Nach dieser Erkundungstour in mein Heimatviertel war ich neugierig darauf, was aus dem Haus meines Großvaters geworden war, und beschloss, einen Ausflug in den Quitzow Weg zu machen, unweit von meinem Kinderheim entfernt. Je näher ich kam, desto gespannter wurde ich. Am wichtigsten war für mich zu wissen, ob mein Geburtstagsfahrrad noch existierte. Ich fürchtete sehr, dass es schon jemand gefunden und mitgenommen hatte.
Die ersten Häuser in der Straße standen noch, Großvaters Haus konnte ich zunächst nicht erkennen, weil es hinter einer Kurve stand. Als ich weiterging, entdeckte ich es. Es war ein einziger Trümmerhaufen innerhalb der anderen unversehrten Häuser. Offenbar hatte es eine Sprengbombe getroffen, die Frontmauer zur Straße war richtiggehend in den Vorgarten geklappt. Die Stockwerke waren heruntergesackt wie platte Flundern, ich konnte in alle Etagen hineinschauen, sie waren nur noch einen halben Meter hoch. Unten sah ich den großen Eichentisch, er war unversehrt, wären nicht auch seine Beine auf einen halben Meter verkürzt gewesen.
Das also war aus Großvaters wunderbarem Haus geworden, in dem ich so viel Schönes erlebt hatte! Ein Glück, dass die Großeltern das nicht sehen müssen, sagte ich mir und hoffte dabei inständig, dass sie sich mit ihrer Flucht hatten retten können. Aber wie sollte ich das je erfahren? Ich wurde plötzlich wieder sehr traurig und musste mit den Tränen kämpfen.
Was war wohl aus Großvaters Tieren geworden, fragte ich mich auch. Natürlich waren die Kaninchen und Hühner nicht mehr da. Er hatte mich immer so stolz zu seinen selbstgezimmerten Ställen geführt und mir die Jungen gezeigt. Er machte mich allerdings auch immer darauf aufmerksam, welches Kaninchen – er nannte sie alle beim Namen – demnächst geschlachtet werden würde. Ich hatte selbstredend protestiert. Ob ich das heute noch immer tun würde, da war ich mir nicht so sicher.
Dann wollte ich nach meinem Fahrrad sehen. Ich ging um das Haus herum. Von hinten sah es ähnlich aus wie von vorn, zusammengestaucht. Der Treppenabgang vom Garten in den Keller lag frei. Ich kam bis zur Waschküche durch. Bis dahin war der Keller stehengeblieben, vorn in den großen Kellerräumen aber lag der Fußboden vom Hochparterre. Und darunter musste mein Fahrrad liegen. Ach, wie gern hätte ich es gehabt, wie gut hätte ich es brauchen können!
Danach sah ich mich im Obst- und Gemüsegarten um. An den Bäumen hingen unreife Äpfel, klein und steinhart. Es hatte noch keinen Sinn, sie zu ernten. Ich wollte abwarten, bis sie reif waren. Aber ob sie dann noch da sein würden? Leider waren sie, als ich Wochen später nach ihnen schaute, längst von anderen geerntet worden.
Da, wo früher das Kräuterbeet gewesen war, fand ich etwas Schnittlauch und Petersilie und nahm sie mit. Sie waren das Einzige, was ich von Großvaters Grundstück verwerten konnte. Mit diesem kläglichen Fund machte ich mich traurig auf den Rückweg zum Heim.