Epilog

- SALVATORE -

Neun Monate später

»W illkommen zurück«, werde ich von Ledecky empfangen.

Ich erwidere die Begrüßung und blicke mich um. »Wo sind die anderen?«

»Nicht da«, gibt mir mein Chief knapp zu verstehen, als er mich durch das Großraumbüro führt.

Ich bin seit einer Woche zurück aus Quantico. Hinter mir liegen sechs Monate Ausbildung, inklusive Drill-Hölle. Doch das hatte ich mir selbst ausgesucht, nachdem mir Ledecky eine Zukunft ausmalte, die ich mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können.

Wenn du etwas willst, musst du bereit sein, etwas dafür zu tun. Also ging ich durch die Hölle, um am Ende als Agent Salvatore Bonasera wieder rauszukommen. Wie sich herausstellte, hatte ich mich mit meinem Trainingsprogramm, das ich all die Jahre zwei oder drei Mal die Woche durchzog, unbewusst auf den Fitnesstest vorbereitet, der für die Aufnahme in Quantico unabdingbar ist.

Die letzten Tage verbrachte ich mit meinem Mann. Ich will’s mal so sagen, wir haben nicht viel frische Luft abbekommen oder den blauen Himmel bewundern können. Sußer das Schlafzimmerfenster stand offen. Aber verdammt, wir hatten sechs Monate nachzuholen. Uns nicht sehen zu können war noch schlimmer als Quantico selbst. Anfangs durfte ich nicht raus und mich auch niemand besuchen. Als ich dann Ausgang gewährt bekam, war Bobby mitten in einem Fall und wir brachten es zeitlich nicht auf die Reihe. Es war wie verhext. Aber nun ist endlich alles vorbei und wir können jede freie Minute miteinander verbringen.

»Setzen Sie sich, Sal«, fordert der Chief, sobald wir in seinem Büro sind.

»Sie sehen aus, als hätte Ihnen jemand auf den Schlips getreten.«

Ledecky funkelt mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Sie haben eindeutig zu viel Zeit mit Agent Serkis verbracht. Nicht einmal Bobby würde mir das sagen.« Er winkt ab. »Nein, alles gut. Ich mag nur keine Unpünktlichkeit.«

Ich schaue auf die Uhr. »Hatten wir uns für früher verabredet?«

Er lacht. »Nein, Sie doch nicht.«

In der Sekunde klopft es an der Tür und Ledecky ruft: »Kommen Sie rein, Agent Anderson.«

Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich drehe mich um und starre in ein schmales Gesicht, das ich vor über einem halben Jahr das letzte Mal gesehen habe. »Elliot?« Elliot Anderson ist der Ex-Freund von Shaun. Wir haben uns bei einem Dartabend im O’Brien’s kennengelernt. Kurz darauf beendete Shaun, was auch immer die beiden hatten, und erwähnte Elliots Namen nie wieder. Er knurrt nur wie ein tollwütiger Rottweiler, wenn Bobby ihn danach fragte, was eigentlich passiert ist.

Elliot strahlt mich an. »Hey, Sal, schön dich zu sehen.«

»Schon gut, schon gut. Ihr könnt euch nachher umarmen und miteinander kuscheln«, geht Ledecky leicht genervt dazwischen.

Elliot begrüßt Ledecky und setzt sich auf den Stuhl neben mir.

»Ich mach’s kurz. Da ihr euch bereits kennt, erspare ich mir den ganzen Schmus.« Er wedelt mit der Hand in unsere Richtung. »Ihr seid ab sofort Partner.«

Mir war klar, dass ich einen bekomme, aber mit Elliot hätte ich niemals gerechnet. Auch nicht mit Bobby. Selbst wenn er gewollt hätte, was er nicht tut, hätte Ledecky das nie zugelassen. Es ist auch so schon eine Gratwanderung für ihn, uns beide in seiner Einheit zu haben.

»Was sitzt ihr hier rum, als hättet ihr nichts zu tun. Geht und richtet euch ein. Eure Schreibtische stehen neben denen von Serkis und Flinn.«

Elliot seufzt kaum hörbar, ehe er aufsteht und das Büro verlässt.

Ich werfe Ledecky noch einen Blick zu, doch dessen Körpersprache sagt laut und deutlich: Raus aus meinem Büro.

Als ich zu Elliot stoße, sehe ich Bobby und Shaun an ihren Plätzen sitzen. Bobby sieht zu mir auf und lächelt mich warm an. Ich muss mich zusammenreißen, um ihm nicht um den Hals zu fallen.

Ich schlendere langsam an ihm vorbei und streiche sanft über seine Schulter. Er hält meine Hand fest und flüstert: »Ich hole mir einen Kaffee. Magst du auch einen?«

Eine Antwort bleibt mir verwehrt, denn in diesem Augenblick stehen sich Elliot und Shaun Nase an Nase gegenüber und brüllen sich an.

Ehe ich mich’s versehe, zieht Bobby mich aus der Gefahrenzone und in die Teeküche, wo er hinter uns die Tür schließt und mich in die Arme nimmt.

»Was zum Henker war das?«, will ich wissen und nicke in Richtung Tür.

