Epilog

 

 

„Ach, verdammt.“

Ich gehe in die Hocke, hebe die Scherben des Glases auf, das ich gerade habe fallen lassen, und schüttle genervt den Kopf. So geht das schon den ganzen Vormittag. Ständig fällt mir etwas aus der Hand oder ich stoße mich an etwas. Es ist zum Verrücktwerden.

„Vielleicht solltest du dich einfach in irgendeine Ecke setzen, bis deine Schwester da ist. Das wäre vor allem für dich weitaus ungefährlicher.“

Seth steht vor mir und hält mir grinsend einen Eimer hin, in den ich die Scherben des Glases werfe.

„Kleiner Witzbold, hm? Ich bin eben nervös.“

Seth stellt den Eimer zur Seite und zieht mich in seine Arme. „Das weiß ich, aber das musst du nicht. Ich bin mir sicher, dass sie und Alex sich hervorragend mit Jack und den anderen verstehen werden.“

„Und wenn nicht? Ich meine, Miley war dem Ganzen gegenüber schon immer skeptisch und wenn sie noch immer glaubt, dass …“

„Das wird sie nicht.“ Er küsst meine Lippen. „Du wirst sehen, wenn wir am Sonntagabend nach Hause fliegen, ist alles gut und wir sind alle für ein nächstes Treffen verabredet. Das Dorffest ist perfekt, damit sie sich kennenlernen. Du hast die richtige Entscheidung getroffen, okay?“

Ich nicke und kuschle mich anschließend an seine Brust, doch so wirklich davon überzeugt bin ich leider immer noch nicht. Natürlich, es war meine Idee, dass die wichtigsten Menschen in meinem Leben sich endlich kennenlernen. Seth ist Miley und Alex schon einige Wochen nach unserem Zusammenkommen begegnet und alles ist super gelaufen. Sie fanden ihn von Anfang an sympathisch und alles lief perfekt. Das habe ich auch gar nicht anders erwartet. Aber bei Jack und den anderen … Ich bin mir eben nicht sicher, ob Miley wirklich so locker reagiert, wie sie gesagt hat.

„Wollen wir es hoffen“, sage ich nach einer ganzen Weile und seufze. „Ich möchte ungern von allen so weit weg sein, wenn es zum Streit oder Ähnlichem kommt. O Mann, warum muss immer alles so kompliziert sein?“

„Weil du es kompliziert machst“, erwidert er lachend, weshalb ich eine Augenbraue hebe und ihn ansehe.

„Sagt Mister Ich-will-nicht-über-meine-Vergangenheit-reden.“ Dann schüttle ich schmunzelnd den Kopf. „Wollen wir los? Die anderen sind sicherlich schon weg und Miley, Alex und die Kinder werden auch sicherlich gleich irgendwann eintrudeln.“

„Können wir machen, ja. Auch wenn ich froh darüber bin, mal ein paar Minuten mit dir allein zu haben. Das ist ja so gut wie unmöglich, wenn wir in diesem Haus sind.“

Seth grinst und legt seine Hände an meine Wangen, bevor er mich zärtlich küsst.

„Höre ich da etwa ein wenig Frustration?“

Ich lege den Kopf schief und grinse ebenfalls, auch wenn ich ihn ein wenig verstehen kann. Wenn wir zu Besuch kommen, bestehen Hellen und Jack darauf, dass wir hier bei ihnen im Haus übernachten, und da ist es mit der Zweisamkeit tatsächlich etwas schwierig. Abends wird immer sehr lange geredet, was ich in der Tat wahnsinnig genieße. Und wenn wir abends ins Bett gehen, ist auch eher Zurückhaltung angesagt, da die beiden ihr Schlafzimmer direkt neben unserem haben. Alles nicht so schlimm. Für ein paar Tage geht es definitiv. Dennoch vermisse ich gewisse Dinge genauso sehr wie er.

