Neun

 

 

Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlage, bin ich natürlich wie immer allein. Doch obwohl ich weiß, dass Seth an seinem Laptop sitzt, fühle ich mich irgendwie merkwürdig. Obwohl, das war es heute Nacht bereits, nachdem er sich einfach und ohne ein Wort zum Schlafen hingelegt hat, nachdem er aus dem Badezimmer kam. Sicher, ich weiß, dass wir nur rumgemacht haben und ich habe auch nicht erwartet, dass wir anschließend kuschelnd nebeneinander einschlafen, aber ich hätte mir zumindest gewünscht, dass wir darüber reden. Tief in meinem Inneren hoffe ich, dass es keine einmalige Sache bleiben wird. Immerhin sind wir beide Single und ich würde lügen, wenn ich sage, dass es mir nicht gefallen hat.

Es war schnell, intensiv und in jeglicher Art befriedigend. Wie es wohl wäre, richtigen Sex mit ihm zu haben?

Seufzend setze ich mich auf, schlüpfe in meine Jeans und mein T-Shirt und beschließe, auf jeden Fall das Gespräch mit ihm zu suchen. Ich möchte nicht, dass diese Nacht zwischen uns steht, außerdem will ich nichts unversucht lassen, zu erfahren, ob er Interesse an weiteren Malen hat. Wir sind beide erwachsen. Es wird das Beste sein, ihm ehrlich und direkt gegenüberzutreten.

Ziemlich verschlafen schleiche ich Richtung Wohnzimmer und bleibe wie immer in der Tür stehen, doch Seth ist nicht da. Sein Laptop ist zwar an und eine seiner Dateien geöffnet, aber von ihm ist nichts zu sehen.

Er ist sicher im Bad , denke ich und drehe mich um, als ich fast in ihn hineinlaufe.

„Hey, Vorsicht!“, sagt er mahnend, da er zwei Tassen Kaffee in den Händen hält. „Ich mag es ja heiß, aber das hier wäre definitiv zu viel des Guten.“

Ich grinse und nehme ihm eine der Tassen ab, bin froh, dass er seinen Humor offensichtlich nicht verloren hat. „Du machst mir Kaffee, obwohl du nicht einmal wusstest, dass ich wach bin? Kannst du hellsehen?“

„Nein, ich habe einfach nur gute Ohren“, erwidert er und tritt an mir vorbei. Dabei kommt er mir so nah, dass ich beinahe die Luft anhalten muss, um nicht zu seufzen. Dieser Kerl bringt mich um den Verstand. „Hast du gut geschlafen?“

Er setzt sich an den Schreibtisch und stellt die Tasse auf diesem ab, während ich einen kleinen Schluck trinke. „Sehr gut, ja. Und selbst?“

Ich weiß nicht, ob seine Frage etwas mit heute Nacht zu tun hat, aber es ist mir auch egal. Er kann ruhig wissen, wie gut es mir gefallen hat.

„Ich kann nicht klagen.“

Es fällt mir gerade schwer, die richtige Entscheidung zu treffen, doch ich bin immer noch der Meinung, dass wir zumindest kurz über heute Nacht reden sollten. Mir liegt nämlich nichts ferner, als wenn wir deswegen jetzt befangen miteinander umgehen.

„Hör mal, wegen heute Nacht, da …“

Ich habe noch gar nicht ganz angefangen, da dreht er sich bereits zu mir um. Seine Hände sind miteinander verschränkt und liegen auf seinem Bauch, während er mich eindringlich betrachtet.

„Ja?“

„Dir ist schon klar, dass du mich gerade sehr verunsicherst?“

Er schmunzelt und schüttelt anschließend den Kopf. „Das lag nicht in meiner Absicht. Sag, was du zu sagen hast.“

„Na ja.“ Ich zucke die Schultern und gehe auf ihn zu, nehme einen der Holzstühle, die an der Wand stehen und schiebe ihn gut einen Meter vor ihn. Dann setze ich mich falsch herum drauf und lege die Unterarme auf der Lehne ab. „Ich könnte jetzt sagen, dass es scheiße war und wir es nicht wiederholen sollten. Das wäre aber eine Lüge.“

Ich bin mir nicht sicher, ob er mit dieser Aussage gerechnet hat, sein Blick lässt aber eher darauf schließen, dass es überraschend für ihn kommt. Auch dass er sich daraufhin den Nacken reibt, spricht dafür, dass er verunsichert ist.

„Und was genau willst du mir damit jetzt sagen?“

Ich hebe eine Augenbraue. „Nichts, außer dass ich nichts dagegen hätte, wenn sich aus diesem Urlaub etwas anderes entwickelt als geplant. Ein bisschen Spaß hat sicher noch niemandem geschadet.“

Dass ich sehr direkt bin, ist mir bewusst, aber ich glaube nicht, dass ich mit dieser Art irgendetwas zwischen uns kaputt mache. Denn auch wenn er es gerade nicht zeigt, so bin ich davon überzeugt, dass er dem Ganzen nicht weniger abgeneigt ist wie ich.

„Das kommt ganz darauf an, was du dir davon versprichst.“

Er dreht sich von mir weg und schließt die Datei, die zuvor noch geöffnet war, als hätte er Angst davor, dass ich sie lesen könnte.

„Was sollte ich mir schon davon versprechen?“, frage ich nach, woraufhin er sich zurückdreht. „Guten Sex, das ist alles. Wir sind beide Single und haben nichts zu verlieren. Warum es also nicht riskieren?“

Das Schreien meines Herzens, welches mir versucht zu sagen, dass ich genau dieses an ihn verlieren könnte, versuche ich zu ignorieren. Ich weiß selbst, dass ich normalerweise kein Typ für One-Night-Stands bin, aber in seinem Fall … Allein der Gedanke daran, wie er nackt vor mir steht, lässt mich komplett anders denken, als ich es sonst tue. Also warum es nicht ausnutzen? Es sind nur ein paar Tage. Was soll schon passieren?

„Falls du glaubst, dass ich hier jetzt irgendwelche Verpflichtungen eingehe, hast du dich getäuscht. Falls es dazu kommt, werde ich sicher keinen Rückzieher machen, aber ich werde es bestimmt nicht darauf anlegen. Klar?“

Auf meinen Lippen bildet sich ein zufriedenes Grinsen, welches er zwar nicht erwidert, aber an seinen Augen erkenne ich, dass er es wissend registriert hat.

