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Kapitel Zwei
C hloe drückte ihren Finger auf die Löschtaste und beobachtete, wie die Buchstaben von der Seite verschwanden. Es war Mist. Sie seufzte tief, änderte die Schriftart, dann die Schriftgröße und begann noch einmal von vorn.
Es war schwer, zu versuchen, wie eine Erwachsene zu klingen. Sie wusste genau, was sie sagen wollte. Es war dasselbe, wie das Schreiben von Dankesbriefen, bei denen man sichergehen musste, dass man höflich, freundlich und fröhlich klang. Aber als zehnjähriges Mädchen war es schwierig, einen solchen zu schreiben und dabei so zu tun, als wäre sie ein erwachsener Mann.
Sie schaute aus dem Fenster und behielt ihren Vater sorgsam im Auge. Er stand in der Koppel im hinteren Teil der Ranch und führte eins der Pferde herum – eine Stute, die sie kürzlich gekauft hatten, die noch sehr schreckhaft war und der es schwer fiel, sich an ihre neuen Ställe zu gewöhnen.
Chloes Vater hatte so viel Geduld bei den Tieren und sie liebten ihn dafür. Alle Tiere auf der Ranch kamen sofort zu ihm – von ihren Hühnern bis hin zu den Bison, die sie im benachbarten Feld untergebracht hatten. Es gab sogar einen bösartig aussehenden Grizzlybär, der in der Nacht die Außengebiete ihrer Ranch abwanderte, aber ihr Vater sagte ihr jedes Mal, wenn sie den ansprach, dass sie sich den Bären nur eingebildet hätte.
Er war ein großartiger Vater. Er schien immer so stark und solide zu sein. Wann immer sie sich ein Knie oder einen Ellenbogen ankratzte, würden ein paar liebe Worte von Dad – und sein Erste Hilfe-Kistchen, komplett mit Batman-Pflastern – alles wieder gut machen. Bis vor kurzem hatte sie sich nie um irgendetwas Sorgen machen müssen, wenn er in der Nähe war.
Aber selbst Chloe wusste, dass es nicht für immer so bleiben konnte. Lucille, ihre allerbeste Freundin, hatte ihre Periode bekommen. Sie hatte Chloe bis ins letzte, blutige Detail alles darüber erzählt und Chloe war vor Entsetzen beinahe ohnmächtig geworden. Lucille hatte sie gewarnt, dass sie es als Nächste bekommen würde. Aber ihr Vater würde ihr dabei nicht helfen können. Chloe war sich absolut sicher, dass man diese Art von Notfall nicht mit einem Batman-Pflaster abhelfen konnte.
Die einzigen anderen Leute hier waren die temporären Farmhelfer und Josiah und Wesley, die beiden Vorarbeiter, die das ganze Jahr über auf der Ranch blieben, die ihre kleine Familie formten. Beide Männer waren so lustig. Josiah war wie ein zweiter Dad, ihr ständiger Babysitter und immer für ein Spiel Monopoly aufgelegt. Wesley war ein wirklich gut aussehender Sechzehnjähriger, der ihr das Reiten beigebracht hatte. Was würde passieren, wenn sie ihre Periode vor Wesley bekam? Sie würde sterben .
Es war Chloe zunehmend klarer geworden, dass sie eine Mutter brauchte. Eine, die ihr am Morgen ihr Haar flechten würde – auf dieselbe komplizierte Weise, wie Lucilles Mama es tat – mit französischen Zöpfchen und Ballerina-Knoten. Sie hatte versucht, ihrem Vater diese Dinge beizubringen, aber er war so gut wie nutzlos – obwohl sie ihm das nie gesagt hatte. Er bemühte sich jeden Tag und jeden Morgen rannte Chloe, nachdem er sie am Schultor abgesetzt hatte, hinter den Kiefernbaum, löste den schiefen Versuch eines Zopfes wieder auf und ließ ihr Haar für den Rest des Schultages offen.
Mit neu gewonnener Entschlossenheit lenkte Chloe ihre Aufmerksamkeit wieder zurück zum Brief. Sie schaute auf das Bild der Frau, das die Agentur geschickt hatte. Sie sah perfekt aus. Sie konnte keine Kinder haben, also würde es niemals irgendjemand anderen als Chloe geben, und sie konnte kochen. Und sie hatte wirklich, wirklich freundliche Augen und langes, glänzendes Haar. Ihr Name war Heather. Es war ein schöner Name. Es klang wie eine Frau, die gute Umarmungen geben konnte und wie jemand, der der nett und gut zu Tieren war.
Bevor sie noch einmal ihren Brief las, überprüfte Chloe ihre Liste der Anforderungen. Dieselbe, die sie in der letzten Woche an die Agentur geschickt hatte. Es war auf einem Zettel niedergeschrieben, den sie zu jeder Zeit in der Hosentasche ihrer Jeans bei sich trug. Sie ging die Liste durch und Chloe bestätigte, dass Heather wahrscheinlich jede einzelne dieser Anforderungen erfüllen würde. Bei anderen – wie zum Beispiel, ob sie sich in ihren Vater verlieben würde – müsste sie abwarten und sehen, was passierte.
Chloe konzentrierte sich wieder auf den Brief und fragte sich, ob sie die Tatsache hinzufügen sollte, dass ihr Vater ohne eine Frau traurig war. Sie war sich sicher, dass dem so war. Wenn er glaubte, dass sie nicht in der Nähe war, saß er manchmal an den Abenden auf dem Sofa und starrte aus dem Fenster. Dann sah er so traurig aus – so wie Chloe aussehen würde, wenn sie keine Lucille hätte. Aber vielleicht würde das, wenn sie sagte, dass ihr Vater traurig sei, die Frau vertreiben? Sie entschied, es wegzulassen.
