16
Der Rest von Armando Lekish starb auf unspektakuläre und plötzliche Weise und es gab keine letzten Worte, die diesem Ereignis Genüge getan hätten.
Sie hatten noch das eine oder andere besprochen, er hatte ihnen den Weg zum nahen Lager der Wilden skizziert und versonnen spekuliert, wie es ihnen wohl gehen würde. Dann seufzte er kurz auf, als sei ihm ein wenig von der Last genommen, die auf seinen Schultern lag, und sackte in sich zusammen, rutschte vom Stuhl und war tot.
Sie waren sich nicht sogleich sicher, als sie ihm zu Hilfe eilten und sich über den Körper beugten, aber irgendwo hatte auch ein Großmaul Lebenszeichen und da war nichts mehr, als sie nachsahen. Für einen Moment standen sie um den Leichnam versammelt, ein wenig betroffen, nicht nur von der Plötzlichkeit, sondern auch von der Erkenntnis, dass mit dem Dahinscheiden des Großmauls aller Wahrscheinlichkeit die Reste eines Mannes verschwunden waren, der als Zeitzeuge Dinge miterlebt hatte, die für sie alle ferne Vergangenheit waren.
Natürlich bestand immer noch die Chance, dass Fragmente wie beim Dreigestirn-Rothbard irgendwo gespeichert blieben, aber wer war da, diese wieder zu aktivieren oder ihnen gar Körperlichkeit zu verleihen? Es hatte also etwas sehr Endgültiges und das war schon ein wenig tragisch.
»Es war zu viel für ihn«, sagte Ryk.
»Der Körper war nicht kompatibel«, bot Uruhard eine Erklärung an.
»Müde«, ergänzte Momo und vielleicht hatte er damit die eigentliche Ursache für das Ableben eines sehr, sehr alten und im Grunde nur noch unvollständig existenten Mannes gefunden.
Allein Sia enthielt sich jeglicher Spekulation. Vielleicht lag es daran, dass sie gerade einen ihrer Schöpfer verloren hatte und dass diese Erkenntnis gerade bei ihr sehr gemischte Gefühle auslösen musste. Sie berührte etwas fahrig die Stelle an ihrem Kopf, in der sie noch den Kortikalstecker hatte platzieren wollen. Sie würde dadurch die Sprache der Großmäuler lernen, vielleicht das wichtigste Geschenk, das ihnen Lekish noch geben konnte.
Ihnen blieb nicht allzu viel Zeit, sich über die Tragweite seines Todes Gedanken zu machen. Was auch immer mit Lekish verbunden gewesen war, an welche Klippe sich diese alte Anlage noch mit den Fingerspitzen geklammert hatte, mit dem Dahinscheiden des letzten Bewohners schien auch aus der elektronischen Seele dieses stillgelegten Labors die letzte Kraft zu schwinden.
Jedenfalls begann das Licht zu flackern.
Sie alle sahen dies als Zeichen für den baldigen Aufbruch. Sia griff sich das Kabel, das Lekish ihr gezeigt hatte, und den kleinen Kasten, dessen technologische Grundlage so alt war wie viele der Dinge, die sie in ihrem Körper trug. Sie wollte sein Geschenk, die Sprache der Wilden zu lernen, auch als ein physisches Erinnerungsstück mitnehmen und Ryk musste sich an die Vorstellung gewöhnen, dass Sia imstande war, etwas zu lernen, indem sie einen Stecker in eine Buchse steckte. Die Hybride schien von dieser Aussicht unbekümmert und Ryk kannte sich nicht gut genug aus, um zu ermessen, ob darin ein Risiko lag. Er überließ diese Sache besser ihr.
Sie verbrachten die Nacht hier, mit dem Sofa als Preis einer kleinen Auslosung. Möglicherweise gab es andere Liegestätten, etwa die seltsamen Tische, die sie im Labor erblickt hatten, aber das waren keine Orte, an denen man friedlich schlief. Das war in diesem Büro nicht sehr viel besser, aber immerhin war es nicht ganz so gruselig.
Sia schlief nicht richtig. Sie hatte es geschafft, den Stecker zu ihrer Zufriedenheit zu reinigen und ihn eingestöpselt. Der schwarze Kasten hatte daraufhin mit Lichtzeichen reagiert und für einige Minuten hatte die Hybride ganz starr dagesessen. Dann entfernte sie den Stecker und blinzelte, als würde sie aus einer Trance erwachen. Ihr Mund formte ein Wort, das Ryk nicht kannte, und sie nickte sehr zufrieden.