„Hm, ein bisschen vielleicht.“ Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem schiefen Lächeln. „Das nächste Mal übernachten wir einfach wieder in einer Waldhütte und ich brauche mich nicht zu beschweren.“

„Wenn du das Hellen beibringst, sehr gerne.“ Schmunzelnd küsse ich seine Lippen, nehme seine Hand und ziehe ihn hinter mir her. „Los komm, bevor sie uns noch als vermisst melden.“

 

•••

 

„Und, Cousinchen, hast du schon was verkauft?“

Wir stehen an Noras Stand mit einer Auswahl selbstgemachter Süßigkeiten. Pralinen, Schokolade, Kekse, es gibt alles, was das Herz begehrt.

„O, du erahnst es nicht“, erwidert sie lachend und betrachtet die Auslage. „Es waren schon so viele Menschen hier. Viel, viel mehr als im letzten Jahr. Das ist wirklich unglaublich.“

„Aber hey, das ist doch super!“ Ich klaue mir eine der Pralinen und schiebe sie mir in den Mund. „Sie schmecken aber auch hervorragend.“

„Also, sag mal!“ Sie runzelt die Stirn, lacht dann aber. „Gib Seth wenigstens auch eine, damit seine Augen nicht gleich herausfallen.“

„Nein, schon gut.“ Seth lacht. „Ich bediene mich nachher lieber an den leckeren Burgern dahinten.“

Er wirft einen Blick auf besagten Stand und leckt sich über die Lippen. „Verräter“, murmelt Nora, grinst aber. „Ist deine Schwester eigentlich schon da? Grandma kann es kaum erwarten, sie endlich kennenzulernen. Sie war ja noch ein Kind, als sie sie das letzte Mal gesehen hat.“

„Nein, leider nicht, aber ich schätze, sie werden gleich auftauchen.“

Zumindest hoffe ich das, da sie sich noch immer nicht bei mir gemeldet hat. Ich weiß also weder, ob sie schon gelandet, noch, ob sie auf dem Weg hierher sind.

„Das sind sie schon“, sagt Seth und macht eine Kopfbewegung nach links, weshalb ich in diese Richtung sehe.

Und tatsächlich: Alex, Miley, Noah und Daniel kommen direkt auf uns zu. Lächelnd wende ich mich von Seth und Nora ab, breite meine Arme aus und nehme die beiden Jungs in Empfang. Sie rennen auf mich zu und werfen sich so stark in meine Arme, dass ich fast umfalle.

„O mein Gott, was macht ihr mit mir?“, frage ich lachend und drücke sie an mich. „Ihr habt wohl schon wieder zu viel Energie, was?“

„Ach Quatsch!“, erwidert Noah ebenfalls lachend. „Wir haben dich nur so sehr vermisst!“

„Ja, ich habe euch auch sehr vermisst, Jungs.“

Ich drücke den beiden einen Kuss auf die Stirn und werde einen Moment lang wehmütig. Seit ich mit Seth nach Lakehaven gezogen bin, sehe ich die beiden nur noch relativ selten, doch es ging nicht anders. Nach Miami zu ziehen, kam für Seth unter keinen Umständen infrage und ich hatte absolutes Verständnis dafür. Also entschieden wir uns, uns eine kleine Wohnung in der Mitte zwischen Mileys und Jacks Familie zu nehmen, damit wir allen gleich nah sind. Bisher klappt das alles wunderbar, nur sehen wir uns eben seltener als zuvor.

„Hey, Bruderherz“, sagt Miley mit einem Lächeln auf den Lippen, weshalb ich mich von den Jungs löse und sie in eine Umarmung schließe. „Es ist schön, dich wiederzusehen.“

„Ja, das ist es definitiv.“ Ich lächle und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. „Hat alles gut geklappt? Wie war der Flug?“ Ich schlage mit meinem Schwager ein. „Hey, Alex.“

„Ja, hat alles super geklappt“, erwidert er und lässt mich wieder los. „Die Hütten sind wirklich schön. Da hast du echt nicht zu viel versprochen.“

„Ja, aber ihr habt auch eine Familienhütte, die sind sicherlich noch mal schöner als die kleinen, oder?“

„Wir haben sogar einen eigenen Pool!“, erklärt Daniel mir, was mich aufhorchen lässt.