Eine Stunde später war sie fertig. Schließlich war der Brief perfekt. Sie hatte die Kreditkarte ihres Vaters aus der Schublade seines Schreibtisches genommen und gab sorgfältig seine Informationen ein. Es war sehr teuer, aber Chloe rechnete sich aus, dass es somit wahrscheinlicher war, dass Heather die perfekte Mutter sein würde.
Chloe drückte auf die „Absenden“-Taste auf der Webseite und drückte ganz fest ihre Daumen. Das hier musste funktionieren.
„Chloe, Abendessen!“, rief ihr Dad von unten. Sie schob hastig die Kreditkarte zurück an ihren Platz in der Schublade und schaltete den Computer aus.
„Ich komme!“, rief sie zurück und schaute sich noch einmal im Raum um, um sicher zu gehen, dass sie nichts vergessen hatte. Es sah alles okay aus. Sie drehte sich um und bemerkte nicht, dass ihre Liste von „idealen Attributen “ immer noch neben dem Computerbildschirm lag.
„Was hast du den ganzen Tag getrieben, du Unruhestifter? Ich habe dich weder gesehen noch gehört“, fragte ihr Vater von seinem Platz an der Arbeitsfläche in der Küche aus.
„Ich war schwer beschäftigt, Daddy. Ich hatte einiges zu erledigen.“ Chloe hatte ihre Hände auf ihre Hüften gestemmt und betrachtete die Aktivitäten in der Küche. „Dad, haben wir etwa schon wieder Schweinekoteletts?“
„Och, komm schon, Chloe. Du weißt, dass du sie liebst“, sagte ihr Vater, als er sich zwinkernd zu ihr umdrehte.
„Nein, Dad. Ich liebe sie nicht . Außerdem hatten wir die schon gestern Abend. Ich mochte sie schon da nicht und ich werde sie heute noch weniger mögen, denn jetzt sind das die Reste von gestern .“ Chloe schürzte ihre Lippen. Das hier war wirklich furchtbar. Sie wusste mit absoluter Sicherheit, dass Lucille niemals die Reste vom Vortag aß, bis auf sonntags, aber Sonntagsreste waren okay.
„Sieh an, sieh an. Ich kann hören, wie eine Prinzessin ihrem armen Vater Probleme macht.“ Josiah steckte seinen Kopf durch die Hintertür und wedelte mit seinem Hut in Chloes Richtung. „So sollte sich eine junge Dame nicht benehmen!“ Er stürmte herein und fing an, ihr um den Tisch herum nachzujagen. Chloe kreischte voller Freude auf und rannte hinter ihren Vater. Er lachte, packte sie und stellte Chloe wieder direkt in Josiahs Weg. „Daddy!“, schrie sie. „Hilf mir!“
Genau dann kam Wesley herein und Chloe hörte sofort auf zu schreien. Er türmte mit sonnengebräunter Haut über ihr und ließ ein breites Grinsen in Chloes Richtung aufblitzen. „Ich habe hier drin lautes Geschrei gehört.“ Er beäugte Chloe. „Was stellst du wieder an, Miss Chloe Holt?“
„Nein. Gar nichts. Ich bin nur genervt, dass wir schon wieder Schweinekoteletts essen. Das ist jetzt das vierzehn Millionste Mal und ich kann die nicht mehr ausstehen!“ Chloe erinnerte sich an ihre Hauptbeschwerde für heute Abend und blieb standhaft.
„Hmm“, Wesley sah nachdenklich aus. „Nun, das ist wirklich zu schade.“ Er drehte sich zu Chloes Vater um, der damit begonnen hatte, die beleidigenden Schweinekoteletts auf die Teller zu verteilen.
Josiah sah zu Wesley rüber und stimmte zu. „Das ist es. Wirklich schade.“ Der ältere Mann zuckte mit den Schultern und schüttelte seinen Kopf. Chloes Vater schaute beide Männer nur amüsiert an.
„Was?“, fragte Chloe. „Was ist so schade?“ Sie alle schüttelten einfach nur ihre Köpfe. Als keiner von ihnen ein Wort sagte, verschränkte Chloe ihre Arme vor ihrer Brust und schob ihr Kinn vor. „Sagt es mir. Was ist schade?“
„Nun ja. Ich weiß nicht, ob du von Mrs Maybelles preisgekrönter Sahne-Creme-Torte gehört hast …“ Wesley verstummte, als Chloe laut aufschrie und in die Luft sprang.
„Wirklich? Wes, hast du wirklich Maybelle-Kuchen besorgt?“
Er grinste sie an. „Ja, habe ich wirklich. Josiah und ich sind speziell für dich in die Stadt gefahren und haben ihn gekauft. Aber …“, er hielt für einen Moment inne, „… ich bin mir nicht sicher, ob du ein Stück haben solltest … wenn man bedenkt, wie sehr du wegen dem Essen, das dein Vater kocht, die Nase rümpfst, und so ...“
„Es tut mir leid!“ Chloe schnappte sich den angebotenen Teller aus den Händen ihres Vaters und trug ihn zum Küchentisch.
Sie aß mit großem Appetit und verschlang ihr Abendessen. Und wenn sie ehrlich war, war es nicht so schlecht. Sie erinnerte sich daran, dass sie sich nicht mehr allzu lang damit abfinden müsste. Vielleicht hatte sie schon nächste Woche eine neue Mutter. Eine Mutter, die den ganzen Tag in der Küche verbringen und spezielle Leckereien und köstliche Dinner für Chloe und ihren Dad kreieren würde.