„Du vielleicht nicht, aber dazu gehören wohl immer noch zwei …“

 

•••

 

Etwa eine Stunde später sitzen wir zusammen am Frühstückstisch und es scheint alles zwischen uns wie vorher zu sein. Seth redet ununterbrochen und ich folge ihm mit Begeisterung, während sich unsere Themen wie immer mit Gott und der Welt befassen. Ich glaube, mit diesem Mann wird es niemals langweilig.

„Hast du dir schon überlegt, was du machen möchtest? Ich empfehle dir, nicht den ganzen Tag zu Hause zu bleiben und darüber nachzudenken, wann Nora sich endlich meldet.“

„Na ja.“ Ich trinke einen Schluck Kaffee. „Du meintest gestern, wir gehen in die Stadt. Oder hast du keine Lust darauf?“

Seth zuckt die Schultern und scheint einen Moment lang über seine Antwort nachzudenken. „Sagen wir mal so, viele Menschen sind nicht gerade das, was ich besonders gern mag, aber ich würde es dir zuliebe trotzdem tun.“

Ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen. Das war wirklich süß.

„Ich mag viele Menschen auch nicht, aber wir können ja einfach so tun, als wäre niemand da.“

Seth runzelt die Stirn. „Spricht der Lehrer, der jeden Tag mit zig Menschen zu tun hat.“

Jetzt muss ich lachen. „Ja, aber die meisten davon sind Kinder und noch harmlos. Das kann man also nicht vergleichen.“

Er lächelt und schüttelt gleichzeitig den Kopf. „Worauf hast du denn Lust? Shoppen? Sightseeing? Oder einfach nur ein Spaziergang durch die Straßen?“

„Ach, ich wäre mit einem Besuch im Buchladen schon sehr zufrieden. Vielleicht finde ich da im Thrillerregal was Passendes. Hast du vielleicht einen Tipp?“

„Du gibst wohl nie auf, hm?“ Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem schiefen Lächeln. „Also gehen wir bummeln, Mittagessen und gucken, ob wir ein paar neue Shirts für mich finden. Ich könnte mal ein paar neue gebrauchen.“

„Das klingt nach einem Plan. Kennst du dich in Westcourt aus? Ich bin nämlich noch nie dort gewesen.“

„Ehrlich gesagt, habe ich bisher nicht einen Fuß in diese Stadt gesetzt“, erklärt er mir amüsiert, weshalb dieses Mal ich derjenige bin, der den Kopf schüttelt. „Aber ich gehe mal davon aus, dass wir uns irgendwie zurechtfinden. Wir sind schließlich erwachsen, nicht wahr?“

 

•••

 

Wir haben uns dazu entschieden, mit dem Bus Richtung Stadt zu fahren, da es zu Fuß dann doch etwas zu lange gedauert hätte. Eventuell wollen wir den Rückweg ohne Hilfsmittel antreten, sicher sind wir uns da aber noch nicht. Je nachdem, wie viel wir gleich laufen werden, wird uns die Lust darauf vermutlich vergehen.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“

Je näher wir der Stadt kommen, umso mehr fällt mir auf, dass Seth sehr in Gedanken ist. Er starrt ununterbrochen aus dem Fenster und redet nur, wenn ich ihn direkt anspreche.

„Ja, was soll denn sein?“

Als er mich ansieht, zucke ich die Schultern. „Wenn ich das wüsste, würde ich nicht fragen. Du bist so still, das passt gar nicht zu dir.“

„Muss ich dich in jeder freien Minute zutexten?“, fragt er grinsend, doch genau wie gestern erreicht es auch heute seine Augen nicht. „Ich war nur ein bisschen in Gedanken, das ist alles.“ Er sieht mich einen Moment lang an, als plötzlich seine Hand zuckt, als wolle er sie bewegen, macht es aber nicht. „Nora hat sich vermutlich nicht gemeldet, hm?“

Ich werfe einen Blick auf mein Handy. „Nein, aber Miley und Cole gefühlt tausend Mal.“

Seth seufzt und schüttelt den Kopf. „Deiner Schwester solltest du wenigstens eine Nachricht schreiben und den Idioten blockieren, falls du nicht vorhast, zu ihm zurückzugehen.“

„Sehe ich etwa so bescheuert aus?“, möchte ich wissen und verziehe die Lippen zu einem schiefen Lächeln.

„Ich enthalte mich jeglichen Kommentars.“

Seth lacht, weshalb ich die Stirn runzle. „Und ich habe das jetzt mal überhört.“ Dann schüttle ich den Kopf. „Das Thema Cole ist für mich erledigt. Lieber bleibe ich ein Leben lang Single.“

„Hat auch seine Vorteile. Man kann jede Entscheidung allein treffen. Muss sich nach niemandem richten. Wird nicht verletzt …“

„Jaja, und geht einsam zu Grunde. Ich glaube, das wäre nichts für mich. Ich brauche die Nähe zu jemand anderem. Ohne würde ich irgendwann wahrscheinlich eingehen.“

„Dafür gibt es ja dann den Weg unzähliger Affären.“ Er zwinkert mir zu und ich frage mich, ob er in seinem Leben wirklich noch nie eine Beziehung geführt hat. Ein Mann wie er hat doch alle Möglichkeiten offen. Wieso sollte er sich genau für diesen Weg entschieden haben? Er macht gar nicht den Eindruck, als würde ihm regelmäßiger Sex reichen. „Wir sind übrigens da“, sagt er nach einer ganzen Weile und deutet mit dem Kopf nach draußen.

Der Bus hält und wir stehen auf. „Na dann, komm, bevor der Bus einfach weiterfährt.“

 

Nachdem wir ausgestiegen sind, laufen wir eine ganze Zeit lang einfach in die Stadt hinein. Das Zentrum ist relativ groß, auch wenn es natürlich nicht mit Miami vergleichbar ist, doch es gefällt mir sehr. Wer ausgiebig shoppen möchte, wird definitiv fündig und auch für den Hunger ist an alles gedacht. Eisdielen, Bäcker, Restaurants, Fastfood. Es ist für jeden etwas dabei.