„Echt jetzt? Da werde ich ja direkt neidisch!“

„Du kannst ja später mitkommen und ihn dir ansehen!“

„Hey, das ist eine tolle Idee. Eine Abkühlung wäre wirklich super!“ Ich drehe mich lächelnd um, als Seth hinter uns steht und die beiden Jungs ihn ebenso freudig begrüßen wie mich zuvor. „Na, ihr Racker? Habt ihr die anderen Passagiere im Flugzeug auch schön geärgert?“

„Geärgert? Sie haben sie vielmehr unterhalten“, sagt Miley lachend. „Die beiden haben ununterbrochen gesungen. Ein Wunder, dass die Leute ihnen kein Geld in die Mützen gesteckt haben.“

Jetzt lache ich ebenfalls. „Na, die beiden haben eben großes Talent, nicht wahr?“

„Ja, und das haben sie nicht von dir.“

Ich hebe eine Augenbraue und sehe Seth entsetzt an. „Willst du jetzt etwa behaupten, dass ich nicht singen kann?“

„Och …“

Seth schmunzelt, weshalb ich ihm leicht in den Bauch boxe. „Spinner.“ Dann grinse ich. „Was ist, habt ihr Lust, euch das Fest anzusehen? Ich glaube, es gibt sogar eine Dosenwerfbude.“

„Echt jetzt?“, fragen die beiden wie aus einem Mund und klatschen aufgeregt in die Hände.

Man merkt einfach, dass sie nur ein Jahr auseinander sind.

„Echt jetzt! Also kommt. Und danach stelle ich euch Hellen und die anderen vor.“

 

•••

 

Ich muss gestehen, dass ich einige Stunden später noch immer merke, welch Stein mir vorhin vom Herzen gefallen ist. Nachdem ich mit den Jungs das Dorffest inspiziert habe, haben Seth und ich die beiden Familien miteinander bekannt gemacht und ich glaube, am Ende hätte es nicht besser laufen können. Sie haben sich sofort gut miteinander verstanden und alles war so herzlich, dass ich es kaum glauben konnte. Meine Bedenken, Miley könnte mit Vorurteilen in dieses Treffen gehen, haben sich binnen von Sekunden zerschlagen, und ich bin so unbeschreiblich froh darüber. So hat sich zum Glück doch noch einmal alles zum Guten gewendet. Die wichtigsten Menschen in meinem Leben verstehen sich miteinander und hier im Dorf hat man nach all der Zeit endlich verstanden, dass ich nicht der Mann bin, der damals so viel Unglück über meine Familie gebracht hat. Sie akzeptieren, dass ich da bin und meine Großeltern immer besser kennenlerne. Selbst Julie, Noras Mom, hat sich mit dem Gedanken abgefunden, und wir verstehen uns immer besser.

„Was ist los, mein Junge? Du wirkst so abwesend.“

Ich drehe den Kopf zur Seite, als Hellen neben mich tritt, und ihre Hand an meinen Oberarm legt. Seth spielt mit den Jungs gerade Fußball, während Alex und Miley mit Julie und Henry ein Bier trinken.

„Nichts Schlimmes, ich war nur ein wenig in Gedanken. Weißt du, nach all dem Schmerz der letzten Monate, bin ich unendlich glücklich darüber, dass jetzt alles so ist, wie es ist. Es fiel mir eine Zeit lang schwer, überhaupt daran zu glauben, dass alles wieder gut wird.“

„Ja, das verstehe ich. Aber wichtig ist doch nur, dass es jetzt so ist. Du hast mit Miley eine wundervolle Schwester und Alexander ist wirklich ein sehr netter Kerl. Ganz zu schweigen von Noah und Daniel. Die beiden muss man einfach sofort in sein Herz schließen.“

Ich muss lächeln. „Ja, das stimmt. Die beiden sind große Klasse.“

„Und was ist mit Seth?“ Während ich gerade noch Seth und die Jungs beobachtet habe, so sehe ich sie jetzt direkt an. „Was soll mit ihm sein?“

„Na ja, bist du glücklich mit ihm? Obwohl die Frage wahrscheinlich überflüssig ist. Es ist offensichtlich, wie verliebt ihr ineinander seid. Er liest dir ja jeden Wunsch von den Augen ab.“

