Der Winter 1945/46 war besonders hart. Schon im Oktober war es sehr kalt gewesen, und im November herrschte tiefer Frost. Je mehr es draußen fror, desto knapper wurde das Brennholz. Auch in der Küche wurde dringend Holz zum Kochen gebraucht. Es gehörte zu unserer täglichen Arbeit, Brennmaterial zu beschaffen. Jeden Morgen zogen mehrere Jungen mit einem Malerkarren, Seilen und einer großen Holzfällersäge los. Manchmal kam auch Sigismund, der eine der beiden deutschen Kriegsgefangenen, mit. Er hatte einen propusk, eine Vollmacht, vom Kapitan bekommen, die besagte, dass er sich frei bewegen konnte. Für uns Jungen war es schön, ab und zu in Begleitung eines Erwachsenen zu sein. Manche Dinge hätten wir allein auch gar nicht geschafft. Nicht immer war es einfach, an das begehrte Holz heranzukommen. In den Giebeln der ausgebrannten Häuser steckten oft dicke Balken, die nicht ganz verkohlt waren und noch eine ganze Weile brennen konnten. Wenn wir so ein Haus erreichten, kletterte einer von uns mit dem langen Seil nach oben, steckte es durch ein Firstfenster oder Einschussloch des stehengebliebenen Mauerwerks, knotete es zusammen und ließ sich wieder herunter. Dann hängten wir uns alle an das Seil und zogen aus sicherer Entfernung immer wieder daran, bis die Mauer ins Schwingen geriet und schließlich einstürzte. Der begehrte Balken fiel zusammen mit dem Mauerwerk herunter.
Wir zersägten ihn in zwei bis drei Meter lange Stücke und luden ihn auf den Wagen. Wenn wir nach harter Arbeit mehrere Balken zusammenhatten, fuhren wir zurück ins Lager. Wir kamen dabei nur langsam vorwärts, denn die Balken waren schwer, die Straßen voller Bombentrichter und wir nicht bei besten Kräften, da wir ja immer Hunger hatten. Das Holzholen gehörte zu den anstrengendsten Arbeiten im Lager.
Auf dem Gelände standen fünf Sägeböcke bereit, die Sigismund gebaut hatte. Ein paar Jungen zersägten die Balken. Wieder andere zerspalteten sie mit dem Beil in ofentaugliche Stücke. Unsere Brennholzvorräte nahmen täglich zu. Angekohlte Balken gab es genug, auch wenn sie nicht einfach zu beschaffen waren. Bald allerdings wurde der Umkreis, in dem wir welche fanden, immer größer, und so mussten wir das Holz über immer weitere Strecken ziehen. Wenn wir ins Lager zurückkamen, sahen wir so schwarz aus wie Köhler.