„Und? In welchen Laden möchtest du? Darf es dieser exklusive Designerladen sein, in dem es sicher kein Shirt unter fünfhundert Dollar gibt? Oder lieber das Geschäft für normale Menschen wie mich, die für fünfhundert Dollar lieber ihren ganzen Kleiderschrank füllen?“

Theatralisch versuche ich, den Stadtführer zu mimen, und bewege die Arme von links nach rechts, während ich auf die Geschäfte zeige. So lächerlich das auch sein mag, so entlocke ich Seth damit zumindest ein leichtes Schmunzeln.

„Das kommt jetzt ganz darauf an, ob ich mich vor dir aufspielen oder ebenfalls als Normalo bezeichnen möchte.“

Ich runzle die Stirn und sehe ihn verdutzt an. „Jetzt sag nicht, du könntest dir ein Shirt für fünfhundert Dollar leisten.“ Seth zuckt die Schultern. Er ist also doch bekannter als ich dachte. „Wann verrätst du mir endlich, wer du bist? Oder kann ich das selbst herausfinden? Gibt es Bilder von dir im Internet? Ich könnte ja …“

Als ich mein Handy aus der Hosentasche gezogen und es an mich genommen habe, hebt er die Hand und umfasst es so, dass ich nicht drauf sehen kann. Dabei berühren seine Finger meine, was ein intensives Kribbeln auf meiner Haut auslöst, das ich nicht leugnen kann. Stumm wie ein Fisch sehe ich zu ihm auf und direkt in seine dunklen Augen.

„Ist es wirklich so wichtig zu wissen, wer ich bin? Oder können wir uns darauf einigen, dass das so bleibt, bis du wieder abreist?“

In seinem Blick liegt so viel und doch kann ich kaum deuten, was es gerade ist. Er wirkt angespannt, was noch deutlicher wird, als seine Finger sich fester um meine schließen.

„Hast du Angst, ich könnte irgendwem verraten, wo du bist?“

„Nein“, erwidert er kühl und lässt mich wieder los. „Ich möchte nur nicht, dass sich dein Bild über mich schon vorher ändert. Also versprich mir, dass du das Googeln sein lässt.“

„Aber warum …“

„Versprich es mir“, sagt er erneut und mit einer Härte in der Stimme, die mir bisher unbekannt war.

Dennoch nicke ich und stecke das Handy zurück in meine Hosentasche. „Versprochen.“

„Gut.“ Das leise Seufzen, das seinen Mund verlässt, entgeht mir nicht, dennoch lasse ich es unkommentiert. „Dann komm, sehen wir uns ein bisschen um.“ Er wendet sich von mir ab und geht, ohne sich noch einmal umzudrehen, in das Kaufhaus direkt neben uns. Wir schlängeln uns durch die vielen Menschen, die uns entgegenkommen. Vorbei an kichernden Frauen, die sich angeregt unterhalten, genervten Männern, die ihren Freundinnen die Taschen hinterhertragen und weinenden Kindern, die wahrscheinlich lieber auf dem Spielplatz als auf einer Shoppingtour wären. Als das Gedränge zu groß wird, greift Seth unerwartet nach meiner Hand, bis wir an einer Stelle angelangt sind, an der es weitaus entspannter zugeht. „Habe ich erwähnt, dass ich viele Menschen hasse?“

„Ich meine, mich an so etwas zu erinnern“, erwidere ich grinsend.

Seth lässt mich los, doch ich habe das Gefühl, als streifen seine Finger dabei einen Moment länger als nötig meinen Handrücken. Eine leichte Gänsehaut kriecht über meinen Arm direkt in meinen Nacken.

Was ist eigentlich mit mir los?

„Eins sage ich dir, das war das erste und letzte Mal, dass wir hierhergekommen sind. Den Rest deines Urlaubs machen wir nur noch Sachen zu zweit, wenn es nicht gerade etwas mit deiner Vergangenheit zu tun hat.“

„Hm. Ich glaube, dagegen habe ich nichts einzuwenden.“

Das Grinsen auf meinen Lippen muss so breit sein, dass Seth es lediglich mit einem Schmunzeln und einem Kopfschütteln kommentiert.

 

•••

 

Nachdem wir uns durch die Menschenmenge in die richtige Abteilung geschoben haben, waren wir eine ganze Weile damit beschäftigt, uns neue Klamotten zu suchen und diese auch anzuprobieren. Ja, ich habe mir auch einige neue T-Shirts zugelegt und ich muss zugeben, dass einkaufen noch nie solchen Spaß gemacht hat wie heute. Seth war zu sämtlichen Scherzen aufgelegt, hat sich sogar Kleider und Frauenshirts angezogen und war mit mir in der Schuhabteilung, nur um zu fragen, welche der Pumps ihm denn am besten stehen würden. Wir haben so viel gelacht, was wir immer noch tun, als wir vollbeladen mit Taschen aus dem Kaufhaus stürmen, da eine der Verkäuferinnen es nicht lustig fand, dass er einen BH über sein T-Shirt anprobiert hat.

„Hast du ihr Gesicht gesehen?“, fragt er mich lachend, während wir stehen bleiben, und stellt seine Tasche zunächst auf dem Boden ab. „Ich dachte, sie frisst mich, als ich sie gefragt habe, ob es das Teil auch in meiner Größe gibt.“

„Ja, ich glaube, du hast nicht ganz ihrem Humor entsprochen“, erwidere ich grinsend und sehe ihn direkt an. Ein leichtes, aber dennoch sichtbares Lächeln umspielt seine Augen. Etwas, das man nur selten an ihm sieht. „Und, was machen wir jetzt? Brautkleider anprobieren?“

Ich fange an zu lachen, doch Seth hebt nur ungläubig eine Augenbraue. „Lass mal, vom Shoppen habe ich jetzt wirklich genug.“ Dann grinst er aber. „Hm, vielleicht könnten wir uns mal irgendwo etwas zu trinken besorgen.“

„Trinken oder …“ Ich sehe mich um und entdecke die Eisdiele, die mir sofort ins Auge gefallen ist, als wir hier angekommen sind. „Oder ein Eis!“ Ich greife nach seiner Hand und bemerke noch im Augenwinkel, wie er sich seine Taschen schnappt, bevor ich ihn Richtung Eisdiele ziehe. O ja, ein leckeres Eis mit ganz viel Sahne, das wäre es jetzt. „Was ist deine Lieblingssorte?“

Als wir nicht weit entfernt von dem Stand, an dem sie das Eis für draußen verkaufen, stehen bleiben, sehe ich ihn fragend an. Allerdings starrt Seth zunächst nur auf die Tafel, auf der die Eissorten stehen.