Ein zufriedenes Lächeln huscht über meine Lippen. „Ja, das macht er tatsächlich. Manchmal glaube ich, er kann meine Gedanken lesen. In gewissen Momenten ist das echt beängstigend.“

„Ach was, das nennt man Liebe, mein Schatz.“ Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange. „So, ich denke, Jack und ich werden uns langsam verabschieden. Aber wir sehen uns alle morgen zum Frühstück, oder?“

„Ja, wir auf jeden Fall. Haben Miley und Alex auch zugesagt?“

Sie lächelt. „Ja, das haben sie. Also dann, wir sehen uns morgen, ja?“

„Ja, bis morgen.“

Noch während sie sich von mir abwendet und hinüber zu Jack läuft, entschließe ich mich dazu, hinüber zu Miley und den anderen zu gehen. Soweit ich weiß, wollten die beiden eigentlich auch nicht so lange bleiben und da ich langsam müde werde, ist es wohl an der Zeit, für heute Schluss zu machen.

„Na, ihr? Wie sieht es aus?“

Ich stelle mich zu ihnen an den Tisch, woraufhin ich natürlich sofort alle Aufmerksamkeit auf mich ziehe.

„Was soll denn wie aussehen?“, fragt Henry mich, weshalb ich mit den Schultern zucke.

„Es ist schon relativ spät und ich dachte, Alex und Miley wollen gehen. Zumindest habt ihr ja vorhin mal so was angedeutet.“

„Ja, das stimmt schon.“ Miley sieht Alex fragend an. „Aber eigentlich ist es doch viel zu nett, um jetzt schon in die Hütte zu gehen, oder?“

Alex nickt zustimmend. „Ja, finde ich auch. Setz dich doch und trink was mit uns. Willst du auch ein Bier? Ich hol dir eines.“

Er möchte aufstehen, doch ich winke ab. „Nein, danke, aber ich bin echt fertig. Ich denke, Seth und ich werden gleich verschwinden. Oder?“

Ich sehe zur Seite, da Seth genau in diesem Augenblick an den Tisch herantritt. Die beiden Jungs sind noch immer mit dem Ball auf der großen Wiese.

„Ja, ich denke schon. Ich bin schon seit einer halben Ewigkeit auf den Beinen und könnte echt ein bisschen Ruhe vertragen. Aber wir sehen uns doch sowieso morgen alle beim Frühstück, oder?“

„Auf jeden Fall.“ Henry nickt. „Na, dann macht ruhig Schluss für heute. Wir bleiben noch ein bisschen hier. Oder, Julie?“

Sie nickt ebenfalls und lächelt. „Machen wir. Immerhin ist es gerade so nett.“

„Gut.“ Ich klopfe drei Mal auf den Tisch, dann hebe ich die Hand. „Bis morgen und einen schönen Abend noch.“

„Bis morgen, ihr zwei“, erwidern sie wie aus einem Mund, während Seth und ich uns bereits von ihnen abgewandt haben.

Seufzend greife ich nach seiner Hand. Es tut gut, ihn wieder für mich zu haben.

„Und? Bist du zufrieden, wie es heute gelaufen ist?“

Ich sehe ihn an, während wir langsam zur Straße zurücklaufen. „Definitiv, ja. Ich hätte nie im Leben erwartet, dass alles so glimpflich läuft. Irgendwie dachte ich ja, dass Miley weitaus zurückhaltender reagiert, aber das hat sie ja zum Glück nicht.“

„Na ja, man muss dazu sagen, dass es auch viel an Hellens Verhalten gelegen hat. Sie ist sehr offen und herzlich mit ihnen umgegangen, das hat Miley natürlich direkt angesteckt.“

„Ja, zum Glück.“ Ich schenke ihm ein Lächeln. „Sag mal, bist du wirklich so müde, wie du gerade gesagt hast, oder war das nur gelogen, damit wir verschwinden können?“

Seth lacht auf. Ich habe es gewusst. „Du kennst mich besser, als ich dachte. Nein, ehrlich gesagt, wollte ich dir sogar noch etwas zeigen, aber wenn du so müde bist, wie du sagst …“