»Etwas, das die beiden mit sich ausmachen müssen. Ich denke, es geht um ihre Trennung. Da mische ich mich nicht ein. Und solltest du auch nicht, wenn dir dein Leben lieb ist.« Damit scheint das Thema für Bobby erledigt zu sein. Er drückt mir einen Kuss auf, grinst mich erneut an und wispert gegen meine Lippen: »Hallo, Agent Bonasera.«

Shauns und Elliots Verhalten verliert sofort an Wichtigkeit. Ich vergrabe meine Finger in Bobbys Haar, beuge mich vor und atme seinen Duft tief ein, bevor ich ebenso leise sage: »Hallo, Agent Flinn.«

Im nächsten Augenblick drückt mich Flinn mit dem Rücken gegen die Tür und verschlingt mich mit seinem Mund.

Nur widerwillig bringe ich ihn auf Abstand und keuche: »Vielleicht sollten wir nicht gleich am ersten Tag eine Suspendierung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses riskieren, was meinst du?«

»Hast recht.«

Jemand versucht die Tür zu öffnen und wir springen reflexartig beiseite und auseinander.

»Ernsthaft, Jungs? Jetzt schon?«, echauffiert sich Fallon und stöckelt kopfschüttelnd mit einer leeren Tasse an uns vorbei, um sich Kaffee einzugießen.

»Fallon, du hast meine vergessen«, mosert Louis von der Tür aus und beäugt uns einen nach dem anderen. »Ernsthaft? Jetzt schon?«

»Hab ich auch gerade gesagt«, erwidert Fallon und streckt die Hand nach Louis’ Tasse aus. »Gib schon her.«

Louis gesellt sich zu uns und lehnt sich neben uns an den Küchenschrank, um dann von Fallon seine Tasse in die Hand gedrückt zu bekommen und ein Gespräch über Fallons Schwester Franny anzufangen.

Wir stehen beide nur da und verarbeiten noch den kleinen Schock, den sie uns verpasst haben.

»Sagt mal, was war da draußen gerade los?«, wendet sich Louis an uns.

»Blöde Frage«, ergreift Fallon das Wort. »Ich dachte, du bist Profiler.«

»Na ja, ich kenne Elliot nur aus der Technik und dann war da noch der eine Abend bei O’Brien’s. Ich hatte also nicht viele Gelegenheiten, ihn zu analysieren. Ich meine, ja, ich hätte mir die Zeit nehmen können, aber da unten ist es, als wäre man lebendig begraben.« Er schüttelt sich. »Das ist schauderhaft.«

Fallon lacht. »Schauderhaft? Hast du wieder nach alten Begriffen gegoogelt? Wie auch immer, die zwei hatten mal was miteinander, das weißt du doch.«

»Ja und?«

»Sie haben sich nicht wirklich freundschaftlich getrennt.«

»Woher weißt du das jetzt wieder?«, will Bobby wissen. »Uns hat Shaun nicht erzählt, was vorgefallen ist.«

»Ihr seid ja auch Kerle. Ich kenne den Grund, werde aber nicht sein Vertrauen in mich zerstören, nur um euch Tratschtanten auf den neusten Stand zu bringen.«

»Kerle. Tolle Feststellung!«, nörgelt Louis.

Fallon zuckt mit den Schultern. »Ist doch so. Oder willst du etwa das Gegenteil behaupten? Jedenfalls ist Shaun angepisst, weil er nicht wusste, dass Elliot zu uns wechselt.«

»Ich wusste es auch nicht«, mault Louis.

»Ich auch nicht«, erklärt Bobby.

»Na, und ich sowieso nicht. War ja nicht hier«, ergänze ich und hole mir eine Tasse aus dem Schrank, nachdem ich Bobby eine in die Hand gedrückt habe.

Fallon sieht von einem zum anderen. »Mal ehrlich, ihr seid wie Waschweiber. Jetzt lasst die zwei in Ruhe selbst ihren Scheiß auf die Reihe kriegen.« Sie deutet auf mich und Bobby. »Schließlich habt ihr es doch auch geschafft.« Daraufhin stöckelt sie wieder an uns vorbei und bleibt an der Tür stehen. »Louis, kommst du? Gib den beiden noch eine Minute. Ich stelle mir das echt blöd vor, wenn mein Mann hier arbeiten würde und ich ihn nicht küssen könnte.«

»Stimmt«, erwidert Louis und folgt Fallon brav hinaus, bevor er leise die Tür schließt.

In einem Moment glotzen wir uns noch verdattert an, im nächsten stehen unsere Tassen auf der Arbeitsfläche und unsere Zungen tanzen einen Walzer der sinnlichen Art, bis wir uns abermals atemlos voneinander trennen und ich sage: »Du gehst zuerst. Ich komme in zwei Minuten nach.«

»Das ist so fies.«

Ich blinzle ihn an. »Wieso?«

Sein Blick gleitet auf seinen Schritt. Er ist so erregt wie ich. »Du willst nicht, dass ich so rausgehe, oder?«

Ich deute auf mich. »Jetzt weißt du, warum ich mein Jackett anbehalte.« Als ich die Teeküche verlassen will, greift Bobby erneut nach meiner Hand, dreht mich zu sich um und sagt: »Ich bin froh, dich hier zu haben.«

Ich drücke seine Hand. »Und ich bin froh, hier zu sein.« Daraufhin beuge ich mich vor und gebe ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. »Steht die Einladung am Wochenende noch? Also wenn von unserer Seite nichts dazwischenkommt, versteht sich.«

Bobby strahlt mich an. »Ich habe erst vorhin mit Jeremy telefoniert und ihn genau das gefragt. Sie erwarten uns auf Eagle Rock

»Du, ich und ein Weinberg. Es wird sicher magisch.«

»Du wirst es lieben, Honey.«

ENDE