„Hm, also, das …“

Ich muss lachen. „Du tust gerade so, als hättest du in deinem Leben noch nie ein Eis gegessen.“ Seth lächelt, doch der Schmerz in seinen Augen entgeht mir nicht. So weit habe ich jetzt nicht gedacht. „Es tut mir leid, ich dachte …“

„Schon gut.“ Er studiert weiterhin die Karte. „Ich nehme … Pistazie und Ananas, aber ohne Sahne, bitte.“ Angewidert über die Auswahl, die er getroffen hat, starre ich ihn an, als er den Kopf ebenfalls in meine Richtung dreht. „Ist das dein Ernst?“, frage ich.

Daraufhin lacht er. „Ja, warum?“

Ich schüttle mich. „Das ist ja ekelhaft.“

„So?“ Er runzelt die Stirn. „Was nimmst du denn?“

„Schokolade und Vanille. Mit Sahne .“

„Und das ist langweilig.“ Jetzt grinst er. „Holst du oder soll ich?“

„Nein, ich mach das schon.“ Während er nickt, drücke ich ihm meine Einkaufstaschen in die Hand und stelle mich in der Schlange an, die, seit wir hier diskutieren, noch länger geworden ist. Es dauert eine ganze Weile, bis ich unsere beiden Eiswaffeln habe, was mich seufzen lässt, als ich zu ihm zurückkomme. „Es ist definitiv zu voll hier“, sage ich, gebe ihm sein Eis und nehme meine Taschen wieder an mich.

„Ja, das ist es. Wollen wir uns ein bisschen weiter abseits hinsetzen? Ein bisschen Ruhe tut jetzt sicher ganz gut.“

„Da werde ich sicher nicht widersprechen.“

Also entfernen wir uns von den Menschenmassen und laufen durch eine verlassene Gasse, bis wir an einem relativ schmalen Platz ankommen, dessen Mitte ein kleiner Springbrunnen ziert. Merkwürdigerweise hält sich hier, bis auf ein paar ältere Damen, niemand auf, was gerade sehr nach meinem Geschmack ist. Die Ruhe ist herrlich und das Plätschern des Wassers irgendwie beruhigend. Es gefällt mir.

„Setzen wir uns?“

Ich nicke Seth zu und lecke an meinem Eis, während ich skeptisch beobachte, wie er seines, ohne eine Miene zu verziehen, ebenfalls isst. Wie kann man denn so etwas essen , frage ich mich im Stillen, spreche es aber kein erneutes Mal aus. Er wird wissen, was er tut.

„Also, wenn es nach mir geht, können wir den Rest des Tages hierbleiben. Was meinst du?“

Seth hebt den Kopf nach oben und schließt einen Moment lang die Augen. „Hm, ich glaube, auf Dauer wird mir das ein bisschen zu heiß.“ Dann lächelt er. „Aber ich weiß, was du meinst. Diese Ruhe ist herrlich.“

„Das ist sie, dabei dachte ich, nach ein paar Tagen in der Hütte, könnte ich ein bisschen Trubel gut gebrauchen.“

Er lässt den Kopf sinken und sieht mich wieder an. „Bist du so ein Mensch? Brauchst du wirklich so viel Action? Ich meine, was machst du in Miami, wenn du nicht gerade die Kinder unterrichtest?“

Ich zucke die Schultern, da ich tatsächlich erst einmal darüber nachdenken muss. Was habe ich schon großartig gemacht? Nichts.

„Ehrlich gesagt, bin ich mir da gerade gar nicht sicher. Mein Leben ist relativ eintönig, um es mal so auszudrücken. Ich gehe arbeiten, komme heim, koche und warte auf Cole, unwissend, wann er gedenkt, die Firma endlich zu verlassen. Beziehungsweise, ich habe auf ihn gewartet. Das hat sich ja erledigt.“

„War es nicht schlimm für dich, zu wissen, dass er nebenbei noch andere hatte?“

Ich zucke erneut die Schultern. „Ich habe mir halt anfangs eingeredet, dass es in Ordnung für mich ist. Immerhin wollte ich ihn nicht verlieren. Gemerkt, dass das nicht das ist, was ich möchte, habe ich erst viel später. Dumm eben.“

„Es ist nicht dumm, wenn man an etwas festhält, was einem wichtig ist. Aber manchmal ist es eben besser, man lässt los.“

„Das ist richtig, aber lass uns jetzt nicht über diesen Idioten reden. Ist dir eigentlich noch nicht schlecht?“

Seth betrachtet sein Eis, als wäre es von einem anderen Stern, dann hält er es mir hin. „Probier erst mal, bevor du meckerst.“

Ich schüttle lachend den Kopf. „O nein, ganz sicher nicht.“

Seth runzelt die Stirn. „Und warum nicht? Behaupte nicht, dass es nicht schmeckt, wenn du nicht probiert hast. Also los.“

Er hält es näher, weshalb ich mich etwas nach hinten lehne. „Vergiss es, das Zeug rühre ich nicht an.“

„O doch, das wirst du.“ Ich halte seinen Arm fest, da er immer näher kommt und versuche, mein eigenes Eis dabei nicht auf den Boden fallen zu lassen. „Du probierst das jetzt, sonst …“

„Sonst was?“, frage ich lachend. „Willst du mir etwa drohen?“

„Wenn es nötig ist“, erwidert er grinsend. Ich bin kaum mehr in der Lage, seinen Arm von mir wegzudrücken. „Iss, oder du hast das gleich alles im Gesicht.“

„Das wagst du nicht!“

„Sag feige!“

Ich weiß nicht warum, aber in diesem Moment muss ich so laut lachen, dass ich dabei seinen Arm loslasse. Womit er offensichtlich nicht gerechnet hat, denn er fällt mit einem Mal nach vorn und drückt mir das Eis dabei mitten ins Gesicht. Angewidert kneife ich Augen und Lippen zusammen, das anschließende Grinsen kann ich mir aber dennoch nicht verkneifen. Mit einer Hand versuche ich, die Eisreste von meiner Haut zu bekommen, als Seth mir meine Waffel aus der Hand nimmt und losprustet.