Sie sprach, das war seine Schlussfolgerung, jetzt Großmaul.
Sie begruben Lekish draußen vor dem toten Hive. Aus Metallresten, die sie im Labor fanden, bastelten sie eine Art Grabstein und Sia verfasste eine kurze Inschrift, die sie auch in Großmaul in die Platte ritzte.
Armando Lekish
Er tat sein Bestes. Urteilen wir nicht
.
Als sie am nächsten Morgen erwachten, begnügten sie sich mit einer einfachen Morgentoilette und einem sehr spärlichen Frühstück und beschlossen gemeinsam den Aufbruch. Nach einer kurzen Wanderung standen sie wieder am Eingang, durch den sie nach draußen schritten.
Dort warteten die Wilden auf sie.
Sie standen im Kreis um das Grab von Armando Lekish und schauten auf die Grabplatte hinab, die Sia am Tag zuvor mit ihrem kurzen und treffenden Spruch verziert hatte. Sie wirkten betroffen, oder das war der Eindruck, den Ryk gerne haben wollte, in seinem Bemühen, in diesen kraftvollen und potenziell gefährlichen Wesen so viel Menschliches zu sehen, wie er nur konnte.
Dann bemerkten die Großmäuler die aus dem Inneren des toten Hives hervortretenden Menschen und wandten sich diesen zu. Es war keine alarmierende Situation. Jedenfalls noch nicht.
Ein gutes Dutzend bekleideter, bewaffneter, groß gewachsener Krieger, zumindest erweckten sie diesen Eindruck. Hatten sie die Wiedererweckung oder den Tod von Lekish irgendwie mitbekommen oder diesen Ort einfach nur unter Beobachtung gehalten, sich vorbereitet und darauf gewartet, ob die Eindringlinge wieder herauskamen, bevor sie das Grab inspiziert hatten? Alles war möglich.
Sie wirkten nicht bedrohlich. Aber sie waren offenbar durchaus zu allem bereit, nötigenfalls auch, ihnen die Köpfe abzubeißen. Das galt es zu verhindern.
Wie gut, dass Sia fleißig gelernt hatte.
Sie trat vor, unerschütterlich wie immer – nein, wie meistens – und sagte einige Worte, die wie eine Mischung aus lang gezogenen Stoßseufzern, Knurrlauten und etwas Jaulen klangen. Eine Sprache, die den biologischen Rahmenbedingungen eines Großmaulkopfes besser angepasst schien als das, was die Menschen sprachen, und gleichzeitig von diesen hinlänglich nachgemacht werden konnte, um eine Kommunikation zu ermöglichen. Sias technisch erweiterte Stimmerzeugung war dazu natürlich problemlos in der Lage.
Es gab einen Austausch, bei dem Ryk nichts weiter tun konnte, als ruhig und besonnen zu wirken und alles Sia zu überlassen. Diese wiederum schien sich einigermaßen wohl zu fühlen, soweit er ihre Körpersprache richtig deutete. Sie sprach lange und ohne größere Pausen, hatte den Großmäulern gewiss mehr zu sagen als nur eine Entschuldigung für ihre Existenz.
Und sie hörten ihr aufmerksam zu.
Keiner machte Anstalten zu irgendeiner Gewalttat. Als Sia geendet hatte, ein wenig erschöpft vielleicht, gab es eine Antwort und obgleich Ryk nicht ein Wort verstand, klang sie alles andere als aggressiv. Der Sprecher wies einmal auf das Grab von Lekish und seine Stimme bekam einen tragenden Unterton, der möglicherweise Trauer ausdrückte oder zumindest Respekt. Sia nickte mehrmals mit ernstem Gesicht. Es war ein gutes Gespräch, soweit Ryk das mitbekam. Er entspannte sich.
Dann drehte sich die Sängerin zu ihren Gefährten. »Wir sind auf einem guten Weg«, sagte sie lächelnd. »Mookar hier«, sie zeigte auf ein Exemplar, das sich von den anderen durch eine Art Schärpe abhob, die lässig über die Schulter geworfen war, »und seine Leute laden uns in ihr Lager ein. Es hat nicht nur geholfen, dass wir uns verstehen, es hat auch geholfen, dass wir bei unserer letzten Begegnung die Grabstätten für die Kinder hinterlassen haben. Sie kennen keine Begräbnisse, aber sie sind intelligent und verstehen die dahinter liegende Absicht. Und Lekish hatte gewiss auch eine Bedeutung für sie, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob sie ganz verstehen, woher sie kommen und wer sie sind. Wir müssen uns länger unterhalten.«
»Möglicherweise ist die Sache mit ihrer Herkunft ein Thema, das wir auch nicht vertiefen sollten«, schlug Uruhard mit Vorsicht in der Stimme vor. Ryk pflichtete ihm stumm bei.
