkt, sind glücklicher und machen nicht alle um sie herum verrückt. Sie sind ausgeglichener, schlafen besser, essen besser und sind ganz allgemein fröhlicher. Bestimmt bekommen Sie diese Zeit irgendwo unter, und dann genießen Sie sie, solange es noch so einfach ist. Aber auch wenn die ersten drei Lebensjahre wesentlich für die kognitive und motorische Entwicklung eines Kindes sind, müssen Sie deswegen nicht Ihren Job aufgeben oder sich Gedanken machen, wie Sie ausgedehnte Zeitblöcke in Ihrem Terminkalender unterbringen. Für die von mir vorgeschlagenen motorischen und kognitiven Übungen braucht man keine Stunden, und außerdem kann die Verantwortung dafür mit einem Partner, einem anderen Familienmitglied oder einem Betreuer geteilt werden.
Gehen Sie es locker an
Gewöhnen Sie sich eine einfache Herangehensweise an. Sie müssen nicht jede freie Minute damit verbringen, mit Ihren Kindern zu spielen, und jede ihrer Erfahrungen in ein Lernerlebnis verwandeln, um ihnen in den ersten drei Jahren einen Vorsprung vor anderen zu verschaffen. Sie brauchen sie auch nicht zu Mandarin-Kursen für Babys oder später zum Geigenunterricht anzumelden – es sei denn, Ihr Kind liebt eine bestimmte Aktivität, Sie lieben sie auch und ihre Ausübung ist völlig stressfrei für Sie beide. Das Problem sind nämlich oft nicht die Kurse an sich, sondern der Druck, den sie erzeugen – entweder dadurch, dass Ihr Kind auf Leistung getrimmt wird, oder dadurch, dass Sie sich beeilen müssen, um pünktlich dorthin zu kommen, oder auch dadurch, dass die Aktivität Ihre Haushaltskasse belastet. Ihre Kinder werden nicht im Nachteil sein, wenn sie diese Kurse nicht wahrnehmen. Es ist bereichernd genug, wenn Sie die Küchenspüle mit schäumendem Wasser füllen und Ihr Kind mit den Händen darin herumplanschen lassen. Mehr brauchen Sie nicht zu tun, und Sie müssen auch kein Geld ausgeben. Beziehen Sie die Kinder einfach in Ihre Haushaltstätigkeiten ein. Sie lernen, während sie an Ihrer Seite Ihr eigenes »Ding« machen, zum Beispiel die Karottenstücke zählen, während Sie den Salat zubereiten, oder den Wäschekorb immer wieder leeren und füllen. Wenn Sie Ihrem Kind wirklich einen Vorsprung im Leben verschaffen wollen, überhäufen Sie es nicht mit Spielzeug. Spielzeug wird den Lebensweg Ihres Kindes nicht nachhaltig beeinflussen, regen Sie es stattdessen lieber dazu an, sich zu bewegen, und stimulieren Sie seine Sinne. Dafür benötigen Sie nicht viel. Die Liste der Dinge, die Ihr Baby wirklich braucht, ist sehr kurz. Einen sicheren Kindersitz fürs Auto, aber keinen unnötig teuren; eine Decke für den Fußboden; einen leichten Kinderwagen zur gelegentlichen Benutzung; Windeln – und das war’s auch schon. Oft arbeiten Eltern besonders hart, weil sie denken, ihr Kind würde von den vielen teuren Statussymbolen, die sie anhäufen, profitieren. Dabei sind es gerade die Dinge, die nichts kosten und auch nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, die den nachhaltigsten positiven Einfluss auf das Leben Ihres Kindes haben.
Spielzeug wird den Lebensweg Ihres Kindes nicht nachhaltig beeinflussen, regen Sie es stattdessen lieber dazu an, sich zu bewegen, und stimulieren Sie seine Sinne.