Kopfschüttelnd habe ich die Augen noch immer geschlossen.

„Es ist schön, dass du dich amüsierst“, sage ich und bereue es sofort, als ich das Ananaseis zu schmecken bekomme. Widerlich. „Und ich bleibe dabei, das ist pervers.“

Erneut vernehme ich Seth‘ Lachen, als er mir etwas Weiches in die Hand drückt. „Hier hast du ein Tuch. Versuch dich mal ein bisschen sauber zu machen.“

Ich nehme das Tuch und säubere zunächst meine Augen, damit ich ihn wieder ansehen kann. Das Grinsen auf seinen Lippen ist unbeschreiblich. „Ich freue mich, wenn ich dir den Tag versüßen konnte.“

„Aber das machst du doch immer.“ Ich bin mir nicht sicher, ob er diesen Satz tatsächlich aussprechen wollte, da er jedoch sofort in seiner Tasche kramt, bin ich mir sicher, dass er keine Antwort darauf möchte. „Hier, ich schätze, das eine wird nicht reichen.“ Er drückt mir ein weiteres Tuch in die Hand, mit dem ich mich, soweit es geht, sauber mache.

Dann sehe ich ihn an. „Ist alles weg?“

Das Lächeln, das sich nun auf seine Lippen legt, ist anders als das, was ich sonst von ihm kenne. Es ist weicher, liebevoller und ja, schon fast zärtlich. „Im Gesicht schon, aber …“ Er hebt die Hand Richtung meiner Stirn und streicht mir durch das Haar, so langsam, dass ich das Gefühl habe, er möchte gar nicht mehr damit aufhören. Seine Augen folgen der Bewegung, die mich einen Moment lang erschaudern und meine Atmung unregelmäßig werden lässt. Dann zieht er sich von mir zurück, nimmt mir das Taschentuch aus der Hand und wischt sich die Hand ab. „So, besser.“ Er lächelt noch immer, während er die Augen zurück auf meine richtet. „Und was möchtest du jetzt machen?“

Ich zucke die Schultern, da mir gerade ein wenig die Worte fehlen. Es war nur eine kleine Geste, aber eben eine, die ich mit Cole so in der Art schon lange nicht mehr erlebt habe. Wenn überhaupt. Und dann dieser Blick … Selbst jetzt, während er darauf wartet, dass ich ihm eine Antwort gebe, sieht er mich so liebevoll an, dass mir eine leichte Gänsehaut über den Nacken kriecht.

„Vielleicht …“ Ich räuspere mich. „Vielleicht sehen wir uns einfach nur noch ein bisschen die Stadt an? Das war genug Aufregung für einen Tag.“

„Aufregung?“ Er runzelt die Stirn, schmunzelt aber. „Und ich dachte, an den Anblick meines nackten Oberkörpers hast du dich mittlerweile gewöhnt.“

Ich schließe die Augen und schüttle ebenfalls schmunzelnd den Kopf. Er hat wirklich ein Talent dafür, die unangenehmsten Situationen wieder locker zu gestalten.

 

•••

 

Seit drei Stunden sind wir nun schon wieder unterwegs und die Zeit scheint wie im Fluge zu vergehen. Das liegt nicht unbedingt daran, dass man sich hier so unsagbar viel ansehen kann. Nein, vielmehr daran, dass Seth immer wieder darauf besteht, sich in ein Café oder ein Restaurant zu setzen oder einfach auf einer Parkbank Platz zu nehmen und sich zu unterhalten. Das Schöne daran ist, und ich weiß, ich wiederhole mich, dass es nie langweilig mit ihm wird. Es gibt so viele Themen, über die wir reden können. So viel, was uns beide interessiert und was wir gemeinsam haben. Unter anderem die Liebe zu Büchern, weshalb wir gerade auf dem Weg in eine Buchhandlung sind, auch wenn er mir noch immer nicht verraten mag, unter welchem Pseudonym er schreibt. Gerade nach vorhin frage ich mich natürlich immer öfter, welches Geheimnis er wohl haben mag. Aber ich werde mich daran halten und nicht nach ihm recherchieren, so lange ich noch bei ihm bin. Was ohne Name ohnehin schwierig werden sollte.

„Sag mal, meinst du nicht, dass wir uns vielleicht verlaufen haben?“

Wir bleiben stehen und Seth sieht sich um, während ich meinen Blick über die Gebäude schweifen lasse. Ein Café hier, eine Boutique da, aber einen Buchhandel kann ich weit und breit nicht entdecken.

„Nein, eigentlich nicht.“ Er wirft einen Blick auf sein Handy. „Maps sagt mir, dass wir genau richtig sind.“

„Hm, da ist Maps aber offenbar nicht auf dem neusten Stand.“

Ich grinse, woraufhin Seth mit den Schultern zuckt. „Hm, vielleicht sollten wir noch ein Stück da runter laufen.“

„In Ordnung“, sage ich und wir setzen uns erneut in Bewegung, um weiter der Einkaufsstraße zu folgen. „Merkwürdig, hier ist alles viel kleiner als in Miami und trotzdem finde ich mich nicht zurecht.“

„Es ist auch kleiner als New York und trotzdem komme ich nicht klar“, erklärt er mir lächelnd, während er immer wieder einen Blick auf sein Handy wirft.

„Jetzt weiß ich wenigstens, wo du herkommst.“

„Ich habe lediglich gesagt, dass es hier kleiner ist. Nicht, dass ich von dort komme.“

„Das erschließt sich aber daraus, da ich es auf Miami bezog und von dort komme.“

„Daraus erschließt sich nur, dass du von deiner Heimatstadt sprichst, ich aber einen ganz anderen Ort genannt haben kann.“

Ich muss lachen. „Nein, daraus erschließt sich nur, dass du ein Spinner bist, der noch immer ein großes Geheimnis um seine Person macht. Und ich glaube immer noch, dass wir hier falsch sind.“ Seth bleibt stehen und ich tue es ebenfalls, sehe mich noch einmal um. „Ich weiß, ich wiederhole mich, aber hier ist weit und breit …“

„Warte mal.“

„Was denn?“

Seth Blick bleibt an einem jungen Mann hängen, der einige Meter von uns entfernt an einer Mauer sitzt und bettelt. Er sieht schlimm aus. Kaputte, alte Klamotten, verfilztes Haar, blasse Haut. Die Beine hat er mit einer alten Decke zugedeckt, obwohl es viel zu heiß dafür ist. Neben ihm steht eine Dose und ein kleines Schild, auf dem etwas steht, was ich aus dieser Entfernung aber nicht entziffern kann. Wie schlimm muss es sein, in so eine Situation zu kommen? Ich möchte es mir gar nicht vorstellen.