»Wir wurden von Mookar nicht nur eingeladen, seine Leute zu besuchen, er wies auch darauf hin, dass ihr Schamane die Heilige Sprache spricht. Der Schamane ist ihr Anführer, gleichzeitig ein weltlicher wie spiritueller Herr.«
»Ein Gottkönig? Wir hatten so was mal in Metropole 4. War ein Blutbad«, sagte Uruhard wenig begeistert.
»Es wird hier sicher nicht ganz so schlimm sein«, erwiderte Sia beruhigend.
»Lass mich raten: Die Heilige Sprache ist das Gleiche wie die Alte Sprache und das wiederum ist nichts anderes als das gute Unionsstandard, das wir immer noch benutzen, richtig?«, fragte Ryk.
»Absolut. Das dürfte es einfacher machen, unser Anliegen vorzutragen.«
»Mookar hast du es noch nicht erklärt?«
Sia schüttelte den Kopf. »Falsche Gehaltsstufe.«
Er musste ihr vertrauen, dass sie wusste, wovon sie sprach. Der Weg zum Lager, wenn es das gleiche war, von dem Lekish gesprochen hatte, war nicht weit, vielleicht ein strammer Marsch von fünf Stunden, wenn sie gut vorankamen. Heraus aus dem Tal, einen Felsweg entlang, bis hin zu einer Ebene, in der die Hives wieder dicht an dicht standen.
Ryk sah der Gastfreundschaft der Wilden zwar mit durchaus gemischten Gefühlen entgegen, aber es konnte nicht viel schlimmer werden, als uralte Konzentratnahrung aus Unionszeiten zu essen und sich ständig verändernde Versionen der eigenen Vergangenheit anhören zu müssen.
Da irrte er sich natürlich.
Erst verlief ihre Reise ganz manierlich. Die Großmäuler nahmen sie in ihre Mitte, vielleicht zum Schutz oder auch, damit sie nicht wegrannten. Sie kannten den Weg und nahmen Rücksicht, vor allem auf den schnell wieder schwitzenden und keuchenden Uruhard. Ihre Ungeduld hielten sie durch gelegentliche Gespräche mit Sia im Zaum, die offenbar gut bei ihnen ankam. Einmal lachten sie sogar und es klang echt, nicht gespielt. Obgleich der Marsch anstrengend war, entspannte sich Ryk ein wenig.
Der erste Moment, in dem ihm etwas falsch vorkam, war, als er selbst etwas hörte, das in ihm instinktiv Alarm auslöste. Als Springer hatte er gewisse Reflexe entwickelt und reagierte auf Geräusche. Manche dieser Reflexe waren auf dieser Welt falsch, vielleicht sogar die meisten. Aber es gab diesen Laut, den Großmäuler machten, wie ein bellender Befehl, die Aufforderung, sich auf den Kampf vorzubereiten. Er hatte ihn oft gehört.
Und er kam weder von Mookar noch von einem der anderen Wilden.
»Verdammt!«, sagte er laut. Und als Mookar sich umschaute, war nicht zu übersehen, dass auch der Anführer dieser Gruppe beunruhigt war. Er musste dasselbe vernommen haben. Mookar sagte etwas auf Wildisch, und jetzt zuckte Sia zusammen. Sie bewegte ihren Waffenarm und die Wilden starrten sie an, als die Klinge hervorkam.
»Großmäuler!«, zischte sie und blieb stehen, sich wachsam umblickend. »Hivegroßmäuler. Ganz in der Nähe. Wir müssen …«
»Schleichen und verstecken nützt nichts. Normalerweise hilft nur rennen«, sagte Ryk. Momo reckte sich. Er war weiterhin mit seinem festen Knüppel bewaffnet, seiner bevorzugten Waffe. Der Defo war bereit, seine Haut, wie immer, so teuer wie möglich zu verkaufen.