„Hm, ist es etwas Tolles?“

Ich grinse, doch er zuckt nur mit den Schultern. „Ach, wäre sicherlich interessant, aber ist auch nicht so wichtig. Kann bis morgen warten, wenn du dich unbedingt hinlegen möchtest …“

„Sag mal, willst du mich ärgern?“ Ich schubse ihn leicht mit meinem Körper zur Seite. „Du weißt schon, dass du mich gerade total neugierig machst?“

„Ach, wirklich?“ Er fängt an zu lachen. „Und ich dachte immer, du hast so wahnsinnig viel Geduld.“

„Ja, natürlich.“ Ich muss grinsen. „Also was ist, zeigst du es mir jetzt?“

„Nein, ich denke nicht. Hast du dir gerade selbst zugehört? Du hast den anderen gesagt, dass du ja ach so müde bist. Da gehe ich jetzt doch nicht mehr mit dir zu meiner großartigen, wunderbaren, absolut tollsten Überraschung, die es gibt. Was glaubst du eigentlich?“

„Ich glaube, dass du ein gemeiner, hinterhältiger und egoistischer Penner bist.“ Ich lasse seine Hand los, bevor ich ihn mit beiden Armen umarme und anfange, ihn zu kitzeln. Seth beginnt zu lachen, windet sich jedoch relativ schnell aus meinem Griff. „Und ein dämlicher noch dazu.“

„Und du bist frech. Mach so weiter und ich zeige es dir morgen auch nicht.“ Er hält meine Hände fest, zieht mich an sich und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. „Habe ich erwähnt, dass ich es liebe, wenn du frech bist?“

„Und habe ich erwähnt, dass ich es liebe, wenn du mich ärgerst?“ Seine Mundwinkel verziehen sich zu einem schiefen Grinsen. „Es ist schade, dass wir so bald schon wieder zurück nach Hause müssen.“

Er nickt und legt seine Hand an meine Wange. „Das stimmt, aber da du am Montag wieder arbeiten musst und ich mich in die Fänge meines Therapeuten begeben muss, bleibt uns leider nichts anderes übrig.“

„Das stimmt, aber auch wenn ich die Kids in der neuen Schule sehr mag, so werde ich vermissen, wie viel Zeit wir hier miteinander verbringen können. Es ist schön, ununterbrochen bei dir zu sein.“

„Tu nicht immer so, als hätte ich keine Zeit für dich.“ Er lacht und streichelt dabei meine Wange. „Wenn ich nicht gerade auf Mörderjagd gehe, mache ich nichts lieber, als bei dir zu sein.“

„Weiß dein Verleger eigentlich, dass du schon wieder an einem Thriller sitzt, statt an der Fortsetzung von Jordan und Liam?“

Seth lächelt und küsst einen Moment lang meine Lippen, bevor er mir antwortet. „Ich mache beides parallel, immerhin fehlt für Teil zwei noch ein ganz entscheidendes Detail.“

„Ach, und welches wäre das?“ Ich hebe eine Augenbraue, da er schon wieder leise zu lachen beginnt. Dieser Mann macht mich irgendwann noch wahnsinnig. „Mann, Seth, hör auf, mich auf die Folter zu spannen!“

„Na schön, du hast ja recht“, stimmt er mir zu, grinst aber dennoch. „Dann komm, wir müssen ein Stück durch den Wald laufen.“

Es ist in der Tat nur ein kurzes Stück, das wir durch den Wald laufen, bis wir an einer kleinen Lichtung angekommen sind. Zunächst fällt mir nichts Besonderes auf, da wir an dieser Stelle noch nie gewesen sind. Als wir aber noch etwas weiter auf die große Wiese zugehen, die umgeben von Bäumen im hellen Sonnenlicht erstrahlt, wird mir von Sekunde zu Sekunde anders. In meinem Bauch kribbelt es so stark wie schon lange nicht mehr, obwohl ich nicht einmal weiß, was mich erwartet. Aber irgendetwas, ganz tief in mir, sagt mir, dass …

„O wow, Seth …“ Ich bleibe stehen, als ich einige Meter vor mir ein Herz aus roten Rosen entdecke. Es ist nicht sonderlich groß, aber dennoch so breit, dass Seth sich ohne Probleme hineinsetzen könnte. Er wird doch nicht … „Was hat das … Ich meine …“

Ich drehe den Kopf zur Seite, um ihm in die Augen zu sehen, doch Seth schenkt mir in diesem Augenblick keinerlei Aufmerksamkeit. Stattdessen geht er an mir vorbei und stellt sich zwischen die Rosen, während er mich unsicher ansieht. Die Schmetterlinge in meinem Bauch fliegen schneller. Mein Herz macht einen Salto vorwärts.