„Ich bin gleich wieder da. Warte bitte kurz.“

„Was hast du denn vor?“

Ich sehe ihn an, bekomme jedoch keine Antwort von ihm. Stattdessen läuft er auf direktem Weg zu diesem Mann, dessen Aufmerksamkeit sofort Seth gilt. Was er wohl vorhat? Ob er ihm Geld geben möchte? Aber dieser Gedanke bestätigt sich nicht, als Seth etwas aus seiner Hosentasche zieht und sich anschließend vor den Bettler hockt. Es ist kein Geld, das kann ich erkennen, eher eine kleine Karte, die er ihm jetzt hinhält. Die beiden unterhalten sich eine kurze Weile, dann schüttelt der Fremde den Kopf. Wie gern würde ich verstehen, was da vor sich geht, aber ich möchte mich ebenso an Seth‘ Bitte, hier zu warten, halten.

Als der Mann Seth die Karte endlich mit zitternden Fingern aus der Hand nimmt, lächelt Seth und steht anschließend auf. Der Blick, den er mir kurz darauf zuwirft, ist nicht zu deuten, jedoch wendet er sich einen Moment später von mir ab. Er läuft zur Bäckerei, die direkt hinter ihm ist, kauft etwas und bringt es zu dem Fremden zurück. Dankbar nimmt er ihm die Sachen ab, was mich nicht nur lächeln, sondern ein verdammt gutes Gefühl in mir aufkommen lässt. Denn obwohl ich nicht weiß, was Seth ihm gesagt hat, so ist diese Geste gerade sehr bewundernswert. Die meisten der Passanten laufen an solchen Menschen vorbei und da nehme ich mich nicht aus. Seth aber nicht. Er hat ihn gesehen und sofort gehandelt. Ein weiterer Pluspunkt, den der Mann mit den vielen Geheimnissen sammelt. Er gefällt mir immer mehr.

„So, da bin ich wieder.“

Ich hebe den Kopf, da ich in meinen Gedanken gar nicht bemerkt habe, dass er längst wieder bei mir ist.

„Was genau hast du gemacht?“

Seth zuckt die Schultern. „Ihm was zu essen und zu trinken gekauft, das hast du doch gesehen.“

„Du weißt, dass ich das nicht meine“, erwidere ich und verziehe die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. „Was war das für eine Karte, die du ihm gegeben hast?“

„Nur eine Anlaufstelle, bei der er sich Hilfe holen kann. Wollen wir weiter oder hast du keine Lust mehr, die Buchhandlung zu suchen?“

Ich muss erneut lächeln, auch wenn er schon wieder versucht, mir auszuweichen. „Das heißt, der psychopathische Thrillerautor arbeitet nebenbei noch als Engel auf Erden?“

Er schüttelt schmunzelnd den Kopf. „Und vergiss den Pornofilmproduzenten nicht.“

„Stimmt, da wäre mir fast etwas entgangen.“

 

•••

 

Als wir Stunden später wieder in der Hütte ankommen, bin ich fix und fertig. Draußen wird es bereits dunkel und so fühle ich mich auch. Ich könnte mich ins Bett legen und nur noch schlafen. Aber es war sehr schön. Anders kann man es wohl nicht sagen.

„Heute ist es unerträglich heiß hier, oder?“

Ich bin gerade dabei, mir ein paar neue Sachen aus dem Schrank zu nehmen, als Seth mit vor der Brust verschränkten Armen in der Tür steht.

Seufzend sehe ich ihn an. „Wem sagst du das? Ich gehe jetzt auch erst einmal kalt duschen. Anders überlebe ich diese Nacht nicht.“

„Hm, ich hätte da vielleicht eine andere Idee.“

„Und die wäre?“, frage ich neugierig, woraufhin er die Schultern zuckt.

„Ganz in der Nähe gibt es einen kleinen See. Ich selbst war noch nicht dort, aber ich habe die Schilder gesehen, die dorthin führen. Also wenn du Lust hast, können wir dort hinlaufen. Ich denke, das ist erfrischender als eine kurze Dusche.“

Grinsend ziehe ich meine Badeshorts aus dem Schrank und sehe ihn an. „Worauf warten wir noch?“

 

•••

 

„Also ich hätte nicht gedacht, dass es schon so dunkel ist, wenn wir hier ankommen.“ Ich werfe das Handtuch, das ich mitgenommen habe, neben mir auf den Boden, stemme die Hände in die Hüften und blicke auf den See. Der Glanz des Mondes schimmert sanft auf dem ruhigen Wasser, um uns herum ist es vollkommen still. Eigentlich sollten wir uns hier hinsetzen und diesen wundervollen Anblick genießen. Er ist jede Minute wert, in der man hier steht und zufrieden schweigt. „Nur der Mond schenkt uns genug Licht, damit wir uns hier zurechtfinden.“

„Ja, es ist schön, nicht wahr?“ Seth tritt neben mich. Ich drehe den Kopf, um ihn einen Moment lang anzusehen, dann richte ich den Blick zurück nach vorn. „Und diese Stille. Wenn du genau hinhörst, dann kannst du die Eulen hören, die irgendwo tief im Wald versteckt sind. Oder die Füchse, die sich vor anderen Tieren hüten. Ich finde das wirklich faszinierend. Es gibt Tage, da sitze ich vor der Hütte auf einem Stuhl, schließe die Augen und lausche einzig und allein dem, was mich umgibt. Das ist sehr entspannend und hilft abzuschalten.“

Er geht einen Schritt nach vorn und bleibt wieder stehen. Den Kopf in den Nacken gelegt, sieht er in den Himmel.

„Und warum haben wir das noch nicht zusammen gemacht?“

Langsam lässt er den Kopf wieder zurück nach vorn sinken, bevor er mich ansieht. Ein leichtes Lächeln liegt auf seinen Lippen. Seine Augen strahlen im Licht des Mondes.