»Mookar meint, sie seien näher, als er befürchtet hatte«, übersetzte Sia die Worte des Wilden. Der Anführer wirkte besorgt, aber überlegt, beobachtete die Umwelt, schien im Geiste eine Verteidigungsposition zu berechnen und winkte seinen Begleitern, die diszipliniert seinen Anweisungen folgten. Ryk ermahnte sich. Es war an der Zeit, den Begriff in seinem Kopf für diese Leute zu verändern. Dies waren keine »Wilden«. Sie waren, was das nun wert war oder auch nicht, die Freien und so wollte er fortan von ihnen denken.
Dann endete das Denken abrupt und schmerzhaft.
Vor allem für den Freien, der keine drei Meter von ihm stand. Wie aus dem Nichts kam ein Großmaul auf ihn zugesprungen, mit der finsteren Entschlossenheit eines Killers in seinem Blick, fokussiert auf seine Beute. Der Freie reagierte, aber er war zu spät. Die vorgestreckte Klaue riss ihm in einer blutigen Spur die Haut am rechten Arm auf und legte Muskeln und Sehnen frei. Wo die Großmäuler des Hives noch mechanische Bauteile hatten, ihrer eigenen Funktion als Hybride entsprechend, waren die Freien ganz und gar organisch. Das rächte sich, wenn man nicht aufpasste. Oder überrascht wurde.
Der Freie schrie.
Der Angreifer schrie auch, wild, herausfordernd, vielleicht triumphierend.
Momo schrie, lauter als beide, eine Anfeuerung an sich selbst. Sein Knüppel, exakt geschwungen und mit der urtümlichen Kraft, zu der nur der Defo imstande war, krachte auf den Schädel des Hivekriegers. Es gab einen ekelhaften Laut, als der Knochen brach, zersplitterte, den Kopf öffnete und verspritzt wurde, was sich darin verbarg. Ein zweiter Schrei, diesmal triumphierend, als der Knüppel ein zweites Mal hinunterfuhr, nur um ganz sicherzugehen, und aus dem Haupt des nunmehr wehrlosen Großmauls einen Haufen blutigen Matsch machte.
Es konnte niemand mehr die Kraft des Defos bewundern. Denn jetzt kamen die Angreifer von allen Seiten und sie waren damit beschäftigt zu überleben.
Es war nicht wie in den schlechten alten Filmen, die es in Metropole 7 manchmal zu sehen gab. Hier wartete niemand ab, bis man mit einem Gegner fertig war. Hier kamen sie alle auf einmal und wenn man sich ins Gehege kam und aus Versehen einen Kameraden verletzte, so kümmerte das die Hivekrieger nicht. Ein bisschen Schwund war immer.
Es gab sogar sehr viel davon.
Die Freien kämpften mit methodischer, blutiger Entschlossenheit. Sie kannten den Gegner, benötigten keine Anleitung und gerieten nicht in Panik. Sie waren beinahe stoisch, töteten stoisch und starben genauso. Das wiederum löste bei Ryk Angst aus. Er kämpfte auch, soweit er das konnte. Er hatte seine Schusswaffe, er hatte das lange Messer aus der Notfallausrüstung. Er war nicht gut mit dem Messer, aber er war gut darin, sich hinter Momo zu verstecken und von dort gezielte Schüsse abzugeben.
Die Hälfte davon trafen ihr Ziel und wieder die Hälfte davon schüttelten die Großmäuler ab, als wären es nicht mehr als Insektenstiche. Das Kaliber war zu klein. Es verursachte weder einen Schock, der ein Großmaul im Kampfesrausch zu stoppen vermochte, noch riss es Wunden von beträchtlicher Größe.
Ryk irritierte die Gegner. Das war nicht immer eine gute Idee.
Und so hielt er sich hinter dem Defo versteckt.
Das war nicht peinlich. Ryk hätte gestört. In dieser Situation hätte er gestört.
Sias Filamentklinge schwirrte durch die Luft. Sie hatte sich in den Roboter verwandelt, der sie immer zu sein schien, wenn es darum ging, zu kämpfen. Methodisch wie die Freien, aber exakter, ohne unnötige Bewegungen, die nur wertvolle Energie kosteten. Und dann waren da kaum Geräusche, das machte es beinahe noch schlimmer. Wenn ihre Klinge durch das Fleisch eines Hivekriegers glitt, dann geschah dies erschreckend lautlos. Die Reaktion, das Ergebnis war offensichtlich. Aber der Akt selbst … Ryk konnte nur auf widerwärtige Weise fasziniert beobachten, wie Sia, die Sängerin, die Waffe, ihre Bestimmung mit großem Ernst in die Realität umsetzte.
Sie hätte singen können. Das hätte sofort gewirkt. Aber möglicherweise wären ihre Verbündeten auch daran gestorben.
