Dom

»Okay, sag mir alles, was du über sie weißt.« Ich bestürme Tony in der Sekunde, als ich ihn allein erwische. De Luca ist am Arsch. Er ist so was von am Arsch. Wir müssen die Füße stillhalten. Bla, bla, bla! Der gleiche Scheiß wie letzte Woche. Dieser Wichser hat jemanden auf mich angesetzt – ich hab’s erledigt. Pops ist stolz und schickt eine entsprechende Botschaft zurück. Mehr will ich mit dem ganzen Dreck nicht zu tun haben.

Ich kümmere mich lieber wieder ums Wettbüro und die Jagd nach meinem Kätzchen. Allein beim Gedanken daran, wie sie ihre Schulden beglichen hat, wird mein Schwanz hart. Um diese Tatsache zu verbergen, wechsle ich meine Sitzposition, während ich darauf warte, dass Tony die Infos aus seinem Tablet aufruft. Das Ding nimmt er überall mit hin. Mir gefällt das nicht, selbst wenn es passwortgeschützt und verschlüsselt ist. Das habe ich auch Pops gesagt, eigentlich habe ich es allen gesagt. Anscheinend ist diese Technik okay, und Tony hat auch nicht sämtliche Daten darauf gespeichert. Trotzdem gefällt es mir nicht, dass ein Gerät mit irgendwelchen Infos zu meinen Geschäften existiert.

Als Tony es mir rübergibt und mir ein Foto meines Kätzchens entgegenblickt, muss ich allerdings zugeben, dass mir das Tablet plötzlich scheißegal ist. Ich lese ihre Daten und klicke mich durch die Fotos.

Rebecca Lynn Harrison. Geburtsname: Bartley.

Einunddreißig Jahre alt. Geburtsdatum: 2. Januar 1985.

Witwe von Richard Francis Harrison. Datum der Eheschließung: 14. Dezember 2011.

Verstorben durch Herzinfarkt im Alter von dreiundvierzig Jahren. Geburtsdatum: 12. Mai 1982.

Mutter von Jax Liam Harrison.

Drei Jahre alt. Geburtsdatum: 05. April 2013.

In meinem Kiefer zuckt ein Muskel, während ich den Teil über ihren Sohn lese. Kinder verkomplizieren alles. Das heißt, ich kann nicht mit ihr allein sein, wann immer ich will, und erwarten, dass sie sich mir ohne Weiteres unterwirft.

INHABERIN DES ITALIENISCHEN BISTROS MARCELLO ’S

127 Pattinson Plaza. Wert: zwei Millionen.

Eigentümerin eines zweistöckigen Einfamilienhauses in Harmony Place.

42 Hills Lane. Wert: 600.000 USD .

RECHTLICHE KONFLIKTE ( IN LETZTER ZEIT )

Scheidung und Aufteilung des ehelichen Vermögens – Klage abgewiesen

Sorgerechtsstreit – ebenfalls abgewiesen

»Was zum Teufel hat das zu bedeuten?« Zorn steigt in mir auf. Ist sie etwa eine schlechte Mutter? Ich werde nicht mit einer Frau vögeln, die sich nicht um ihre Kinder kümmert. So eine will ich nicht.

»Ihr Mann war ein echter Scheißkerl. Seine Daten habe ich auch da drauf.« Tony deutet auf das Tablet, und ich atme einmal tief durch.

Dann scrolle ich durch einige Fotos, die meine Süße vor ihrem Restaurant zeigen. Marcello’s – Italienisches Bistro. Das muss ich mir noch genauer ansehen. Ich bezweifle, dass ihre Fleischklößchen genauso gut sind wie die von Ma. Mit einem spöttischen Grinsen betrachte ich die Fassade des Restaurants. Ich war noch nie dort; hab noch nicht mal was davon gehört. Wir haben unser eigenes Edelbistro. Allerdings haben die Leute, die zu uns kommen, nicht unbedingt Interesse an unserem Essen, sondern eher an einem Erlebnis. Ist ja nicht so, als wüsste niemand, dass Pops der Kopf der Mafia ist. Die Cops sind seit Jahren an ihm dran, konnten ihm aber bisher nie was nachweisen. Die Presse zerreißt ihn jedes Mal, wenn irgendwo in der Stadt Blut vergossen wird. Was jedoch meistens gar nichts mit uns zu tun hat. Manchmal ist es durchaus verdient, aber es kommt selten vor, dass die Presse mit ihren Recherchen richtigliegt.