„Vielleicht, weil du mich nicht gefragt hast?“

„Woher soll ich auch wissen, dass ein Thrillerautor eine romantische Ader hat?“

„Hab ich auch normalerweise nicht“, erwidert er und zieht sich anschließend das T-Shirt über den Kopf. „Das heißt aber nicht, dass ich nicht die Ruhe genießen kann.“ Ich weiß nicht warum, aber ich glaube ihm nicht, dass er nicht romantisch ist. Er mag Thriller schreiben, einen schrägen Humor haben und ein Buch mit sieben Siegeln sein, aber ich bin mir sehr sicher, dass er seinem Freund die Sterne vom Himmel holt, wenn er einen hat. „Was ist, hast du keine Lust? Ich dachte, dir ist warm.“

„Och …“ Ich betrachte den Mann vor mir. Die ein Meter neunzig puren Sex. Die gut definierten Muskeln. Das Sixpack. Die starken Arme. Mein Kopfkino beginnt schon wieder zu laufen. Und gleich wird er auch noch vollkommen nass … „Vielleicht reicht es mir ja auch, wenn ich dich ansehen darf?“

Er verdreht schmunzelnd die Augen, dreht sich um und taucht ins Wasser ein. Leise lachend sehe ich ihm nach, dann ziehe ich mein T-Shirt ebenfalls aus und werfe es zur Seite. Seth ist bereits ein ganzes Stück vorausgeschwommen, als er sich wieder in meine Richtung dreht.

„Was ist jetzt? Kommst du oder kannst du nicht schwimmen?“

„Ja, klar. Ich bin mit deinem Vorschlag, hierher zu gehen, einverstanden, aber bleibe jetzt hier am Rand sitzen, oder was?“

„Weiß man es? Es hat nicht immer Logik, was du machst. Von daher …“

Ich runzle die Stirn und gehe ein Stück vor, nachdem ich meine Schuhe zur Seite geschoben habe. Als meine Füße das Wasser berühren, erschaudere ich. „Scheiße, ist das kalt. Wie konntest du ohne Probleme da reingehen?“

Mittlerweile ist die Entfernung zwischen uns geringer geworden und er schwimmt noch weiter in meine Richtung. Grinsend sieht er mich von unten herauf an, bis er gut einen Meter vor mir zum Stillstand kommt.

„Ich bin eben nicht so ein Mimimi wie du.“

„Ich bin bitte was?“, frage ich entsetzt, als er plötzlich und unerwartet Wasser auf mich spritzt und mich von Kopf bis Fuß nass macht. Die Augen geschlossen, presse ich die Lippen aufeinander, um nicht wie ein kleines Mädchen zu kreischen, und ihm die Bestätigung zu geben, dass ich eine Memme bin. Tief durchatmen und dann … „Du mieser, kleiner …“

„Ja?“

Erneut trifft mich ein Schwall Wasser, weshalb ich die Augen öffne, um diesen Drecksack anzusehen. Doch der Feigling ist längst wieder im Wasser unterwegs.

„Du bist ein Arschloch, Seth Brewster!“, rufe ich ihm nach, weshalb er zu lachen beginnt.

„Ich habe nie behauptet, dass es anders ist. Los komm, fang mich doch!“

Ich schüttle den Kopf, reiße mich aber zusammen und springe jetzt ebenfalls ins kühle Nass. Zwar brauche ich einen Moment lang, um mich daran zu gewöhnen, doch es dauert nicht lange, bis mir die Abkühlung richtig guttut. Ich tauche unter und wieder auf, schwimme ein paar Meter und fühle mich richtig gut, als ich plötzlich von hinten gepackt und unter Wasser gedrückt werde. Sein lautes Lachen, als ich wieder auftauche, entgeht mir nicht. Jedoch brauche ich einen kurzen Augenblick, um mich zu orientieren.

„Seth, du spielst echt mit dem Feuer!“, rufe ich, da ich ihn zunächst nirgendwo entdecken kann. Dann gehe ich ein erneutes Mal unter. „Alter, wenn ich dich erwische, dann …“, sage ich, als ich wieder über Wasser bin und schüttle den Kopf. „Wo bist du, du Penner?“

„Direkt hinter dir.“ Ich drehe mich um und da ist er tatsächlich. Ein paar Meter von mir weg, direkt vor einem riesigen Felsen, der mir zuvor nicht einmal aufgefallen ist. Die Füße auf dem glitschigen Boden abgesetzt, stelle ich mich hin und laufe auf ihn zu. „Oh, jetzt wird es gefährlich.“ Ich verdrehe die Augen, als er zu lachen beginnt. Je näher ich dem Felsen komme, umso seichter wird das Wasser. „Was genau willst du tun? Nur, dass ich schon vorher lachen kann.“

„Sag mal, bist du besoffen?“

Ich komme ihm immer näher, während er sich amüsiert über mich kaputtlacht.

„Nein, es ist nur so süß, wie der kleine Miles wütend wird, weil er ein bisschen frieren muss.“ Er grinst und sieht mir direkt in die Augen, als ich vor ihm stehe. „Deine Nase ist auch schon ganz rot. Arbeitest du im Winter als Santa Clauses Rentier?“

Als er mit Daumen und Zeigefinger nach meiner Nase greift, kann ich nicht mehr anders, als ebenfalls, aber kopfschüttelnd zu lachen. Das hat er nicht umsonst gemacht. Dafür wird er büßen.