Uruhard versteckte sich ebenfalls. Die Freien hatten bemerkt, dass der stämmige Mann keine Hilfe war, und sahen es gleichzeitig als sinnvoll an, ihn zu beschützen. Der Wachtmeister zeigte keine Angst, von dem feinen Schweißfilm auf seiner breiten Stirn einmal abgesehen. Auch er hielt eine Waffe in der Hand, sehr verkrampft und zu nervös, um irgendwem eine Hilfe zu sein.
Eine tolle Truppe sind wir
, dachte Ryk. Ganz toll
.
Momo griff nach vorne, eine fließende Bewegung, die Kraft und Sicherheit ausdrückte. Er riss ein bereits angeschlagenes Großmaul vom Boden, eine Variante mit besonders langen und scharfen Klauen, und packte mit beiden Händen zu. Das Geräusch ging ins Mark, als er dem Hivekrieger mit einer Kraftanstrengung den Kopf abriss, der immer noch zuschnappend zu Boden rollte. Vom Blut des Toten besudelt packte Momo die Beine, begann, den Leichnam wie einen Morgenstern um sich kreisen zu lassen, und schlug damit auf weitere Hivekrieger ein, die den fliegenden Klauenarmen ihres toten Artgenossen nicht mehr ausweichen konnten. Das war eine gute Waffe, effektiver als ein Knüppel, und Momo schwang den Toten, bis dieser durch Fliehkraft und die Gegenwehr seiner noch lebenden Artgenossen nur noch in Fetzen an seinen Knochen hing.
Aber es verschaffte Respekt.
Hivekrieger waren wie Roboter, aber sie waren keine. Sie hatten ihre eigene Intelligenz, vor allem die Anführer, und sie passten sich an. Das war ihre gefährlichste Eigenschaft, von der natürlichen – natürlichen? – Bewaffnung ihrer Körper einmal abgesehen. Sie wichen jetzt aus, konzentrierten sich auf leichtere Gegner und sparten sich Momo für das Finale auf. Und die Chancen standen nicht schlecht, dass es bald zu einem solchen kommen würde.
Die Freien, tapfer, kampferfahren, aber in der Minderzahl, starben einen langen und wilden Tod, aber sie starben. Mookar selbst blutete aus mehreren Wunden, doch vielleicht Adrenalin oder purer Trotz trieb ihn weiter voran. Als eine Klauenhand auf seinen Unterleib zuschoss, trat Sia vor, ihre Bewegung wie ein Schatten, und die ausgestreckte Hand lag am Boden. Der Angreifer zuckte zurück, nur um erneut getroffen zu werden, diesmal tödlich.
Mookar verschwendete nur einen winzigen Sekundenbruchteil, um Sia anzuschauen. War das Anerkennung oder Dankbarkeit oder auch Verwunderung über diese schmale, zierliche Gestalt, die den Tod säte wie jeder größere und kräftigere Freie, und das mit einem Gleichmut, der jedem auffallen musste, der Augen im Kopf hatte?
Sia war gut, brillant, auf eine brutale, das Leben negierende Art und Weise, aber sie war nicht genug
, und Ryks Hilflosigkeit war so offensichtlich, dass sie jetzt zu schmerzen begann. Er verspürte den Drang, sich in den Kampf zu stürzen und seinen Wert unter Beweis zu stellen, zu zeigen, dass er kein Trittbrettfahrer war, keiner, der sich nur von den anderen helfen ließ. Er machte, überwältigt von einem plötzlichen Schuldgefühl, einen Schritt nach vorne.
Das war ein Fehler. Momos Arm traf ihn und schubste ihn nach hinten, sodass er stolperte. Momo fand, dass er keine Hilfe war. Momo hatte natürlich recht.
Es war trotzdem erniedrigend.
Ryk rappelte sich wieder auf, die Waffe bereit. Er feuerte wieder, irritierte wieder. Und dann war das Magazin leer und er war so schlau wie zuvor.
Nun ahnte er den Schatten mehr, als dass er ihn sah, und wich instinktiv zur Seite, eine schnelle Reaktion, aber nicht schnell genug. Er spürte noch, wie der Schmerz in seinem Kopf explodierte. Er ruderte mit den Armen und fasste ins Nichts. Schrie er? Stöhnte er nur? Fiel er lautlos?
Sia schrie etwas. Er wollte nicht, dass sie sich sorgte.
Was für ein absurd dummer Gedanke.
Es war bis auf Weiteres sein letzter.