Wenn also jemand zu uns ins Bistro kommt, dann weil er oder sie hofft, irgend so einen Mist wie bei den Sopranos zu erleben oder so was. Bei diesem Gedanken muss ich leise lachen.

Ich starre immer noch auf das Foto ihres Restaurants. Rebeccas Restaurant. Der Name gefällt mir. Rebecca. Fühlt sich gut an auf meiner Zunge. Der Laden sieht auch ganz nett aus. Ich wette, er ist drinnen ganz hübsch eingerichtet. Aber italienisch? Echt italienisch? Das bezweifle ich. Wieder muss ich grinsen und scrolle weiter nach unten. Ich werde wohl einmal dorthin gehen und mir ein persönliches Bild machen müssen.

Bei einem Foto von ihr mit einem kleinen Jungen auf dem Arm halte ich inne. Das muss ihr Sohn sein. Mein Blick huscht an der Küchentür vorbei ins Spielzimmer zu Gino.

»Wie alt ist Gino jetzt? Drei?«, frage ich Tony und lehne mich gegen die Granitarbeitsplatte.

Tony zuckt die Achseln. »Keine Ahnung, Dom.«

»Ma!«, rufe ich durch die Küche in Richtung Esszimmer, wo sie und Jessica bei einer Tasse Tee zusammensitzen. Ich weiß, dass ich ihre Unterhaltung störe, aber Ma wird das nichts ausmachen.

Prompt kommt sie zur Tür, die Hände in die Hüften gestemmt und die Lippen gespitzt. »Was schreist du denn so, Dom? Hä? Kannst du nicht herkommen, wenn du was willst, wie jeder normale Mensch auch?«

»Sorry, Ma, ich wollte nur wissen, wie alt Gino ist.«

»Er wird im Juni drei.« Unvermittelt kneift sie die Augen zusammen. »Wieso fragst du?«

Ich hebe die Schultern. »Nur so.« Normalerweise lüge ich meine Ma nie an. Aber bei dem einzigen Mal, als ich es doch tue, durchschaut sie mich natürlich. Ich schätze, ich lüge nie, weil ich so beschissen darin bin. Ihr Blick fällt auf das Tablet in meinen Händen. »Wag es nicht, Ma«, sage ich warnend. Sie öffnet den Mund, weicht einen Schritt zurück und sieht mich voller Enttäuschung an.

»Ich will sie sehen, Dominic.« Erneut platziert sie eine Hand an ihrer Hüfte, während sie die andere mit der Innenseite nach oben zu mir ausstreckt. Ach, verdammt.

»Ma. Es ist nur irgendeine Frau. Sie kennt mich nicht mal.« Na ja, sie kennt mich schon irgendwie – im biblischen Sinne –, aber das braucht Ma nicht zu wissen.

»Es gibt tausend Bräute da draußen, Dom«, sagt Pops, der hinter mich getreten ist und mir nun das Tablet abnimmt. Er ist der Einzige hier im Raum, dem ich das durchgehen lasse. »Aber für dich muss es immer kompliziert sein, oder?«, ergänzt er leise lachend. »Du gibst dich nicht mit einer süßen Kleinen Anfang zwanzig zufrieden. Nein, für dich muss es eine reife Frau mit schwerem Gepäck sein.«

»Dante! Ein Kind ist doch kein Gepäck!« Ma sieht ziemlich sauer aus.

Ich hebe die Augenbrauen und blicke an meiner Mutter vorbei ins Esszimmer. Meine Eltern streiten sich nicht. Nie. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie sich auch nur einziges Mal in die Haare gekriegt hätten. Aber Ma liebt es, Pops zusammenzufalten. Sie lässt ihm nicht mal Kleinigkeiten durchgehen.

»Ach, jetzt reg dich nicht so auf. Ich sage doch nur, dass ein Kind Arbeit macht.« Er gibt mir das Tablet zurück. »Wenn er sich nicht nur mal kurz amüsieren will, hat es keinen Sinn, dass er einer Frau hinterherläuft, die sich um einen kleinen Racker kümmern muss.«

Ich stimme Pops mit einem Nicken zu, aber was er sagt, gefällt mir gar nicht.