„Ganz genau. Und weißt du, was ich als nächstes machen werde?“

„Nein, was denn?“

„Ich werde einen deiner Thriller jetzt leider Wirklichkeit werden lassen müssen.“

Ohne Vorwarnung stürme ich auf ihn zu, werfe mich um seinen Hals und ziehe ihn nach unten ins Wasser. Seth lacht, als wir zusammen untergehen und erneut, als wir wieder auftauchen. Wir kämpfen, rangeln und ziehen uns immer wieder gegenseitig nach unten. Ich schlucke Wasser und muss husten, doch das hält mich nicht davon ab, das kindische Spiel, das wir beide hier treiben, immer weiter zu führen. Es macht Spaß, so unbeschwert zu sein. Zu lachen und nicht über das, was man gerade macht, nachzudenken. Seth‘ Lachen ist befreiend. Seine Berührungen tun gut. Und als er mich dann packt, um mich mit dem Körper fest an den kalten Felsen zu drücken, da …

„So, und was jetzt? Lässt du meine Thriller immer noch Wirklichkeit werden oder gibst du mir eher die Möglichkeit, für einen neuen Mord zu recherchieren?“

Sein Körper presst sich gegen meinen. Seine Hände drücken meine Arme rechts und links neben meinem Kopf an den Felsen. Kälte kriecht in meinem Körper empor, doch diese registriere ich schon gar nicht mehr. Vielmehr interessiert mich die nasse Haut, die sich fest an meine schmiegt. Der warme Atem, der meinen Rücken streift. Und seine harte Mitte, die sich ohne Scheu an meinem Hintern reibt. Schwer atmend schließe ich die Augen und drehe den Kopf zur Seite, sodass seine Lippen jetzt direkt an meinem Ohr liegen.

„Ich hätte auch nichts dagegen, wenn du jetzt für einen Pornofilm recherchierst“, sage ich mit schwerer, kratziger Stimme und öffne die Augen.

Seine ruhen auf mir. Seine Lippen kommen immer näher. Sie streifen meine Wange, hauchen seinen warmen, schweren Atem auf meine Haut. Doch dann …

„Nichts lieber als das …“, erwidert er und lässt meine Hände los, bevor sich seine an meine Shorts legen und sie mit einem Ruck hinunterziehen. Ich bin froh, dass wir noch halb im Wasser stehen, sodass nicht mehr als ein kurzes Vorspiel nötig sein wird, um mich für ihn bereit sein zu lassen. Und Seth scheint meiner Meinung zu sein, denn wenige Augenblicke später liegen seine Finger bereits an meinem Hintern. Ich stöhne auf, als sich zwei von ihnen langsam in meine Öffnung schieben und sich zu bewegen beginnen. Fuck … Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. „Entspann dich, sonst tut es gleich weh.“

„Glaub mir, das lasse ich mir nicht zweimal sagen.“

Ich schließe die Augen und gebe mich seinen Fingern hin, genieße die Art, wie er mich bearbeitet und die Tatsache, dass wir jetzt auf gewisse Weise verbunden sind. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Ich lasse den Kopf sinken. Dann entzieht er sich mir plötzlich wieder und legt seine Hände an meinen Hintern. Die Pobacken auseinandergezogen, spüre ich seinen harten Schwanz an meiner Öffnung und kurz darauf, wie er sich langsam in mich schiebt. Rücksichtsvoll dehnt er mich und füllt mich Stück für Stück aus, während ich die Augen weiterhin geschlossen habe und der Drang, mich selbst anzufassen, immer stärker wird. Ich lausche Seth‘ Stöhnen, welches das Einzige ist, was die Stille um uns herum stört. So dunkel und rau kriecht es in jede Faser meines Körpers.

„Geht’s?“, fragt er leise, die Lippen an meinem Nacken, sein warmer Atem auf meiner Haut.

„Könnte besser nicht sein“, erwidere ich und spüre sofort das Lächeln, das sich auf seine Lippen legt.

Seine Hände massieren meinen Hintern, während er sich mir langsam entzieht, dann stößt er das erste Mal zu. Zunächst dringt er noch vorsichtig in mich ein. Füllt mich mit all seiner Größe bis zum Anschlag aus. Sein Körper presst mich fester gegen den Felsen, an dem ich nur bedingt Halt finde, doch Seth hält mich bei sich. Fest umklammert er meine Seiten, während er sich mir immer und immer wieder entzieht, bevor er erneut in mich stößt. Seine Bewegungen werden schneller und intensiver. Unsere Körper klatschen aneinander. Das Wasser spritzt nach allen Seiten von uns weg. Mein Schwanz wird härter und schreit nach Erlösung, doch als ich mich ein wenig vom Felsen abdrücke, um dem Ganzen ein bisschen nachzuhelfen, hält Seth einen Moment lang inne. Er greift nach meinen Armen und zieht sie nach hinten, nur, um sie auf meinem Rücken miteinander zu verbinden und festzuhalten. Ich weiß kaum noch, wie mir geschieht. Dann stößt er ein weiteres Mal zu.

„Lass dich fallen und schalte den Kopf aus. Du brauchst deine Hand nicht. Genieß es einfach.“

Obwohl ich nicht weiß, was ich davon halten soll, da ich zuvor noch nie ohne Hilfe gekommen bin, möchte ich nichts anderes, als es versuchen. Den Kopf in den Nacken gelehnt, lasse ich die Augen geschlossen. Seth kommt mir näher, sodass ich ihn auf seiner Schulter betten kann. Meine Arme lässt er wieder los, legt jedoch seine fest um meinen Oberkörper. Meine Hände klammern sich an seinen Unterarm. Mein Atem wird schwerer. Ich spüre sein Gesicht an meinem. Seine Lippen so nah. Ich möchte ihn küssen, widerstehe dem Drang jedoch, da ich das Gefühl habe, dass er es sowieso nicht zulassen wird. Seth‘ Stöhnen dringt erneut in mein Ohr, während er sich wieder zu bewegen beginnt. Seine Stöße sind geschmeidig und doch hart. Sie sind rücksichtsvoll und doch so intensiv, dass sie mich binnen kurzer Zeit an meine Grenzen treiben. Seth‘ Hand legt sich um mein Kinn, sein Finger fährt über meine Lippen, weshalb ich den Mund leicht öffne. Sein Schwanz in mir pocht. Sein Finger drängt sich zwischen meine Lippen. Ich sauge an ihm, kralle mich fest in die Haut an seinem Unterarm. Harte, schnelle Stöße folgen, bis er plötzlich genau den Punkt trifft, der mich Augenblicke später über die Klippe springen lässt. Es ist ein Gefühl, das sich nur schwer in Worte fassen lässt, doch es lässt mich so heftig kommen wie noch nie zuvor. Alles in mir bebt. Jede Faser meines Körpers scheint mit einem Mal zu brennen. Meine Beine geben nach, doch ich kann und möchte das alles hier nicht loslassen. Die Zeit anhalten und zurückdrehen, nur um ihm noch einmal so nah zu sein.

Eine Wiederholung? Definitiv.