Kapitel 13

Gedankenverloren betrat Molly die Redaktion. Es war früh am Morgen und bis auf Hilary, die den Empfang betreute, war niemand anwesend. Unwillkürlich kam ihr die Erinnerung an den ersten Besuch bei der Maple Creek News Time in den Sinn – sie wusste jedes Wort, das gesprochen worden war. Immerhin hatte ihr Franklin anlässlich dieses Termins das Jobangebot gemacht. Damals war ihr Hilary desinteressiert, nahezu unwirsch erschienen, heute war ihr bewusst, welche Arbeiten die Frau zu bewältigen hatte. Viel Zeit für Höflichkeiten beim Begrüßen von Gästen blieb ihr nicht. Sie war ein Multitalent, was die Büroorganisation betraf. Der Empfang war nur eine von ihren Aufgaben. Darüber hinaus war sie Franklins Sekretärin, erledigte die Buchhaltung und verwaltete die Termine der Redakteure sowie den Anzeigenverkauf.

Es duftete nach frischem Kaffee, und Molly bog in die kleine Küche ab, bevor sie sich zu ihrem Schreibtisch begab. Sie goss den dampfenden Kaffee aus der Kanne in eine Tasse, dann ging sie zu ihrem Platz und setzte sich.

Seit sich auch Pamela und Lilly für eine Familie entschieden hatten, geisterten bestimmte Fragen immerwährend durch ihren Kopf: Wie würden Nat und sie die Zukunft gestalten? Was hatte das Schicksal vorgesehen? Wollte Nat Kinder, überhaupt je heiraten? Molly war klar, dass sie ohne die aktuellen Anlässe wahrscheinlich nicht begonnen hätte, darüber nachzudenken, doch nun hatte sich das Thema in ihr festgesetzt und würde sich nicht verdrängen lassen. Wie hatte Nat es im Zuge von Pamelas und Lillys Eröffnung formuliert? Unsere Familie wächst. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.

Ein Schauer lief über Mollys Rücken, und etwas in ihr verkrampfte sich. Sie meinte, Nat inzwischen wie keinen anderen Menschen zu kennen. Aber entsprach diese Annahme der Wahrheit? Wie gut hatte man die Person tatsächlich erfasst, wenn man solch gewichtige Fragen nicht beantworten konnte? Es war eine Sache zu wissen, wie Nat seinen Frühstückskaffee trank und welches Filmgenre er bevorzugte. Eine ganz andere, mit Entschiedenheit zu sagen, ob er etwa die Ehe als grundlegende Institution ablehnte oder befürwortete, und wie er dazu stand, Vater zu werden – mit allen Pflichten und Aufgaben, die damit verbunden waren.

Mit einer energischen Geste öffnete Molly den Laptop. Während sie sich ermahnte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, ließ sie den Blick über den Schreibtisch gleiten. Franklin hatte ihr einen Zettel hingelegt, dass er heute erst gegen zehn Uhr kommen würde, und Emilia hatte ihren Artikel über die Baumrodungen hinterlassen. Sie zog die Blätter aus der Klarsichthülle und begann zu lesen.

Als sie am Ende ankam, ließ sie den Bericht sinken und atmete tief durch. Emilia hatte eine gut recherchierte und informative Abhandlung verfasst, allerdings fehlte genau jener Teil, den sie ihr aufgetragen hatte – nirgendwo konnte Molly einen einzigen Satz über die Meinung der im Valley lebenden Menschen finden. Emilia hatte ihre Anweisung schlichtweg ignoriert und den Artikel so geschrieben, wie sie es richtig fand. Daher mangelte es dem Text genau an der menschlichen Note, die den Leser direkt in den Inhalt hineinzog und ihn persönlich beteiligte. Die Maple Creek News Time war keine Wirtschaftszeitung, die pure Zahlen und Fakten präsentierte, sondern ein wöchentlich erscheinendes Regionalblatt, das von den Menschen der Umgebung gelesen wurde – und darauf hatte man als Journalist Rücksicht zu nehmen.

Kurz überlegte Molly, ob sie Emilia den Bericht, versehen mit entsprechenden Bemerkungen, auf ihren Schreibtisch zurücklegen sollte, entschied sich aber anders. Sie durfte nicht vor einer Diskussion zurückschrecken, zumal diese ohnehin früher oder später stattfinden würde. Emilia musste erkennen, wie die Zusammenarbeit verlief, und dabei ging es nicht nur um die Akzeptanz von Mollys Weisungen. De facto bedeuteten die nächsten notwendigen Schritte nämlich vergeudete Stunden: Sie musste nochmals mit Emilia reden, die den Artikel dann umzuschreiben hatte und ihr abermals zur Begutachtung übergab. Das war ineffizient.

Dass sich Molly selbst gedanklich zu intensiv und lange mit der Angelegenheit auseinandersetzte und grübelte, weil es einfach ihrem Naturell entsprach, kam erschwerend hinzu. Ihr Lernprozess startete mit der Abgrenzung von Vorfällen wie diesem. Wenn sie ständig allen Kleinigkeiten nachhing, würde ihr Kopf bald platzen. Sie durfte sie nicht als Mahnmale in ihrem Gehirn prangen lassen. Sowohl im beruflichen Bereich als auch im privaten – die momentane Situation bewies das – waren ständig Aufgaben zu bewältigen, und es gab Dinge, die nicht sofort zu klären waren.

Emilia etwa musste in die Schranken gewiesen werden. Es handelte sich um eine Hürde, war diese erst genommen, konnte Molly einen Haken darunter setzen. Was in der Folge geschah, würde sich weisen.

Das Sinnieren über Nats Vorstellungen, was Heirat und Familie betraf, war im Grunde noch leichter aus der Welt zu schaffen. Anstatt zu bangen und sich im Kreis zu drehen, sollte sie die Frage stellen: Nat, willst du einmal heiraten und Kinder haben?

Molly hatte Antworten parat, warum sie unfähig war, das Thema direkt anzusprechen. Keinesfalls wollte sie den Eindruck erwecken, Nat unter Druck zu setzen. Selbst die vorsichtigste Formulierung würde in ihm etwas auslösen, das den Verlauf ihrer Beziehung beeinflusste – der Schuss ging nach hinten oder vorne los. Außerdem widerstrebte es ihr, hier den ersten Schritt zu tun, wo sie sich doch wünschte, dass er von diesem Traum zu sprechen begann. Sie durfte nicht der Initiator sein, es gehörte umgekehrt.

Dorothy hatte ihr schon oft Sturheit und falschen Stolz unterstellt – damit lag sie nicht falsch. Hatte sich ein gewisses Bild erst manifestiert, war sie schwer davon abzubringen. Dem gegenüber stand das grundsätzliche Gefühl, einem anderen Menschen nichts aufzwingen zu wollen. Es war wahrlich eine schwierige Mischung, die allein ihr selbst schadete. Von wegen einfach aus der Welt zu schaffen!

Mit einem Seufzer zog Molly den Ordner mit der Aufschrift MCNT OP – Maple Creek News Time Onlinepräsenz – zu sich und öffnete ihn. Auf der Stelle würde sie keine Lösung für ihr ewiges Dilemma finden.