»Du musst aufhören, dich mit all den Mädchen zu amüsieren, und dir eine gute Frau suchen, mit der du eine Familie gründen kannst.«

»All den Mädchen?« Angewidert verziehe ich das Gesicht. »Was für Mädchen?« Es ist jetzt nicht so, als würde ich von Bett zu Bett hüpfen. Ich bin doch keine männliche Hure oder so was. Nicht dass ich damit ein Problem hätte. Weder mit der einen noch mit der anderen Seite. Womit ich sagen will, dass ich nichts gegen das Bettenhüpfen habe. Jeder nach seiner oder ihrer Fasson. Vince zum Beispiel hat einen Riesenfrauenverschleiß. Bei ihm kommen und gehen sie, aber die Damen wissen genau, worauf sie sich einlassen, und ich werde den Teufel tun, ihn dafür zu verurteilen. Mir gefällt nur etwas anderes besser. Ich baue lieber ein wenig Vertrauen auf. Ein One-Night-Stand versetzt mich nicht in den Rausch, den ich brauche. Er ist bloß eine schnelle Nummer, und das ist einfach nicht mein Ding. Ich mag es, mir ihr Vertrauen zu erarbeiten und ihre Grenzen zu verschieben. Mich reizt es, die tiefsten und dunkelsten Geheimnisse einer Frau herauszufinden. Was ziemlich schwierig wird, wenn sie dir nicht genug vertraut, um sie dir zu verraten.

Drüben im Spielzimmer höre ich Vince lachen. Na super, jetzt weiß jeder in dieser verfluchten Familie Bescheid. Eine Sekunde später kommt er mit einem breiten Grinsen in die Küche und lehnt sich gegen den Kühlschrank. Im selben Moment, als er den Mund öffnet, schneide ich ihm das Wort ab. »Halt die Klappe.« Ich deute mit dem Daumen auf Ma. »Sie darf was sagen.« Ich richte meinen Finger auf Dad. »Er darf was sagen.« Dann zeige ich auf Vince und hebe die Augenbrauen. »Du nicht. Also verpiss dich.«

»Dom!«, rügt Ma mich.

»Ich weiß, ich weiß«, sage ich augenverdrehend, während ich Tony das Tablet zurückgebe. »Keine Gossensprache in diesem Haus.« Ich blicke zu Tony. »Mail mir das zu.«

Meine Mutter sieht mich voller Erwartung an.

»Ma, bitte.« Ich will nicht, dass sie sich einmischt. Hier geht’s nur um Sex. Ich kriege diese Frau einfach nicht mehr aus dem Kopf. Zum Teil, weil ich mich bei ihr entschuldigen will, aber vor allem, weil ich ihre Muschi wieder um meinen Schwanz spüren will. Und diesen Arsch. Allein die Erinnerung lässt meinen Prügel strammstehen. Und das ist mein Stichwort, um endlich hier wegzukommen. Ich hab meine Pflicht getan und bin zum Sonntagsessen erschienen. Ich habe ihnen von dem kleinen Wichser Marco und De Lucas Scheiß erzählt.

»Du gehst schon?«, fragt Ma, als ich sie umarme. Sie klingt gekränkt, und normalerweise hätte ich sofort ein schlechtes Gewissen – wenn sie es nicht jedes Mal in diesem Tonfall sagen würde.

»Ich muss los, Ma. Hab dich lieb.« Sie bekommt einen Kuss auf die Wange. Pops wird kurz zum Abschied umarmt, und dem Rest winke ich einfach nur zu, während ich hinaus zu meinem Benz marschiere.

Zeit, nach Hause zu fahren und mir diese Frau gründlich anzusehen. Dass ich sie unbedingt will, weiß ich schon; jetzt muss ich nur noch rausfinden, wie ich es anstelle, dass sie mir erneut was schuldig ist. Mein Grinsen verflüchtigt sich sofort, als mir einfällt, dass ich mein Verhalten beim ersten Mal irgendwie ansprechen muss. Unwillkürlich schlingen sich meine Finger um das lederne Steuer. Ich hab’s nicht so mit Entschuldigungen, aber mir fällt sicher was ein, um mein Benehmen wiedergutzumachen. Stöhnend denke ich an all die Möglichkeiten, wie ich meine Süße entschädigen könnte.

Ich kann es verdammt noch mal nicht erwarten, endlich wieder in ihre enge Muschi einzudringen. Morgen habe ich noch nichts vor. Na ja, jetzt schon.