„Miles, du weißt, ich bin nicht sonderlich gut in solchen Dingen, und wenn ich ehrlich bin, dann kostet es mich gerade alle Überwindung, diesen Schritt überhaupt zu gehen. Nicht, weil ich es nicht möchte. Im Gegenteil. Vielmehr, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll, obwohl ich als Autor mit Worten umzugehen wissen müsste. Weißt du, ich habe …“ Er spricht nicht weiter und zieht stattdessen eine kleine Schatulle aus seiner Hosentasche, die mich augenblicklich zusammenzucken lässt. Meine Atmung setzt einen Moment lang aus. Meine Knie werden weich. Mit allem habe ich vorhin gerechnet, als er sagte, dass er mir etwas zeigen möchte. Sex im Wald. Oder am See. Oder sonst irgendetwas. Aber nicht, dass er … „Als du mir vor knapp einem halben Jahr das erste Mal begegnet bist, wusste ich sofort, dass du etwas Besonderes bist. Du hast mir in die Augen gesehen und nicht nur mein Herz, sondern auch meinen Verstand durcheinandergebracht. Trotzdem war ich ein verdammter Idiot, der nicht verstehen wollte, was er an dir hat. Der nicht wahrhaben wollte, dass du das Beste bist, was mir in meinem ganzen Leben passiert ist. Ich habe dich weggeschickt und dir damit verdammt wehgetan, aber heute weiß ich, welch großen Fehler ich damals gemacht habe. Smiles …“ Er streckt die Hand nach mir aus, weshalb ich ein paar Schritte nach vorn gehe und nach ihr greife. Langsam zieht er mich an sich, bis ich direkt vor ihm stehe. „Ich finde es immer noch unglaublich schön, dass unsere Namen für das stehen, was du immer wieder ausstrahlst, und deshalb habe ich …“

Er öffnet die Schatulle und zum Vorschein kommt ein silberner, ganz schlichter Ring, der jedoch ein ganz besonderes Merkmal hat. Habe ich mich schon jemals so gefühlt wie in diesem Moment? Einer Ohnmacht nah? Wie im siebten Himmel?

„Seth, das …“ Ich hebe den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. Das Braun seiner Iriden wirkt noch immer unglaublich unsicher. „Er ist wunderschön.“

Er lächelt, beißt sich währenddessen auf die Unterlippe. „Möchtest du mich heiraten? Möchtest du mich heiraten und bis ans Ende deines Lebens Miles Brewster werden? Der Mann eines chaotischen Autoren, der ständig den Klodeckel oben lässt und die Zahnpastatube nicht zudreht?“

„Und der mich jede Nacht wach macht, wenn er sich unbedingt an mich kuscheln muss, weil er sonst nicht schlafen kann?“

Ich lächle, kann die Tränen, die in mir aufkommen, jedoch kaum mehr zurückhalten.

„Ich denke, du könntest noch eine ganze Menge mehr aufzählen.“ Er lacht leise. „War das ein Ja?“

Die erste Träne kullert über meine Wange, während ich unzählige Male zustimmend nicke und meine Arme um seinen Hals schlinge. „Was für eine Frage. Natürlich war das ein Ja.“ Meine Lippen legen sich auf seine. Meine Augen schließen sich wie von selbst. Ja, verdammt. Ich möchte nichts mehr, als den Rest meines Lebens an der Seite dieses Mannes verbringen. „Ich liebe dich über alles, Seth Brewster“, sage ich mit einem Lächeln auf den Lippen, das er sofort erwidert.

„Und ich liebe dich. Mehr als mein eigenes Leben.“

 

Ende