Eine vietnamesische Mutter – ich nenne sie Anh –, die drei Jahre in den USA gelebt hat, erzählte mir, dass niemand aus ihrer Immigrantengemeinschaft viel Geld für ein Baby ausgibt. Zum einen können die Leute es sich nicht leisten, zum anderen, und das ist noch wichtiger, sehen sie auch keine Notwendigkeit dafür. Es kostet nicht viel, ein Baby nach dem Baden mit einem Pflegeöl einzureiben oder mit ihm auf dem Fußboden Verstecken zu spielen. Anh fragte mich: »Glauben Sie, dass diese amerikanischen Babys das ganze gekaufte Zeug wirklich brauchen?«
Sie brauchen es nicht, und ich vermute, die meisten Eltern ahnen das. Aber die Werbefachleute wissen, was sie tun. Es ist schwer, den ganzen schönen, speziell für Kinder gemachten Sachen zu widerstehen, oder auch den Geräten für Babys Sicherheit, die die Angst und Verunsicherung der Eltern in Schach halten. Hinzu kommt, dass wir fürchten, wir benachteiligen unsere Kinder, wenn wir ihnen nicht kaufen, was wir bei anderen sehen. Doch das tun wir nicht. Am besten bauen Sie Stress ab, indem Sie sich dies immer wieder klarmachen und erkennen, dass Sie Ihr Baby mit nichts anderem überschütten müssen als mit Ihrer Liebe.
Babypartys machen Spaß, und wenn sie bereits vor der Geburt gefeiert werden, geben sie Freunden und Familienangehörigen die Möglichkeit, zu zeigen, wie sehr sie sich mit dem jungen Paar auf das Baby freuen. Gerne werden dabei Geschenke für das Neugeborene mitgebracht. Aber wie wäre es, wenn wir den Fokus anstatt auf das Baby auf die werdenden Eltern richten? Dem Baby ist es nämlich völlig egal, ob es schicke Socken oder ein Wärmegerät für Reinigungstücher bekommt. Vielleicht könnten wir uns Geschenke überlegen, die der Mutter und dem Paar helfen, mehr Zeit für sich selbst zu finden, wenn das Baby erst einmal da ist. Als enge Freundin oder Verwandte könnten Sie zum Beispiel ein paar Babysitting-Gutscheine schenken oder – wenn Babysitting nichts für Sie ist – einen Gutschein für einen Restaurant- oder Kinobesuch. Oder Sie lassen richtig Geld springen und besorgen einen Paargutschein für einen Wellnesstempel. Sie könnten auch mit Freunden zusammenlegen und für einen begrenzten Zeitraum einmal in der Woche eine Reinigungskraft oder einen Lieferservice fürs Essen spendieren.
Natürlich steht es Ihnen frei, Ihr Geld in ein süßes Babyoutfit zu investieren oder die Kinderbibliothek mit aufzubauen, aber versuchen Sie, immer noch etwas hinzuzufügen, was das Leben der Eltern vereinfacht, Stress reduziert und ihnen etwas Arbeit abnimmt. Solche Geschenke machen Erwachsene glücklich, langfristig gesehen hat aber auch das Baby etwas davon. Es lernt, sich sicher zu fühlen, auch wenn jemand anders es betreut, und es wächst mit entspannteren, glücklicheren, stärker miteinander in Verbindung stehenden Eltern auf. Natürlich sind solche Geschenke nicht auf die Zeit vor oder nach der Geburt beschränkt. Sie eignen sich ebenso gut für Geburtstage und andere Feiertage. Äußern Sie als Mutter ruhig entsprechende Wünsche, wenn Sie gefragt werden, worüber Sie sich zur Babyparty oder zu einer anderen Gelegenheit freuen würden.
Sie bleiben nicht immer die Nummer eins
Jetzt ist Ihre Chance, die Entwicklung der kindlichen Sinne zu fördern, starke kognitive Grundlagen zu legen und etwas dafür zu tun, dass Ihr Kind gerne lernt und neuen Erfahrungen gegenüber aufgeschlossen ist. Genießen Sie diese besondere Zeit des engen Miteinanders: In dieser Lebensphase haben Sie die ungeteilte Aufmerksamkeit Ihres Kindes. Später im Leben wenden sich die Kinder Freunden und Lehrern zu und fangen an, die Welt auf eigene Faust zu erforschen. Dann wird es Ihre Aufgabe sein, ihnen nicht im Weg zu stehen und ihnen Freiheiten zu lassen, während sie lernen, neue Beziehungen aufzubauen, mit anderen zu interagieren und Probleme zu lösen. Aber jetzt, in diesem Moment, sind Sie und die anderen liebevollen Erwachsenen, die zur Betreuung Ihres Kindes beitragen, alles, was es hat, und praktisch auch alles, was es haben möchte.